· Fachbeitrag · Vorzeitig in Rente (Teil 2)
Rentenabschläge aufgrund vorzeitiger Rente: Rentenbeiträge geschickt auffüllen
| Viele Arbeitnehmer überlegen, ob sie nach einem langen Berufsleben vorzeitig die gesetzliche Altersrente beantragen sollen. Vorzeitig bedeutet, dass sie nicht über 45 Beitragsjahre verfügen und daher bei ihrer Altersrente Abschläge in Kauf nehmen müssten. Diese Rentenabschläge kann der Arbeitnehmer, aber auch der Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer steuer- und beitragsmindernd ausgleichen. Wie das geht, erläutert SR in einer Beitragsserie. Im zweiten Teil erfahren Sie nun, wie sich der Beitrag zum Ausgleich der vollständigen Rentenminderung geschickt auffüllen lässt. |
1. Zahlung der Beiträge auch durch Dritte
Nicht nur der Versicherte kann seinen Beitrag zum Ausgleich der Rentenminderung entrichten. Auch ein Dritter kann den Betrag zahlen, z. B. der Arbeitgeber in Form einer Prämie, Jubiläumszuwendung, Entlassungsabfindung. Steuerlich wirken sich die Zahlungen höchst unterschiedlich aus.
2. Prämie zur Aufstockung der Rente
Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer eine Prämie zur Aufstockung der Rente zahlen, um etwa eine besondere Leistung des Arbeitnehmers zu honorieren. Dies stellt einen geldwerten Vorteil dar, der allerdings in voller Höhe steuer- und beitragspflichtig ist. Denn Prämien, die einem Beschäftigten im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zufließen, gehören zum Arbeitslohn (BFH 11.3.88, VI R 106/84).
3. Jubiläumszuwendung zur Aufstockung der Rente
Auch Jubiläumszuwendungen lassen sich für die Aufstockung der Rente verwenden. Diese sind Sonderzuwendungen des Arbeitgebers, die aus Anlass eines Dienstjubiläums (25, 40 oder 50 Jahre) gezahlt werden.
Jubiläumszuwendungen gehören zum lohnsteuer- und beitragspflichtigen Arbeitslohn. Lohnsteuerlich handelt es sich um „sonstige Bezüge“ und bei der Sozialversicherung um Einmalzahlungen. Zudem handelt es sich um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit. Somit ist die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zu prüfen ‒ Stichwort: Fünftel-Regelung.
Ob bei der Jubiläumszuwendung die Fünftel-Regelung zum Zug kommen kann, hängt davon ab, ob eine Zusammenballung von Einkünften vorliegt. Nach dem „Abfindungs-Erlass“ des BMF ist dies in 2 Schritten zu prüfen (BMF 1.11.13, IV C 4 ‒ S 2290/13/10002, Abruf-Nr. 133457, BMF 24.5.04, IV A 5 ‒ S 2290 ‒ 20/04, Abruf-Nr. 042593).
- Schritt 1: Die Jubiläumszuwendung muss insgesamt innerhalb eines Kalenderjahrs zufließen.
- Schritt 2: Die Fünftel-Regelung darf angewandt werden, wenn schon die Jubiläumszuwendung über dem Betrag liegt, den der Arbeitnehmer bei Weiterbeschäftigung noch bis Jahresende verdient hätte. Ist das nicht der Fall, darf die Fünftel-Regelung angewandt werden, wenn die Summe der im Kalenderjahr bezogenen und dem voraussichtlich noch zu zahlenden Arbeitseinkünfte höher ist als der Jahresarbeitslohn.
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Die alleinstehende kinder- und konfessionslose Arbeitnehmerin A (geboren am 25.12.1955) wohnt und arbeitet in den alten Bundesländern. Sie ist bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert, die einen Zusatzbeitrag von 1,1 % verlangt. Sie hat im Jahr 2018 einen steuerpflichtigen Bruttolohn von 56.810,00 EUR. A möchte ab dem 1.1.19 in Rente gehen, also 33 Monate früher. Der Beitragsaufwand zum vollständigen Ausgleich der Rentenminderung von 5,9400 persönlichen Entgeltpunkten beträgt für die Versicherte 46.441,30 EUR (Einzelheiten zur Berechnung LGP 10/2018, Seite 171). A möchte den Betrag von 46.441,30 EUR an die Deutsche Rentenversicherung überweisen, um die Rentenabschläge auszugleichen.
Sie feiert im Dezember 2018 ihr 40-jähriges Dienstjubiläum. Aus diesem Anlass gewährt ihr der Arbeitgeber eine Jubiläumszuwendung in Höhe von 46.441,30 EUR, die zum Aufstocken der Rente verwendet und an die Deutsche Rentenversicherung überwiesen wird.
Ergebnis: Der Arbeitgeber darf die Fünftel-Regelung anwenden, weil eine „Zusammenballung“ von Einnahmen vorliegt. Denn die 103.251,30 EUR sind höher als der Jahresbruttolohn von 56.810,00 EUR. |
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Ergebnis: Die Fünftel-Regelung ist für A günstiger. Ohne die Fünftel-Regelung sind 1.277,00 EUR (= 29.990,00 EUR ./. 28.713,00 EUR) mehr an Lohnsteuer zu entrichten. Beim Solidaritätszuschlag sind es 70,24 EUR (= 1.649,45 EUR ./. 1.579,21 EUR), insgesamt also 1.347,24 EUR. | ||||||||||||||||||||||||||
Gesamtbelastung Arbeitgeber: 103.251,30 EUR (sozialversicherungspflichtiger Bruttolohn) + 12.977,33 EUR (Arbeitgeber-Anteil/Sozialversicherungsbeiträge) = 116.228,63 EUR. Seitens der Sozialversicherung gibt es keine Sonderregelung bei Errechnung der Beiträge. Die Jubiläumszuwendung wird als Einmalzahlung verbeitragt. |
4. Entlassungsabfindung zur Aufstockung der Rente
Der Arbeitgeber kann auch eine Entlassungsabfindung zur Aufstockung der Rente verwenden. Wie bei der Gewährung einer Jubiläumszuwendung ist auch hier zu prüfen, ob die Fünftel-Regelung möglich ist (Zufluss in einem Jahr und Zusammenballung von Einkünften erforderlich, siehe oben).
a) Ausfall der Einnahmen von dritter Seite oder unter Druck herbeigeführt
Bei der Entlassungsabfindung handelt es sich um eine Entschädigung, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt wird (§ 24 Nr. 1a EStG). Eine Entschädigung nach §§ 24 Nr. 1a, 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG setzt voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, soweit er vom Steuerpflichtigen selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dass dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand.
Beachten Sie | Der BFH hat jetzt entschieden: Zahlt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Zuge der (einvernehmlichen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, sind tatsächliche Feststellungen zu der Frage, ob der Arbeitnehmer dabei unter tatsächlichem Druck stand, regelmäßig entbehrlich (BFH 13.3.18, IX R 16/17, Abruf-Nr. 202257).
b) Entlassungsabfindung ist beitragsfrei
Was die Sozialversicherung angeht, bleibt eine Entlassungsabfindung beitragsfrei, wenn sie als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährt wird (BAG 9.11.88, 4 AZR 443/88, BSG 21.2.90, 12 RK 20/88). Das hat den Vorteil, dass ‒ anders als bei der Jubiläumszuwendung ‒ hierauf keine Sozialversicherungsbeiträge anfallen.
5. Zahlung an Rentenversicherung statt Entlassungsabfindung
In einer Abfindungsregelung kann sich der Arbeitgeber auch zum Ausgleich der Rentenminderung nach § 187a SGB VI bereit erklären. Steuer- und beitragsfrei für den Arbeitnehmer sind jedoch nur 50 Prozent des Ausgleichsbetrags (§ 3 Nr. 28 EStG, § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SVeV). Dies hat auch der BFH bestätigt (BFH 17.5.17, X R 10/15, Abruf-Nr. 197248).
Leistet der Arbeitgeber einen höheren Beitrag an die Rentenversicherung, ist der übersteigende Betrag zwar steuerpflichtig. Aber er ist als Entschädigung nach § 24 Nr. 1 EStG (= Entlassungsabfindung) zu sehen und kann unter den entsprechenden Voraussetzungen begünstigt besteuert werden (Stichwort: Fünftel-Regelung). Die Entlassungsabfindung ist beitragsfrei in der Sozialversicherung, wenn sie für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährt wird.
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Die Arbeitnehmerin A schließt mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag. Ab dem 1.1.19 soll sie in Rente gehen, also 33 Monate vorzeitig, weil der Arbeitgeber ihren Arbeitsplatz wegrationalisiert. Der Arbeitgeber erklärt sich in einer Abfindungsregelung bereit, 23.220,65 EUR (Variante 1) bzw. 46.441,30 EUR (Variante 2) zu überweisen, um die Rentenabschläge nach § 187a SGB VI auszugleichen.
Ergebnis: Steuer- und beitragsfrei für den Arbeitnehmer sind 50 % des Ausgleichsbetrags, also die 23.220,65 EUR. Die Steuerbelastung errechnet sich daher allein anhand des Jahresarbeitsbruttolohns und beträgt insgesamt 11.840,26 EUR. Zahlt die Arbeitnehmerin auch 23.220,65 EUR ein, kann sie den Betrag als Sonderausgaben geltend machen. 2018 sind das 86 %.
Variante 2: Der Arbeitgeber zahlt zum Ausgleich der Rentenabschläge 46.441,30 EUR ein. Steuer- und beitragsfrei ist das für 23.220,65 EUR möglich. Für die anderen 23.220,65 EUR darf er die Fünftel-Regelung anwenden, weil eine Zusammenballung von Einnahmen vorliegt. Denn die 80.030,65 EUR (56.810,00 EUR + 46.441,30 EUR : 2) sind höher als der Jahresbruttolohn von 56.810,00 EUR. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Folgende Vergleichsberechnung ergibt demnach:
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Die Entlassungsabfindung ist beitragsfrei in der Sozialversicherung, da sie als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährt wird. SV-Beiträge fallen nur auf den Jahresarbeitsbruttolohn von 56.810,00 EUR an.
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Ergebnis: Die Fünftel-Regelung ist für A günstiger. Ohne Anwendung der Fünftel-Regelung sind 21.326,82 EUR, mit Fünftel-Regelung sind 20.733,91 EUR an Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag fällig. Das sind 592,91 EUR Differenz. Die Zahlung des Arbeitgebers zum Ausgleich der Rentenabschläge in Höhe von 46.441,30 EUR „kostet“ A nur ein Mehr an Steuern von 8.893,65 EUR (= 20.733,91 EUR ./. 11.840,26 EUR) und keine weiteren Sozialversicherungsbeiträge. Das sind die Vorteile gegenüber der Jubiläumszuwendung. |
Weiterführender Hinweis
- Beitrag Rentenabschläge aufgrund vorzeitiger Rente: Rentenbeiträge geschickt auffüllen ‒ Teil 1, SR 11, 195 171