· Fachbeitrag · Werbungskosten
Neue Gestaltungsempfehlungen zum steuerlichen Reisekostenrecht 2014
| Gut eineinhalb Jahre ist es her, dass das neue Reisekostenrecht in Kraft getreten ist. Ganz durchdrungen hat es wohl noch niemand. Zug um Zug kommen neue Gestaltungsüberlegungen ans Tageslicht, wie man das neue Recht nutzen kann, um die Steuern zu minimieren. WISO macht Sie mit ausgewählten Gestaltungen vertraut. |
Häusliches Arbeitszimmer als erste Tätigkeitsstätte?
In vielen Fällen wäre es für Arbeitnehmer steuerlich sicherlich vorteilhaft, wenn das häusliche Arbeitszimmer die erste Tätigkeitsstätte wäre. Dann dürften die Fahrten zur Einrichtung des Arbeitgebers mit den tatsächlichen Kosten oder mit 0,30 Euro pro gefahrenem Kilometer und nicht nur mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend gemacht werden.
Die Meinung der Finanzverwaltung
Das BMF hat bereits klargestellt, dass das häusliche Arbeitszimmer niemals eine erste Tätigkeitsstätte darstellen kann, selbst wenn der Arbeitgeber einen Raum in der Wohnung des Arbeitnehmers anmietet (BMF, Schreiben vom 24.10.2014, Az. IV C 3 - S 2221/12/10010; Randziffer 3). Wer durchsetzen will, dass sein häusliches Arbeitszimmer als erste Tätigkeitsstätte berücksichtigt wird, muss deshalb wohl den Klageweg beschreiten.
Argumente für ein Klageverfahren
Im Gesetz (§ 9 Abs. 4 EStG) findet sich kein Hinweis darauf, dass ein häusliches Arbeitszimmer eine erste Tätigkeitsstätte sein kann. Es schließt es aber auch nicht aus.
Ob eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, bestimmt sich vorrangig anhand der dienst- und arbeitsrechtlichen Festlegung durch den Arbeitgeber. Warum darf der Arbeitgeber aber nicht auch das häusliche Arbeitszimmer anmieten und dieses Zimmer als erste Tätigkeitsstätte festlegen?
PRAXISHINWEIS | In anderen Bereichen (zum Beispiel Vermietung und Verpachtung) kann die Wohnung durchaus eine erste Tätigkeitsstätte darstellen (R 21.2 Abs. 4 S. 2 und 3 EStR). Konsequenterweise müsste dieser Grundsatz dann auch beim Reisekostenrecht gelten. |
Arbeiten in weitreichendem Tätigkeitsgebiet
Sind Post- oder Paketzusteller in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet eingesetzt, dürfen sie für Fahrten zum Beginn dieses Einsatzgebiets nur die Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend machen. Ein Schorn-steinfeger wird anders behandelt. Ist er im gleichen Tätigkeitsgebiet eingesetzt, befindet er sich dauerhaft auf einer beruflichen Auswärtstätigkeit und kann die Fahrtkosten zum weitläufigen Tätigkeitsgebiet mit den tatsächlichen Kosten oder 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer geltend machen.
PRAXISHINWEIS | Manche Fachmedien haben berichtet, dass sich Zusteller gegen diese Ungleichbehandlung generell mit einer Klage wehren sollten. WISO rät davon ab, weil die Ungleichbehandlung für Zusteller steuerlich auch vorteilhaft sein kann. Fährt der Zusteller nämlich jeden Tag von zu Hause aus mit einem betrieblichen Transporter zum weitläufigen Tätigkeitsgebiet, könnte er ohne diese Ungleichbehandlung keine Werbungskosten für die Fahrten geltend machen. Befindet sich nämlich ein Arbeitnehmer auf einer Auswärtstätigkeit, kann er nur Werbungskosten geltend machen, wenn ihm tatsächlich Kosten entstanden sind. Das wäre nicht der Fall, wenn er einen betrieblichen Transporter nutzt. |
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Ein Zusteller für Kataloge darf einen Kleintransporter seines Arbeitgebers nutzen. Die Entfernung zwischen Wohnung und weitläufigem Tätigkeitsgebiet beträgt 30 km. Am Beginn des Tätigkeitsgebiets lagern am Straßenrand die dicken Kataloge, die der Arbeitnehmer in den Transporter verlädt und anschließend an die Kunden verteilt. Er fährt das Tätigkeitsgebiet an 220 Tagen an.
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Gestaltungen zur doppelten Haushaltsführung
Um den Werbungskostenabzug bei einer doppelten Haushaltsführung zu optimieren, gibt es zwei Empfehlungen:
Vierwöchiger Urlaub lohnt sich
Höhere Werbungskosten dank ausgedehnten Urlaubs? Ja, das funktioniert im neuen Reisekostenrecht. Prinzipiell kann Verpflegungsmehraufwand bei einer längerfristigen beruflichen Auswärtstätigkeit nur für die ersten drei Monate als Werbungskosten berücksichtigt werden. Wird die Auswärtstätigkeit aber für mindestens vier Wochen unterbrochen, beginnt eine neue Dreimonatsfrist für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen (§ 9 Abs. 4a S. 7 EStG). Folglich lohnt sich in dem Fall auch ein vierwöchiger Urlaub. Denn der Gesetzgeber interessiert sich nicht dafür, aus welchen Gründen eine Auswärtstätigkeit unterbrochen wird.
PRAXISHINWEIS | Eine neue Dreimonatsfrist durch eine vierwöchige Unterbrechung wieder aufleben zu lassen, gilt auch für die doppelte Haushaltsführung (§ 9 Abs. 4a S. 12 in Verbindung mit S. 7 EStG). |
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Ein Dozent an einer Hochschule unterrichtet in München. Dort hat er auch eine Zweitwohnung. Seinen Erstwohnsitz hat er in Hamburg. Der Semesterplan sieht folgendermaßen aus.
Die Unterbrechungen zwischen Winter- und Sommersemester dauern jeweils länger als vier Wochen. Sie führen dazu, dass der Dozent jedes Jahr sechs Monate lang Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten abziehen darf. |
Finanzielle Beteiligung an Kosten der Lebensführung
Arbeitnehmer können eine doppelte Haushaltsführung auch geltend machen, wenn sie am Wohnort keine eigene angemietete Wohnung haben. Sie müssen nur nachweisen, dass sie sich an den Kosten der Lebensführung ihres Haushalts am Wohnort (zum Beispiel Wohnung der Lebensgefährtin) zu mehr als zehn Prozent beteiligen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG). Wie diese Nachweise aussehen müssen, ist weder im Gesetz noch in Verwaltungsanweisungen geregelt. WISO beurteilt drei „Kostenbeteiligungsmodelle“:
Form der Beteiligung | Geeigneter Nachweis |
Kauf eines TV-Geräts | Nein. Hier handelt es sich nicht um eine Beteiligung an den laufenden Kosten des Haushalts. |
Hausarbeit statt Zahlung | Nein. Der Gesetzgeber fordert ausdrücklich eine finanzielle Beteiligung an der Haushaltsführung. |
Geldzahlungen von mehr als zehn Prozent der Haushaltskosten | Ja. WISO empfiehlt, das Geld zu überweisen und andere Belege (Rechnungen) laufender Haushaltskosten aufzubewahren. |
Sammelbeförderung bei wechselnden Tätigkeitsstätten
Werden Arbeitnehmer im Rahmen einer Sammelbeförderung vom Arbeitgeber zu ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder verschiedenen Stellen eines weiträumigen Arbeitsgebiets chauffiert, war das für den Arbeitnehmer steuerfrei (Richtlinie 3.32 Nr. 2 EStR). In den EStÄR 2015 wurde dieser Hinweis gestrichen. Bedeutet das, dass solche Sammelbeförderungen künftig lohnsteuerpflichtig sind?
PRAXISHINWEIS | Nein. Die Sammelbeförderung ist nach wie vor steuerfrei. Die Streichung dieser Aussage in den EStÄR 2015 hatte nur redaktionelle Gründe. Denn die Steuerbefreiung der Sammelbeförderung von Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte (mit ständig wechselnden auswärtigen Tätigkeiten) wird nun von § 3 Nr. 16 EStG erfasst und nicht mehr von § 3 Nr. 32 EStG (BMF, Schreiben vom 19.5.2015, Az. IV C 5 - S 2353/15/10002, Abruf-Nr. 144572). |