Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 07.09.2011 · IWW-Abrufnummer 112988

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 10.05.2011 – 12 K 127/10

    1.Zu den Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 EStG.



    2.Ähnlich den Kosten, die durch eine Diätverpflegung entstehen, können auch Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel nicht als agB abgezogen werden.


    Niedersächsisches Finanzgericht v. 10.05.2011

    12 K 127/10

    Tatbestand
    Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt außergewöhnlicher Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).

    Die Klägerin, die mit ihrem Ehemann dem Kläger zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, ist an Multiple Sklerose erkrankt. In ihren gemeinsamen Einkommensteuererklärungen der streitigen Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 machten die Kläger im Zusammenhang mit der Erkrankung der Klägerin u. a. Aufwendungen für diverse nicht verschreibungspflichtige Tabletten, Kapseln und Tropfen als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) geltend, die das beklagte Finanzamt…in den für die Streitjahre ergangenen Einkommensteuerbescheiden mit der Begründung unberücksichtigt ließ, dass die durch die Behinderung entstandenen Aufwendungen durch die Gewährung des Behindertenpauschbetrages abgegolten seien.

    Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren erhobenen Klage. Nach ihrer Ansicht handele es sich bei den streitbefangenen Aufwendungen um Krankheitskosten der Klägerin, die unter dem Gesichtspunkt außergewöhnlicher Belastungen gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen seien. Im Jahr 2005 habe der die Klägerin behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. med. X festgestellt, dass die Klägerin aufgrund ihrer eingeschränkten Nahrungsaufnahmefähigkeit und wegen ihrer eingeschränkten körperlichen Aktivität verbunden mit einem verminderten Kalorienverbrauch infolge ihrer Grunderkrankung Multiple Sklerose ihre erforderlichen Vitalstoffe über die natürliche Ernährung nicht in ausreichendem Maße aufnehmen könne. Vor diesem Hintergrund sei sodann ein Nahrungsmittel Screen vorgenommen worden. Im Anschluss hieran habe Herr Dr. X die Notwendigkeit der Nahrungsergänzung bei der Klägerin festgestellt und auch bescheinigt. Die Klägerin habe dann die unterschiedlichsten Tabletten, Kapseln und Tropfen in den Streitjahren gekauft, um ihre Krankheit zum Stillstand zu bringen bzw. sogar eine leichte Verbesserung ihrer gesundheitlichen Verfassung zu bewirken.

    Da es sich bei diesen Tabletten mit den unterschiedlichsten Wirkstoffen nicht um verschreibungspflichtige Medikamente gehandelt habe, sondern diese rezeptfrei hätten besorgt werden können, seien diesbezüglich auch keine separaten Rezepte ausgestellt worden. Der Wirkungsgrad der vorerwähnten Mittel behebe zum Einen den Mangelzustand, der auf der eingeschränkten Nahrungsaufnahmefähigkeit der Klägerin beruhe und diene zum Anderen der Therapie ihrer Krankheiten insgesamt. Insbesondere habe es sich bei den geltend gemachten Aufwendungen nicht um eine Diätverpflegung sondern um Arzneimittel gehandelt.

    Die Kläger beantragen,

    unter Änderung der Einkommensteuerbescheide vom 2. Januar 2007 und 24. April 2008 sowie Aufhebung des hierzu ergangenen Einspruchsbescheides vom 19. Februar 2010 die Einkommensteuern 2005 und 2006 soweit herabzusetzen, wie sie sich mindern, wenn an außergewöhnlichen Belastungen (§ 33 EStG) „Krankheitskosten” vor Abzug der zumutbaren Belastung für 2005 insgesamt … € sowie für 2006 insgesamt … € berücksichtigt werden.

    Das beklagte Finanzamt…beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die streitbefangenen Aufwendungen könnten nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Denn sie unterfielen dem Abzugsverbot des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG. Danach könnten Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Da nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unter Diät die auf die Bedürfnisse des Patienten und der Therapie der Erkrankung abgestimmte gesamte Ernährung zu verstehen sei, fielen unter das Abzugsverbot auch die von den Klägern geltend gemachten Kosten für den Erwerb der Vitalstoffe und Vitaminpräparate.

    Im Übrigen gelte das Abzugsverbot auch dann, wenn die Diät wie im Streitfall aufgrund ärztlicher Verordnung unmittelbar als Therapie eingesetzt werde und damit im medizinischen Sinne Medikamentencharakter aufweise.

    Gleiches gelte, wenn die Diät nicht nur neben, sondern an die Stelle einer medikamentösen Behandlung trete. Denn für die steuerliche Behandlung könne es keinen Unterschied machen, ob zusätzlich noch Aufwendungen für Medikamente anfielen oder nicht.

    In der vom behandelnden Arzt der Klägerin im Streitjahr 2005 in Auftrag gegebenen Untersuchung „Screen Nahrungsmittelunverträglichkeiten” heißt es u. a.:

    „Im Serum von Frau … fanden sich leicht erhöhte IgE Antikörperkörperspiegel gegen besonders häufige Nahrungsmittelallergene (Kuhmilch, Ei, Soja, Erdnuss, Weizen). Auch allergenspezifische IgG4 Antikörper ließen sich in erhöhten Konzentrationen nachweisen. Antikörper gegen Pollen waren nicht vorhanden.

    Da sich hinter dem grenzwertigen IgE Ergebnis im Einzelfall durchaus ein klinisch relevanter Befund gegenüber einem der Allergene verbergen kann, raten wir zu einer Einzeluntersuchung, der im Pool getesteten Nahrungsmittel (Kuhmilch, Ei, Soja, Erdnuss, Weizen)…” (Drucktechnische Hervorhebung und Kursivschrift entsprechen dem Schriftbild des Original-Schreibens, vgl. Bl. 26 der Gerichtsakte).

    Herr Dr. X hat unter dem 2. März 2007 und 15. November 2008 zur „Notwendigkeit der Nahrungsergänzung” der Klägerin ausgeführt:

    „… aufgrund Ihrer eingeschränkten Nahrungsaufnahmefähigkeit wegen der IgG 4 vermittelten Unverträglichkeiten und wegen Ihrer eingeschränkten körperlichen Aktivität/verminderter Kalorienverbrauch infolge der Grunderkrankung Multiple Sklerose können Sie die erforderlichen Vitalstoffe nicht über die natürliche Ernährung in ausreichender Form aufnehmen, daher ist eine Ergänzung notwendig. Diese Diagnose habe ich 2005 gestellt, es wird sich lebenslang nichts daran ändern.

    Die Faserstoffe und gesunden Bakterien können Sie zum Beispiel über Colon Formula bekommen, die notwendigen Vitalstoffe inklusive der wichtigen sekundären Pflanzenstoffe über ein Produkt, wie zum Beispiel Daily plus, die wichtigen Omega-3-Fettsäuren über ein Produkt wie z.B. EPA plus und die wichtigen hirngängigen Antioxidantien in Form von Anthocyanen und Procyaniden über ein Produkt wie z.B. Proanthenols. Bei anhaltender Obstipation kann Vitamin-C gut helfen. Ultraspurenelemente sollten nicht vergessen werden. Eine mögliche Quelle wäre das Produkt Micro Mins.

    Eine besondere antioxidative Wirkung mit mitochondrienregenerierender Wirkung wäre z.B. das Produkt Pro Sirtusan der Firma Tisso in Wenden.”

    Wegen der Bescheinigungen des behandelnden Arztes Dr. X ” wird auf Bl. 23 f der Gerichtsakte Bezug genommen.



    Gründe
    Die Klage hat keinen Erfolg.

    I. Einem Abzug der von den Klägern begehrten Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt außergewöhnlicher Belastungen gem. § 33 EStG steht entgegen, dass die von ihnen erworbenen Präparate als Nahrungsergänzungsmittel anzusehen sind, die dem in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG normierten Abzugsverbot für Diätverpflegung unterfallen.

    1.) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BStBl II BStBl 2005 II S. 2007, BStBl 2005 II S. 764). Zu den abziehbaren Krankheitskosten zählen solche Aufwendungen, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel geleistet werden, die Krankheit erträglich zu machen (BFH-Urteile vom 22. August 1980 VI R 138/77, BStBl 1981 II S. 23 und vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BStBl II 1981, 711). Keine außergewöhnliche Belastung wird dagegen durch die mit einer Krankheit verbundenen Folgekosten begründet (BFH-Urteile vom 12. Januar 2011 VI B 97/10, BFH/NV 2011, 640; vom 1. Dezember 1978 VI R 149/75, BStBl 1979 II S. 78 und vom 2. Dezember 1981 VI R 167/79, BStBl II BStBl 1979 II S. 1982, BStBl 1979 II S. 297). Kosten, die durch eine Diätverpflegung entstehen, können nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ebenfalls nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 21. Juni 2007 III R 48/04, BStBl. II 2007, 880; hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: Beschluss des BVerfG vom 6. Juli 2010 2 BvR 2164/07 ).

    a) § 33 EStG dient – im Wesentlichen in Ergänzung zu §§ 10, 32a Abs. 1 EStG – dazu, sicherzustellen, dass die Besteuerung erst jenseits des Existenzminimums einsetzt. Die Vorschrift will Fällen Rechnung tragen, in denen das Existenzminimum höher als im Normalfall liegt (BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BStBl II 1995, 774) und dient damit dem Gebot der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit (Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33 EStG Rz 1).

    aa) Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die nicht nur einer Minderheit entstehen, werden daher von § 33 EStG nicht erfasst (BFH-Urteil vom 3. März 2005 III R 12/04, BFH/NV 2005, 1287). Außerdem fallen nur solche Aufwendungen unter § 33 EStG, die existenziell erforderlich sind und weder vom Grundfreibetrag noch durch den Sonderausgabenabzug oder andere Abzugsbeträge erfasst werden. Dies können grundsätzlich nur solche Aufwendungen sein, die bereits ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen und insofern nur einer Minderheit entstehen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 III R 63/85, BStBl II 1990, 894).

    Zu den üblichen Aufwendungen für die Lebensführung rechnen auch die Kosten für die Verpflegung, gleichgültig, in welcher Höhe sie tatsächlich anfallen. Unterschiede der Lebenshaltungskosten, z.B. in Ballungsgebieten und ländlichen Gemeinden, sind grundsätzlich unbeachtlich.

    bb) Krankheitskosten erwachsen einem Steuerpflichtigen regelmäßig zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Sie gehören aber nur dann zu den nach § 33 EStG zu berücksichtigenden Aufwendungen, wenn sie zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen (BFH-Urteil vom 27. September 1991 III R 15/91, BStBl II 1992, 110). Bei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet und die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen weder dem Grunde nach (stets aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig) noch der Höhe nach (Angemessenheit und Notwendigkeit im Einzelfall) geprüft. Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Begriff der Krankheit einen anomalen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand voraus, der den Betroffenen „in der Ausübung normaler psychischer oder körperlicher Funktionen” beeinträchtigt, so dass er nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf.

    cc) Multiple Sklerose ist eine Krankheit in diesem Sinne, so dass Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für Arzneimittel, soweit es sie gibt, grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können, wenn ihre Zwangsläufigkeit oder Notwendigkeit durch ärztliche Verordnung nachgewiesen ist.

    Es bedarf an dieser Stelle keiner abschließenden Entscheidung, ob die von der Klägerin geltend gemachten streitbefangenen Aufwendungen als „Arzneimittel” und damit als typische und unmittelbare Krankheitskosten angesehen werden können.

    b) Denn die Aufwendungen der Klägerin betreffen „bloße” Nahrungsergänzungsmittel, zu denen auch Vitaminpräparate rechnen, so dass ihrer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG jedenfalls entgegen steht, dass es sich bei ihnen um Diätkosten handelt, die nach dem eindeutigen Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG und der Entstehungsgeschichte der Ausschlussnorm ausnahmslos nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind, auch wenn sie mit einer Krankheit im Zusammenhang stehen und ihre Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen wird. Dies gilt selbst dann, wenn die „Diät” – wie im Streitfall – eine medikamentöse Behandlung ersetzt.

    aa) Unter Diät ist die auf die Bedürfnisse des Patienten und der Therapie der Erkrankung abgestimmte Ernährung zu verstehen; sie kann in der Einschränkung der gesamten Ernährung in der Vermeidung bestimmter Anteile oder in der Vermehrung aller oder bestimmter Nahrungsanteile bestehen (s. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, Stichwort: Krankenkost/Diät). Zu den Diätformen gehören nicht nur kurzzeitig angewendete Einformdiäten sowie langzeitig angewandte Grunddiäten z.B. bei Gicht und Zuckerkrankheit, sondern auch langzeitige Sonderdiäten mit Anpassung an ständige Leiden, z.B. Zöliakie (Der Gesundheitsbrockhaus, 3. Aufl. 1984, Stichwort: Diätformen; BFH-Urteil vom 21. Juni 2007 III R 48/04, BStBl. II 2007, 880).

    Dass es sich im Streitfall um derartige „Diätkosten” handelt ergibt sich für den Senat sowohl aus den Stellungnahmen des behandelnden Arztes Dr. X vom 2. März 2007 und 15. November 2008 als auch aus den eigenen Angaben der Klägerin. Denn insoweit wird übereinstimmend stets von der „Notwendigkeit der Nahrungsergänzung” der Klägerin gesprochen, deren Ursachen in einer Nahrungsmittelunverträglichkeit und der Erkrankung an Multiple Sklerose bestehen.

    Soweit Zweifel bestehen könnten, ob und ggf. inwieweit Nahrungsergänzungsmittel dem Abzugsverbot des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG unterfallen, sieht das erkennende Gericht diese zum Einen durch die von der Rechtsprechung vorgenommene weite Auslegung des Begriffs der „Diätverpflegung” ausgeräumt. Zum Anderen darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber insoweit bewusst keinerlei Ausnahmen zugelassen hat. Nach den Unterlagen zur Gesetzesberatung anlässlich der Aufnahme dieser Vorschrift in das Einkommensteuergesetz ist es sogar ausdrücklich abgelehnt worden, Ausnahmeregelungen etwa für an Multiple Sklerose erkrankte Steuerpflichtige in die Gesetzesfassung aufzunehmen (vgl. hierzu nachfolgend).

    bb) Der Wille des Gesetzgebers zum umfassenden Ausschluss der Diätverpflegungsaufwendungen in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ist im Gesetzgebungsverfahren klar zum Ausdruck gekommen (BFH-Beschluss vom 3. August 2000 III B 5/00, BFH/NV 2001, 188). Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah zunächst Ausnahmen vom Abzugsverbot für krankheitsbedingte Diätmehraufwendungen bei Zuckerkrankheit und Multipler Sklerose vor (BTDrucks 7/1470, S. 281). Der Bundesrat (BTDrucks 7/1722, S. 11) und ihm folgend der federführende Finanzausschuss des Deutschen Bundestages (BTDrucks 7/2180, S. 20) hielten aber die Beschränkung auf diese beiden Ausnahmen für mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbar und sprachen sich deshalb für ein ausnahmsloses Abzugsverbot aus, das dann mit dem EStRG in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG eingeführt wurde.

    Auch wenn die an Multiple Sklerose erkrankte Klägerin zur Linderung ihres Leidens auf Diätverpflegung angewiesen ist (vgl. sowohl „Screen-Nahrungsmittel” als auch die Angaben ihres behandelnden Arztes Dr. X vom 2. März 2007 und 15. November 2008 „Notwendigkeit der Nahrungsergänzung”), so dass die entsprechenden Aufwendungen für die Diätverpflegung – wie andere Krankheitskosten auch – aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstehen (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 1991 III R 15/91, BStBl II 1992, 110), ist gleichwohl ihre steuerliche Berücksichtigung ausgeschlossen. Die Vorschrift enthält insoweit eine Einschränkung der regelmäßig als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Krankheitskosten; auf die Schwere der Krankheit kommt es dabei nicht entscheidend an ( FG Münster, Urteil vom 27. Juni 1991 14 K 6015/88, juris).

    cc) Nach ständiger Rechtsprechung sind Diätaufwendungen auch dann vom Abzug ausgeschlossen, wenn sie nicht nur neben, sondern anstelle von Medikamenten zur Linderung der Krankheit benötigt werden, d.h. wenn die Diätverpflegung an die Stelle einer medikamentösen Behandlung tritt, so bedauerlich dies im Einzelfall für den Steuerpflichtigen auch sein mag. Denn für die steuerliche Behandlung dieser Verpflegungskosten kann es keinen Unterschied machen, ob zusätzlich noch Aufwendungen für Medikamente anfallen oder nicht ( BFH-Urteil vom 27. September 1991 - II R 15/91 , BStBl II BStBl 1991 II S. 1992, BStBl 1991 II S. 110).

    Das Abzugsverbot nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG gilt danach selbst dann, wenn die Diät – wie im Streitfall – aufgrund ärztlicher Verordnung unmittelbar als Therapie eingesetzt wird und damit im medizinischen Sinne Medikamentencharakter aufweist (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 2007 III R 48/04, BStBl. II 2007, 880; FG Köln, Urteil vom 10. November 1989 - 7 K 5015/88 , Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1990, 356).

    c) Aufgrund des Ausschlusstatbestandes in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG sind daher die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen, da sie ausnahmslos Nahrungsergänzungsmittel darstellen nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Auf den Umstand, dass für das Streitjahr 2005 ein Teil der vorgelegten Rechnungen allein den Kläger als Rechnungsempfänger ausweisen, kommt es somit nicht (mehr) entscheidend an.

    2. Gegen das gesetzliche Verbot der Berücksichtigung von Diätverpflegungskosten in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG bestehen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Gericht nimmt insoweit auf die Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 21. Juni 2007 III R 48/04, BStBl. II 2007, 880 Bezug:

    Die Vorschrift ist selbst dann nicht verfassungswidrig, wenn die Diät an die Stelle medikamentöser Behandlung tritt ( BFH-Beschluss vom 9. Oktober 2004 III B 139/02 , BFH/NV 2004, 187). Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss nicht zur Entscheidung angenommen (s. BVerfG-Beschluss vom 21. April 2005 - 2 BvR 2100/03 ).

    a) Die Vorschrift verstößt nicht gegen den durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 ( BGBl 1994 I S. 3146) neu in das GG eingefügten Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, der die Benachteiligung Behinderter verbietet. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG räumt nach Wortlaut, Systematik und Zweck dem Behinderten nur ein subjektives Abwehrrecht gegen Benachteiligungen, aber grundsätzlich keinen Anspruch auf bestimmte Vergünstigungen im Vergleich zu Nichtbehinderten ein ( BFH-Urteil vom 9. Oktober 2004 III B 139/02 , BFH/NV 2004, 187; Osterloh in Sachs, Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 3 Rz 305; Gubelt in von Münch, Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl., Art. 3 Rz 104 b; Scholz in Maunz/Dürig/Herzog, Komm. z. GG, Art. 3 Rz 174 f.). Benachteiligung bedeutet nachteilige Ungleichbehandlung; Behinderte werden z.B. benachteiligt, wenn ihre Lebenssituation im Vergleich zu derjenigen nichtbehinderter Menschen durch gesetzliche Regelungen verschlechtert wird, die ihnen Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten vorenthalten, welche anderen offen stehen ( BVerfG-Beschluss vom 19. Januar 1999 - 1 BvR 2161/94 , BVerfGE 99, 341, BGBl 1999 I S. 699). Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist das Verbot einer Benachteiligung wegen Behinderung nicht geeignet, originäre Leistungsansprüche im Sozialrecht zu begründen ( BSG-Urteile vom 13. Mai 1998 B 14 EG 3/97 R, SozR 3-7833, § 6 Nr. 16, und vom 20. Februar 2002 B 11 AL 60/01 R, SozR 3-5765, § 9 Nr. 2).

    Eine nachteilige Gleichbehandlung wird dagegen von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht erfasst; die Vorschrift differenziert insoweit auch nicht zwischen Behinderten und Nichtbehinderten, so dass aus ihr keine Benachteiligung bzw. Diskriminierung von Behinderten abgeleitet werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass das BVerfG ( Kammerbeschluss des BVerfG vom 29. Oktober 1987 - 1 BvR 672/87 , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1989, 152) den Wegfall der Pauschbeträge für Diätverpflegung durch das EStRG verfassungsrechtlich nicht beanstandet hat.

    b) Das ausnahmslose Abzugsverbot gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da die Ungleichbehandlung zwischen Diätaufwendungen und unmittelbaren Krankheitskosten sachlich gerechtfertigt ist und auch nicht gegen den Grundsatz der Leistungsfähigkeit verstößt.

    II.1.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    2.) Die Revisionszulassung ergibt sich aus § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Im Hinblick auf die in Teilbereichen geänderte Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG soll den Klägern die Möglichkeit gegeben werden, die Frage der Abziehbarkeit von Nahrungsergänzungsmitteln im Falle einer Erkrankung an Multiple Sklerose unter besonderer Berücksichtigung des Abzugsverbots nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG höchstrichterlich überprüfen zu lassen.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 33