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  • 21.10.2011 · IWW-Abrufnummer 113451

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 27.09.2011 – 1 K 43/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FINANZGERICHT HAMBURG
    1 K 43/11
    27.09.2011
    Urteil - Senat
    Rechtskraft: -
    Tatbestand
    Streitig ist, ob nachträglich erklärte Unterhaltsleistungen des Klägers an die mit ihm zusammenlebende Mutter seines Sohnes als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.
    Der Kläger und seine Lebensgefährtin ... A sind die Eltern des am ... geborenen Sohnes ... B. Nach der Geburt des Kindes unterbrach die Lebensgefährtin des Klägers ihre Berufstätigkeit als ..., aus der sie ein Monatsnettoeinkommen von ca. 1200 € bis 1300 € erzielte, um sich der Betreuung des gemeinsamen Sohnes zu widmen. Bis Februar 2008 hatte sie aus ihrer vorangegangenen Tätigkeit und aus Mutterschaftsgeld eigene Einkünfte. Ab März 2008 benötigte sie Unterhalt. Im Zeitraum März bis November 2008 zahlte der Kläger an seine Lebensgefährtin monatlich 1100 € als Unterhalt, insgesamt 9900 €. Sie hatte eigene Einkünfte aus Gewerbebetrieb (ebay-Handel) im Zeitraum 16.10.2008 bis 31.12.2008 in Höhe von insgesamt 3965 € (678,50 € im Oktober, 1177,04 € im November und 2109,91 € im Dezember). Frau A besaß in 2008 Vermögenswerte in Höhe von insgesamt ca. 6750 € bis 7750 €.
    In der im August 2009 mit Elster-Formular 2008/2009 eingereichten Einkommensteuererklärung für 2008 erklärte der Kläger keine Unterhaltsleistungen.
    Der Mantelbogen zur Einkommensteuererklärung 2008 und der ihm entsprechende Hauptvordruck in Elster-Formular enthält in Zeile 102 die Angabe "Unterhalt für bedürftige Personen" und verweist ohne weitere Erläuterungen für die Geltendmachung geleisteter Aufwendungen auf die Anlage Unterhalt. Weitere Erläuterungen finden sich im Zusammenhang mit der Anlage Unterhalt. In der Anleitung zur Einkommensteuererklärung für 2008 sowie in der Hilfe zur Anlage Unterhalt in Elster-Formular heißt es dort: "Haben Sie bedürftige Personen unterhalten, für die niemand Anspruch auf Kindergeld oder Freibeträge für Kinder hat und die Ihnen oder Ihrem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigt sind, z. B. Eltern, Großeltern und Kinder, können Sie ihre nachgewiesenen Aufwendungen für jede unterhaltene Person bis zu 7.680 € jährlich geltend machen, wenn die unterhaltene Person kein oder nur geringes Vermögen besitzt." Hinweise auf die Mutter eines gemeinsamen Kindes finden sich in diesen Erläuterungen nicht. In Zeile 40 der Anlage Unterhalt zur unterstützten Person wird als eine Möglichkeit die Unterhaltsberechtigung als Kindesmutter/Kindesvater angesprochen. In Elster-Formular ist dies erst im Zuge der Bearbeitung der Anlage Unterhalt am Ende zu finden.
    Der Beklagte erließ am 28.09.2009 einen erklärungsgemäßen Einkommensteuerbescheid für 2008. Mit Schreiben vom 17.10.2010 beantragte der Kläger unter Beifügung einer Anlage Unterhalt die Berücksichtigung seiner Unterhaltsleistungen an seine Lebensgefährtin. Der Beklagte wies den Antrag mit Bescheid vom 24.11.2010 mit der Begründung zurück, den Kläger treffe ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der geleisteten Unterhaltszahlungen. Den am 20.12.2010 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 17.01.2011 als unbegründet zurück.
    Mit der am Montag, den 21.02.2011 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Berücksichtigung der von ihm an seine Lebensgefährtin geleisteten Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung gem. § 33a Einkommensteuergesetz (EStG). Der Kläger verweist hierzu auf seine Unterhaltspflicht gem. § 1615l des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und ist der Auffassung, ihn treffe kein grobes Verschulden daran, dass er die Unterhaltszahlungen erst nachträglich erklärt habe. Er habe weder § 33a EStG noch seine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Lebensgefährtin gekannt, sondern sei von freiwilligen Leistungen ausgegangen. Entsprechende Kenntnisse könnten von ihm als ... der ... ... ohne steuerrechtliche Fachkenntnisse auch nicht erwartet werden. Im Mantelbogen zur Einkommensteuererklärung für 2008 seien im Gegensatz zu dem Erklärungsvordruck für 2003 keine Fragen zu Unterhaltszahlungen enthalten (Anlagen K8 und K9).
    Der Kläger beantragt,
    den Bescheid vom 24.11.2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 17.01.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Unterhaltsleistungen des Klägers an seine Lebensgefährtin ... A in Höhe von 9900 € gemäß § 33a EStG zu berücksichtigen und den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 28.09.2009 entsprechend zu ändern.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Der Beklagte ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) für die Berücksichtigung der nachträglich erklärten Unterhaltszahlungen lägen nicht vor. Den Kläger treffe ein grobes Verschulden an der nachträglichen Erklärung dieser Zahlungen. Er habe trotz ausdrücklicher Frage nach Unterhalt für bedürftige Personen in Zeile 102 des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung für 2008 keine Angaben zu den von ihm geleisteten Unterhaltszahlungen gemacht und keine Anlage Unterhalt eingereicht. Dies reiche nach der ständigen Rechtsprechung für die Annahme eines groben Verschuldens aus.
    Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten I und die Rechtsbehelfsakte zur den Kläger betreffenden Steuernummer ... vorgelegen.
    Entscheidungsgründe
    I. Die Klage ist begründet.
    Die Ablehnung des vom Kläger gestellten Änderungsantrages durch den Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger durch die damit verbundene zu hohe Steuerfestsetzung in seinen Rechten, § 101 S. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die vom Kläger an seine Lebensgefährtin geleisteten Unterhaltszahlungen sind gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO im Wege einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung steuermindernd als außergewöhnliche Belastung gem. § 33a Abs. 1 EStG in Höhe von 4.373 € zu berücksichtigen.
    Steuerbescheide sind gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Die Berücksichtigung der vom Kläger nachträglich erklärten Unterhaltszahlungen an seine Lebensgefährtin als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 EStG in den dort genannten Grenzen würde zu einer niedrigeren Einkommensteuerfestsetzung führen.
    1. Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit ist dabei anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt. Ein solches grobes Verschulden kann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt. Gemäß § 150 Abs. 2 S. 1 AO sind die Angaben in den Steuererklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Um die Steuererklärung vollständig und wahrheitsgemäß abgeben zu können, muss der Steuerpflichtige das Erklärungsformular gewissenhaft durchlesen. Deshalb handelt ein Steuerpflichtiger regelmäßig grob schuldhaft, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtet (st. Rspr., BFH-Entscheidungen vom 29.06.1984, VI R 181/80, BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 196; 22.05.1992, VI R 17/91, BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80; 19.08.2008, III B 155/07, juris; 10.12.2009, X B 199/09, BFH/NV 2010, 598; FG München vom 18.10.2006, 1 K 1364/06, juris; FG Sachsen-Anhalt vom 30.06.2010, 2 K 742/09, EFG 2011, 1043). Der Senat folgt dieser Rechtsprechung und sieht keinen Anlass, für die Abgabe einer elektronischen Steuererklärung über Elster-Formular andere Maßstäbe anzulegen als für die Abgabe einer Steuererklärung in Papierform. Dies schließt jedoch nicht aus, Besonderheiten in der Übersichtlichkeit der elektronischen Steuererklärung zu berücksichtigen.
    Nach Auffassung des Senates ist Elster-Formular 2008/2009 zur Einkommensteuer für 2008 bezüglich Unterhaltsleistungen an die Kindesmutter als gesetzlich Unterhaltsberechtigte nicht so gestaltet, dass dem Kläger der Vorwurf groben Verschuldens im Hinblick darauf gemacht werden könnte, die Unterhaltsleistungen nicht bereits in der elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärung angegeben zu haben. Während im der Entscheidung des FG München vom 18.10.2006, 1 K 1364/06, juris, zu Grunde liegenden Jahr 2003 bereits im Mantelbogen zur Einkommensteuererklärung der Unterhalt für bedürftige Personen detailliert abgefragt und dabei auch die Möglichkeit der gesetzlichen Unterhaltsberechtigung als Kindesmutter in Zeile 109 angesprochen worden ist, enthält der Hauptvordruck in Elster-Formular 2008/2009 zur Einkommensteuer für 2008 wie der Mantelbogen zur Einkommensteuererklärung für 2008 lediglich den Hinweis auf die Anlage Unterhalt bezüglich des Unterhalts für bedürftige Personen. In der Anlage Unterhalt ist dann auch die Möglichkeit der gesetzlichen Unterhaltsberechtigung als Kindesmutter angesprochen. Bei Verwendung der elektronischen Steuererklärung über Elster-Formular 2008/2009 gibt es keine Erläuterungen zum Hauptvordruck Zeile 102 (Unterhalt für bedürftige Personen). Hier wird lediglich auf die Anlage Unterhalt hingewiesen. In der Hilfe zur Anlage Unterhalt findet sich dieselbe Erläuterung wie in der Anleitung zur Einkommensteuererklärung in Papierform: "Haben Sie bedürftige Personen unterhalten, für die niemand Anspruch auf Kindergeld oder Freibeträge für Kinder hat und die Ihnen oder Ihrem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigt sind, z. B. Eltern, Großeltern und Kinder, können Sie ihre nachgewiesenen Aufwendungen für jede unterhaltene Person bis zu 7.680 € jährlich geltend machen, wenn die unterhaltene Person kein oder nur geringes Vermögen besitzt." Hinweise auf die Mutter eines gemeinsamen Kindes finden sich dort nicht. Dem Kläger, dem seine Unterhaltsverpflichtung und die Möglichkeit der Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung nicht bekannt gewesen sind, hat sich angesichts dieser Erläuterung und der z. B. gegenüber 2003 für den Steuerpflichtigen unübersichtlicheren Vordruckgestaltung nicht aufdrängen müssen, auch Unterhaltsleistungen an seine mit ihm nicht verwandte und nicht verheiratete Lebensgefährtin eintragen zu können und zu müssen. Vielmehr hat der Kläger der Erläuterung keinen Anhaltspunkt dafür entnehmen können, dass die von ihm geleisteten Unterhaltszahlungen einzutragen sein könnten. Dies hätte sich erst bei genauer Durchsicht der Anlage Unterhalt an deren Ende ergeben, wobei ein Überblick über die ausfüllbaren Felder in Elster-Formular deutlich schwieriger zu erlangen ist als in der Steuererklärung in Papierform. Angesichts des Erläuterungstextes zur Anlage Unterhalt hat der Kläger jedoch keinen Anlass gehabt, sich diese Anlage genau durchzulesen. Nach Auffassung des Senates würden überzogene Anforderungen an das Erklärungsverhalten des Steuerpflichtigen gestellt, wenn dieser bei Verwendung von Elster-Formular zur Vermeidung des Vorwurfs groben Verschuldens alle dort angebotenen 23 Anlagen bearbeiten müsste unabhängig davon, ob nach der Bezeichnung des Gegenstandes der Anlage und der in der Hilfe gegebenen Erläuterung sowie nach seinen persönlichen Kenntnissen die jeweilige Anlage für ihn bedeutsam erscheint und damit ein konkreter Anlass zur näheren Befassung mit der jeweiligen Anlage besteht. Auch bei der Abgabe der Steuererklärung in Papierform kann nicht verlangt werden, dass sich der Steuerpflichtige alle Anlagen für die Abgabe der Steuererklärung beschafft, wenn anhand der Erläuterungen in der Anleitung zur Steuererklärung und nach seinen persönlichen Kenntnissen kein Anlass dazu besteht. (Ob der hier zu entscheidende Sachverhalt mit dem vom FG Sachsen-Anhalt im Urteil vom 30.06.2010, 2 K 742/09, EFG 2011, 1043 entschiedenen Fall, in dem ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen bejaht worden ist, vergleichbar ist, ist für den Senat an Hand des in der genannten Entscheidung geschilderten Sachverhaltes nicht erkennbar.)
    2. Die Einkommensteuer für 2008 ist unter Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen des Klägers niedriger festzusetzen. Gemäß § 33a Abs. 1 EStG in der für 2008 geltenden Fassung sind Unterhaltszahlungen an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person, für die niemand Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld hat und die kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt, bis zu 7680 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehbar. Dieser Betrag vermindert sich um den Betrag, um den die Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person 624 € im Kalenderjahr übersteigen. Gemäß § 33 a Abs. 4 EStG in der für 2008 geltenden Fassung ermäßigen sich die genannten Beträge um je 1/12 für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorgelegen haben; eigene Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person, die auf diese Kalendermonate entfallen, vermindern die entsprechend ermäßigten Höchstbeträge und Freibeträge nicht. Die Lebensgefährtin des Klägers hat nur ein geringes Vermögen gehabt. Sie hat bis Februar und im Dezember 2008 (insgesamt drei volle Monate) eigene Einkünfte gehabt, die zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs ausgereicht haben. Für den Zeitraum März bis November 2008 ist sie unterhaltsbedürftig und gem. § 1615l Abs. 2 BGB unterhaltsberechtigt gewesen. Daher ermäßigen sich die genannten Beträge um 3/12 auf 5.760 € bzw. 468 €. Maximal zu berücksichtigen sind 5.760 € der vom Kläger geleisteten Unterhaltszahlungen in Höhe von 9900 €. Hiervon abzuziehen sind die Einkünfte und Bezüge seiner Lebensgefährtin im Zeitraum der Unterhaltsberechtigung, soweit sie 468 € überstiegen haben. Die Lebensgefährtin des Klägers hat im Oktober und November 2008 1.855 € eigene Einkünfte gehabt, so dass 1.387 € von 5.760 € abzuziehen sind. Ihre Einkünfte im Monat Dezember 2008 sind nicht einzubeziehen. Damit verbleibt ein zu berücksichtigender Betrag von 4.373 €.
    II. Die Kosten sind gemäß § 135 Abs. 1 FGO dem Beklagten aufzuerlegen. Der Senat versteht das Klageziel des Klägers dahingehend, dass dieser die von ihm geleisteten Unterhaltszahlungen im Rahmen der durch § 33a Abs. 1 EStG gezogenen Grenzen berücksichtigt sehen wollte. Mit diesem Klageziel dringt der Kläger in vollem Umfang durch.
    Die Voraussetzungen des § 115 Abs.2 FGO für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.