15.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120477
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 23.01.2012 – 6 K 2097/08
1. Ein Abzug pauschaler Kraftfahrzeugkosten als Werbungskosten kommt nicht in Betracht, wenn die Pauschale die tatsächlich angefallenen beruflichen Kosten erheblich (hier um mehr als 3.000 EUR) übersteigt und auch die Kostenerstattung des Arbeitgebers bereits die tatsächlichen Kosten überstiegen hat. Der Ansatz der Pauschale führt in einem solchen Fall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung.
2. Der Vorbehalt der offensichtlich unzutreffenden Besteuerung gilt allgemein und ist nach den Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Auch für die prozentuale Abweichung zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten und dem pauschalierten Werbungskostenansatz kann es keine von vorn herein festgelegte Freigrenze geben.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 6. Senat durch die Berichterstatterin gemäß § 79a Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung … ohne mündliche Verhandlung am 23. Januar 2012
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig sind die Voraussetzungen für den Ansatz pauschalierter Werbungskosten.
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte unter anderem Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter der I. GmbH (nachfolgend: GmbH). Seine beruflichen Fahrten absolvierte er mit seinem privaten Pkw und erhielt dafür von der GmbH steuerfreien Kostenersatz. Insgesamt legte der Kläger mit seinem Fahrzeug im Streitjahr eine Strecke von 51.202 Kilometern zurück, wovon 41.867 Kilometer auf berufliche Fahrten entfallen. Die im Streitjahr angefallenen Kfz-Kosten bezifferte der Kläger auf insgesamt 10.694,– EUR. Die Erstattung der GmbH betrug 9.218,– EUR. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger weitere 3.288,– EUR für die beruflichen Fahrten des Klägers als Werbungskosten geltend, die sie unter Ansatz eines Pauschbetrages von 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer errechnet hatten. Der Beklagte folgte dem nicht und wies ihren Einspruch insoweit als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, für die beruflichen Fahrten sei nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Kilometerpauschale anzuerkennen. Entgegen der Ansicht des Beklagten führe dieser Ansatz auch nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung, denn eine solche sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erst bei einer Abweichung von 50 % zwischen den tatsächlichen Aufwendungen und dem pauschalierten Kostenansatz gegeben. Beim Kläger betrage die Differenz 30 %.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 6. März 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2008 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 3.288,– EUR berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Da die Erstattung durch die GmbH die anteiligen Kfz-Kosten übersteige, die auf die beruflichen Fahrten entfielen, komme ein weiterer Werbungskostenabzug nicht in Betracht. Unabhängig davon liege auch eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung vor. Dabei könne offen bleiben, ob die Differenz zwischen dem Pauschbetragsansatz und den tatsächlichen Kosten 30 % oder 42 % betrage.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die zum Streitfall übergebenen Steuerakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Beklagte hat die Anerkennung weiterer Werbungskosten für den beruflichen Einsatz des Privatwagens zu Recht versagt.
Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Hierzu gehören auch die Kosten für Dienstreisen, die ein Arbeitnehmer mit seinem privaten Pkw durchführt. Die Verwaltungsanweisungen der Finanzverwaltung zur Lohnsteuer gestatten den Ansatz eines Pauschbetrages von 0,30 EUR je gefahrenem Kilometer, es sei denn, es kommt hierdurch zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung.
Auch der BFH macht in ständiger Rechtsprechung die Anwendung des in den Lohnsteuerrichtlinien vorgesehenen Pauschbetrages generell davon abhängig, dass hierdurch im Einzelfall keine offensichtlich unzutreffende Besteuerung bewirkt wird. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (Beschluss des BFH vom 9. August 2007, X B 218/06, BFH/NV 2007, 2273 m. w. N.).
Diesen Grundsätzen gemäß kann der Kläger keinen weiteren Kostenabzug beanspruchen, denn ein solcher würde zu einer unzutreffenden Besteuerung führen, die nach den Umständen des Falles auch offenkundig ist. Die beruflichen Fahrten des Klägers entsprechen mit 41.867 Kilometern 82,06 % der Gesamtfahrleistung des Fahrzeuges von 51.020 Kilometern im Streitjahr. Daraus folgt, dass die anteiligen beruflich veranlassten Aufwendungen des Fahrzeugs mit 82,06 % der Gesamtkosten von 10.694,52 EUR zu beziffern sind. Es ergibt sich ein Betrag von 8.775,92 EUR. Die Erstattung der GmbH von 9.218,10 EUR liegt bereits um 442,18 EUR über diesen tatsächlich angefallenen beruflichen Kfz-Kosten. Schon hieraus ergibt sich eine unzutreffende Besteuerung, weil ein Einnahmenüberschuss von 442,18 EUR unbesteuert geblieben ist. Durch einen weiteren Abzug von 3.288,– EUR würde sich die Differenz auf eine Summe von 3.730,18 EUR erhöhen – eine Betragsgröße, der im Hinblick auf die Zahlenverhältnisse des Streitfalles keine nur untergeordnete Bedeutung zukommt.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Ansatz des Kilometerpauschbetrages bis zu einer Abweichung zum tatsächlichen Aufwand von 50 % unbeanstandet bleibt. Aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anwendung der Kilometerpauschale kann kein allgemeiner Grundsatz des Inhalts abgeleitet werden, außerhalb der bereits bejahten Aufgriffs- und Beanstandungsgrenzen sei jegliches Abweichen vom Ansatz des Kilometer-pauschbetrages unzulässig. In seinem Beschluss vom 9. August 2007 (X B 218/06, BFH/NV 2007, 2273 m. w. N.) hat der BFH vielmehr darauf hingewiesen, der Vorbehalt der offensichtlich unzutreffenden Besteuerung gelte allgemein und sei nach den Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Soweit er bei Fahrzeugen mit einer hohen Fahrleistung eine Ermittlung der tatsächlichen entstandenen Kosten verlange, weiche er hiervon nicht ab, sondern wende diesen Grundsatz an; Fahrzeuge mit hoher Fahrleistung würden in diesem Zusammenhang lediglich beispielhaft genannt.
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung kann es auch für die prozentuale Abweichung zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten und dem pauschalierten Werbungskostenansatz keine von vorn herein festgelegte Freigrenze geben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.