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  • 15.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120516

    Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 10.11.2011 – 2 K 163/10

    1. Hat die Klägerin wahrheitswidrig keinerlei Privatnutzung für ihr betriebliches Fahrzeug erklärt und hat das FA bei Erlass der Gewinnfeststellungsbescheide keine Ermittlungen zur Fahrzeugnutzung durchgeführt, so können die bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert und die PKW-Privatnutzung nachträglich gewinnerhöhend berücksichtigt werden, wenn eine Lohnsteueraußenprüfung nachträglich die Privatnutzung des Wagens festgestellt hat.


    2. Die private Nutzung des betrieblichen PKW ist ertragsteuerlich nach der 1 %-Methode zu besteuern, wenn ein förmliches Fahrtenbuch erst nachträglich während des Klageverfahrens erstellt worden ist, die diesem Fahrtenbuch zugrunde gelegten, aus losen Blättern in einem Leitzordner bestehenden Grundaufzeichnungen zur Fahrzeugnutzung nicht im Original, sondern nur in Kopie vorgelegt werden, die Grundaufzeichnungen zudem nicht alle für ein ordungsgemäßes Fahrtenbuch erforderlichen Angaben (z. B. Angaben zu Namen besuchter Personen sowie zum Besuchszweck) enthalten und wenn insgesamt der Eindruck besteht, als wären die Grundaufzeichnungen in einem Zug mit einem Stift durchgeschrieben worden, was gegen die erforderliche zeitnahe Erfassung einer jeden einzelnen Fahrt spricht.


    3. Können die Gesamtaufwendungen für einen privat genutzten betrieblichen PKW mangels vollständiger Aufzeichnungen nicht beziffert werden, ist es nicht zu beanstanden, wenn umsatzsteuerlich für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die private Verwendung des dem Unternehmen zugeordneten Pkw von der sog. 1%-Regelung ausgegangen und von dem so ermittelten Wert für die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten ein Abschlag von 20 % vorgenommen wird.


    Im Namen des Volkes
    Urteil
    In dem Rechtsstreit
    hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts … auf Grund mündlicher Verhandlung am 10. November 2011 für Recht erkannt:
    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
    3. Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten um die ertrag- und umsatzsteuerrechtliche Berücksichtigung der privaten Nutzung eines betrieblichen Pkw.
    Die Klägerin erzielte in den Streitjahren (1999 bis 2001) als Inhaberin eines in Form eines Einzelunternehmens geführten Dentallabors Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Gewinn der Klägerin aus dem Betrieb des Dentallabors wurde gesondert festgestellt, da sie ihr Dentallabor in A-Stadt (Thüringen) betrieb, aber in B-Stadt (Niedersachsen) wohnte. Sie ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.
    Die Klägerin hatte ihrem Betriebsvermögen von Februar 1999 bis Dezember 2000 einen PKW Audi A8 (Bruttolistenpreis 120.000 DM) und ab dem 19.12.2000 einen Audi TT (Bruttolistenpreis 65.000 DM) zugeordnet. Eine Privatnutzung der Fahrzeuge hatte die Klägerin in ihren Erklärungen und Jahresabschlüssen für die Streitjahre nicht erfasst. Der Beklagte (das Finanzamt – FA –), folgte insoweit den Erklärungen der Klägerin und setzte zunächst keinen privaten Nutzungsanteil an.
    Nach einer im Betrieb der Klägerin durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung erfasste das FA die Privatnutzung der beiden o.g. Pkw ertragsteuerrechtlich in gesonderten Feststellungsbescheiden nach der sog. 1%-Regelung Gewinn erhöhend. Es erhöhte den Gewinn für 1999 um (10 Monate × 1.200 DM=) 12.000 DM auf 43.575 DM, für 2000 um (12 Monate × 1.200 DM=) 14.400 DM auf 34.262 DM und für 2001 um (12 Monate × 650 DM=) 7.800 DM auf 28.446 DM.
    Umsatzsteuerrechtlich erfasste das FA mit geänderten Umsatzsteuerbescheiden für 1999 und 2000 die Privatnutzung (nur) für den Audi A8. Für 1999 erhöhte es die Umsatzsteuer um (11.136 DM × 16%=) 1.781,76 DM und für 2000 um (13.363 × 16%=) 2.138,08 DM. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung legte das FA zugrunde, dass die Klägerin im Zusammenhang mit dem Pkw den vollen Vorsteuerabzug geltend gemacht hatte. Sodann ermittelte das FA den Privatanteil im Schätzungswege. Dabei ging es ebenfalls von dem ertragsteuerlichen Entnahmewert der 1%-Regelung aus und nahm davon einen Abschlag von 20% für nicht mit Vorsteuer belastete Kosten vor. Die Klägerin hatte weder während der Lohnsteueraußenprüfung noch im Einspruchsverfahren ein Fahrtenbuch vorgelegt. Gegenüber dem Prüfer gab sie an, kein Fahrtenbuch geführt zu haben. Außerdem hatte die Klägerin keine Unterlagen vorgelegt, aus denen die auf den Pkw entfallenden Gesamtaufwendungen ersichtlich waren.
    Gegen die geänderten Feststellungs- und Umsatzsteuerbescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Eine Änderung der Bescheide sei nicht möglich, da die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) nicht erfüllt seien. Die Tatsache der Privatnutzung des betrieblichen Pkw sei dem FA nicht nachträglich bekannt geworden. Trotz der Tatsache, dass die Klägerin in ihren Steuererklärungen und Jahresabschlüssen keinen privaten Pkw-Nutzungsanteil ausgewiesen hatte, sei dem FA die Privatnutzung bereits dadurch erkennbar gewesen, dass die Betriebsstätte des Dentallabors in A-Stadt liegt, während die Klägerin ihren Wohnsitz in B-Stadt hatte. Hätte die Beklagte Zweifel an der ausschließlich betrieblichen Nutzung des Pkw gehabt, so hätte es diese durch Rückfrage bei der Klägerin aufklären können und müssen. Da das FA eine Aufklärung versäumt habe, stehe einer Änderung der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.
    Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Eine Änderung der Umsatzsteuerbescheide sei jederzeit gem. § 164 Abs. 2 AO möglich gewesen. Da den Umsatzsteuererklärungen zugestimmt wurde, stünden diese einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Überdies sei eine Änderung (auch) der Feststellungsbescheide gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO möglich gewesen, da dem FA die Privatnutzung des Pkw erstmals im Rahmen der Außenprüfung bekannt geworden sei. Das FA sei ursprünglich den Angaben der Klägerin gefolgt. Diesen Angaben habe das FA nicht mit Misstrauen begegnen müssen. Allein aus der Tatsache, dass ein Pkw zum Betriebsvermögen gehörte, habe das FA nicht schlussfolgern können und müssen, dass tatsächlich eine private Pkw-Nutzung stattgefunden habe. Ein Fahrzeug könne auch ausschließlich betrieblich genutzt werden. Die tatsächliche Nutzung sei nur dem Steuerpflichtigen bekannt.
    Daraufhin erhob die Klägerin Klage. Im Verlauf des Klageverfahrens legte die Klägerin erstmals 3 Fahrtenbücher für die Jahre 1999 bis 2001 vor. Die Eintragungen in den Fahrtenbüchern erwecken den Eindruck, als ob sie mit demselben Stift in einem Satz durchgeschrieben wurden. Im Laufe des Klageverfahrens teilte die Klägerin mit, dass sie die Fahrtenbücher nachträglich an Hand von in Schulheftform geführten Voraufzeichnungen zur Vorlage im Klageverfahren angefertigt habe. Diese Voraufzeichnungen reichte die Klägerin nur als Kopien ein, Originale der Voraufzeichnungen seien vernichtet worden. Anders als die Fahrtenbücher enthielten die Voraufzeichnungen grundsätzlich keine Eintragungen zu den besuchten Personen und zu den Besuchszwecken.
    Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin zum einen weiterhin geltend, dass die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht vorlägen. Wenn überhaupt, so seien die Privatanteile nicht nach der 1%-Methode anzusetzen, sondern nach den Eintragungen im Fahrtenbuch, also für 1999 (1.632 km von 30.140 km=) 5,72%, für 2000 (8.186 km von 47.596 km=) 17,19% und für 2001 (3.473 km von 42.223 km =) 8,22 %. Die Grundaufzeichnungen, auf welchen die Fahrtenbücher basierten, seien in Schulheftform geführt worden, und enthielten zeitnah vorgenommene Angaben zur Fahrtstrecke, den gefahrenen Kilometern, den Kalendertag, eine Kennzeichnung von betrieblichen und privaten Fahrten sowie den jeweiligen Anlass der Fahrt. Da diese Eintragungen keiner Abänderung zugänglich gewesen seien, seien die Fahrtenbücher als ordnungsgemäß anzuerkennen. Die Voraufzeichnungen seien deckungsgleich in die Fahrtenbücher übernommen worden.
    Die Klägerin beantragt,
    die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1999, 2000, 2001 sowie die geänderten Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 28.12.2005 aufzuheben und neu zu veranlagen anhand der Eintragungen in den vorgelegten Fahrtenbüchern bzw. Grundaufzeichnungen.
    Ferner beantragt der Klägervertreter die Vertagung der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf das Revisionsverfahren VI R 51/11.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Das FA hält an seiner Auffassung aus dem Einspruchsverfahren fest. Überdies ist es der Meinung, die von der Klägerin nachträglich erstellten – und erstmals im Klageverfahren eingereichten Fahrtenbücher könnten der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Sie seien nicht ordnungsgemäß, insbesondere nicht zeitnah, d.h. im Anschluss an die jeweiligen Fahrten in geschlossener Form erstellt worden, sondern erst im Laufe des Klageverfahrens, nämlich mehrere Jahre nach den jeweiligen Fahrten. Auch könne nicht auf die Grundaufzeichnungen abgestellt werden. Diese seien nur in Kopie und erst nach vielen Jahren im Klageverfahren vorlegt worden, so dass nicht mehr feststellbar sei, dass die ersichtlich zeitnah für die Streitjahre erstellt worden seien. Die Übernahme der betrieblichen Fahrten aus den Terminkalenderaufzeichnungen gebe die insgesamt zu erfassenden Fahrten nicht lückenlos wieder. Die Richtigkeit der Eintragungen sei nicht mit vertretbarem Aufwand überprüfbar. Insgesamt sei nicht feststellbar, dass die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen zeitnah und auch sonst ordnungsgemäß geführt seien.
    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist im Wesentlichen unbegründet, im Übrigen unzulässig. Die Bescheide sind im Wesentlichen rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
    1. Das Gericht folgt der Begründung in der Einspruchsentscheidung und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 105 Abs. 5 FGO). Ergänzend begründet das Gericht seine Entscheidung nachfolgend.
    2. a) Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) für eine Änderung der angefochtenen Bescheide liegen vor, da dem FA die Tatsache der privaten Nutzung der betrieblichen Pkw erstmals während der Lohnsteueraußenprüfung und damit nachträglich bekannt geworden ist. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und der Grundsatz von Treu und Glauben verhindern eine Bescheidkorrektur seitens der Finanzbehörde nur, wenn der Steuerpflichtige seine ihm nach § 90 AO obliegende Mitwirkungspflicht erfüllt hat, d.h. dass der relevante Sachverhalt dem Finanzamt richtig, vollständig und deutlich zur Prüfung unterbreitet wurde. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch die Finanzbehörde bei der Sachverhaltsaufklärung Fehler gemacht, kann der betreffende Steuerbescheid nur dann nicht geändert werden, wenn die Pflichtverletzung der Behörde die des Steuerpflichtigen deutlich überwiegt (z.B. FG Rh-Pfalz v. 22.6.2011 2 K 1441/10). Hier hat die Klägerin falsche Angaben gemacht, indem sie wahrheitswidrig keinerlei Privatnutzung für das Fahrzeug erklärt hat. Für eine Pflichtverletzung der Finanzbehörde ist nichts ersichtlich, jedenfalls nichts für ein überwiegendes Verschulden.
    b) Ohnehin war dem FA eine Änderung der Umsatzsteuerbescheide gem. § 164 Abs. 2 Satz 1 AO unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO möglich, da die Steueranmeldungen der Klägerin gem. § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich standen.
    3. a) Zu Recht hat das FA im Rahmen der Gewinnfeststellung die private Nutzung der beiden Kraftfahrzeuge nach der sog. 1%-Metode bewertet. Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs für jeden Monat mit 1 vom Hundert des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Als Ausnahme von diesem Grundsatz kann die private Nutzung mit den auf die private Nutzung entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn (1.) die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege nachgewiesen werden und (2.) das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Beide Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift liegen nicht vor.
    b) Die Klägerin war nicht dazu in der Lage, die auf die Kraftfahrzeuge entfallenden Gesamtaufwendungen zu beziffern. Schon allein aus diesem Grund kann keine Ausnahme von der 1%-Regelung gemacht werden.
    c) Überdies weist der Senat klarstellend darauf hin, dass die Klägerin die private Nutzung der Kraftfahrzeuge nicht durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen hat. Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch verlangt vor allem eine fortlaufende und zeitnahe Erfassung in einem geschlossenen Verzeichnis (st. Rspr. z.B. BFH v. 21.04.2009 VIII R 66/06, BFH/NV 2009, 1422). Dadurch sollen Manipulationsmöglichkeiten verhindert und eine verhältnismäßig leichte Überprüfung der Angaben ermöglicht werden. Dazu muss die betriebliche Verwendung des Geschäftswagens schlüssig belegt werden. Die Aufzeichnungen in dem Fahrtenbuch müssen daher Angaben zu den geschäftlichen Reisen enthalten, anhand derer sich die betriebliche Veranlassung der Fahrten plausibel nachvollziehen und ggf. nachprüfen lässt. Hierfür hat das Fahrtenbuch neben Datum und Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner bzw. – wenn ein solcher nicht vorhanden ist – den konkreten betrieblichen Zweck der Fahrt aufzuführen (vgl. FG Düsseldorf vom 28.4.2010 9 K 4675/08, juris, Rz. 29, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
    Die von der Klägerin vorgelegten Fahrtenbücher als solche sind – unstreitig – nicht zeitnah, sondern anhand von Voraufzeichnungen nachträglich erstellt worden.
    Die vorgelegten Kopien der Grundaufzeichnungen erfüllen ebenfalls nicht die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Für den erkennenden Senat ist zum einen nicht feststellbar, dass Voraufzeichnungen zeitnah erstellt wurden. Es liegt kein Original vor. Die Kopien erwecken den Eindruck, als wären sie in einem durchgeschrieben, was gegen eine zeitnahe Erfassung einer jeden einzelnen Fahrt spricht. Jedenfalls lässt sich anhand der Kopien nicht der Schluss ableiten, dass Grundaufzeichnungen zeitnah erstellt wurden. Zum zweiten handelt es sich bei den vorliegenden Kopien der Voraufzeichnungen nicht um ein geschlossenes Verzeichnis, sondern um einzelne Blätter, die in einem Leitz-Ordner lose hintereinander eingeordnet sind. Zum dritten sind Voraufzeichnung unvollständig i.S.e. ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs. Sie enthalten nicht die für Fahrtenbücher notwendigen Eintragungen. Grundsätzlich fehlen der Name der besuchten Person und der Besuchszweck.
    Ebenso wenig sind die Kopien der Voraufzeichnungen in Verbindung mit nachträglichen Fahrtenbüchern als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch anzusehen. Dies wäre, wollte man der von der Klägerin erwähnten Rechtsprechung des FG Brandenburg (Urteil vom 14.4.2010 12 K 12047/09, EFG 2010, 1306) folgen, überhaupt nur möglich, wenn die Eintragungen in den Voraufzeichnungen zeitnah vorgenommen wurden und in geschlossener Form vorliegen würden. Dies ist jedoch, wie soeben dargestellt, nicht der Fall. Die zeitnahe Eintragung in geschlossener Form kann nicht durch nachträglich erstellte Fahrtenbücher ersetzt werden. Überdies bezieht sich das Erfordernis der Zeitnähe auf alle für ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erforderlichen Angaben. Eintragungen zu Kunden und Besuchszwecken fehlen aber in den Voraufzeichnungen im Wesentlichen. Schließlich erschwert ein aus Grundaufzeichnungen und Fahrtenbuch bestehendes ordnungsgemäßes Fahrtenbuch die Überprüfung unzumutbar, da zunächst jede einzelne Eintragung im Fahrtenbuch auf Übereinstimmung mit den Grundaufzeichnungen überprüft werden müsste, was bei einem zeitnah erstellten Fahrtenbuch nicht der Fall ist.
    4. Zur Bemessung der auf die privaten Fahrten entfallenden Umsatzsteuer durfte das FA im Streitfall die auf die privaten Fahrten entfallenden Ausgaben schätzen und hierbei ausnahmsweise von der ertragsteuerrechtlichen sog. 1%-Regel ausgehen.
    Für Zwecke der Umsatzsteuer ist die Verwendung des Pkw zu privaten Zwecken nach den hierauf entfallenden Aufwendungen zu bemessen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b bzw. – ab 1.4.1999 – § 3 Abs. 9a Nr. 1, § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG). Der für ertragsteuerliche Zwecke maßgebliche Entnahmewert des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG und die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage für die private Nutzung des Pkw sind unabhängig voneinander zu ermitteln. Die sog. 1%-Regelung des EStG ist für Zwecke der Umsatzbesteuerung grundsätzlich unbeachtlich.
    Können – wie im Streitfall – die Aufwendungen für die Privatnutzung vom Steuerpflichtigen nicht beziffert werden, so sind sie zu schätzen (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Bei der Schätzung sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (§ 162 Abs. 1 Satz 2 AO).
    Für die Schätzung der privaten Nutzung des Pkw wären an sich auch die Eintragungen aus den Grundaufzeichnungen bzw. Fahrtenbüchern als Schätzungsgrundlage einzubeziehen, sofern eine gewisse Gewähr für deren Richtigkeit besteht. Letzteres kann dahinstehen. Da die Klägerin nicht in der Lage war, die Gesamtaufwendungen für den Pkw zu beziffern, kann auch ein anhand der Fahrtenbücher ermittelter privater Nutzungsanteil nicht zur Bestimmung der Aufwendungen der privaten PkwNutzung führen.
    In einem solchen Fall ist die Finanzverwaltung und sind die Finanzgerichte dazu befugt, für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die private Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Pkw von der sog. 1%-Regelung auszugehen und von diesem für die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten einen Abschlag von 20% vorzunehmen. Diese Vorgehensweise hat der BFH dem Unternehmer aus Vereinfachungsgründen gestattet (Urteil vom 11.3.1999 V R 78/98, BFHE 188, 160). Sie muss ebenso möglich sein, wenn die Aufwendungen für die Privatnutzung des Pkw vom Steuerpflichtigen nicht beziffert werden. Dann ist der nächstliegende Anhaltspunkt für die Schätzung der privaten Pkw-Aufwendungen der frei zugängliche Bruttolistenpreis als Bestandteil der Schätzung des Privatanteils nach der sog. 1%-Regelung.
    5. Soweit das FA zugesagt hat, die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer um den vorgenommenen 16%-igen Aufschlag zu reduzieren und entsprechende Änderungsbescheide zu erlassen, ist die Klage unzulässig. Die Klägerin, die nach wie vor die Aufhebung der Änderungsbescheide begehrt, ist insoweit nicht mehr beschwert.
    6. Dem Vertagungsantrag des Klägervertreters, den der Senat aufgrund des Vorbringens des Klägervertreters zugleich als Ruhensantrag ansieht, war nicht nachzukommen, da keine erheblichen Gründe i.S.d. § 91 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vorliegen. Ein Ruhen des Verfahrens hat das Gericht nur anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und das Ruhen zweckmäßig erscheint (§ 155 FGO i.V.m. § 251 Abs. 1 Satz 1 ZPO), nicht aber auf den einseitigen Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
    7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für eine Zulassung der Revision i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

    VorschriftenEStG 1999 § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, EStG 1999 § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3, AO § 162 Abs. 1 S. 1, AO § 162 Abs. 1 S. 2, AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, UStG 1996 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, UStG 1999 § 3 Abs. 9a Nr. 1, UStG 1999 § 10 Abs. 4 Nr. 2