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  • 21.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120534

    Oberfinanzdirektion Niedersachsen: Verfügung vom 29.11.2011 – S 2350 - 32 - St 215


    OFD Niedersachsen v. 29.11.2011
    S 2350 - 32 - St 215
    I. Allgemeine Grundsätze
    Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Hierzu können nach § 9 Abs. 5 EStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG auch Bewirtungsaufwendungen eines Arbeitnehmers gehören.
    Gleichwohl sind Aufwendungen, die die private Lebensführung berühren und bei denen eine genaue Aufteilung in einen beruflichen und einen privaten Teil nicht möglich ist, nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG steuerlich nicht abzugsfähig, auch wenn sie zugleich zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
    Ob der Steuerpflichtige Aufwendungen aus beruflichem Anlass tätigt oder ob es sich um Aufwendungen für die Lebensführung i. S. v. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG handelt, muss anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden.
    Als starkes Indiz für die berufliche Veranlassung der Bewirtung spricht, dass der Arbeitgeber die Veranstaltung ohne Mitspracherecht des betroffenen Beschäftigten organisiert und ausrichtet.
    II. Prüfungsschema
    Ob der Steuerpflichtige Bewirtungsaufwendungen aus beruflichem Anlass erbringt oder ob es sich um nicht abziehbare Aufwendungen der Lebensführung gem. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG (Repräsentationsaufwendungen) handelt, muss anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Dabei ist folgendes Prüfungsschema anzuwenden:
    1.Abzug dem Grunde nach (Abgrenzung berufliche/betriebliche oder private Veranlassung)
    2.Abzug der Höhe nach
    ¦Aufteilung von gemischt veranlassten Bewirtungsaufwendungen
    ¦Anwendung der gesetzlichen Abzugsbeschränkung
    1. Abzug dem Grunde nach
    Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist für die Beurteilung, ob Aufwendungen für eine Bewirtung beruflich oder privat veranlasst sind, in erster Linie auf den Anlass der Bewirtung abzustellen. Dieses stellt jedoch lediglich ein erhebliches Indiz, aber nicht das alleinige Kriterium für die Beurteilung einer beruflichen oder privaten Veranlassung der Bewirtungsaufwendungen dar. Vielmehr ist anhand der gesamten Umstände des Einzelfalles (u. a. Ort der Veranstaltung, Veranstalter, Teilnehmer, Modalitäten bei der Durchführung) zu ermitteln, ob die Veranstaltung eher einen beruflichen oder privaten Charakter hat ( BFH-Urteil vom 10. Juli 2008, BFH/NV 2008, 1831).
    a) Anlass der Bewirtung
    Bewirtungskosten eines Arbeitnehmers für Geburtstags-, Beförderungs- und ähnliche Feiern, mit denen gewisse gesellschaftliche Repräsentationsverpflichtungen erfüllt werden, stellen, auch wenn sie zur Verbesserung des Betriebsklimas beitragen sollen, grundsätzlich typische steuerlich nicht abzugsfähige Aufwendungen für die Lebensführung i. S. d. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG dar, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung mit sich bringt (siehe z. B. BFH-Urteil vom 28. März 1985,BFH/NV 1987, 231).
    Nach der BFH-Rechtsprechung (z. B. Urteil vom 10. Juli 2008, BFH/NV 2008, 1831, m. w. N.) führt jedoch die Tatsache allein, dass der Arbeitnehmer
    - eine Feier aus rein persönlichen Gründen ausrichtet (z. B. Geburtstag, Jubiläum)
    - oder keine erfolgsabhängigen Bezüge hat,
    nicht dazu, dass der Werbungskostenabzug ausgeschlossen werden müsste. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung sind daneben auch weitere Umstände heranzuziehen, sodass unter den nachstehend genannten Voraussetzungen ein Werbungskostenabzug möglich ist.
    b) Ort der Bewirtung
    Findet der Empfang der Gäste in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers statt, so spricht dieses Indiz für eine berufliche Veranlassung.
    Eine luxuriöse Umgebung (Anmietung einer Jacht oder eines Schlosssaals anlässlich der Durchführung der Feier) kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die privaten Gründe für die Ausrichtung der Veranstaltung überwiegen. Das Gleiche gilt, wenn die Aufwendungen in einem extremen Missverhältnis zu den korrespondierenden Einnahmen stehen. Allerdings müsste auch hier in die Prüfung miteinbezogen werden, wer welchen Personenkreis eingeladen hat.
    c) Teilnehmerkreis
    Handelt es sich bei den Gästen um Geschäftspartner des Arbeitgebers, Angehörige des öffentlichen Lebens sowie der Presse, Verbandsfunktionäre, Kollegen, Mitarbeiter des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers und nicht um private Bekannte und Freunde des Arbeitnehmers, so kann dieses ein Anhaltspunkt und gewichtiges Indiz für eine berufliche Veranlassung sein.
    d) Einladender
    Ein starkes Indiz für eine berufliche Veranlassung der Bewirtung liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Veranstaltung ohne ein Mitspracherecht des Arbeitnehmers organisiert und ausrichtet (Arbeitgeber tritt als Gastgeber auf und bestimmt die Gästeliste). Es handelt sich um ein Fest des Arbeitgebers.
    Falls ein Arbeitnehmer jedoch neben der ausschließlich vom Arbeitgeber organisierten und ausgerichteten Veranstaltung noch eine weitere Veranstaltung aus Anlass desselben Ereignisses mit einem nahezu identischen Personenkreis organisiert, spricht Einiges dafür, dass die privaten Gründe der weiteren Veranstaltung in den Vordergrund treten, da hier die Pflege der persönlichen Beziehungen zu Mitarbeitern und Kollegen einen hohen Stellenwert einnimmt, sodass die berufliche Veranlassung der Feier vollständig in den Hintergrund tritt.
    e) Art der Bezüge
    Nach neuerer Rechtsprechung ist die Art der Bezüge (variabel oder feststehend) nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung für die berufliche Veranlassung der Bewirtungskosten. Die Art der Bezüge stellt lediglich ein Indiz dar (BFH-Urteil vom 11. Januar 2007, BStBl 2007 II S. 317).
    Handelt es sich um einen Arbeitnehmer mit variablen Bezügen, die der Höhe nach vom Erfolg seiner Mitarbeiter oder seines Tätigkeitsbereichs abhängig sind (z. B. bei einem Handelsvertreter), können die Bewirtungsaufwendungen zugunsten anderer, ihm unterstellter Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers als Werbungskosten abzugsfähig sein. Die Bewirtungskosten des Arbeitnehmers dienen dann dem Zweck, seine, von deren Erfolg abhängigen, Bezüge zu steigern und sind somit beruflich veranlasste Werbungskosten (zuletzt BFH-Urteile vom 19. Juni 2008, BStBl 2009 II S. 11, und BFH/NV 2009, 11, m. w. N.). Nicht erforderlich ist dagegen, dass der Arbeitnehmer die Bewirtung vorher den Mitarbeitern als Belohnung in Aussicht gestellt hat.
    Hat der Arbeitnehmer feststehende nicht erfolgsabhängige Bezüge, so steht dies allein dem beruflichen Veranlassungszusammenhang seiner Bewirtungsaufwendungen nicht entgegen ( BFH-Urteile vom 6. März 2008, BFH/NV 2008, 1316, und 24. Mai 2007, BStBl 2007 II S. 721). Nach dem Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG ist es für den Werbungskostenabzug erforderlich, dass die Aufwendungen der Erwerbung, Sicherungen und der Erhaltung von Einnahmen dienen. Eine beabsichtigte bzw. tatsächliche Steigerung der Einnahmen ist hingegen nicht erforderlich. Die berufliche Veranlassung kann sich auch aus anderen Umständen (z. B. Motivation der Mitarbeiter) ergeben.
    f) Beispiele
    In der Finanzrechtsprechung wurde in folgenden Fällen der Werbungskostenabzug zugelassen:
    ¦Abschiedsfeier eines Oberarztes ( FG Hamburg vom 24. Juni 2009 , EFG 2009, 1633, BFH-Beschluss vom 26. Januar 2010, BFH/NV 2010, 875)
    - Abschiedsfeier eines leitenden Beamten ( FG München vom 21. Juli 2009 , DStRE 2010, 719)
    - Bewirtungskosten eines Chefarztes an einer Universitätsklinik für eine Antrittsvorlesung mit anschließendem Empfang sowie für eine Betriebsfeier mit seinen Mitarbeitern ( BFH-Urteil vom 10. Juli 2008, BFH/NV 2008, 1831)
    - Bewirtungsaufwendungen für eine Kommandoübergabe mit Verabschiedung aus dem Dienst eines Brigadegenerals (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008, BStBl 2008 II S. 870)
    - Bewirtungsaufwendungen eines Behördenleiters für eine Feier mit seinen Mitarbeitern anlässlich des fünfjährigen Bestehens der Behörde im Anschluss an eine Dienstbesprechung und als Ersatz für die üblicherweise stattfindende Weihnachtsfeier ( BFH-Urteil vom 6. März 2008, BFH/NV 2008, 1316)
    - Bewirtungsaufwendungen eines Geschäftsführers für sein 25-jähriges Dienstjubiläum (BFH-Urteil vom 1. Februar 2007, BStBl 2007 II S. 459)
    Weitere Beispiele:
    A, Vorsteher des Finanzamts B, wird in den Ruhestand verabschiedet; gleichzeitig wird der neue Vorsteher eingeführt. Die Feier findet im Sitzungssaal des Finanzamts statt. Die Gästeliste wird im Wesentlichen von der Oberfinanzdirektion bestimmt. Der Eigenanteil des A an den Bewirtungskosten beträgt 1.000,00 EUR.
    Es handelt sich um ein „Fest des Arbeitgebers”. A kann somit die von ihm getragenen Bewirtungskosten in voller Höhe als Werbungskosten absetzen.
    Im Finanzamt C findet jährlich eine Weihnachtsfeier der Behörde statt. Die Gästeliste wird von der Geschäftsstelle festgelegt, es werden nur die Bediensteten (auch ehemalige) des Finanzamts eingeladen. Wegen der knappen Haushaltsmittel wird erwartet, dass sich der Vorsteher mit einem Zuschuss an den Kosten beteiligt.
    Es handelt sich um ein „Fest des Arbeitgebers”. Dies gilt auch dann, wenn „offizieller Veranstalter” nicht die Behörde als solche ist, sondern z. B. der Personalrat oder auch ein sog. Vergnügungsausschuss, bestehend aus Mitarbeitern der Behörde. Die Aufwendungen können als Werbungskosten abgezogen werden.
    Entsprechendes gilt für die Übernahme von Kosten für ähnliche gesellige Veranstaltungen wie z. B. Betriebsausflüge oder Jubiläumsfeiern. Dem Werbungskostenabzug steht es nicht entgegen, wenn eine solche Veranstaltung (z. B. ein Betriebsausflug) außerhalb der Behörde stattfindet, da es sich hierbei lediglich um ein Indiz bei der Beurteilung der Frage handelt, ob die Aufwendungen beruflich oder privat veranlasst sind.
    2. Abzug der Höhe nach
    a) Aufteilung von gemischt veranlassten Aufwendungen
    Sind die Bewirtungsaufwendungen des Arbeitnehmers sowohl beruflich als auch privat veranlasst, ist nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009, GrS 1/06, BStBl 2010 II S. 672, grundsätzlich in einen beruflich und einen privat veranlassten Teil aufzuteilen. In den Fällen, in denen die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu dem Ergebnis führt, dass es sich bei den Bewirtungsaufwendungen um Repräsentationsaufwendungen im Sinne des § 12 Nr. 1 EStG handelt, ist eine Aufteilung nicht vorzunehmen (siehe BMF-Schreiben vom 6. Juli 2010, BStBl 2010 I S. 614 Rn. 5 ff.). Die Aufwendungen sind dann insgesamt nicht abzugsfähig.
    b) Gesetzliche Abzugsbeschränkung
    Nach § 9 Abs. 5 EStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG sind für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass auch bei den Werbungskosten nur bis zu 70 % der Aufwendungen abzugsfähig. Voraussetzung für den Werbungskostenabzug ist weiter, dass die Aufwendungen als angemessen anzusehen sind und die Höhe der Bewirtungskosten sowie die berufliche Veranlassung nachgewiesen wird.
    Diese Abzugsbeschränkung gilt nicht, wenn ein Arbeitnehmer Dritte nicht aus „geschäftlichem Anlass” i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG, sondern aus allgemeinen beruflichen Gründen bewirtet und die o. g. Voraussetzungen für den Werbungskostenabzug vorliegen.
    Dies ist z. B. der Fall, wenn der Arbeitnehmer
    - nicht selbst als bewirtende Person auftritt, weil es sich z. B. um ein „Fest des Arbeitgebers” handelt (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008, BStBl 2008 II S. 870, betreffend die Kommandoübergabe eines Brigadegenerals),
    - erfolgsabhängige Bezüge hat und Mitarbeiter bewirtet, um sie zu Leistungssteigerungen zu motivieren (z. B. BFH-Urteile vom 19. Juni 2008, BStBl 2009 II S. 11, und BFH/NV 2009, 11, betreffend Bewirtungskosten leitender Angestellter für ihre Mitarbeiter),
    - aus beruflichem Anlass Aufwendungen für die Bewirtung von Arbeitskollegen seines Arbeitgebers trägt (z. B. BFH-Urteil vom 10. Juli 2008, BFH/NV 2008, 1831, betreffend die Antrittsvorlesung eines Chefarztes mit anschließendem Empfang).
    In diesen Fällen sind die Aufwendungen in voller Höhe als Werbungskosten abzugsfähig.
    III. Nachweispflicht
    Zum Nachweis der Höhe und der betrieblichen/beruflichen Veranlassung der Aufwendungen hat der Steuerpflichtige schriftlich die folgenden Angaben zu machen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG):
    „Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie die Höhe der Aufwendungen. Hat die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden, so genügen Angaben zu dem Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung; die Rechnung über die Bewirtung ist beizufügen”.
    Diese formellen Voraussetzungen gelten grundsätzlich auch für Bewirtungskosten von Arbeitnehmern (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 2008, BStBl 2009 II S. 11), allerdings nur, wenn die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG überhaupt Anwendung findet.