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  • 16.03.2012 · IWW-Abrufnummer 120864

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 11.10.2011 – 11 K 1908/10

    1. Ein Kind befindet sich auch dann in einer Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG, wenn es nach erfolgreicher Absolvierung einer zur Berufsausübung berechtigenden Ausbildung zusätzliche Qualifikationen erwirbt, sofern diese als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind und das Kind seine Weiterqualifizierung ernsthaft und nachhaltig betreibt. Dabei wird die Schwelle zur Berufsausbildung dann überschritten, wenn die Betätigung einen gewissen zeitlichen Mindestaufwand und eine ausreichende theoretische Systematisierung erreicht.



    2. Der Begriff der Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG ist weiter als der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG.



    3. Der Besuch der „Jüngerschaftsschule” ist eine Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG. Die Schule umfasste im Streitfall ein wöchentliches Programm von 50 Stunden mit Unterrichtseinheiten (ca. 25 Stunden/Woche), Arbeitseinsätzen und Leseaufgaben. Die Ausbildung erfolgte anhand eines festgelegten Studienplans durch eine strukturierte Wissensvermittlung mit einem festen Zeitplan und einem Zeitaufwand für die Teilnehmer, der die Arbeitskraft und -zeit weitgehend in Anspruch nahm. Sie ist darüber hinaus nicht in das Belieben des Schülers gestellt, sondern unterliegt festen Regelungen. Es bestand Anwesenheitspflicht. Wer unentschuldigt fehlte, musste die Schule verlassen. Außerdem waren begleitend Bücher, z. B. Biographien über christliche Persönlichkeiten oder zu einem der Themen, zu lesen und Berichte hierzu abzugeben. Damit fand auch eine entsprechende Lernkontrolle statt. Zwar wurden keine Noten vergeben. Dies ist jedoch nicht entscheidend für das Vorliegen einer Berufsausbildung.


    FG Baden-Württemberg v. 11.10.2011

    11 K 1908/10

    Tatbestand
    Streitig ist, ob dem Kläger im Zeitraum von Oktober 2009 bis März 2010 Kindergeld für das am 1. Juli 1985 geborene Kind X zusteht.

    Das Kind studierte nach dem Abitur Rechtswissenschaften. Das Studium beendete es mit dem Bestehen des ersten juristischen Staatsexamens am 19. Juni 2009 (vgl. Kopie des Zeugnisses des Landesjustizprüfungsamtes, KG-Akte Bl. 170). Mit Ablauf des 30. September 2009 wurde es von der B-Universität in T exmatrikuliert (KG-Akte Bl. 124).

    In der Zeit vom 1. Januar 2009 bis 30. September 2009 überstiegen die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes den (anteiligen) Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der für das Jahr 2009 gültigen Fassung nicht (vgl. abschließende Entscheidung der beklagten Familienkasse – FamK –, KG-Akte Bl. 144 f.).

    In der Zeit vom 23. September 2009 bis zum 5. März 2010 besuchte das Kind die „Jüngerschaftsschule” des Missionswerks „Jugend mit einer Mission” in Y, (Südafrika, vgl. Bescheinigung, FG-Akte Bl. 51; Zertifikat, FG-Akte Bl. 56).

    „Jugend mit einer Mission” ist der deutschsprachige Zweig von „Youth with a mission”. Sie versteht sich als internationale Bewegung junger Christen, die sich dazu berufen wissen, Jesus Christus zu dienen und das Evangelium vom Reich Gottes ganzheitlich zu leben und zu verkünden. Nach ihren eigenen Angaben (vgl. www.jmem.de; FG-Akte Bl. 174) begann „Youth with a mission” ihre Tätigkeit in den 1960er Jahren. Der Hauptschwerpunkt liege darauf, Jugendlichen zu ermöglichen, im Rahmen von weltweiten Missionseinsätzen anderen von ihrem Glauben an Jesus nach seinem Vorbild in Wort und Tat weiter zu geben. Die Dienste und Aktivitäten ließen sich in drei Kategorien zusammenfassen: Evangelisation, Schulung und karitative Dienste.

    In Deutschland wird „Jugend mit einer Mission” vom Dachverband „Jugend mit einer Mission – Deutschlandverband e.V.” getragen, der sieben Schulungs- und Missionszentren in der Struktur eingetragener Vereine unterhält (vgl. Auszug aus Internet, FG-Akte Bl. 175).

    Der „Jugend mit einer Mission – Deutschlandverband e.V.” ist Mitglied im Ring Missionarischer Jugendbewegungen e.V. Letzterer wiederum ist als Fachverband Mitglied des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (vgl. Bescheinigungen vom 15. März 2011 und vom 27. Oktober 1992, FG-Akte Bl. 145 f.).

    Die „Jüngerschaftsschulen” sind ein von „Jugend mit einer Mission” angebotener Studienkurs mit einer fünf- bis sechsmonatigen Dauer, der an der – ebenfalls von „Jugend mit einer Mission” bzw. „Youth with a mission” betriebenen – „University of the Nations” registriert ist. Nach Angaben von „Jugend mit einer Mission” gibt die Teilnahme an einer „Jüngerschaftsschule” dem Schüler die Gelegenheit zu durchdenken, „ob dein Leben wirklich Gott ganz zur Verfügung steht. Hier wird dir eine Plattform gegeben, wo du träumen kannst und entdecken, was eigentlich in dir steckt und welche Pläne Gott für dein Leben hat.” (FG-Akte Bl. 173).

    Vom 23. September bis Mitte Dezember 2009 absolvierte das Kind des Klägers den vorgeschriebenen Studienblock. Nach dem vorgelegten Wochenplan (FG-Akte Bl. 52) erfolgte der Unterricht von Montag bis Freitag. Der Schultag begann in der Regel mit Gebeten um ca. 7:30 Uhr. Daran schloss sich die Unterrichtsphase bis zur Mittagspause um ca. 13:00 Uhr an. Themen des Unterrichts waren z.B. „Charakter und Wesen Gottes”, „Das Kreuz”, „Evangelismus”, „Biblische Weltsicht” und „Heiliger Geist” (FG-Akte Bl. 77). Am Nachmittag absolvierte das Kind von 14.00 Uhr bis gegen 16:00 Uhr Arbeitseinsätze in der Bibelschule. Schließlich standen nach dem Abendessen noch verschiedene Themen auf dem Stundenplan (z.B. „Methodik Bibelstudium”, „Gespräche in Kleingruppen” sowie „Leitung einer christlichen Jugendgruppe”).

    Nach dem Studienblock schloss sich ab Mitte Dezember 2009 bis März 2010 die Praxisphase mit einem Team der „Jüngerschaftsschule” Y in Kenia an. Hierfür erhielt das Kind keine Vergütung. In der Praxisphase sollen die Teilnehmer „ Gelerntes in die Praxis umsetzen lernen und in Projekten vor Ort mitarbeiten, die u.a. folgende Inhalte haben: Kinder- und Jugendarbeit, Familiendienste, Entwicklungshilfe, Gemeindebau und Evangelisation, karitative Dienste & Völkerverständigung.” (vgl. Auszug aus Internet, FG-Akte Bl. 173).

    Am 4. März 2010 erhielt das Kind das Abschlusszeugnis. Es wird nur vergeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (Anlage 20 zum Schriftsatz des Klägers vom 20. September 2010, FG-Akte Bl. 72, sowie die Übersetzung hierzu, FG-Akte Bl. 153):

    1.Bezahlung der Schulgebühren,

    2.Abfassung der Buchberichte,

    3.Abfassung der Wochenberichte,

    4.wöchentliche Teilnahme an einem „ehrenamtlichen” Dienst vor Ort,

    5.erfolgreiche Teilnahme am zehnwöchigen Praxiseinsatz,

    6.aktive Teilnahme an allen Aufgabenbereichen, die im Zusammenhang mit der „Jüngerschaftsschule” stehen,

    7.durchgehend pünktliche Anwesenheit in der Klasse und in allen anderen Aufgabenbereichen, die im Zusammenhang mit der „Jüngerschaftsschule” stehen.

    Nach erfolgreichem Abschluss werden den Teilnehmern folgende Möglichkeiten eröffnet ( www.jmem.de/Home/UofN/Jüngerschaftsschulen; Auszug aus Internet, FG-Akte Bl. 173):

    ■Mitarbeit bei „Jugend mit einer Mission” mit Diensten in Entwicklungshilfe, Bildung und Erziehung, Kinder-, Jugend- und Familienarbeit. Der Besuch der „Jüngerschaftsschule” ist die Grundvoraussetzung für jeden Vollzeitmitarbeiter bei „Jugend mit einer Mission” und bietet gleichzeitig das Einstiegsprogramm zu allen anderen Fortbildungsmöglichkeiten (vgl. Auszug aus Internet, FG-Akte Bl. 174).

    ■Studium an der „University of the Nations” mit den Fachbereichen Wissenschaft und Technik, Sprachen, Entwicklungshilfe und christliche Dienste (Auszug aus Internet, FG-Akte Bl. 174). Hierfür ist Grundvoraussetzung das Durchlaufen der „Jüngerschaftsschule” (vgl. Studienkatalog, Seite 19, Übersetzung hierzu FG-Akte Bl. 154, Anlage 22 zum Schriftsatz des Klägers vom 27. September 2010, FG-Akte Bl. 116). Möglich sind Abschlüsse als „Associate of Arts”, „Associate of Science”, „Bachelor of Arts” oder „Bachelor of Science” und verschiedene Masterprogramme (Auszug aus Internet, FG-Akte Bl. 173, 181; vgl. auch den Studienkatalog, Anlage 22 zum Schriftsatz des Klägers vom 27. September 2010, FG-Akte Bl. 116).

    Mit Bescheid vom 5. November 2009 hob die beklagte Familienkasse (FamK) die Kindergeldfestsetzung ab November 2009 mit der Begründung auf, das Kind habe das Studium abgebrochen (KG-Akte Bl. 112).

    Hiergegen legte der Kläger am 16. November 2009 Einspruch ein (KG-Akte Bl. 115). Das Kind befinde sich weiterhin in Berufsausbildung. Er reichte eine Bescheinigung der „Jüngerschaftsschule” ein, aus der die Dauer des Schulbesuchs und die wöchentliche Studiendauer von 50 Stunden zu entnehmen war (KG-Akte Bl. 119).

    Am 1. April 2010 begann das Kind mit dem juristischen Vorbereitungsdienst am Oberlandesgericht A. Die monatliche Ausbildungsvergütung betrug brutto 1.004,10 EUR abzüglich des Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung von 105,68 EUR, das waren netto 898,42 EUR (FG-Akte Bl. 148). Von April bis Juni 2010 erhielt der Kläger nach seinen Angaben wieder Kindergeld (vgl. Niederschrift über den Erörterungstermin, FG-Akte Bl. 143). Aufgrund der Vollendung des 25. Lebensjahres des Kindes wird ab Juli 2010 kein Kindergeld mehr gewährt.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 14. April 2010 wies die FamK den Einspruch vom 16. November 2009 als unbegründet zurück (KG-Akte Bl. 148 ff.).

    Mit weiterem Bescheid vom 19. April 2010 hob die FamK die Kindergeldfestsetzung für Oktober 2009 mit der Begründung auf, das Kind habe das Studium abgebrochen. Gleichzeitig forderte sie überzahltes Kindergeld in Höhe von 164 EUR zurück (KG-Akte Bl. 155).

    Auch den hiergegen eingelegten Einspruch wies die FamK mit Einspruchsentscheidung vom 29. April 2010 als unbegründet zurück (KG-Akte Bl. 163 ff.).

    Gegen die genannten Bescheide erhob der Kläger am 17. Mai 2010 Klage. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die „Jüngerschaftsschule” sei Teil des „Bachelor of Arts” an der „University oft the Nations” von „Jugend mit einer Mission” und damit unmittelbar berufsqualifizierend. Dieser Abschluss befähige dazu, Vollzeittätigkeiten in christlichen Werken z.B. als Diakonin oder Pastorin auszuüben. Die „Jüngerschaftsschule” umfasse ein wöchentliches Programm von 50 Stunden unter anderem mit Unterrichtseinheiten (ca. 25 Stunden/Woche), Arbeitseinsätzen und Leseaufgaben. Dadurch solle u.a. der christliche Glaube fundiert, biblisches Wissen vertieft, der Charakter gestärkt und die eigene Persönlichkeit und Begabungen ausgebildet werden. Es habe Anwesenheitspflicht bestanden. Außerdem seien begleitend Bücher, z.B. Biographien über christliche Persönlichkeiten oder zu einem der Themen zu lesen und Berichte hierzu abzugeben gewesen. Es habe also auch eine entsprechende Lernkontrolle stattgefunden. Zwar seien keine Noten vergeben worden. Wer jedoch unentschuldigt fehlte, habe die Schule verlassen müssen. Die Anwesenheit sei kontrolliert worden. Nur wer die Schule insgesamt mit allen Programmen absolviert habe, habe das Abschlusszeugnis erhalten. Bei dem Besuch der „Jüngerschaftsschule” handele es sich demnach um eine Berufsausbildung. Auch abrundende oder ergänzende Maßnahmen seien vom Begriff der Berufsausbildung umfasst. Aus einem Vergleich zu Au-pair-Aufenthalten, die nach der Rechtsprechung des BFH als Berufsausbildung anerkannt würden, wenn der Auslandsaufenthalt von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit einem Umfang von wöchentlich mindestens zehn Stunden begleitet werde, ergebe sich, dass der Besuch der „Jüngerschaftsschule” als Berufsausbildung einzustufen sei.

    Das Kind sei bereits mehrere Jahre Mitglied in der freien evangelischen Gemeinde „Calvary Chapel T”. Es sei auch im Leitungsteam des Jugendcafés der Gemeinde aktiv. Ferner hätten bereits Aufnahmegespräche in den Mitarbeiterkreis der überkonfessionellen Initiative „Christ und Jurist” stattgefunden, zu deren Tagungen das Kind regelmäßig gefahren sei. Das Kind habe daher stetig und intensiv seinen christlichen Glauben verfolgt und diesen mit seinem beruflichen Werdegang verbunden. Es könne sich vorstellen, als Volljuristin in einem christlichen Werk zu arbeiten oder sich als Diakonin zu betätigen. Zunächst aber habe das Kind von Anfang an geplant, nach dem Besuch der „Jüngerschaftsschule” zeitnah das Rechtsreferendariat abzuleisten, um die im Jurastudium erlernten Inhalte nicht durch zu großen Zeitabstand zu vergessen. Deshalb habe es sich im September 2009 um einen Referendariatsplatz zum 1. April 2010 beworben. Es wollte sich jedoch die Option offen halten, nach erster beruflicher Tätigkeit das Studium an der „University of the Nations” abzuschließen. Aber alleine schon der Besuch der „Jüngerschaftsschule” stelle eine Qualifikation dar. Es gebe im Anwaltsberuf viele Mandanten, die christliche Anwälte suchten und davon ausgingen, dass diese über ein christliches und biblisches Wissen verfügten und in die Beratung einfließen ließen. Auch berücksichtigten mögliche Arbeitgeber wie das Diakonische Werk derartige Qualifikationen bei der Stellenvergabe.

    Da sich das Kind mit dem Besuch der „Jüngerschaftsschule” bis zum 5. März 2010 in Berufsausbildung befunden habe, sei auch für die Zeit bis zum Beginn des juristischen Vorbereitungsdiensts am 1. April 2010 Kindergeld zu gewähren. Das Kind habe sich in dieser Zeit in einer Übergangsphase von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befunden.

    Der Kläger beantragt,

    den Bescheid vom 5. November 2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. April 2010 sowie den Bescheid vom 19. April 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2010 aufzuheben und die FamK zu verpflichten, für die Zeit von Oktober 2009 bis März 2010 Kindergeld festzusetzen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Die FamK beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Besuch der „Jüngerschaftsschule” stelle keine Berufsausbildung dar. Ein Vergleich mit dem sog. Esra-Training sei nicht möglich, da keine strukturierte Wissensvermittlung erfolge, keine Lernkontrollen unter Vergabe von Noten durchgeführt würden und kein Abschlusszeugnis erteilt werde. Eine Ausbildungsmaßnahme müsse konkret berufsbezogen sein. Dies sei nicht der Fall, wenn die Vermittlung nur allgemein nützlicher Fähigkeiten, allgemeiner Lebenserfahrung oder die Herausbildung sozialer Eigenschaften im Vordergrund stehe. Die Inhalte der „Jüngerschaftsschule” dienten der Selbstfindung. Ein Zusammenhang mit dem anschließenden Rechtsreferendariat sei nicht gegeben. Die von der „Jüngerschaftsschule” eröffneten Möglichkeiten – Mitarbeit bei „Jugend mit einer Mission” oder Studium an der „University oft the Nations” – seien vom Kind offensichtlich nicht beabsichtigt gewesen.

    Am 16. März 2011 führte der Berichterstatter einen Erörterungstermin durch. Auf die Niederschrift wird verwiesen (FG-Akte Bl. 142 ff.).

    Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird verwiesen (FG-Akte Bl. 215 f.).

    Dem Gericht lag bei seiner Entscheidung die den Streitfall betreffende Kindergeldakte der FamK vor.



    Entscheidungsgründe
    I. Die Klage ist zulässig, soweit mit ihr die Aufhebung der Bescheide der FamK vom 5. November 2009 und vom 19. April 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen begehrt wird. Eines darüber hinausgehenden Verpflichtungsantrags bedurfte es unter den im Streitfall gegebenen Umständen indessen nicht.

    Da die streitigen Bescheide die Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 EStG zum Gegenstand haben, genügt dem Rechtsschutzinteresse des Klägers der bloße Aufhebungsantrag, weil bei dessen Erfolg die zuvor innegehabte Rechtsposition der Festsetzung von Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe als Dauerverwaltungsakt fortbesteht, ohne dass es wie im Fall der erstmaligen oder der erneuten Festsetzung von Kindergeld eines Verpflichtungsantrags auf Bewilligung von Kindergeld in dem erstrebten Umfang bedarf (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2009 10 K 10563/06 B , EFG 2009, 941 m.w.N.; zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage bei einem die Zahlung von Kindergeld ablehnenden Bescheid: vgl. BFH-Urteile vom 2. Juni 2005 III R 66/04, BFHE 210, 265, BStBl II 2006, 184; vom 9. Juni 2011 III R 61/08, juris). Soweit der Kläger über die Aufhebung der Aufhebungsbescheide auch die Verpflichtung der Behörde zur weiteren Kindergeldgewährung beantragt hat, besteht hierfür deshalb kein Rechtsschutzbedürfnis und ist der Antrag unzulässig. Hinzu kommt, dass die FamK noch nicht über einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes entschieden hat und die Klage daher auch mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig wäre (§ 44 Abs. 1 FGO).

    II. Soweit die Klage danach – als Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) – zulässig ist, ist sie auch begründet.

    Dem Kläger steht für sein Kind X in den Monaten Oktober 2009 bis März 2010 Kindergeld zu. Das Kind des Klägers befand sich im genannten Zeitraum in Berufsausbildung. Zudem überschritten die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes die jeweiligen Grenzbeträge des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG weder im Jahr 2009 noch im Jahr 2010 (2009: Grenzbetrag 7.680 EUR; Einkünfte und Bezüge: 4.704,24 EUR; 2010: Grenzbetrag 8.004 EUR, für ein halbes Jahr: 4.002 EUR; Einkünfte und Bezüge: 3 Monate × 898,42 EUR = 2.695,26 EUR).

    1. Nach § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 2 und § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, u.a. dann kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird.

    Nach ständiger Rechtsprechung des BFH umfasst der Begriff der Berufsausbildung jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf. In Berufsausbildung befindet sich, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet (BFH-Urteil vom 24. Juni 2004 III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294). Einzubeziehen sind alle Maßnahmen, die dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienen, die als Grundlage für Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, unabhängig davon, ob sie in einer Studien- oder Ausbildungsordnung vorgeschrieben sind oder -mangels solcher Regelungen – jedenfalls dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten dienen, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig sind (BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523; vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010, 296; vom 26. August 2010 III R 88/08, BFH/NV 2011, 26). Maßgebend für die weite Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist die Erwägung, dass die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern auch dann gemindert ist, wenn sich ihr Kind unabhängig von vorgeschriebenen Ausbildungsgängen in Ausbildung befindet und von ihnen unterhalten wird (BFH-Urteile vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298 und vom 7. April 2011 III R 11/09, BFH/NV 2011, 1325). Da das Berufsziel und die Gestaltung der Ausbildung nach ständiger Rechtsprechung weitgehend von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt werden (vgl. BFH-Urteile vom 8. November 1972 VI R 54/70, BFHE 107, 447, BStBl II 1973, 138; vom 11. Oktober 1984 VI R 69/83, BFHE 142, 140, BStBl II 1985, 91 und vom 2. Juli 1993 III R 81/91, BFHE 172, 59, BStBl II 1993, 870), ist das Berufsziel nicht ohne Weiteres dann als erreicht anzusehen, wenn das Kind die Mindestvoraussetzungen für die Ausübung des von ihm gewählten Berufs erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 107, 447, BStBl II 1973, 138). Kindern muss deshalb zugebilligt werden, zur Vervollkommnung und Abrundung von Wissen und Fähigkeiten auch Maßnahmen außerhalb eines fest umschriebenen Bildungsgangs zu ergreifen (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 24/99, BFH/NV 2000, 27 m.w.N.).

    Danach kann sich ein Kind auch dann in Berufsausbildung befinden, wenn es nach erfolgreicher Absolvierung einer zur Berufsausübung berechtigenden Ausbildung zusätzliche Qualifikationen erwirbt, sofern diese als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind und das Kind seine Weiterqualifizierung ernsthaft und nachhaltig betreibt. Der BFH hat daher ein Studium nach einer Lehre, ein Zusatzstudium mit dem Ziel „Master of Laws (LLM)” nach bestandenem Staatsexamen (BFH-Urteil vom 14. November 2000 VI R 128/00, BFHE 193, 457, BStBl II 2001, 495) und die gegen geringe Entlohnung ausgeübte Volontärtätigkeit einer Wirtschaftsassistentin (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 50/98, BFHE 189, 98, BStBl II BStBl 1998 II S. 1999, BStBl 1998 II S. 706) als Ausbildung angesehen. Der Begriff der Ausbildung für einen Beruf i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist daher weiter als der Begriff der Berufsausbildung i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 4. März 2010 III R 23/08, BFH/NV 2010, 1264).

    2. Unter Anwendung dieser Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung, denen der Senat folgt, stellt der Besuch der „Jüngerschaftsschule” durch das Kind eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar (ebenso für den vergleichbaren Sachverhalt des Besuchs einer Bibelschule: FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Oktober 2010 4 K 1629/09, EFG 2011, 1000; für das Absolvieren eines theologisch-sozialen „Esra-Trainings”: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Februar 2010 4 K 361/09, EFG 2010, 1050).

    a) Die „Jüngerschaftsschule” umfasste ein wöchentliches Programm von 50 Stunden mit Unterrichtseinheiten (ca. 25 Stunden/Woche), Arbeitseinsätzen und Leseaufgaben. Die Ausbildung erfolgte anhand eines festgelegten Studienplans durch eine strukturierte Wissensvermittlung mit einem festen Zeitplan und einem Zeitaufwand für die Teilnehmer, der die Arbeitskraft und -zeit weitgehend in Anspruch nahm. Sie ist darüber hinaus nicht in das Belieben des Schülers gestellt, sondern unterliegt festen Regelungen. Es bestand Anwesenheitspflicht (vgl. Voraussetzungen für die Erteilung des Abschlusszeugnisses, FG-Akte Bl. 153). Wer unentschuldigt fehlte, musste die Schule verlassen. Außerdem waren begleitend Bücher, z.B. Biographien über christliche Persönlichkeiten oder zu einem der Themen, zu lesen und Berichte hierzu abzugeben. Damit fand auch eine entsprechende Lernkontrolle statt. Zwar wurden keine Noten vergeben. Dies ist jedoch nicht entscheidend für das Vorliegen einer Berufsausbildung, wie z.B. die Anerkennung eines Praktikums – auch außerhalb eines fest umschriebenen Prüfungsgangs – als Berufsausbildung zeigt (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 16/99, BFHE 189, 113, BStBl II 1999, 713). Das Abschlusszeugnis erhielt darüber hinaus nur, wer die Schule mit den geforderten Inhalten wie etwa Teilnahme am Unterricht und Abfassung von Buch- und Wochenberichten absolvierte. Die Anwesenheit wurde nach den glaubhaften – und zwischen den Beteiligten unstreitigen – Angaben des Kindes, das sowohl im Erörterungstermin als auch in der mündlichen Verhandlung anwesend war, kontrolliert. Nach erfolgreichem Abschluss der „Jüngerschaftsschule” eröffnet sich den Teilnehmern die Möglichkeit, ein Studium an der „University of the Nations” mit dem Abschluss „Bachelor” oder eine Vollzeittätigkeit bei „Jugend mit einer Mission” aufzunehmen.

    b) Die inhaltliche Wertung der angestrebten Ausbildung steht dem Gericht und der Kindergeldkasse nicht zu. Maßgeblich ist, ob das Kind mit dem Schulbesuch eine nicht nur vorübergehende Betätigungsmöglichkeit schaffen wollte, die dem Aufbau oder der Erhaltung und Sicherung seiner beruflichen Existenz und damit der Erhaltung und Sicherung seiner Lebensgrundlagen dienen konnte und sollte (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1987 VI R 149/81, BFHE 152, 337, BStBl II 1988, 494). Hierzu führte das Kind – zuletzt in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 27. September 2011 – aus, dass es sich nach dem ersten juristischen Staatsexamen auch vorstellen konnte, vollzeitlich für kirchliche Gemeinden zu arbeiten. Bis heute zieht es eine solche Betätigung in Betracht (FG-Akte Bl. 209). Nach wie vor kann sich das Kind auch vorstellen, ein Studium an der „University of the Nations” aufzunehmen (vgl. Niederschrift über den Erörterungstermin, FG-Akte Bl. 143), für das das Durchlaufen der „Jüngerschaftsschule” Grundvoraussetzung ist. Dem widerspricht auch nicht, dass das Kind nach Abschluss der „Jüngerschaftsschule” zunächst den juristischen Vorbereitungsdienst antrat, in dem es sich derzeit noch befindet. Der Kläger begründete dies nachvollziehbar mit dem Argument, dass ansonsten – wenn sich das Kind nach einem vorgeschalteten Studium an der „University oft the Nations” für eine juristische Berufslaufbahn entschieden hätte – im Hinblick auf den dann noch zu absolvierenden juristischen Vorbereitungsdienst ein zu großer Wissensverlust eingetreten wäre.

    c) Diese weite Auslegung des Begriffs der Berufsausbildung im Streitfall entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH zu Au-pair-Aufenthalten im Ausland, wonach die Abgrenzung zwischen kindergeldrechtlich nicht förderungsfähigen Tätigkeiten zur Erlangung allgemeiner Erfahrungswerte und solchen, die unter den Begriff der Berufsbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu subsumieren sind, dergestalt vorzunehmen ist, dass eine Berufsausbildung in der Regel dann anzunehmen ist, wenn der Auslandsaufenthalt von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit einem Umfang von wöchentlich mindestens 10 Stunden begleitet wird (vgl. BFH-Urteile vom 9. Juni 1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710; vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; vom 9. Juni 1999 VI R 24/99, BFH/NV 2000, 27; vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469; BFH-Beschluss vom 31. August 2006 III B 39/06, BFH/NV 2006, 2256). Denn ebenso wie bei Au-pair-Aufenthalten im Ausland wird bei einer Betätigung, die auch dem Erwerb nicht unmittelbar beruflich zu nutzender Kenntnisse und Fähigkeiten dienen kann (bei Au-pair-Aufenthalten: das Erlangen bzw. Verbessern von Fremdsprachenkenntnissen; im Streitfall: die Beschäftigung mit theologisch-sozialen Inhalten), die Schwelle zur Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dann überschritten, wenn diese Betätigung einen gewissen zeitlichen Mindestaufwand und eine ausreichende theoretische Systematisierung erfährt. Dies ist im Streitfall angesichts des dargestellten sachlichen und zeitlichen Umfangs sogar deutlich stärker gegeben als bei einem Au-pair-Aufenthalt, der nur die zeitlichen Mindestvoraussetzungen von zehn Stunden wöchentlich erfüllen muss (zu dieser Überlegung vgl. auch FG BadenWürttemberg, Urteil vom 15. Februar 2010, 4 K 361/09, EFG 2010, 1050).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Danach können die Kosten einem Beteiligten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. So verhält es sich im Streitfall. Wie bereits ausgeführt ging das Verpflichtungsbegehren des Klägers ins Leere, da er sein Prozessziel bereits im Wege der darin enthaltenen Anfechtungsklage erreichen konnte. Insofern kommt diesem – abgewiesenen – Teil seiner Klage nach Auffassung des Senats keine nennenswerte Bedeutung zu; eine Kostenteilung erscheint daher nicht sachgerecht.

    Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).

    Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 155 FGO i. V. mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

    RechtsgebieteEStG, FGOVorschriftenEStG § 62 Abs. 1 EStG § 63 Abs. 1 S. 2 EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG § 32 Abs. 4 S. 2 EStG § 70 Abs. 2 EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7 FGO § 40 Abs. 1 FGO § 44 Abs. 1