14.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123505
Finanzgericht München: Urteil vom 24.05.2012 – 10 K 1381/11
1. Die Abzugsfähigkeit von Unterhaltsaufwendungen setzt voraus, dass die tatsächlichen Zahlungen und die Bedürftigkeit des Zahlungsempfängers vom Steuerpflichtigen nachgewiesen werden.
2. Bei Unterhaltszahlungen an Empfänger im Ausland ist die Bedürftigkeit durch vollständig ausgefüllte Bedürftigkeitsbescheinigungen nachzuweisen.
3. Bargeldzahlungen an Unterhaltsempfänger im Ausland können durch vollständig ausgefüllte Emfängerbestätigungen nachgewiesen werden. Nachträglich ausgestellte oder zusammengefasste Emfängerbestätigungen haben keinen Beweiswert.
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In der Streitsache
hat der 10. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … den Richter am Finanzgericht … und die Richterin am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … ohne mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2012 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist der Abzug von Unterhaltsaufwendungen an Angehörige im Ausland.
Die verheirateten Kläger stammen aus Bosnien-Herzegowina und wurden im Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. In der ESt-Erklärung für das Jahr 2008 machten die Kläger Unterhaltszahlungen an die Schwiegereltern des Klägers in Höhe von 2.400 EUR als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) geltend. Im ESt-Bescheid 2008 vom 21. September 2010 erkannte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) neben anderen – nicht streitigen – Aufwendungen die geltend gemachten Unterhaltszahlungen nicht an. Der gegen den ESt-Bescheid 2008 eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 1. April 2011).
Mit ihrer Klage machen die Kläger weiterhin den Abzug der Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG geltend. Zur Begründung tragen die Kläger vor: Da das FA für die Jahre 2004 bis 2007 Unterhaltsaufwendungen anerkannt habe, ohne dass es hierzu Belege angefordert habe, habe es einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Erst mit Schreiben des FA vom 20. Mai 2010, in dem das FA erstmals Belege angefordert habe, seien den Klägern die geänderten Nachweiskriterien bewusst geworden.
Mit Anordnung vom 25. Januar 2012 hat der Berichterstatter die Kläger aufgefordert, Nachweise zu den Unterstützungsleistungen und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der unterstützten Person vorzulegen. Die Kläger teilten mit, die Unterstützungsleistungen anlässlich von Besuchsfahrten mit dem Auto in Bosnien in bar übergeben zu haben. Die Unterstützungsleistungen seien zuvor nicht von einem Bankkonto der Kläger abgehoben, sondern aus dem vorhandenen – aus Mieteinnahmen herrührenden – Bargeldbestand genommen worden. Zum Nachweis der Fahrten wurden Kopien aus dem Reisepass des Klägers vorgelegt, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird. Darüber hinaus erklärten die Kläger, der Lebensunterhalt der Eltern der Klägerin werde – mangels Renten oder anderer eigener Einkünfte – gr ößtenteils durch deren Kinder bestritten. Die Kläger legten weitere – bereits zusammen mit der ESt-Erklärung 2008 beim FA eingereichte – Unterlagen (Unterhaltserklärungen, Empfängerbestätigung) vor, auf die ebenfalls verwiesen wird und teilten mit, weitere Unterlagen nicht vorlegen zu können.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den ESt-Bescheid 2008 vom 21. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. April 2011 dahin zu ändern, dass Unterhaltszahlungen in Höhe von 2.400 EUR bis zur nach § 33a Abs. 1 EStG zulässigen Höchstgrenze berücksichtigt werden und die ESt entsprechend herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung vom 1. April 2011 und ist der Auffassung, dass das FA aufgrund der Nichtanforderung von Belegen und der Anerkennung der Unterhaltszahlungen in der Vergangenheit keinen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Vielmehr seien nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung die Besteuerungsgrundlagen bei jeder Veranlagung erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Durch die vorgelegten Unterlagen sei weder die Unterstützungsbedürftigkeit der Schwiegereltern nachgewiesen noch sei der Zahlungsweg ausreichend belegt. So seien die Unterhaltsbescheinigungen teilweise nicht ausgefüllt und die Passkopien wiesen für das Streitjahr 2008 keinen einzigen Stempel auf.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 27. April 2011, 26. August 2011 und vom 23. Februar 2012 und die Schriftsätze des FA vom 27. Juni 2011, vom 14. Oktober 2011 und vom 9. März 2012 verwiesen.
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
II.
1. Die Klage ist nicht begründet. Zu Recht hat das FA den beantragten Abzug von Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung nicht anerkannt.
a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr 2008 geltenden Fassung).
Ist die unterhaltene Person nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, können die Aufwendungen nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person notwendig und angemessen sind (§ 33a Abs. 1 Satz 5 EStG). Aus diesem Grund ist der abzugsfähige Höchstbetrag im vorliegenden Fall im Streitjahr 2008 nach der sog. Ländergruppeneinteilung (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 9. September 2008, BStBl I 2008, 936) für Bosnien-Herzegowina auf ein Viertel, also 1.920 EUR zu reduzieren. Die sog. Ländergruppeneinteilung ist rechtlich nicht zu beanstanden, da sie die Notwendigkeit und Angemessenheit von Aufwendungen nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 1. Halbsatz EStG zutreffend abbildet (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 5. Mai 2010 VI R 5/09, BFHE 230, 9, BStBl II 2011, 115 und vom 2. Dezember 2004 III R 49/03, BFHE 208, 531, BStBl II 2005 zum BMF-Schreiben vom 17. November 2003, BStBl I 2003, 637).
Weitere Voraussetzung für die Anerkennung von Unterstützungsleistungen als außergewöhnliche Belastung ist, dass die unterstützte Person keine oder nur geringe andere eigene Einkünfte oder Bezüge hat und kein Vermögen besitzt.
Der Steuerpflichtige hat die Voraussetzungen für den Abzug von Unterhaltszahlungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG nachzuweisen, und zwar neben der Bedürftigkeit des Unterstützungsempfängers insbesondere auch die tatsächlichen Zahlungen. Der Steuerpflichtige trägt für das Vorliegen der Voraussetzungen die objektive Beweislast (Feststellungslast) (BFH-Urteil vom 3. Juni 1987 III R 205/81, BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675).
Gemäß § 90 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) sind bei Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Unterstützungsempfänger die Beteiligten in besonderem Maße verpflichtet, bei der Aufklärung mitzuwirken und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Die durch Verwaltungsregelung (vgl. BMF-Schreiben vom 7. Juni 2010, BStBl I 2010, 588 Rz. 3 ff.) aufgestellten Kriterien konkretisieren den Rechtsbegriff der „erforderlichen Beweismittel” zwar zutreffend, jedoch nicht abschlie ßend (BFH-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 39/03, BFHE 206, 529, BStBl II 2005, 24). Zuzulassen sind regelmäßig nur sichere und leicht nachprüfbare – soweit möglich inländische – Beweismittel (BFH-Urteil vom 3. Juni 1987 III R 205/81, BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675; BFH-Beschluss vom 15. Juni 1999 III B 10/99, BFH/NV 1999, 1595).
Insbesondere müssen Bedürftigkeitsbescheinigungen erwachsener Unterhaltsempfänger detaillierte Angaben über vor dem Beginn der Unterstützung bezogene Einkünfte enthalten. Im Hinblick auf die nur eingeschränkte Überprüfbarkeit eines im Ausland verwirklichten Sachverhalts sind umfassende Angaben dazu unerlässlich. Grundsätzlich ist es zumutbar, vollständig ausgefüllte Bescheinigungen vorzulegen (BFH-Urteil vom 27. Juli 1990 III R 90/87, BFH/NV 1991, 229, m.w.N.).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Kläger weder die Unterhaltsbedürftigkeit der Schwiegereltern des Klägers noch die Unterhaltszahlungen an diese nachgewiesen. Nach den Grunds ätzen der objektiven Beweislast haben sie die Folge des Umstandes zu tragen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 33a EStG nicht feststellbar ist.
aa) Mit den vorgelegten Unterhaltserklärungen haben die Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts die Bedürftigkeit der Schwiegereltern des Klägers nachgewiesen. Denn die beiden Unterhaltserklärungen mit Datum vom 10. März 2009 sind in wesentlichen Teilen unvollständig und deshalb zum Nachweis der Unterhaltsbedürftigkeit ungeeignet. Zwar sind in beiden Unterhaltserklärungen die Angaben zu Teil A des Formulars („Persönliche Angaben”) ausgefüllt, wobei in der Unterhaltserklärung des Schwiegervaters des Klägers, Herrn B. Ba., als Geburtsdatum lediglich „1950” angegeben ist. Jedoch wurden jeweils in den Teilen B („Wirtschaftliche Verhältnisse der unterstützten Person”) und C („Sonstige Angaben”) keinerlei Angaben mehr gemacht. So fehlen in beiden Unterhaltserklärungen insbesondere Angaben zu den Einnahmen und Ausgaben, zum Vermögen und dem Beginn der Unterstützung.
bb) Darüber hinaus haben die Kläger auch nicht zur Überzeugung des Gerichts die Unterhaltszahlungen an die Schwiegereltern des Klägers nachgewiesen.
So ergibt sich aus dem Vortrag der Kläger weder die Anzahl noch der genaue Zeitpunkt der Fahrten nach Bosnien-Herzegowina anlässlich derer die Bargeldübergaben stattgefunden haben sollen. Die Kläger haben hierzu lediglich vorgetragen, dass die Fahrten „immer innerhalb der Schulferien” stattfinden, damit auch die Enkelkinder die Großeltern besuchen könnten. Dieser Vortrag ist nach Auffassung des Gerichts schon deshalb unschlüssig, da der 11. April 2008, der u.a. auf der vorgelegten Empfängerbestätigung aufgeführt ist, außerhalb der bayerischen Schulferien (Ostern: 17.3. – 29.3.2008) lag. Im Übrigen weisen die vorgelegten Kopien des Reisepasses des Klägers im Streitjahr 2008 keinen einzigen Ein- oder Ausreisestempel nach bzw. von Bosnien-Herzegowina auf. Schließlich wird auch durch den Vortrag der Kläger, der nach Bosnien-Herzegowina Einreisende könne keinen Einfluss auf Einreisestempel nehmen ohne Grenzschikanen ausgesetzt zu werden, kein Nachweis für die Fahrten erbracht.
Überdies haben die Kläger, die tatsächliche Durchführung der Fahrten nach BosnienHerzegowina und das Vorhandensein entsprechenden Bargelds aus Mieteinkünften unterstellt, nicht nachgewiesen, dass und wie viel Geld sie an den Schwiegervater des Klägers in bar übergeben haben. Denn die vorgelegte Empfängerbestätigung ist – aus verschiedenen Gründen – nicht geeignet, den Zahlungsfluss zu belegen. Zum einen ist die mit dem Datum „14.05.2009” versehene Empfängerbestätigung nicht unterschrieben, zum anderen umfasst sie drei Bargeldübergaben zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten („11.04.2008”, „25.08.2008” und „22.12.2008”). Um die ihnen zugedachte Beweisfunktion zu erfüllen, müssen Empfängerbestätigungen aber Zug um Zug gegen Hingabe des Geldes ausgestellt werden. Nachträglich ausgestellte oder zusammengefasste Empfängerbestätigungen sind nicht anzuerkennen (BFH-Urteil in BFHE 206, 529, BStBl II 2005, 24; BMF-Schreiben vom 7. Juni 2010, BStBl I 2010, 588 Rz. 18) und haben daher keinen Beweiswert.
c) Ein Vertrauensschutz zugunsten der Kläger besteht nicht. Auch wenn in den Jahren vor dem Streitjahr die Unterhaltszahlungen anerkannt wurden, hat dies wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung keine Auswirkungen auf die Folgejahre. Weitere Gesichtspunkte, aus denen sich eine Bindungswirkung nach Treu und Glauben ergeben könnte, sind nicht ersichtlich. Überdies greift die Berufung der Kläger auf Vertrauensschutz auch schon deshalb nicht, da die in den Vorjahren dem FA vorgelegten Empfängerbestätigungen – anders als im Streitjahr 2008 – unterschrieben waren.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.