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  • 21.03.2013 · IWW-Abrufnummer 131194

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 24.10.2012 – 7 K 2010/12 E

    - Eine Hinweismitteilung im Erläuterungsteil des Einkommensteuerbescheides für ein Vorjahr, dass die Steuerakte gelöscht werde und die Steuerpflichtigen ab einem bestimmten Zeitpunkt von der Abgabe der Steuererklärungen befreit seien, stellt weder einen Freistellungsbescheid noch eine verbindliche Zusage dar.
    - Ebenso wenig kann der Steueranspruch durch eine solche Mitteilung für nachfolgende Jahre verwirkt werden.
    - Eine verbindliche Zusage tritt dann außer Kraft, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Entscheidung beruhte, geändert werden.
    - Ein Mitarbeiter der Servicestelle des Finanzamts kann mangels Zuständigkeit für die Veranlagung keine nach Treu und Glauben bindende Auskunft erteilen.
    - Die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO normierte Anlaufhemmung ist allein davon abhängig, ob der Steuerpflichtige aufgrund gesetzlicher Vorschrift zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist, und wird nicht vom Verhalten der Finanzbehörde beeinflusst.


    Tatbestand
    Die Kläger, geb. 1935 und 1938, sind Rentner. Ihr Einkommensteuerbescheid 1997 enthielt im Erläuterungsteil den Hinweis: „Besonders wichtig: Die Steuerakte wurde zum 1. 1. 1998 gelöscht. Ab diesem Zeitpunkt sind Sie von der Abgabe der Steuererklärungen befreit”. In der Folgezeit gaben die Kläger keine Einkommensteuererklärungen ab.
    Die Kläger wurden mit einer automatisierten Anfrage des Finanzamtes zur Auswertung der Daten der Rentenbezugsmitteilungen nach § 22 a EStG vom 9. 9. 2011 und mit Schreiben vom 19. 10. 2011 zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2005 – 2010 aufgefordert. Daraufhin teilten die Kläger mit, durch den Steuerbescheid 1997 vom 13. 2. 1998 seien sie von der Einkommensteuererklärungsabgabe befreit worden. Eine zeitliche Begrenzung sehe der Bescheid nicht vor.
    Die Einkommensteuererklärung 2010 wurde von den Klägern am 28. 11. 2011 abgegeben, im Einkommensteuerbescheid vom 15. 2. 2012 wurde eine Steuer von 256 EUR festgesetzt. Für 2005 – 2009 ergingen am 15. 2. 2012 Schätzungsbescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung. Am 2. 3. 2012 legten die Kläger Einspruch gegen die Bescheide 2005-2010 ein, die Erklärungen 2005 – 2009 wurden am 10. 4. 2012 eingereicht. Mit dem Einspruch trugen die Kläger vor, durch den Bescheid vom 13. 2. 1998 sei eine Nichtveranlagungsverfügung ergangen, die ihnen bekannt gegeben und dadurch zu einem Freistellungsbescheid geworden sei. Diese gelte so lange, bis das Finanzamt zur Abgabe von Steuererklärungen auffordere. Eine solche Aufforderung sei erst in 2011 für das Jahr 2010 erfolgt. Die Erklärung 2010 sei eingereicht worden. Für 2005 bis 2009 habe auch deshalb keine Verpflichtung zur Erklärungsabgabe bestanden, da der Kläger mehrfach bei der Servicestelle des Finanzamtes nachgefragt habe, ob der Freistellungsbescheid von der Erhebung der Einkommensteuer befreie. Ihm sei am 9. 4. 2008 von der Servicestelle mitgeteilt worden, dass die Freistellung auf Dauer Gültigkeit habe, da man leider vergessen habe, eine entsprechende Änderung bezüglich eventueller Einkommens- oder gesetzlicher Änderungen zu machen. Eine schriftliche Benachrichtigung sei nicht erfolgt, da die Akte gelöscht sei. Es bestehe ein Vertrauenstatbestand, so dass eine rückwirkende Erhebung der Steuer nicht möglich sei.
    Am 23. 4. 2012 ergingen erklärungsgemäß geänderte Bescheide für 2005 – 2009. Die Einkommensteuer wurde für 2005 auf 184 EUR, für 2006 auf 214 EUR, für 2007 auf 240 EUR, für 2008 auf 197 EUR und für 2009 auf 221 EUR festgesetzt.
    Den Einspruch wies der Beklagte ebenfalls am 23. 4. 2012 zurück. Zur Begründung führte er aus, nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung führe der Hinweis im Steuerbescheid 1997 nicht zu einer Bindungswirkung für Folgejahre. Es bestehe auch kein Vertrauensschutz, da der Gesetzgeber durch das Alterseinkünftegesetz ab 2005 eine neue Rechtslage geschaffen habe. Aber auch ohne Gesetzesänderung hätte es nach 1997 zu einer Einkommensteuerpflicht bei höheren als den bisherigen Einkünften kommen können. Eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen scheide aufgrund der neuen Gesetzeslage aus.
    Hiergegen richtet sich die Klage.
    Die Kläger tragen vor:
    Sie hätten sich aufgrund des Hinweises eines Nachbarn, dass Renteneinkünfte seit 2005 steuerpflichtig seien, noch zwei Mal zum Finanzamt begeben, auf dem Steuerbescheid 1997 sei ein entsprechender handschriftlicher Vermerk vom 9. 4. 2008. Durch die Servicestelle des FA sei zugesichert worden, auch anlässlich der Änderung der Besteuerung der Alterseinkünfte müssten sie keine Steuererklärungen abgeben. Eine schriftliche Bestätigung wurde nicht gegeben unter Hinweis darauf, dass die Akte gelöscht sei. Die Ausführungen zur Befreiung von der Abgabepflicht im Bescheid 1997 stellten eine selbständigen rechtmäßigen begünstigenden VA dar, der nur für die Zukunft widerrufen werden könne. Es handle sich um einen Freistellungsbescheid iSv von § 155 Abs. 1 S. 3 AO. Maßgeblich für die Auslegung sei die Sicht des Empfängers. Dieser messe einem Hinweis in einem Steuerbescheid, der mit „besonders wichtig” überschrieben sei, verbindliche Wirkung zu. Der Zusatz, dass die Akte gelöscht sei, verstärke die Ansicht des Empfängers, dass von nun an keine Erklärungen mehr abgegeben werden müssten. Der Hinweis habe auch keinen Zusatz enthalten wie ”...soweit sich die Rechtslage nicht ändert”. Daher hätten die Kläger auf eine uneingeschränkte Befreiung von der Erklärungspflicht vertraut. Die Voraussetzungen für den Widerruf eines solchen Dauerverwaltungsaktes nach § 130 AO lägen nicht vor. Der Vertrauensschutz erstrecke sich auf alle Folgejahre und sei zwingend zu beachten. Die Rentenbezugsmitteilungen hätten im Übrigen schon 2005 übermittelt und ausgewertet werden müssen, zu der Zeit sei aber keine Meldung an die Kläger erfolgt. Im Übrigen sei für 2005 und 2006 Festsetzungsverjährung eingetreten. Für 2005 habe die Festsetzungsfrist zum 31. 12. 2005 begonnen und endete mit Ablauf des Jahres 2009, für 2006 zum 31. 12. 2010. Denn die Kläger seien nicht zur Abgabe einer Erklärung verpflichtet gewesen, so dass die Anlaufhemmung nicht greife. Durch das Verhalten des Beklagten sei zudem Verwirkung eingetreten. Die Kläger hätten aufgrund der Aussagen des Finanzamts geglaubt, Rechtssicherheit zu haben. Sie seien bereit gewesen, ihre Erklärungspflichten zu erfüllen.
    Auf das schriftsätzliche Vorbringen i.e. wird verwiesen.
    Die Kläger beantragen,
    die Einkommensteuerbescheide 2005-2009 vom 23. 4. 2012 sowie die
    Einspruchsentscheidung vom 23. 4. 2012 aufzuheben,
    hilfsweise Revisionszulassung.
    Der Beklagte beantragt ,
    die Klage abzuweisen,
    hilfsweise Revisionszulassung.
    Der Beklagte trägt vor:
    Bei der Erläuterung im Bescheid 1997 handle es sich nicht um einen VA. Auch eine verbindliche Auskunft liege nicht vor. Die Festsetzungsfrist für 2005 habe mangels Erklärungsabgabe zum 31. 12. 2008 begonnen.
    Gründe
    Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.
    Die Bescheide sind erklärungsgemäß ergangen; die Einkommensteuer ist der Höhe nach zutreffend festgesetzt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Neuregelung der Besteuerung der Altersrenten durch das Alterseinkünftegesetz bestehen nicht (BFH vom 19. Januar 2010 X R 53/08 BFHE 228,223, BStBl II 2011,567).
    Festsetzungsverjährung war bei Erlass der Bescheide im Jahr 2012 nicht eingetreten.
    Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist; nach Abs. 2 beginnt sie jedoch abweichend von der Regelung des Absatz 1, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt. Diese in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO normierte Anlaufhemmung ist allein davon abhängig, ob der Steuerpflichtige aufgrund gesetzlicher Vorschrift zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist; sie ist insbesondere unabhängig vom Verhalten der Finanzbehörde (BFH vom 17. Februar 1993 II R 83/90, BFHE 170, 305, BStBl II 1993, 580; FG Düsseldorf vom 24. April 2012 10 K 752/10 EEFG 2012,1323).
    Die Kläger waren gesetzlich jedenfalls ab dem Veranlagungszeitraum 2005 zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet. Nach § 25 Abs. 3 EStG hat ein Stpfl. für den abgelaufenen Veranlagungszeitraum eine Einkommensteuererklärung abzugeben, für den Fall der Zusammenveranlagung haben Ehegatten eine gemeinsame Einkommensteuererklärung abzugeben. Hierzu regelt § 56 Abs. 1 Nr. 1a EStDV in der für die Streitjahre geltenden Fassung, dass unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatten eine jährliche Einkommensteuererklärung für das abgelaufene Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) abzugeben haben, wenn keiner der Ehegatten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, bezogen hat und der Gesamtbetrag der Einkünfte mehr als 15.329 Euro bzw. (Fassung ab 6. März 2009) mehr als das Zweifache des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Gesetzes in der jeweils geltenden Fassung betragen hat. Demnach waren die Kläger zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr verpflichtet, weil bei ihnen die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung für das Streitjahr gemäß § 26 Abs. 1 EStG vorlagen, keiner von ihnen die getrennte Veranlagung nach § 26a EStG oder die besondere Veranlagung nach § 26c EStG gewählt hat, keiner von ihnen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, bezogen hat und der Gesamtbetrag der Einkünfte sich auf 21.983 EUR in 2005, 22.222 EUR in 2006, 22.600 EUR in 2007, 22.999 EUR in 2008, 23.782 EUR in 2009 und 24.206 EUR in 2010 belief.
    Die Festsetzungsfrist für 2005 begann demnach, da die Kläger keine Steuererklärungen abgegeben haben, gemäß § 170 Abs. 2 AO für das Jahr 2005 mit Ablauf des Jahres 2008, für 2006 mit Ablauf des Jahres 2009, und beträgt vier Jahre, so dass im Jahr 2012 noch Steuerfestsetzungen für 2005 – 2009 erfolgen konnten.
    Der Beklagte war nicht aufgrund der Hinweismitteilung im Einkommensteuerbescheid 1997 gehindert, die Einkommensteuer für 2005 – 2009 festzusetzen.
    Entgegen der Ansicht der Kläger handelt es sich bei der Hinweismitteilung nicht um einen Freistellungsbescheid. Ein Freistellungsbescheid ist ein Steuerbescheid, der nach dem Willen des Finanzamtes den Steuerpflichtigen davon unterrichtet, dass eine Steuer von ihm aufgrund des geprüften Sachverhalts dem Grunde nach überhaupt nicht oder für einen bestimmten Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum nicht gefordert werde (BFH vom 22. Oktober 1986 I R 254/83, BFH/NV 1988, 10; vom 9. April 2008 II R 31/06 BFH/NV 2008,1435). Einen derartigen Regelungsgehalt hatte die Mitteilung des Finanzamtes im Bescheid 1997 nicht. Denn diese Mitteilung bezog sich nicht auf eine Steuerforderung des Finanzamtes bzw. eine Verpflichtung der Steuerpflichtigen zur Steuerzahlung, sondern auf die Abgabe von Steuererklärungen.
    Das Finanzamt war nicht aufgrund einer verbindlichen Zusage gehindert, Steuerfestsetzungen für die Streitjahre durchzuführen. Eine solche verbindliche Zusage ist weder in dem Zusatz im Einkommensteuerbescheid 1997, dass künftig keine Steuererklärungen abzugeben seien, noch in den von der Servicestelle des Finanzamtes erteilten Auskünften zu sehen.
    Das Finanzamt ist bei der Veranlagung nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung an eine bei einer vorhergehenden Veranlagung zugrunde gelegte Rechtsauffassung grundsätzlich nicht gebunden, es sei denn, die Behörde hätte für künftige Steuerabschnitte in der Vergangenheit in einem konkreten Einzelfall eine verbindliche Zusage oder Auskunft gegeben (vgl. BFH vom 10.November 1982 I R 142/79, BFHE 137, 202, BStBl II 1983, 280; vom 19.November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520; vom 19. Mai 1992 VIII R 37/90 BFH/NV 1993,87).
    Im hier maßgeblichen Jahr 1998, in dem der Einkommensteuerbescheid 1997 für die Kläger mit dem streitigen Zusatz ergangen ist, war die verbindliche Auskunft in der AO lediglich in Zusammenhang mit der steuerlichen Außenprüfung in den §§ 204 ff. AO geregelt. Anders als in § 38 VwVfG hatte der Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt in der Abgabenordnung keine allgemeine Regelung über Zusicherungen getroffen (vgl. auch BFH vom 13. Dezember 1989 X R 208/87 BFHE 159,114, BStBl II 1990,74); § 89 Abs. 2 AO ist erst durch Gesetz vom 5. 9. 2006 (BGBl I S. 2098) mit Wirkung ab 12. 9. 2006 eingefügt worden. Auch nach der vor der Einführung des § 89 Abs. 2 AO geltenden Rechtslage konnten indes Zusicherungen im Regelungsbereich von Steuerbescheiden nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im Einzelfall zu einer Bindung des Finanzamtes führen, wenn es einem Steuerpflichtigen zugesichert hat, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheint und der für die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen bedeutsam ist, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinn zu beurteilen (vgl. BFH vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562; vom 19.März 1981 IV R 49/77, BFHE 133, 144, BStBl II 1981, 538, vom 16.März 1983 IV R 36/79, BFHE 138, 223, BStBl II 1983, 459). Eine nähere Konkretisierung für die Finanzbehörden erfolgte durch das für den hier streitigen Zeitraum geltende BMF-Schreiben vom 24. Juni 1987 (BStBl I 1987 S. 474) sowie den Erlass des Finanzministeriums NRW vom 1. Mai 1997 (AO-Kartei NW § 4 AO Karte 804). Dabei handelte es sich um eine ermessenslenkende Grundlage für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft oder Zusage außerhalb einer Außenprüfung (vgl. FG Baden-Württemberg vom 25. September 2000 9 K 139/97, juris).
    Danach ist zwar anerkannt, dass die Finanzbehörden auch außerhalb einer Außenprüfung eine Zusage geben können, deren Verbindlichkeit aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abzuleiten ist (vgl. BFH vom 14. September 1994 I R 125/93 BFH/NV 1995,369 m.w.N.). Aus einer solchen Auskunft können aber Rechtswirkungen u.a. nur abgeleitet werden, wenn der Steuerpflichtige die verbindliche Zusage zu einer konkreten steuerlichen Frage oder Gestaltung beantragt hat (BFH aaO.). Bereits daran fehlt es im Streitfall. Weiterhin setzt eine verbindliche Zusage voraus, dass sie in Kenntnis des in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellten und noch zu verwirklichenden Sachverhalts erteilt wird (BFH vom 7. November 2006 XI B 177/05 BFH/NV 2007,431). Dies war vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil der für die Zukunft maßgebliche Sachverhalt – nämlich die Höhe der künftigen steuerpflichtigen Einkünfte der Kläger als Voraussetzung der gesetzlichen Steuererklärungspflicht für die Folgejahre – im Jahr 1998 nicht bekannt war und nicht beurteilt werden konnte. Der Hinweis im Einkommensteuerbescheid 1997 beruhte auf der Auswertung der für 1997 abgegebenen Einkommensteuererklärung, auf Grund deren die Kläger lediglich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie mit dem Ertragsanteil anzusetzende Renteneinkünfte erzielten, nach denen sich eine Einkommensteuer von 0 DM ergab. Nur unter der Prämisse eines gleichbleibenden Sachverhaltes konnte das Finanzamt auf die künftige Abgabe von Steuererklärungen verzichten. Da die Höhe der Steuerfestsetzung (hier mit „0 DM”) aber von der Höhe der steuerlich zu berücksichtigenden Einkünfte abhängt, die nicht bekannt waren, kam dem Hinweis keine Verbindlichkeit für Folgejahre bei geänderter Sach- oder Rechtslage zu.
    Im übrigen tritt eine Bindung des Finanzamtes nur ein, wenn die Zusage für bestimmte Maßnahmen und Dispositionen des Steuerpflichtigen ursächlich war (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1987 III R 168/86, BFHE 152, 29, BStBl II 1988, 232 m.w.N.; vom 28. April 1993 I R 87/92, BFH/NV 1993, 573 m.w.N.; vom 10. April 1991 XI R 25/89, BFH/NV 1991, 720 m.w.N.; vom 14. September 1994 I R 125/93 BFH/NV 1995,369). An einer solchen steuerrechtlich relevanten Disposition der Kläger im Anschluss an den Hinweis im Einkommensteuerbescheid 1997 fehlt es. Die Nichtabgabe der Steuererklärungen für die Folgejahre ist keine Vermögensdisposition in diesem Sinn. Die Kläger haben auch nicht substantiiert dargelegt, für welche konkreten steuerlich zu berücksichtigenden Aufwendungen sie deshalb keine Unterlagen aufbewahrt haben, weil sie davon ausgingen, diese nicht mehr steuerlich geltend zu machen. Dass ihnen Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit entstanden sind, die über den Pauschbetrag hinausgehen, ist nicht geltend gemacht worden. Vorsorgeaufwendungen, haushaltsnahe Dienstleistungen bzw. Handwerkerleistungen sowie Spenden wurden erklärt und berücksichtigt.
    Darüber hinaus ergibt sich aus der gesetzlichen Wertung des § 207 Abs. 1 AO, der die verbindliche Zusage im Rahmen einer Außenprüfung regelt, dass diese dann außer Kraft tritt, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Entscheidung beruhte, geändert werden. § 207 Abs. 1 AO ist Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens der „clausula rebus sic stantibus” (Seer in Tipke/Kruse § 207 AO T. 2). Die Finanzbehörde kann dem Bürger nicht für die Zukunft die Anwendung einer Gesetzeslage zusagen, wenn diese sich – auch zu dessen Lasten – ändert; die Einhaltung einer Zusage kann nur auf der Basis der geltenden Gesetze garantiert werden (Seer aaO.). Vorliegend hat sich die bei Erteilung des Hinweises im Steuerbescheid 1997 zugrunde gelegte Gesetzeslage mit Änderung der Besteuerung der Alterseinkünfte ab 2005 geändert. Demzufolge hat das Finanzamt auch erst ab dem Veranlagungszeitraum 2005 Steuererklärungen bei den Klägern angefordert und Einkommensteuerbescheide erlassen.
    Soweit die Kläger sich auf Auskünfte der Servicestelle des Finanzamtes berufen, die ihnen bei mehreren Besuchen im Finanzamt ab 2007 erteilt worden sind, ergibt sich daraus nicht, dass sie auch unter Geltung des Alterseinkünftegesetzes von der Pflicht zur Erklärungsabgabe und Steuerzahlung ab 2005 befreit waren.
    Die Kläger haben dargelegt, dem Mitarbeiter der Servicestelle lediglich den Einkommensteuerbescheid 1997 vorgezeigt zu haben. Dass sie substantiierte Angaben über ihre Einkünfte ab 2005 gemacht hätten, anhand derer hätte ermittelt werden können, ob und in welcher Höhe ab 2005 Einkommensteuer festzusetzen war, haben sie selbst nicht behauptet. Ohne eine derartige detaillierte Sachverhaltsschilderung konnte aber einer Auskunft der Servicestelle nach den oben dargelegten Grundsätzen zur verbindlichen Zusage keine Bindungswirkung zukommen.
    Die Mitteilung der Servicestelle genügt den Anforderungen an eine verbindliche Auskunft oder Zusage zudem schon deshalb nicht, weil die dortigen Mitarbeiter für die Veranlagung der Kläger nicht zuständig waren. Denn Voraussetzung einer nach Treu und Glauben bindenden Auskunft ist, dass die fragliche Auskunft von dem zuständigen Beamten gegeben worden ist. Zuständig sind daher nur der Vorsteher eines Finanzamtes oder der jeweilige Sachgebietsleiter, weil diese die in ihre Zuständigkeit fallenden Steuerverwaltungsakte abschließend unterzeichnen.
    Die Kläger konnten auch nicht davon ausgehen, von Seiten der Servicestelle verbindlich über ihren konkreten Steuerfall informiert zu werden. Denn nach den Hinweisen des beklagten Finanzamtes zur Service- und Informationsstelle werden dort Anträge angenommen (z.B. Antrag auf Lohnsteuerermäßigung, auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung bei Ausführung von Bauleistungen, auf Erteilung einer NV-Bescheinigung). Dies besagt bereits, dass die Anträge nur entgegengenommen werden, um sie zur Bearbeitung an die zuständige Stelle weiterzuleiten, nicht aber, um von der Servicestelle abschließend bearbeitet zu werden. Des Weiteren werden dort „allgemeine Fragen zu steuerlichen Belangen” beantwortet, „eine Beratung zu individuellen steuerlichen Problemen” erfolgt gerade nicht.
    Auf Verwirkung können die Kläger sich nicht berufen.
    Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben und Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Tuns. Es greift ein, wenn ein Anspruchsberechtigter durch sein Verhalten beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung des Anspruchs als illoyale Rechtsausübung empfunden werden muss (Rechtsmissbrauch). Dabei reicht ein bloßes Untätigbleiben der Finanzbehörde in der Regel nicht aus, um einen Steueranspruch als verwirkt anzusehen. Der Tatbestand der Verwirkung setzt neben dem bloßen Zeitmoment sowohl ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, demzufolge der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand) als auch, dass der Steuerpflichtige tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich hierauf eingerichtet hat (Vertrauensfolge). Der Steuerpflichtige soll davor geschützt werden, erhebliche Nachteile zu erleiden, die nicht entstanden wären, wenn das Finanzamt den Steueranspruch rechtzeitig geltend gemacht hätte (BFH vom 19. Mai 1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87; vom 16. März 2011 VIII B 102/10 BFH/NV 2011,1106).
    Ein vom Finanzamt begründeter Vertrauenstatbestand ist nicht darin zu sehen, dass für die zurückliegenden Jahre zunächst, im Jahr 1998, die Notwendigkeit einer Erklärungsabgabe unter Würdigung der Verhältnisse des Veranlagungszeitraums 1997 verneint wurde. Denn die Frage der Steuererklärungspflicht stellt sich grundsätzlich für jeden Veranlagungszeitraum neu. Daher ist das Finanzamt an frühere Rechtsauffassungen selbst dann nicht gebunden gewesen, wenn die Kläger im Vertrauen auf diese disponiert hätten (vgl. auch BFH vom 21. Juli 1988 V R 97/83 BFH/NV 1989,356). Dies ist aber, wie oben ausgeführt, nicht der Fall.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    Die Revision war mangels Vorliegens der Revisionsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

    VorschriftenAO § 170 Abs. 1, EStG § 25 Abs. 3, EStDV § 56 Abs. 1 Nr. 1a