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  • 18.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133231

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 22.08.2012 – 2 K 1152/12

    Die Kosten der Behandlung einer psychosomatischen Erkrankung („Burnout”) können als Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit berücksichtigt werden, wenn die Erkrankung durch Mobbing am Arbeitsplatz verursacht wurde.


    Finanzgericht Rheinland-Pfalz

    v. 22.08.2012 - 2 K 1152 / 12

    Tatbestand

    Streitig ist, ob nicht erstattete Aufwendungen des Klägers von 2.534,24 € für zwei Aufenthalte in einer privaten Klinik zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen.

    Die Kläger sind zur Einkommensteuer 2010 zusammenveranlagte Eheleute. Der 1949 geborene Ehemann war im Streitjahr als Oberamtsrat, seit dem Jahr 2006 in Altersteilzeit, bei der Verbandsgemeindeverwaltung bei 88 geleisteten Arbeitstagen mit einem Jahresbruttoarbeitslohn von 27.040,00 € zzgl. eines Altersteilzeitzuschlags von 9.230,00 € berufstätig, von 1981 bis Anfang des Jahres 2009 in der Funktion des geschäftsleitenden Beamten. Seine 1951 geborene Ehefrau ist als technische Zeichnerin mit einem Jahrsbruttoarbeitslohn von 48.981,00 € bei einer GmbH angestellt.

    Im Rahmen der gemeinsamen Einkommensteuererklärung der Kläger für 2010 machte der Kläger erfolglos u.a. die ihm nach Abzug von Erstattungen seitens der Beihilfestelle und der privaten Krankenversicherung verbliebenen, im Streitjahr angefallene Aufwendungen von insgesamt 2.534,24 € für seine stationäre Aufnahme vom 10. April bis zum 7. Mai 2010 sowie vom 1. bis 3. Oktober 2010 in der ... Klinik (im Folgenden: Klinik) in W, als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend (Aufstellung Bl. 4, im Folgenden jeweils: ESt-Akte 2010). Hierbei handelt es sich um eine Privatklinik für Psychotherapie und psychosomatische Gesundheitsentwicklung (im Einzelnen: Ausdrucke aus dem Internetauftritt, Bl. 15 bis 19).

    Der dortige klägerische Aufenthalt beruhte auf einer Indikation des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. W (im Folgenden: Arzt). In dessen Schreiben vom 15. Juli 2009 („Antrag Reha-Maßnahme”, Bl. 6) diagnostizierte er beim Kläger ein bestehendes „reaktives psychophysisches Erschöpfungssyndrom bei Konflikt/Mobbing am Arbeitsplatz. Der eher introvertierte, durchaus arbeitswillige und gewissenhafte Beamte (leide) unter einem chronischen Konflikt am Arbeitsplatz…”.

    Eine Kostenübernahme durch die Beihilfestelle/die private Krankenversicherung wurde zunächst abgelehnt. Nachdem sich der Kläger nicht näher spezifizierten ambulanten Therapien unterzogen hatte, stellte er erneut einen diesbezüglichen Antrag, dem im Anschluss an ein (weiteres) „Ärztliches Attest zur Vorlage bei der privaten Krankenkasse” des Arztes vom 11. Februar 2010 (Bl. 10) stattgegeben wurde. Unter Hinweis auf sein Schreiben vom 15. September 2009 hatte der Arzt ausgeführt, dass sich der Kläger - mit Unterbrechungen - seit Jahren in seiner hausärztlichen Behandlung befinde. Neben Wirbelsäulenproblemen bestehe nunmehr „vor allem ein chronisch psychophysischer Erschöpfungszustand mit depressiver Entwicklung, wobei dem langwierigen psychosozialen Konflikt am Arbeitsplatz eine verstärkende Wirkung” hinzukomme. Nachdem zwischenzeitlich auch unter diversen ambulanten Therapien keinerlei Besserung eingetreten” sei, halte er „nunmehr eine spezielle stationäre Behandlung in einer Fachklinik für die Dauer von 4 Wochen für unbedingt angezeigt”.

    Das vom Arzt diagnostizierte „reaktive psychophysische Erschöpfungssyndrom bei Konflikt/Mobbing am Arbeitsplatz” soll auf eine Konfliktsituation mit dem klägerischen Dienstvorgesetzten, dem Verbandsbürgermeister der Verbandsgemeinde (im Folgenden: Bürgermeister) beruht haben. Insoweit trug der Kläger vor, dass er einem jahrelangen „Bossing” durch den Bürgermeister ausgesetzt gewesen sei.

    Im März 2009 hatte der Bürgermeister das Diensttelefon des Klägers wegen dessen angeblich übermäßiger Privatnutzung laut Einzelverbindungsnachweisen abschalten und ihm den Zugang zum Email-System und dem Internet sperren lassen. Dieserhalb kam es am 16. Juli 2009 im Rahmen eines vom Kläger angestrengten verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens zu einem gerichtlichen Vergleich dahin, dass der dienstliche Zugang zum Email-Konto und zum Internet wieder ermöglicht und das Diensttelefon zunächst für 3 Monate wieder frei geschaltet wurde. Während dieser Zeit sollte an Hand monatlicher Aufstellungen geprüft werden, ob sich der Umfang der Telefonate im Rahmen des an der Dienststelle Üblichen bewegte (verwaltungsgerichtlicher Vergleich, Bl. 7 und 8).

    Nachdem der Bürgermeister dem Verwaltungsgericht im Zuge des Eilverfahrens eine Aufstellung privat geführter Gespräche des Klägers vorgelegt hatte, wandte sich dieser an den Datenschutzbeauftragten und stellte anschließend am 9. September 2009 gegen den Bürgermeister Strafanzeige wegen des Verdachts der Verletzung des Fernmeldegeheimnisses; diese blieb auch nach Beschwerde des Klägers bei der Generalstaatsanwaltschaft erfolglos. Gleichfalls erfolglos blieb das gegen den Kläger ab März 2010 eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen Betrugs zu Lasten seines Dienstherren; es wurde im August 2010 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

    Den hier streitbefangenen Werbungskostenabzug begründete der Kläger damit, dass er durch das jahrelange „Bossing” des Bürgermeisters psychisch erkrankt und auf professionelle Hilfe durch Fachärzte angewiesen gewesen sei. Hierzu legte er dem Finanzamt die beiden ersten Seiten des Entlassungsberichts der Klinik vom 15. Juni 2010 vor, in denen die „aktuelle Anamnese” aus persönlicher Sicht bzw. Erfahrung des Klägers zum Zeitpunkt der Klinikaufnahme dargestellt ist (Bl. 25 und 26).

    Im Rahmen ihres Einspruchs gegen den den Werbungskostenabzug für die Klinikaufenthalte versagenden Einkommensteuerbescheid 2010 vom 6. Juni 2011 - die zumutbare Eigenbelastung von 4.424,00 € gem. § 33 Abs. 3 EStG war nicht überschritten - legten die Kläger eine Bescheinigung der Klinik vom 27. Oktober 2011 (Bl. 115) vor, wonach die medizinische Notwendigkeit einer stationären akutpsychosomatischen Behandlung des Klägers nach dem therapeutischen Eindruck der behandelnden Ärzte ausschließlich aus der beruflichen Konflikt- und Überlastungssituation des Klägers beruht habe.

    Der Einspruch hatte nach Ergehen eines Einkommensteueränderungsbescheides am 20. Dezember 2011 (Bl. 122) in dem hier streitbefangenen Punkt allerdings keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2012, Bl. 126). Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass zwar die beruflichen Umstände zu einer Beeinträchtigung des klägerischen Gesundheitszustandes geführt hätten, jedoch die Persönlichkeit des Klägers sowie dessen Vorerkrankungen, deren Elemente allein der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen und von erheblicher Bedeutung seien, untrennbar mit der beruflichen Mitveranlassung in den Behandlungsbedarf des Klägers eingegangen seien, so dass die Aufwendungen insgesamt als Werbungskosten nicht berücksichtigt werden könnten. Abgesehen davon sei fraglich, ob die Rechnungsbeträge der Angemessenheitsprüfung des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG standhielten.

    Mit der hiergegen gerichteten Klage wird ausgeführt, dass bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass die Auseinandersetzungen des Klägers mit seinem Dienstvorgesetzten zu der psychosomatischen Erkrankung des Klägers geführt hätten und daher die Behandlungskosten beruflich veranlasst gewesen seien. Dieserhalb legten die Kläger eine erneute Bescheinigung des Arztes vom 28. Februar 2012 sowie eine Bescheinigung des Psychotherapeuten M vom 2. März 2012 vor (Bl. 35 bzw. 36 PA).

    In seiner Bescheinigung vom 28. Februar 2012 führt der Arzt aus, dass „die akute Beschwerdesymptomatik aus dem Jahr 2009 mit Schwerpunkt im 1. Halbjahr 2010, verbunden mit Burnout und depressive Entwicklung, auf einer chronifizierten beruflichen Stresssituation mit krisenhaften Verschlimmerungen, insgesamt eine sehr belastende Mobbingsituation zurückzuführen” gewesen sei. Die spezialisierte stationäre Behandlung in der Klinik sei daher notwendig und spezifisch ausgerichtet gewesen.

    Der Psychotherapeut M führt aus, dass sich der Kläger vom 4. Juni bis zum 31. Juli 2008 in seiner Praxis in psychotherapeutischer Behandlung wegen „einer schweren beruflichen Konfliktsituation am Arbeitsplatz” befunden habe.

    Die Kläger weisen darauf hin, dass die ausschließlich beruflich bedingte Erkrankung des Klägers durch Aussage des Arztes Dr. W und durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens bewiesen werden könne.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteueränderungsbescheid 2010 vom 20. Dezember 2011 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2012 dahin zu ändern, dass bei Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten von 2.534,24 € berücksichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält an seiner Einspruchsentscheidung fest und führt weiter aus, dass den zeitnah erstellten ursprünglichen Attesten des Arztes vom 15. Juli 2009 und 11. Februar 2010 ein ausschließlicher und unmittelbarer Bezug der streitbefangenen Kosten weit überwiegend allein zur beruflichen Tätigkeit des Klägers nicht zu entnehmen sei; diese seien zudem nicht konkret und eindeutig von den Lebensführungskosten zu trennen. Die nunmehr nachgereichten Bescheinigungen seien fast zwei Jahre nach Beginn der Krankenhausaufenthalte im Hinblick auf das vorliegende Verfahren erstellt worden und könnten die vorhandenen Zweifel an der behaupteten ausschließlichen bzw. fast ausschließlichen beruflichen Veranlassung nicht beseitigen. Im Übrigen sei der Kläger bei dem Psychotherapeuten ausweislich dessen Bescheinigung vom 2. März 2012 lediglich in den Monaten Juni und Juli 2008 in Behandlung gewesen. Über anschließende Therapien sei nichts bekannt.

    Auf entsprechende gerichtliche Anforderung haben die Kläger mit Schriftsätzen vom 19. Juni und 12 . Juli 2012 den vollständigen Entlassbericht der Klinik vom 15. Juni 2010 sowie deren Bescheinigung vom 27. Juni 2012 über das Auffrischungsseminar vorgelegt (Bl. 50 bis 54 und 57 PA). Hierauf wird verwiesen.


    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    Die streitbefangenen Krankheitskosten sind nach Überzeugung des Gerichts ausschließlich bzw. fast ausschließlich beruflich veranlasst, sodass sie als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) zu berücksichtigen sind. Eine Unangemessenheit der Aufwendungen im Sinne des § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG ist nicht gegeben.

    Zwar sind Krankheitskosten untrennbar mit der privaten Existenz des Menschen verbunden und stellen daher grundsätzlich keine erwerbsbedingten Aufwendungen dar. Dies gilt auch dann, wenn die berufliche Tätigkeit die Erkrankung beeinflusst, beschleunigt oder verschlimmert (vgl. Becker in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR- EStG, § 4 Anm. 940 und § 9 Anm. 750, jeweils „Krankheitskosten” unter Hinweis auf die Finanzrechtssprechung). Ausnahmsweise erkennt aber die Finanzrechtssprechung krankheitsbedingte Aufwendungen dann als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben an, wenn es sich entweder - was hier unstreitig nicht vorliegt - um eine typische Berufskrankheit handelt oder der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der Berufsausübung (eindeutig) feststeht (vgl. BFH-Urteil vom 4. Oktober 1968 - IV R 59/68, BStBl 1969 II S. 179) bzw. „unzweifelhaft” (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 1957 - IV 158/56 U, BStBl 1957 III S. 286) bzw. „offenkundig” oder „offensichtlich” ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 1962 - VI 10/61 U, BStBl 1962 III S. 235; von Bornhaupt in Kirchhoff-Söhn-Mellinghoff -KSM- EStG, § 9 Rnr. B 504 bis 506). Letztgenannte Ausnahme liegt im Streitfall vor.

    Die attestierte psychosomatische Erkrankung mit den Symptomen des „Burnout”, eines Wirbelsäulen- und eines psychophysischen Erschöpfungssyndroms stellt - insoweit wie ausgeführt unstreitig - zwar keine typische Berufskrankheit eines Kommunalbeamten dar. Es handelt sich vielmehr um eine „schwer objektivierbare Erkrankung” (vgl. Regenauer in VersMed 2008, 3, juris), die Menschen aller Bevölkerungskreise, unabhängig von einer Erwerbstätigkeit treffen kann. Jedoch nimmt die Zahl der psychischen Krankheiten und Verhaltensstörungen insbesondere in der Arbeitswelt infolge Zeitdrucks, Komplexität der Arbeit, mangelnder Wertschätzung, Mobbings, defizitären Führungsverhaltens etc.. in den letzten Jahren stark bzw. „drastisch” zu (vgl. Berufsverband Deutscher Psychologen in VersMed 2008, 146). Zwar handelt es sich insoweit nicht um die typische Gefahr einer Erkrankung, die für alle Angehörigen der beruflichen Tätigkeit eines (Kommunal-)Beamten typisch ist, also nicht um ein diesbezügliches „regelmäßiges Berufsrisiko” im Sinne einer typischen Berufskrankheit (Becker, a.a.O., Rz. 941, m.w.N.). Im Streitfall ist jedoch „eindeutig” bzw. steht „offenkundig” bzw. „unzweifelhaft” fest, dass die klägerische Krankheitsursache ausschließlich oder fast ausschließlich im beruflichen Bereich des Klägers gründet. Denn offenbar sind die psychosomatischen Störungen erst durch die berufliche Konfliktsituation mit dem Dienstvorgesetzten entstanden, und zwar unbeschadet der Frage, wer diese durch welches Verhalten verursacht hat oder ob tatsächlich „Mobbing” bzw. „Bossing” des Bürgermeisters vorlag. Wie sich aus der Bescheinigung des Psychotherapeuten M vom 2. März 2012 ergibt, hatte sich der Kläger mit Beginn am 4. Juni 2008 in dessen psychotherapeutische Behandlung wegen „einer schweren beruflichen Konfliktsituation am Arbeitsplatz „begeben”. Kurz zuvor, nämlich ab April 2008, und zwar bis März 2009, hatte der Bürgermeister Einzelverbindungsnachweise des dienstlichen Telefons des Klägers bei der Telefongesellschaft angefordert, was in der Folge zur Sperrung des Telefonanschlusses, des Zugangs zum Internet und schließlich zu einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit wechselseitigen Strafanzeigen führte. Naturgemäß entwickelte sich hierdurch mit steigender Tendenz die berufliche Konflikt- und damit für den Kläger dessen Belastungssituation bis hin zum - vom Allgemeinmediziner Dr. W unter dem 15. Juli 2009 im Antrag auf eine Reha-Maßnahme bescheinigtes - „psychophysisches Erschöpfungssyndrom” unter - wie im Attest vom 11. Februar 2010 bescheinigt - „depressiver Entwicklung”. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass sich eine derartige, am täglich aufzusuchenden Arbeitsplatz entwickelnde Konfliktsituation mit dem Dienstvorgesetzten bei jeweiligem Beharren auf eigene Standpunkte, wechselseitigen Strafanzeigen, Gerichtsverfahren sowie Einschaltung des Datenschutzbeauftragten über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren so zuspitzen kann, dass die unweigerlich damit verbundene Stresssituation zu ernsthaften psychosomatischen Erkrankungen führen kann, und zwar völlig unabhängig davon, auf wessen Verhalten der Konflikt zurückzuführen ist.

    Das Gericht folgt den finanzamtlichen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung soweit nicht, wie dort auf Vorerkrankungen des Klägers als „Ausgangsbasis” Bezug genommen wird. Von Vorerkrankungen im psychosomatischen Bereich ist im ärztlichen Antrag vom 15. Juli 2009 nicht die Rede, vielmehr von einem chronischen Konflikt am Arbeitsplatz, der u.a. zu einer erheblichen depressiven Verfassung des Klägers geführt habe. Organische Vorerkrankungen des Klägers wurden lediglich als „weitere Risikofaktoren” aufgeführt, wie etwa Hyperlipidämie (erhöhte Blutfettwerte), Grenzwerthyertonie (Bluthochdruck im Grenzwertbereich).

    Naturgemäß ist zwar - wie bei allen Menschen - die persönliche Grunddisposition des Klägers, wie Veranlagung, Lebenseinstellung, Charakter, Sensibilität etc, aber auch das Lebensalter (der Kläger war damals ca. 58 Jahre alt), mitbestimmend dafür, ob berufliche Stresssituationen wie die der vorliegenden Art zu einer psychosomatischen Erkrankung führen.

    Im Streitfall war allerdings der lang andauernde, täglich zu erlebende konkrete berufliche Konflikt offensichtlich für das klägerische Erschöpfungssyndrom mit depressiven Strömungen ausschlaggebend gewesen. Dies hat neben dem Hausarzt letztlich auch der Psychotherapeut M bestätigt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich insoweit um Gefälligkeitsatteste handelt. Auch die s„aktuelle Anamnese” der Klinik vom 15. Juni 2010 spiegelt deutlich die vom Kläger empfundene berufliche Konfliktsituation und den Grund dessen wieder, warum er sich in ärztliche und klinische Behandlung gegeben hatte. Aus seiner Sicht war „Mobbing” bzw. „Bossing” und die damit verbundene und eskalierende berufliche Konfliktsituation auslösendes Element seiner psychosomatischen Beschwerden. Ob tatsächlich „Mobbing” durch den Bürgermeister vorlag oder ob der Kläger dies nur so empfunden hatte, spielt für den Abzug der Krankheitsaufwendungen als Werbungskosten ebenso wenig eine Rolle, wie die Frage, ob der Klinikaufenthalt notwendig bzw. unabdingbar war. Entscheidend ist, dass die Erkrankung des Klägers offensichtlich objektiv durch die beruflichen Verhältnisse veranlasst und von ihm subjektiv in weitestem Sinne zur Förderung seines Berufs, nämlich zu Bewältigung seiner durch die Konfliktsituation hervorgerufenen psychosomatischen Krankheit, getätigt wurde.

    Entsprechendes gelte auch für das sog. „Auffrischungsseminar”. Unerheblich ist, dass die Beihilfestelle sowie die private Krankenkasse (vermutlich mangels entsprechender ärztlicher Verordnung) keine Erstattungen geleistet hatte.

    Die Aufwendungen für die Klinikaufenthalte des Klägers waren zwar hoch, sind aber nach der allgemeinen Verkehrsauffassung nicht als „unangemessen” im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG anzusehen. Im Übrigen vermag das Gericht bei Klinikaufenthalten, auch wenn die Klinik privat organisiert ist, keine wesentliche Berührung mit der privaten Lebensführung, etwa im Sinne von Repräsentationsaufwendungen, zu erkennen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über deren vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 9 Abs. 1 Satz 1

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