26.11.2013 · IWW-Abrufnummer 140223
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 29.08.2013 – 3 K 2231/12 Kg
- Für ein volljähriges Kind, das ein Erststudium mit dem Bachelor-Studium abgeschlossen hat und während seines Promotionsstudiums
einer Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden nachgeht, kann kein Kindergeld
gezahlt werden.
-§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG regelt als Unterausnahme zu Satz 2, dass die gesetzliche Vermutung des Wegfalls der Unterhaltsberechtigung
nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung als widerlegt gilt, wenn das Kind weiterhin für einen Beruf ausgebildet
wird und tatsächlich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht.
- Die Neuregelung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist verfassungsgemä ß.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum von April bis Dezember 2012.
Der Kläger ist Vater eines Sohnes (geb. 20.03.1987). Nach der Schulzeit absolvierte der Sohn vom 01.08.2006 bis zum 30.04.2007
seinen Zivildienst. Anschließend absolvierte er bis zum 30.09.2010 ein Bachelorstudium und anschließend bis zum 26.03.2012
ein Masterstudium im Fach Chemie. Ab dem 01.04.2012 begann er ein Promotionsstudium. Gleichzeitig wurde er ab dem 01.04.2013
an einer Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit der Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten
von 40,10 Stunden beschäftigt. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Sohnes betrug daher 20,05 Stunden (20 Stunden
3 Minuten). Auf den in der Gerichtsakte befindlichen Arbeitsvertrag wird verwiesen.
Bis einschließlich 31.03.2012 wurde an den Kläger das Kindergeld für den Sohn gezahlt. Mit Schreiben vom 12.04.2012 beantragte
der Kläger, ihm auch über den 31.03.2013 hinaus das Kindergeld für den Sohn zu zahlen. Zur Begründung führte er aus, nach
§ 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – schließe eine Erwerbstätigkeit die Gewährung von Kindergeld nur dann
aus, wenn eine erstmalige Berufsausbildung und ein Erststudium vorangegangen seien. Mit Bescheid vom 18.04.2012 lehnte die
Beklagte – die Familienkasse des Landesamts für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen – den Antrag ab. Die Beklagte
führte aus, dass nach Abschluss der ersten Berufsausbildung oder eines Erststudiums ein Kind nur dann berücksichtigt werde,
wenn es keiner Beschäftigung mit mehr als 20 Wochenstunden nachgehe. Der vom Kläger dagegen eingelegte Einspruch wurde mit
Einspruchsentscheidung vom 11.05.2012 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit seiner dagegen erhobenen Klage bringt der Kläger vor: Der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG spreche vom „Abschluss
einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums”. Das Wort „und” bewirke, dass eine Erwerbstätigkeit nur schädlich
sei, wenn das Kind kumulativ eine Berufsausbildung und ein Erststudium abgeschlossen habe. Dies sei bei seinem Sohn aber nicht
der Fall. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG könne auch nicht im Auslegungsweg ein anderes Ergebnis
erreicht werden. Bei der Wahl des Wortes „und” handele es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Sein Sohn habe
die Arbeitszeit auch nicht individuell bestimmen oder beeinflussen können. In allen anderen Bundesländern außerhalb Bayerns
liege die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bei einer halben Stelle für Angestellte im öffentlichen Dienst unter 20 Stunden.
Für Kinder mit einer halben Stelle im Angestelltenverhältnis außerhalb Bayerns werde Kindergeld gezahlt. Er werde benachteiligt,
weil sein Sohn seine Berufstätigkeit in Bayern ausübe, wo die hälftige tarifliche Arbeitszeit über 20 Stunden liege. Werde
im Übrigen die Zeit der Berufstätigkeit auf alle zwölf Monate des Jahres 2012 verteilt, in denen der Grundtatbestand für die
Kindergeldgewährung erfüllt sei, betrage die Arbeitszeit nur (20,05 Stunden x 39 Wochen = 781,95 Stunden / 52 Wochen =) 15,04
Stunden. Weiter sei eine Arbeitszeit von wöchentlich 20,05 Stunden nach den allgemeinen Rundungsregeln abzurunden und mithin
20,00 Stunden zugrunde zu legen. Zudem könnten sowohl in der Anlage Kind 2012 Zeile 27 als auch im Elster-Programm für die
Einkommensteuer 2012 keine Eintragungen mit Dezimalstellen vorgenommen werden. Es müsse also bei nicht glatten Stundenzahlen
zwingend gerundet werden. Ferner sei ungerecht, dass bei einem nichtselbständigen Beschäftigungsverhältnis die zu leistende
Stundenzahl aus dem Arbeitsvertrag leicht ermittelt werden könne. Bei einer forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder selbständigen
Tätigkeit seien die Familienkassen ausschließlich auf die Angaben des Kindergeldberechtigten angewiesen. Schließlich sei die
Neuregelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungswidrig, da die finanzielle Situation des Kindes und damit die aus der Unterhaltsleistung
folgende Minderung der Leistungsfähigkeit der Eltern ausgeblendet werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens
des Klägers wird auf seine Schriftsätze vom 03.08.2012, vom 24.06.2013 und vom 20.08.2013 nebst Anlagen verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 18.04.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 11.05.2012 aufzuheben und ihm für die Monate April bis Dezember
2012 das Kindergeld für seinen Sohn in der gesetzlichen Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält daran fest, dass der Sohn mehr als 20 Stunden wöchentlich arbeite und daher kein Kindergeld gezahlt werden könne.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid vom 18.04.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 11.05.2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht
in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Der Sohn des Klägers erfüllt nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Zahlung
von Kindergeld (1.). Allerdings stehen § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG der Gewährung des Kindergelds entgegen, da der Sohn bereits
ein Erststudium absolviert hat und im Streitzeitraum einer Berufstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgeht (2.). Die
Einwände des Klägers stehen dem nicht entgegen (3.).
1. Der Sohn des Klägers erfüllt die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25.
Lebensjahres gemäß §§ 62, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG, da er sich in diesem
Zeitraum in einer Berufsausbildung befand. Zur Berufsausbildung gehört auch ein Promotionsstudium, wenn es im Anschluss an
das abgeschlossene Studium ernsthaft und nachhaltig durchgeführt wird (vgl. Abschn. 63.3.2.3 Abs. 4 Dienstanweisung zur Durchführung
des Familienleistungsausgleichs – DA-FamEStG –, Bundessteuerblatt – BStBl. – I 2009, 1033). Aufgrund des vom Sohn abgeleisteten
Zivildienstes mit einer Dauer von 8 Monaten kann auch über den Zeitraum der Vollendung des 25. Lebensjahrs (20.03.2012) bis
Dezember 2012 dem Grunde nach Kindergeld gezahlt werden.
2. Allerdings stehen § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung der Zahlung des Kindergelds
ab April 2012 entgegen.
a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der ab 01.01. bis 31.12.2012 gültigen Fassung wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen
Berufsausbildung und eines Erststudiums nur dann berücksichtigt wird, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Nach § 32
Abs. 4 Satz 3 EStG sind eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis
oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB) unschädlich.
b) Danach kann für den Streitzeitraum kein Kindergeld gezahlt werden. Denn der Sohn des Klägers hat ein Erststudium mit dem
Bachelor-Studium abgeschlossen. Während seines Promotionsstudiums betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Sohnes
ausweislich des vorgelegten Arbeitsvertrags durchgängig – und damit nicht nur ausnahmsweise – mehr als 20 Stunden. Nach dem
Gesetzeswortlaut ist auf die regelmäßige, also die vertraglich vereinbarte, Arbeitszeit abzustellen. Da die Voraussetzungen
für die Kindergeldgewährung monatlich zu prüfen sind, können im gleichen Jahr liegende Monate der Nichtbeschäftigung nicht
hinzugerechnet werden. Auf die auf im gesamten Kalenderjahr durchschnittlich gearbeitete wöchentliche Arbeitszeit kommt es
daher nicht an (vgl. Tz. 31 Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 07.12.2011 IV C 4 – S 2282/07/0001-01, BStBl.
I 2011, 1243 sowie Felix, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 2012, 22 <25> und Bering/Friedenberger, Neue Wirtschaftsbriefe
– NWB – 2012, 278 <284>).
3. Die vom Kläger erhobenen Einwände führen nicht zu einem anderen Ergebnis.
a) Entgegen der vom Kläger geäußerten Auffassung führt der im Streitzeitraum geltende Wortlaut der Vorschrift des § 32 Abs.
4 Satz 2 EStG („erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums”) nicht dazu, dass die Kindergeldberechtigung im Fall
einer Berufstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nur bei Abschluss sowohl einer Berufsausbildung als auch (kumulativ) eines
Erststudiums ausgeschlossen ist. Mit der Wahl des Wortes „und” hat der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass er den
Abschluss eines der genannten Ausbildungsgänge als ausreichend erachtet hat. Dies folgt zum einen aus der Gesetzesbegründung
und der Gesetzeshistorie, die eindeutig den Abschluss eines der erwähnten Ausbildungsgänge als ausreichend erachtet haben
(aa) und zum anderen aus der Struktur (bb) sowie aus dem Sinn und Zweck (cc) der Regelungen in § 32 Abs. 4 Satz 1, 2 und 3
EStG.
aa) Nach der Gesetzesbegründung und der Gesetzeshistorie hat der Gesetzgeber eindeutig den Abschluss eines der erwähnten
Ausbildungsgänge als ausreichend erachtet. In der ursprünglichen Gesetzesfassung vom 21.03.2011 (vgl. Bundestags-Drucksache
17/5125, S. 41) hieß es „Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums …”. Die Änderung der Formulierung
von „oder” in „und” ist auf einen Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags vom 08.06.2011 zurückzuführen, wonach die
Änderung erfolgte, um die Formulierung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG an § 12 Nr. 5 EStG anzugleichen (vgl. Bundestags-Drucksachen
17/6105, S. 12 und 17/6146, S. 14). Der Finanzausschuss des Bundesrats hatte am 23.06.2011 (Bundesrats-Drucksache 360/1/11,
S. 5) auf den nunmehr entstandenen Formulierungsfehler hingewiesen und Rückkehr von „und” zum „oder” gefordert. Denn in §
12 Nr. 5 EStG habe das Wort „und” eine andere Bedeutung. Sowohl Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung als auch
Aufwendungen für ein Erststudium seien nach § 12 Nr. 5 EStG nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. In §
32 Abs. 4 Satz 2 EStG bewirke das Wort „und” hingegen, dass eine Erwerbstätigkeit nur schädlich ist, wenn das Kind (kumulativ)
eine Berufsausbildung und ein Erststudium abgeschlossen hat. Dies sei – so der Finanzausschuss des Bundesrats – aber weder
gewollt noch sinnvoll. Im Zuge der Versagung der Zustimmung durch den Bundesrat und dem durchgeführten Vermittlungsverfahren
ist dieser Änderungsvorschlag aber versehentlich unbeachtet geblieben (vgl. dazu auch Felix, NJW 2012, 22 <24 f.>; Wirfler,
NWB 2011, 4387).
bb) Auch die systematische Struktur der Regelungen in § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG führt dazu, dass der Abschluss eines
der erwähnten erstmaligen Ausbildungsgänge als ausreichend erachtet wird. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG wird ein volljähriges
Kind grundsätzlich bis zum Abschuss einer Berufsausbildung und eines Erststudiums berücksichtigt. Darüber hinaus regelt Satz
2 der Vorschrift als Ausnahme zu Satz 1, dass nach Ende einer Erstausbildung und eines Erststudiums ein volljähriges Kind
nur dann berücksichtigt wird, wenn es einen der Grundtatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt und keiner die
Ausbildung hindernden Berufstätigkeit nachgeht. Diese Regelung gilt nicht für Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs,
die bei einer Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet sind (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG) sowie für behinderte Kinder,
die nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen sind. Daher bleibt für ein Kind, das einen der Grundtatbestände
des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt, eine Erwerbstätigkeit nur noch bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung oder
eines Erststudiums außer Betracht (vgl. Bundestags Drucksache 17/5125, S. 41).
Der Gesetzgeber geht bei typisierender Betrachtung im Wege einer gesetzlichen Vermutung davon aus, dass ein volljähriges
Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung wie auch nach Abschluss eines Erststudiums in der Lage ist, sich selbst
zu unterhalten und gegenüber seinen Eltern nicht mehr unterhaltsberechtigt ist. Dies hat zur Folge, dass das Kind, wenn es
nicht als arbeitssuchend gemeldet (bis 21 Jahre) oder behindert ist, nicht mehr zu berücksichtigen ist. Diese Vermutung gilt
als durch den Nachweis als widerlegt, dass das Kind sich in einer weiteren Berufsausbildung befindet und tatsächlich keiner
schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt (vgl. Bundestags-Drucksache
17/5125, S. 41). § 32 Abs. 4 Satz 3 regelt daher als Unterausnahme zu Satz 2, dass die Vermutung des Gesetzgebers als widerlegt
gilt, wenn das Kind weiterhin für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und tatsächlich keiner
Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht. Eine unschädliche Erwerbstätigkeit
liegt vor, wenn diese 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit nicht übersteigt, ein Ausbildungsdienstverhältnis
oder in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a SGB IV darstellt. Entsprechendes gilt für die
Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b, c und d EStG (vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums
der Finanzen vom 07.12.2011 IV C 4 – S 2282/07/0001-01, BStBl. I 2011, 1243 unter 1.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass
der der Gesetzgeber die 20-Stunden-Grenze bewusst in einem eigenständigen Satz 3 und nicht im letzten Halbsatz von Satz 2
geregelt hat. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Grenze in den beiden in Satz 2 genannten Fällen unabhängig voneinander,
also sowohl im Fall einer erstmaligen Berufsausbildung als auch im Fall eines Erststudiums, zur Anwendung kommen soll. Dies
wird daher in Satz 2 durch die Verbindung mit dem Wort „und” ausgedrückt (vgl. Bering/Friedenberger, NWB 2012, 278 <282>).
cc) Dass für ein Kind mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden kein Kindergeld gezahlt wird, folgt
auch aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Bei einem Kind mit abgeschlossener Berufsausbildung und abgeschlossenem
Erststudium mit einer Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass dieses ausreichend
Einkünfte erzielt, um sich selbst zu unterhalten (vgl. Bundestags-Drucksache 17/5125, S. 41; Felix, NJW 2012, 22 <25>;
Reimer, Finanzrundschau – FR – 2011, 929 <930 f.>). In diesem Fall sind die Eltern regelmäßig zivilrechtlich nicht mehr
durch Unterhaltsaufwendungen belastet (vgl. auch Reiß, FR 2011, 462 <465>). Daher ist es mangels Belastung durch Unterhaltsaufwendungen
nicht gerechtfertigt, das steuerliche Existenzminimum des Kindes bei den Eltern über die Zahlung von Kindergeld (oder ggf.
die Gewährung eines Kinderfreibetrags) steuerfrei zu stellen (vgl. dazu Reiß, FR 2011, 462 <464>). Dies ist anders bei
Kindern in erstmaliger Berufsausbildung oder einem Erststudium. Selbst bei einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit von wöchentlich
mehr als 20 Stunden dürften diese nur in Ausnahmefällen mangels abgeschlossener Berufsausbildung so viel verdienen, dass zivilrechtlich
ein Unterhaltsanspruch ausgeschlossen ist. Vielmehr dürfte in diesen Fällen es dem Regelfall entsprechen, dass die Eltern
für ihre Kinder während der Erstausbildung und des Erststudiums weiter Unterhalt leisten, so dass aufgrund der Belastung mit
Unterhaltsansprüchen die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Eltern über die Zahlung von Kindergeld
(oder den Ansatz eines Kinderfreibetrags) geboten ist (vgl. Bering/Friedenberger, NWB 2012, 278 <281>).
b) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Tatsache gestützt, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung
der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG)
vom 26.06.2013 (Bundesgesetzblatt – BGBl. – I 2013, 1809) die Formulierung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in „Berufsausbildung
oder eines Erststudiums ” klarstellend geändert hat (vgl. zum klarstellenden Charakter der Änderung Reimer, FR 2012, 929 <933>)
und die Änderung dabei bewusst nicht mit Rückwirkung versehen hat. Zunächst sollte zwar im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens
eine rückwirkende Änderung erfolgen (Bundestags-Drucksache 17/13722, S. 9 und S. 35). Davon ist aber wieder Abstand genommen
worden, weil sich aus alter und neuer Fassung nach Auffassung des Gesetzgebers keine abweichenden Rechtsfolgen ergeben. Wäre
der Gesetzgeber hingegen davon ausgegangen, dass die im Rahmen des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 gewählte Formulierung
dem damaligen Wortlaut nach im Jahr 2012 zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, hätte er dies rückwirkend klarstellen können.
Da er davon keinen Gebrauch gemacht hat, lässt dies darauf schließen, dass er die alte Formulierung in gleicher Weise hat
verstehen wollen wie die letztlich im Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz enthaltene Neuregelung.
c) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er aufgrund der in Bayern geltenden tariflichen Arbeitszeit von 40,10
Stunden und der von seinem Sohn bekleideten Stelle mit einer 50%-igen Arbeitszeit von der Kindergeldwährung ausgeschlossen
werde. Es ist zwar zutreffend, dass Kindergeldberechtigte mit Kindern in anderen Bundesländern, in denen die tarifliche Arbeitszeit
weniger oder genau 40,00 Stunden beträgt, in vergleichbaren Fällen Kindergeld erhalten. Der Gesetzgeber hat aber die Grenze
im Wege der Typisierung aus Gründen der Rechtsklarheit auf 20 Stunden festgesetzt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/5125, S. 41).
Dabei hat er sich sowohl am Sozialversicherungsrecht als auch an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs orientiert, nach
der ein volljähriges Kind mit einer Teilzeittätigkeit von 20 Wochenstunden sich noch in einer typischen Unterhaltssituation
befindet (Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.02.2006 III R 82/03, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 212,
476, BStBl. II 2008, 702 unter II.4 der Gründe; vgl. dazu auch Bering/Friedenberger, NWB 2012, 278 <281>). An diese gesetzliche
Grenze ist die beklagte Familienkasse in gleicher Weise wie das Gericht gebunden. Im Übrigen hat die im Verhältnis zu anderen
Bundesländern höhere Arbeitszeit des Sohnes in Bayern auch ein höheres Tarifgehalt und damit eine höhere finanzielle Leistungsfähigkeit
zur Folge.
d) Dass der Sohn des Klägers die gesetzliche Grenze von 20 Wochenstunden nur geringfügig überschreitet, führt insoweit zu
keinem anderen Ergebnis. Da nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich eine „Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger
wöchentlicher Arbeitszeit” unschädlich ist, folgt daraus, dass auch bei einer geringfügigen Überschreitung der 20-Stunden-Grenze
eine Abrundung nach unten nicht möglich ist. Wählt der Gesetzgeber im Wege einer Pauschalierung eine Grenze, ist diese von
der Finanzverwaltung aus Gründen der Gleichmäßigkeit des Verwaltungsvollzugs zu beachten und kann nicht im Einzelfall durch
„Gleitzonen” oder „Billigkeitsspielräume” erweitert werden.
e) Dass (bundeseinheitliche) Steuererklärungsformulare der Landesfinanzverwaltungen wie die Anlage Kind und das Elster-Programm
die Angabe von wöchentlichen Arbeitszeiten zwischen vollen Stundenzahlen nicht ermöglichen, spielt ebenfalls keine Rolle.
Zum einen wird Kindergeld von den Familienkassen ausgezahlt, die insoweit (vgl. § 5 Nr. 11 Satz 10 des Finanzverwaltungsgesetzes
– FVG –) als Bundesfinanzbehörden und nicht als Landesfinanzbehörden und damit nicht als Finanzämter handeln. Daher hatte
der Kläger für seinen Antrag auf Kindergeld auch nicht die Anlage Kind ausgefüllt, sondern den von der Beklagten zur Verfügung
gestellten Antrag auf Kindergeld. Dort war die Angabe von minutengenauen Arbeitszeiten unproblematisch möglich. Zum anderen
kann der Kläger auch bei Abgabe der Anlage Kind oder bei Abgabe der Steuererklärung mittels des Elster-Programms durch Erläuterungen
auf einem der Steuererklärung beigefügten Begleitschreiben klarstellen, dass die genaue Arbeitszeit seines Sohns nicht 20
oder 21, sondern 20,05 Stunden wöchentlich beträgt. Eine derartige Möglichkeit sieht auch das von den Bundesländern zur Verfügung
gestellte Elster-Programm vor.
f) Soweit sich der Kläger unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung
in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wendet, überzeugt sein Vorbringen nicht. Zwar führt die Regelung im Ergebnis dazu, dass auch Eltern,
die gegenüber ihren gutverdienenden oder vermögenden Kindern zivilrechtlich nicht mehr unterhaltsverpflichtet sind, während
einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums Kindergeld erhalten. Derartige Fälle stellen aber nur Ausnahme-
und Einzelfälle dar. Der Verzicht auf die Einkommensüberprüfung bei volljährigen Kindern entlastet vielmehr die Eltern und
ihre volljährigen Kinder, die Finanzämter und die Familienkassen bei der Bearbeitung einer sehr großen Zahl von Kindergeldanträgen
(vgl. Bundestags-Drucksache 17/5125, S. 41; zu der zahlenmäßigen Auswirkung vgl. Bering/Friedenberger, NWB 2012, 278 <279>).
Selbst wenn es aufgrund der nun in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG vorgenommenen Pauschalierung und Typisierung im Einzelfall zu steuersystematisch
nicht gerechtfertigten Zahlungen von Kindergeld kommen sollte, ist die damit verbundene Ungleichbehandlung durch den Grundsatz
der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt (vgl. dazu auch mit weiteren Ausführungen Bering/Friedenberger, NWB 2012, 278
<286>; Reimer, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 2012, S. 929 <933>, Reiß, FR 2011, 462).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) sind nicht
gegeben. Die gesetzlichen Regelungen sind nach Auffassung des Einzelrichters eindeutig, so dass ein Fall von grundsätzlicher
Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht vorliegt. Anderslautende Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) liegt nicht vor.