02.05.2014 · IWW-Abrufnummer 141376
Finanzgericht Münster: Urteil vom 14.03.2014 – 12 K 3284/13 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
1) Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2011 vom 16.10.2012 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2) Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3) Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger vorläufig vollstreckbar.
4) Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5) Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Streitig ist, ob die Einlösung einer Inhaberschuldverschreibung „XETRA-Gold“ steuerpflichtig nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) ist.
Der Kläger (Kl.) erwarb zwischen dem 24.02.2009 und dem 15.12.2011, 10.24 Uhr insgesamt xxx Stück XETRA Gold Inhaberschuldverschreibungen ISIN-Wertpapier-nummer: DE000A0S9GB0 der Deutschen Börse Commodities GmbH mit Sitz in 65706 Eschborn, Deutschland. Gemäß Ziffer 6 § 1 Abs. 1 Satz 2 des Wertpapier-Prospektes verbrieft jede einzelne Schuldverschreibung das Recht des Gläubigers, von der Emittentin (a) Lieferung von einem Gramm Gold nach Maßgabe dieser Emissions-bedingungen oder (b) unter den in § 4 genannten Voraussetzungen die Zahlung eines nach Maßgabe dieser Bestimmung ermittelten Geldbetrages zu verlangen. Gemäß Ziffer 6, § 3 der Emissionsbedingungen muss der Gläubiger zur Geltendmachung des Lieferungsanspruchs (a) seiner Depot führenden Bank (die „depotführenden Bank“) ein schriftliches Lieferungsverlangen (das „Lieferungsverlangen“) zur Weiterleitung an die Rücknahmestelle übermitteln, das die in Absatz (3) bezeichneten Angaben enthalten muss und (b) die Schuldverschreibungen, bezüglich derer das Lieferungsverlangen geltend gemacht wird, durch die depotführende Bank bei der Rücknahmestelle einreichen. Ist ein Gläubiger aus rechtlichen Gründen, insbesondere auf Grund für ihn geltender aufsichtsrechtlicher Bestimmungen, daran gehindert, eine Lieferung von Gold zu erhalten, kann ein solcher Gläubiger von der Emittenten verlangen, dass die betreffenden Schuldverschreibungen zu ihrem Rückzahlungsbetrag zurückgezahlt werden, Ziffer 6, § 4 Abs. 1 Satz 1 der Emissionsbedingungen.
Im Streitjahr 2011 machte der Kl. drei Mal von seinem Anspruch auf Lieferung von Gold Gebrauch und zwar über x Teilschuldverschreibungen XETRA-Gold (x kg Gold) am 14.07.2011 über y Teilschuldverschreibungen XETRA-Gold (y kg Gold) am 05.12.2011 und über z Teilschuldverschreibungen XETRA-Gold (z kg Gold - ohne Datum). Die S-Bank, bei welcher der Kl. ein Wertpapierdepot mit den vorgenannten Teilschuldverschreibungen XETRA-Gold und anderen Wertpapieren unterhält, rechnete (= Depotbuchung bzw. Belastung) den Auftrag über x am 20.12.2011, den Auftrag über y Stück am 22.12.2011 und den Auftrag über z Stück am 28.12.2011 (jeweils Schlusstag) ab. Entsprechend Randziffer 57 des Schreibens des Bundesministerium der Finanzen -VV DEU BMF 2009-12-22 IV C 1-S 2252/08/10004 vom 22.12.2009 (künftig BMF-Schr. v. 22.12.2009) wertete die S-Bank die Ausübung der Lieferungsansprüche auf Gold als Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG und errechnete insgesamt einen Differenzgewinn von 3aaa € (wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die Aufstellung des Kl. in seiner Einkommensteuererklärung 2011, die Depotbelastungen der S-Bank, Gerichtsakte Bl. 40-45 und auf die Seite 11 der „Erträgnisaufstellung für das Jahr 2011 für ihre privaten Kapitalerträge“ für den Kl. von der S-Bank vom 27.02.2012 und auf die dazu eingereichte Einzelaufstellung vom 28.02.2014 Bezug genommen).
Mit der ESt-Erklärung für 2011 reichten die Kl. für den Kl. eine Steuerbescheinigung der S-Bank vom 24.02.2012 ein. Darin werden Gewinne aus Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG in Höhe von 2aaa € bescheinigt. Die Höhe des nicht ausgeglichenen Verlustes ohne Verluste aus der Veräußerung von Aktien und die Höhe des nicht ausgeglichenen Verluste aus der Veräußerung von Aktien i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG werden mit jeweils 0,00 € ausgewiesen. Die Kl. beantragten, die 2aaa €, die sie in Zeile 7 der Anlage KAP 2011 erklärten, nicht der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen. Außerdem beantragten sie in Zeile 12 der Anlage KAP, nicht ausgeglichene Verluste ohne Verluste aus der Veräußerung von Aktien in Höhe von 1aaa € zu berücksichtigen. Diesen Betrag errechneten die steuerlich beratenen Kl. aus der Differenz der Summe der Differenzgewinne aus den umgewandelten XETRA-Gold Teilinhaberschuldverschreibungen in Höhe von 3aaa € abzüglich des von der S-Bank in der Steuerbescheinigung ausgewiesenen Differenzgewinnes i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG von 2aaa €.
Diesen Anträgen folgte der Beklagte (Bekl.) im ESt-Bescheid vom 20.09.2012 nicht, sondern besteuerte die yyy € nach §§ 20, 32d Abs. 1 EStG. Mit Bescheid vom 20.09.2012 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt auf den 31.12.2011 stellte der Bekl. den verbleibenden Verlustvortrag des Kl. entsprechend § 10d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 anzuwendenden Fassung auf - wie bisher - a.aaa € fest.
Mit Einspruchsschreiben ihres Prozessvertreters vom 26.09.2012 tragen die Kl. vor, dass die Rückgabe der XETRA-Gold Inhaberschuldverschreibung gegen ausgeliefertes physischen Gold nicht zu einem gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG steuerbaren Differenzgewinn führe. Bei der Inhaberschuldverschreibung handele es sich um ein verbrieftes Recht auf Auslieferung von physischem Gold. Für einen solchen Anspruch habe der BFH mit Urteil vom 24.01.2012 IX R 62/10 BStBl. II 2012, 564 entschieden, dass es sich um ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.v. § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handele. Vorliegend halte der Kl. das ausgelieferte Gold aber weiterhin in seinem Besitz und habe es nicht veräußert.
Bei korrekter Berücksichtigung ergebe sich damit nicht nur eine Ersatzbemessungsgrundlage von 0,00 €, sondern ein nicht ausgeglichener Verlust lt. Zeile 12 der Anlage KAP von 1aaa €, der entsprechend festzustellen und vorzutragen sei.
Des Weiteren sei die Abrechnung nach § 32d Abs. 1 EStG fehlerhaft, da bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die Altverluste nicht abgezogen worden seien.
Daraufhin änderte der Bekl. den ESt-Bescheid für 2011 am 16.10.2012 und verrechnete von den Verlustvorträgen aus privaten Veräußerungsgeschäften (Altverluste) des Kl. 2aaa € und setzte die ESt auf … € (bisher … €) fest. Außerdem erließ er am 16.10.2012 einen nach § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur ESt auf den 31.12.2011 und stellte darin den verbleibenden Verlustvortrag des Kl. gemäß § 10d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 anzuwendenden Fassung auf … € fest (Verlustabzug im Jahr 2011: 2aaa €).
Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 09.09.2013 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Allein der Umstand, dass die XETRA-Gold Teilinhaberschuldverschreibung ein börsenfähiges Wertpapier sei, welches u.a. an der Frankfurter Börse und an Regionalbörsen gehandelt werde, habe zur Folge, dass die Veräußerung oder Einlösung der Inhaberschuldverschreibung in Gold zu Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG führe. Auf die Frage, ob ein Lieferungsanspruch in physischer Form gedeckt sei, komme es daher nicht an. Selbst wenn der Lieferanspruch bei der XETRA-Gold Inhaberschuldverschreibung durch physisches Gold vollständig gedeckt wäre, würde es sich um Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG handeln. Das von den Kl. angeführte BFH-Urteil vom 24.01.2012 IX R 62/10 betreffe einen anderen Sachverhalt, da es hier um die steuerliche Bewertung einer börsenfähigen Inhaberschuldverschreibung und nicht schlicht um die steuerliche Würdigung eines Sachlieferungsanspruchs gehe.
Mit der am 09.10.2013 erhobenen Klage verfolgen die Kl. ihr Klagebegehren weiter. Die XETRA-Gold Inhaberschuldverschreibung sei zu 100 % durch hinterlegtes physisches Gold gedeckt. Da der Kl. nur seinen Auslieferungsanspruch in physisches Gold geltend gemacht habe, könne eine Besteuerung nur nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfolgen. Dieses scheide aber vorliegend aus, da der Kl. das Gold weiterhin in seinem Besitz habe.
Die Kl. beantragen,
1. den ESt-Bescheid 2011 in Form der EE in der Weise abzuändern, als die festgesetzten Einkünfte aus Kapitalvermögen, die die Einkünfte aus dem Umtausch einer XETRA-Gold-Anleihe enthalten, von 2aaa € auf 0,00 € herabgesetzt werden und nicht als Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG klassifiziert werden,
2. sowie unter Änderung des Verlustfeststellungsbescheides vom 16.10.2013 den verbleibenden Verlustvortrag des Kl. gemäß § 10d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 anzuwendenden Fassung auf a.aaa € festzustellen.
3. hilfsweise die Revision zuzulassen;
4. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner in der EE vom 09.09.2013 dargestellten Rechtsauffassung fest.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den von den Kl. vorgelegten Wertpapierprospekt der XETRA-Gold-Inhaberschuldverschreibung der Deutschen Börse Commodities GmbH, die Steuerbescheinigung und die „Erträgnisaufstellung für das Jahr 2011 für ihre privaten Kapitalerträge“ für den Kl. von der S-Bank vom 24./27.02.2012 und auf die mit der Klagebegründung (Schriftsatz vom 24.11.2013) vorgelegten Wertpapierkaufabrechnungen, Depotbuchung-Belastungen der S-Bank und der Ausübungsformulare XETRA-Gold (Gerichtsakte Bl. 25 bis 57) Bezug genommen.
Der Senat hat am 14.03.2014 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Klage wegen des ESt-Bescheides 2011 hat keinen Erfolg. Die Klage wegen des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages der ESt auf den 31.12.2011 ist begründet.
I.31
ESt-Bescheid 2011
Nach § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kl. geltend macht, durch den angefochtenen Steuerverwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Beschwer muss sich dabei grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung selbst und damit dem Tenor des angefochtenen Bescheides ergeben; denn die festgestellten Besteuerungsgrundlagen sind nach § 157 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) lediglich Teil der nicht anfechtbaren Begründung des Steuerbescheides. Etwas anderes gilt nur, wenn und soweit den Besteuerungsgrundlagen (gesetzliche) Bindungswirkung für andere Bescheide zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 19.02.2013 IX R 31/11, BFH/NV 2013, 1075).
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Klage gegen den ESt-Bescheid unzulässig, da die Kl. sich nicht gegen die Höhe der Steuer wenden. Sie machen auch nicht geltend, dass in Besteuerungsgrundlagen gesetzliche Bindungswirkung für einen anderen Bescheid zukommt. Das Verfahren der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur ESt auf den Schluss eines Kalenderjahres nach § 10d Abs. 4 EStG ist gegenüber dem ESt-Festsetzungsverfahren selbstständig und hängt nicht von den dort festgestellten Besteuerungsgrundlagen ab (BFH-Urteil vom 14.07.2009, IX R 52/08, BStBl. II 2011, 26; ebenso Schmidt/Heinicke EStG, 31. Aufl. § 10d Rz. 47).
Auch für eine Änderung der Verlustverrechnung auf der Ebene der S-Bank i. S. d. § 43a Abs. 3 S. 7 EStG i. V. m. § 20 Abs. 3a S. 1 EStG ist eine Korrektur der Einkünfte aus Kapitalvermögen im Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 16.10.2012 nicht notwendig, da schon im Rahmen der Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2011 vom 16.10.2012 über die Steuerbarkeit der streitigen 2aaa € entschieden wird (vgl. II.)
II.36
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages
1. Die Klage gegen den während des Einspruchsverfahrens am 16.10.2012 geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur ESt auf den 31.12.2011 ist zulässig.
Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von 6 Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfes erhoben werden, § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGO.
Bei der gebotenen Rechtsschutz gewährenden Auslegung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25.09.2013 VIII R 17/11, Juris) des Einspruchsschreibens vom 26.09.2012 haben sich die Kl. auch gegen den Bescheid vom 20.09.2012 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt auf den 31.12.2011 gewandt, da sie die zusätzliche Berücksichtigung eines nicht ausgeglichenen Verlustes von 1aaa € beantragt haben. Soweit der Bekl. in seiner EE vom 09.09.2013 allein über die ESt 2011 entschieden hat, ist dies bezüglich der Zulässigkeit unerheblich, da seit Einlegung des Einspruches am 26.09.2012 mehr als 6 Monate bis zur Klageerhebung am 09.10.2013 vergangen sind.
2. Die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur ESt auf den 31.12.2011 vom 16.10.2012 ist begründet.
Der Bekl. hat zu Unrecht den verbleibenden Verlustvortrag des Kl. gemäß § 10d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 anzuwendenden Fassung um eine Verlustverrechnung von 2aaa € gekürzt, da der Kl. durch die Auslieferung der XETRA-Gold Inhaberschuldverschreibungen in Gold keine Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG in Höhe von (saldiert) 3aaa € erzielt hat. Der insoweit von den Kl. mit dem Einspruch gestellte Verrechnungsantrag gem. § 23 Abs. 3 S. 9 EStG i. V. m. § 52a Abs. 11 S. 11 EStG erfolgte nur hilfsweise.
Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustabzug ist nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach § 10d Abs. 1 EStG abgezogenen und die nach § 10d Abs. 2 abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Zeitraumes festgestellten verbleibenden Verlustvortrags, § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG.
Nach diesen Maßstäben hat der Bekl. zu Unrecht den zum 31.12.2011 verbleibenden Verlustvortrag für den Kl. um 2aaa € niedriger auf … € festgestellt. Eine Verlustvortragsminderung in Höhe von 2aaa € wäre nur rechtmäßig, wenn der Kl. im Streitjahr 2011 einen Differenzgewinn i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG in entsprechender Höhe erzielt hätte. Dem ist nicht so.
Ausweislich der „Erträgnisaufstellung für das Jahr 2011 für ihre privaten Kapitalerträge“ der S-Bank hat diese dem Kl. Kurzdifferenzgewinne bezüglich der XETRA-Gold Inhaberschuldverschreibung von … € am 20.12.2011 und von … € am 22.12.2011 bescheinigt. Auch wenn man davon die bescheinigten Veräußerungsverluste von … € vom 22.12.2011 und von … € vom 28.12.2011 abzieht, verbleibt noch ein Kursdifferenzgewinn von insgesamt 3aaa €, den die S-Bank gemäß dem BFM-Schreiben vom 22.12.2009 (BStBl. I 2010, 94; Rz. 57) als Ersatzbemessungsgrundlage ermittelt hat. Dieser von der S-Bank ermittelte Betrag ist entgegen dem BMF-Schreiben nicht nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG steuerbar.
Gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach § 20 Abs. 1 S. Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgeltes von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabh ängig von der Bezeichnung und der rechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.
a) Zu Unrecht meint der Bekl., dass die Rückgabe der Inhaberschuldverschreibung eine Veräußerung i. S. d. § 20 Abs.2 S. 1 Nr. 7 EStG sei.
Eine Veräußerung setzt zivilrechtlich einen synallagmatischen Austauschvertrag voraus, dessen Hauptleistungspflichten einerseits in einer Geldleistungspflicht der einen Vertragspartei und anderseits in einer Sachlieferungspflicht oder der Verpflichtung zur Rechtsübertragung der anderen Vertragspartei besteht.
Die Rückgabe der Inhaberschuldverschreibung an den Emittenten ist keine Veräußerung in diesem Sinne. Ein synallagmatischer Austauschvertrag kommt durch die Geltendmachung des Rückgabeverlangens nicht zustande. Denn die Rückgabe einer Inhaberschuldverschreibung ist ein ihr innewohnendes Recht und führt zum Untergang der Schuldverschreibung. Im Gegenzug wird die Emittentin mit Auslieferung des Goldes von ihrer Leistungspflicht befreit (vgl. Ziffer 6 § 3 Abs. 5 der Emissionsbedingungen).
b) Desweiteren ist die XETRA-Gold Inhaberschuldverschreibung keine sonstige Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da diese Inhaberschuldverschreibung nur das Recht auf Lieferung einer bestimmten Menge physischen Goldes beinhaltet. Gemäß Ziffer 6 § 1 Satz 1 Satz 2 der Emissionsbedingungen verbrieft jede einzelne Schuldverschreibung das Recht des Gläubigers von der Emittentin (a) die Lieferung von einem Gramm Gold nach Maßgabe dieser Emissionsbedingungen oder (b) unter den in § 4 genannten Voraussetzung die Zahlung eines nach Maßgabe dieser Bestimmung ermittelten Geldbetrages zu verlangen. Die Möglichkeit nach Ziffer 6 § 4 der Emissionsbedingungen statt der Auslieferung physischen Goldes unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen ersatzweise die Zahlung eines Geldbetrages zu verlangen, führt nicht dazu, dass die Inhaberschuldverschreibung -bei wirtschaftlicher Betrachtung- primär eine Geldforderung verbrieft (ebenso Jochum in Kirchhoff/Söhn, EStG-Kommentar, § 20 Rz. C/7 98; Jachmann/Lindenberg in Lademann ESTG-Kommentar § 20 Rz. 423; Ratschow in Blümich/Falk EStG-Kommentar § 20 EStG Rz. 379; zweifelnd Harenberg in Herrmann-Heuer-Raupach, § 20 Anm. 295, Stichwort: Lieferschuldverschreibungen mit physischer Deckung).
c) Jedenfalls wenn, wie hier, der Inhaber der Schuldverschreibung seine Rechte auf Lieferung des physischen Goldes gemäß Ziffer 6 § 3 der Emissionsbedingungen ausübt, macht er den verbrieften Sachlieferungsanspruch geltend, so dass für ihn die Inhaberschuldverschreibung keine Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist.
d) Unerheblich ist auch, dass der Sachlieferungsanspruch in Form einer Inhaberschuldverschreibung verbrieft ist. Denn die rechtliche Form einer Forderung besagt nichts über den Inhalt der Forderung. Gemäß Ziffer 6 § 1 Abs. 1 S. 2 der Emissionsbedingungen verbrieft jede Inhaberschuldverschreibung einen Lieferanspruch auf 1 Gramm Gold und erlischt gemäß Ziffer 6 § 7 Abs. 2 der Emissionsbedingungen mit Auslieferung.
e) Für die rechtliche Einordnung der Schuldverschreibung spielt es keine Rolle -worauf der Bekl. aber besonders hingewiesen hat-, dass die Emittentin unter Ziffer 1, Abschnitt D -Risiken, Unterpunkt D.6 „Keine Berechtigung oder wirtschaftliches Eigentum an Gold“ der Emissionsbedingungen (Seite 15) ausführt, dass die Anlage in Schuldverschreibungen keinen Kauf oder anderen Erwerb von Gold darstellt. Denn mit diesem Warnhinweis soll dem Anleger, der eine Schuldverschreibung erwirbt, deutlich gemacht werden, dass er lediglich einen Sachlieferungsanspruch auf Gold gegen die Emittentin erworben hat. Deswegen weist die Emittentin im Folgenden (Seite 15 ff der Emissionsbedingungen) auch auf die besonderen Gefahren und Kosten hin, die bis zur Auslieferung des Goldes bestehen.
III.56
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 3 FGO, da die Kl. nur zu einem geringen Teil unterlegen sind.
IV.58
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird gemäß § 139 Abs. 3 FGO für notwendig erklärt.
V.60
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 FGO zugelassen.