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  • 11.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141695

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 28.08.2013 – 12 K 339/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    12 K 339/10 E

    Tenor:

    Unter Änderung des Einkommensteuer-Bescheides in der Fassung vom 10.06.2013 wird die Einkommensteuer 2007 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 468,00 € niedriger festgesetzt.

    Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    T a t b e s t a n d

    Die Beteiligten streiten noch über die Berücksichtigung von Fahrtkosten der Ehefrau im Rahmen der Werbungskosten des Klägers (Kl.) bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

    Der Kl. ist verheiratet und wird im Streitjahr mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt. Er erzielt als Monteur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Dabei ist er weltweit auf wechselnden Baustellen eingesetzt, im Streitjahr u.a. in Australien und in den Niederlanden. Im Zusammenhang mit dem Einsatz auf der Baustelle in den Niederlanden (N, E, 27.08.-02.10.2007) machte der Kl. neben eigenen Familienheimfahrten (15./16.9., 29./30.9.2007) Kosten für 3 Fahrten seiner Ehefrau zur niederländischen Baustelle als umgekehrte Familienheimfahrt im Rahmen der Werbungskosten (09./10.9., 23./24.09., 6.7.10.2007) mit insgesamt 468,00 € (520 km x 0,30 € x 3 Fahrten) geltend. Zur Begründung trug er vor, er habe aus beruflichen Gründen die Familienheimfahrten nicht selbst durchführen können. Im Rahmen des Klageverfahrens legte er in diesem Zusammenhang eine Bescheinigung seiner Arbeitgeberin, der Fa. L GmbH vom 04.02.2013 vor (Bl. 150 FG-Akte). Dort heißt es:

    „Bescheinigung

    Hiermit bescheinigen wir Herrn A, dass seine Anwesenheit auf der Baustelle im Streitjahr 2007 an den Wochenenden aus produktionstechnischen Gründen erforderlich war.“

    Diese Aufwendungen berücksichtigte der Beklagte (Bekl.) im ESt-Bescheid 2007 vom 07.10.2008 nicht.

    Gegen den ESt-Bescheid 2007 erhob der Kl. mit Schreiben vom 27.10.2008 Einspruch und wandte sich u.a. gegen die Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für die umgekehrten Familienheimfahrten. Der Einspruch blieb insoweit erfolglos, führte aber wegen anderer Streitpunkte zu einer Änderung des ESt-Bescheides 2007 in der Einspruchsentscheidung vom 05.01.2010. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob der Kläger mit Schreiben vom 25.01.2010 Klage. Im Verlauf des Klageverfahrens erging zur Berücksichtigung nicht streitiger Arbeitszimmerkosten unter dem 13.09.2011 ein weiterer Änderungsbescheid. Geltend gemachte Telefonkosten, deren Anerkennung im Klageverfahren zunächst zwischen den Beteiligten streitig war, setzte der Bekl. schließlich im geänderten ESt-Bescheid 2007 vom 10.06.2013.

    Streitig geblieben ist die Berücksichtigung der Kosten für umgekehrte Familienheimfahrten der Ehefrau des Kl. in die Niederlande in Höhe von insgesamt 468,00 €. Der Kl. trägt vor, diese Kosten seien beruflich veranlasst, weil er von der Baustelle unabkömmlich gewesen sei und deshalb an der Familienheimfahrt gehindert gewesen sei. In diesem Zusammenhang verweist er auf die vorgelegte Bestätigung seiner Arbeitgeberin vom 4.2.2013.

    Der Kl. beantragt,

    die ESt 2007 unter Änderung des ESt-Bescheides in der Fassung vom 10.06.2013 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 468,00 € niedriger festzusetzen.

    Der Bekl. beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er vertritt die Auffassung, die geltend gemachten Fahrtkosten seien als privat veranlasste Kosten der Lebensführung nicht abzugsfähig.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

    Der Berichterstatter des Senats hat am 31.5.2011 einen Erörterungstermin durchgeführt. Der Senat hat am 28.8.2013 mündlich verhandelt. Auf die Protokolle wird Bezug genommen.

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

    Die Klage ist begründet.

    Der Bekl. hat es zu Unrecht abgelehnt, die geltend gemachten Fahrtkosten der Ehefrau zum Beschäftigungsort des Kl. als Werbungskosten bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen.

    Ein Arbeitnehmer, der – wie der Kl. - an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten seinen Beruf ausübt und am Ort einer derartigen auswärtigen Tätigkeitsstätte vorübergehend eine Unterkunft bezieht, begründet keine doppelte Haushaltsführung (BFH, Urteile vom 11.05.2005 VI R 7/02, BStBl II 2005, 782 und VI R 34/04, BStBl II 2005, 793). Die Frage des Ansatzes von Kosten für Familienheimfahrten oder umgekehrte Familienheimfahrten als Teil des Aufwandes einer doppelten Haushaltsführung stellt sich nicht mehr.

    Die geltend gemachten Fahrtkosten sind jedoch nach dem allgemeinen Werbungskostenbegriff zu berücksichtigen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten. Dazu gehören sämtliche Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (BFH, Beschluss vom 02.02.2011 VI R 15/10, BFH/NV 2011, 903 m.w.N.).

    Ob Aufwendungen der beruflichen Sphäre oder der Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzurechnen sind, entscheidet sich unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles. Aufwendungen z.B. für Wohnung, Verpflegung und Bekleidung sind typische unter § 12 Nr. 1 EStG zu subsumierende Lebensführungskosten. Kosten, die untrennbar sowohl privat als auch beruflich veranlasst sind, werden der steuerrechtlich erheblichen Berufssphäre zugeordnet, wenn die Aufwendungen so stark durch die berufliche/betriebliche Situation geprägt sind, dass der private Veranlassungsbeitrag bei wertender Betrachtung unbedeutend ist. Bei Vorliegen einer Auswärtstätigkeit werden z.B. Mehraufwendungen für Verpflegung in bestimmtem Umfang zum Werbungskostenabzug zugelassen (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG). Auch Mobilitätskosten im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung werden als Werbungskosten anerkannt (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG).

    Entsprechend dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung lässt die Rechtsprechung privat veranlasste Aufwendungen wegen der Überlagerung durch berufliche Gründe zum Werbungskostenabzug zu (Beispiele s. BFH, Urteil vom 05.07.2012 VI R 50/10, BStBl II 2013, 282 unter Rz. 14). Nach diesen Grundsätzen hat der Bundesfinanzhof auch Aufwendungen für Telefonate privaten Inhalts, die nach einer mindestens einwöchigen Auswärtstätigkeit entstehen, als beruflich veranlassten Mehraufwand der Erwerbssphäre zugeordnet, weil er ihn als ganz überwiegend durch den beruflichen Veranlassungszusammenhang geprägt und nur in ganz untergeordnetem Umfang von Momenten der privaten Lebensführung beeinflusst ansah (BFH, ebenda).

    Von einer derartigen Überlagerung privat veranlasster Aufwendungen durch berufliche Gründe geht der erkennende Senat auch im Streitfall aus. Die geltend gemachten Fahrtkosten sind beruflich veranlasst. Der Kl. selbst konnte die Fahrt zum Familienwohnsitz, die beruflich veranlasst wäre und zu abzugsfähigen Werbungskosten geführt hätte, nicht durchführen. Dienstliche Notwendigkeiten erforderten seine Anwesenheit an dem Ort, wo er die Errichtung eines Ziegelwerkes durch seine Arbeitgeberin begleitete. Die Arbeitgeberin hat seine Unabkömmlichkeit in der Bescheinigung vom 04.02.2013 bestätigt. Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung geht der Gesetzgeber von der beruflichen Veranlassung einer Familienheimfahrt pro Woche aus. Die Rechtsprechung lässt den Aufwand für entsprechende umgekehrte Familienheimfahrten durch den Ehegatten zum Werbungskostenabzug zu, wenn der Steuerpflichtige die Familienheimfahrt aus beruflichen Gründen nicht selbst durchführen kann. Im Streitfall kann die Wertung nicht anders ausfallen, als sie der Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung im Fall der Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung vorgenommen hat. Muss der Steuerpflichtige also im Rahmen einer Beschäftigung an ständig wechselnden Arbeitsstätten im Ausland aus betrieblicher Notwendigkeit vor Ort bleiben und kann er nicht selbst an den Familienwohnort reisen, sind die Fahrtkosten Werbungskosten, die durch die Fahrt des Ehegatten an den Einsatzort des Ehemannes entstehen. Über den Rahmen einer Familienheimfahrt pro Woche, wie sie im Bereich der doppelten Haushaltsführung werbungskostenwirksam möglich ist, geht der vom Kl. geltend gemachte Fahrtaufwand für seine Ehefrau nicht hinaus.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen nicht vorliegen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO). Der Senat folgt der Rechtssprechung des Bundesfinanzhofes und seiner Wertung.

    RechtsgebietFinanz- und Abgaberecht