12.06.2014 · IWW-Abrufnummer 142113
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 28.04.2014 – III B 44/13
Gründe
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I. Am letzten Tag der Einspruchsfrist ging beim Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) ein Fax des Prozessbevollmächtigten der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ein, mit dem unter Angabe des Namens, der Identifikationsnummer und der Steuernummer Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2010 eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt wurde. Das Fax war wie folgt adressiert: "Persönlich Herrn Vorsteher ... Finanzamt ...".
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Das Fax wurde entsprechend den Regelungen in der Geschäftsordnung für die Finanzämter vom 16. November 2010 --FAGO 2010-- (BStBl I 2010, 1315) aufgrund seiner persönlichen Adressierung dem Vorsteher zugeleitet und erreichte diesen erst am Folgetag, der auch als Eingangsdatum vermerkt wurde.
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Das FA verwarf den Einspruch als unzulässig. Das Schreiben habe die private Sphäre des Vorstehers erst verlassen, nachdem er erkannt habe, dass es sich um eine dienstliche Sache handele. Der Prozessbevollmächtigte, der den überwiegenden Teil seiner an das FA gerichteten Schreiben an den Vorsteher adressiere, sei mehrfach darauf hingewiesen worden, dass dies zu Fristversäumnissen führen könne. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Die auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, der Einspruch sei rechtzeitig eingegangen. Unerheblich sei, dass er an den Vorsteher unter Beifügung des Zusatzes "persönlich" adressiert gewesen sei, denn die FAGO 2010 entfalte keine nachteiligen Rechtsfolgen gegenüber dem Steuerpflichtigen. Das Einspruchsschreiben sei vor der Weiterleitung in den Geschäftsgang nicht Bestandteil der persönlichen Sphäre des Vorstehers gewesen, da es zweifelsfrei als Rechtsbehelf und damit als dienstlich zu erkennen sei.
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Das FA trägt vor, die Rechtssache sei grundsätzlich bedeutsam und erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Fortbildung des Rechts. Klärungsbedürftig sei, ob ein mit dem Zusatz "persönlich" an die Amtsleitung gerichtetes Einspruchsschreiben, das dem FA vor Ablauf der Einspruchsfrist per Telefax übermittelt werde, bereits im Zeitpunkt des Einganges in der Faxstelle bei der Behörde angebracht werde oder erst in dem Zeitpunkt, in dem der Vorsteher das Fax --nach Ablauf der Einspruchsfrist-- in den Geschäftsgang gebe, und ob für den Einspruchsführer insoweit die Regelungen der FAGO 2010 maßgeblich seien.
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II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), denn die vom FA geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), denn die vom FA für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage ist offensichtlich so zu entscheiden, wie es das FG getan hat (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2012 III B 128/11, BFH/NV 2013, 29).
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Der Einspruch ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die bei der Behörde anzubringen ist, deren Verwaltungsakt angefochten wird (§ 357 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung). Die einmonatige Einspruchsfrist ist gewahrt, wenn der Einspruch der Empfangsbehörde bis zum Ende der Frist zugeht. Geht beim FA ein Fax ein, das als Einspruch bezeichnet und auch auf den ersten Blick als Einspruchsschreiben erkennbar ist, so ist es dem FA auch dann zugegangen, wenn es an einen Bediensteten oder --wie hier-- den Vorsteher persönlich adressiert ist.
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Die Regelung in Nr. 3.1 Abs. 5 FAGO 2010 steht dem nicht entgegen. Danach sind Eingänge mit dem Zusatz "persönlich" direkt und ungeöffnet dem Empfänger zuzuleiten, der sie, falls es sich um eine dienstliche Angelegenheit handelt, mit Eingangsdatum und Namenszeichen zu versehen und unverzüglich in den Geschäftsgang zu geben hat. Eine ungeöffnete Weiterleitung kommt bei einem Fax jedoch nicht in Betracht. Sein Inhalt ist wie der einer Postkarte "offen", so dass die Bediensteten der Eingangsstelle erkennen können, ob es sich um ein privates oder ein dienstliches Schreiben handelt.
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2. Die Revision ist aus denselben Gründen auch nicht zur Rechtsfortbildung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO), bei der es sich um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision handelt.
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3. Ob die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen wäre, wenn die Kläger den Einspruch nicht mittels Telefax, sondern durch ein an den Finanzamtsvorsteher persönlich adressiertes verschlossenes Schreiben eingelegt hätten, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.