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  • 30.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142866

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 02.06.2014 – 8 K 1658/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    8 K 1658/13

    Tenor

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides.

    Die Klägerin (Kl’in.) ist die Mutter des am .12.1992 geborenen Sohnes J, der mithin im Dezember 2010 bzw. 2013 sein 18. und 21. Lebensjahr vollendet hat; er lebte im Streitzeitraum im Haushalt der Kl’in.

    J besuchte nach Eintritt der Volljährigkeit weiterhin die X-Schule in Y, wo er im Juni 2012 sein Abitur ablegte, so dass zunächst bis Juni 2012 Kindergeld festgesetzt war. Nachdem durch die Kl’in. mitgeteilt worden war, dass J zum Oktober ein Hochschulstudium aufnehmen und in der Zwischenzeit einen Ferienjob ausüben werde, wurde die Festsetzung für die Übergangszeit bis einschließlich November 2012 verlängert.

    J meldete sich am 06.2012 bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend. Im Hinblick auf die bereits ab dem 02.07. vereinbarte, befristete Aushilfstätigkeit bei der Z-fabrik in Y, die letztlich bis zum 31.08. verlängert wurde, teilte die Sachbearbeiterin dem Sohn aber noch am 22.06. telefonisch mit, dass sein Status „arbeitssuchend“ wieder gelöscht worden war.

    Am ...09.2012 erlitt J bei einem Sportunfall einen Riss des vorderen linken Kreuzbandes, so dass er letztlich vom ….09.2012 bis zum ...01.2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben wurde. Aus dem vorgelegten Arztbrief ist ersichtlich, dass J ursprünglich am xx.09. hatte nach „Ausland“ reisen wollen, was im Hinblick auf die erforderliche Operation und anschließende Rekonvaleszenz nun nicht mehr möglich war.

    Die erneute Arbeitssuchend-Meldung des Sohnes am .09.2012 wurde vom zuständigen Mitarbeiter der beklagten Behörde unter Hinweis auf die anhaltende Arbeitsunfähigkeit zurückgewiesen.

    Per e-mail vom .11.2012 teilte die Kl’in. der zuständigen Familienkasse (erstmals) die Erkrankung des Sohnes mit und kündigte an, dass sich dieser zum Sommersemester auf den von ihm angestrebten Studienplatz bewerben werde. In der Folge kam es zwischen den Beteiligten zu einem Schriftwechsel über die Bemühungen des Sohnes um einen Ausbildungsplatz in der Zeit ab Juni 2012 sowie die konkreten Umstände der Erkrankung. Die Kl’in. erklärte nunmehr, J habe auf Grund des sog. Numerus Clausus keine Chance auf eine Zulassung zum gewünschten Studiengang „ … “ in … (im Herbst 2012) gehabt, so dass er bis zum folgenden Sommersemester einen Aufenthalt zur Verbesserung seiner englischen Sprachkenntnisse angestrebt habe; hierbei sei ihm jedoch seine schwere Knieverletzung dazwischen gekommen. Ergänzend wurden Bewerbungen vom 0x. und .12.2012 zum Sommersemester 2013 bei der Fachhochschule … und der Universität … vorgelegt.

    Nach der Bescheinigung der zuständigen Arbeitsagentur wurde J aufgrund seiner Vorsprache vom .01.2013 seit dem .01.2013 bis auf weiteres wieder als arbeitssuchend geführt. Zum 01.03.2013 hat J an der Fachhochschule das Studium … aufgenommen.

    Mit Bescheid vom .01.2013 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum von August bis November 2012 auf und forderte von der Kl’in. den überzahlten Betrag von …,- € zurück.

    Mittels einfacher e-mail vom .01. erhob die Kl’in. unter Berufung auf die Arbeitssuchendmeldung des Sohnes vom ...09.2012 Einspruch, so dass ihr nach der DA-FamEStG Kindergeld zustehe. Der e-mail war ein Schreiben der Arbeitsagentur vom xx.01.2013 über die Meldung des Sohnes vom xx.09. beigefügt.

    Diesen wies der Bekl. mit Entscheidung vom .07.2013 als unbegründet zurück. J habe sich nicht unmittelbar nach dem Ende seiner Erkrankung arbeitssuchend gemeldet, denn hierfür wäre eine Meldung am ...01.2013 erforderlich gewesen.

    Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage macht die Kl’in. geltend, ihr Sohn habe ursprünglich beabsichtigt, im September 2012 einen mehrmonatigen Auslandsaufenthalt in „Ausland“ anzutreten. Dabei habe er einen anerkannten Sprachkurs besuchen wollen, um seine Englischkenntnisse im Hinblick auf den angestrebten Studiengang … in … zu verbessern. Damit wäre der Bekl. (auch) ohne die erlittene Verletzung zur Weiterzahlung von Kindergeld verpflichtet gewesen. Eine Arbeitssuchendmeldung sei wegen der Erkrankung zunächst nicht möglich gewesen. J habe aber am 0x. oder 0x.01. – das genaue Datum sei ihm nicht mehr erinnerlich – bei der Arbeitsagentur angerufen, um sich sofort nach dem Ende seiner Arbeitsunfähigkeit arbeitssuchend zu melden. Der Termin für die hierzu erforderliche Vorsprache sei ihm aber erst für den xx.01. zugeteilt worden, was nicht zu Lasten der Kl’in. gehen könne. Im Übrigen sei dem Bekl. von Beginn an bekannt gewesen, dass J bei der …fabrik nur ein befristetes Aushilfsdienstverhältnis angetreten habe. Daher sei eine Löschung als Arbeitssuchender nicht gerechtfertigt gewesen; vielmehr hätte der Sohn zum Ablauf der vorgesehenen Befristung im System der Arbeitsverwaltung „automatisch“ wieder als arbeitssuchend eingestellt werden müssen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Aufhebungsbescheid vom ...01.2013 mit der Einspruchsentscheidung vom .07.2013 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Ansicht, ein Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) liege nicht vor. Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, dass der Sohn im Juni 2012 keine beachtliche Meldung als arbeitssuchend habe abgeben können. Denn infolge des bereits abgeschlossenen Dienstverhältnisses habe festgestanden, dass J dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Daher habe die Arbeitsagentur die Meldung zu Recht nicht angenommen, da J die gesetzlichen Voraussetzungen nach dem SGB III nicht erfüllt habe. Mangels Nachweises von Bemühungen um einen Ausbildungsplatz unmittelbar im Anschluss an die Schulzeit komme auch eine Berücksichtigung als ausbildungswilliges Kind nicht in Betracht. Ferner scheide eine Berücksichtigung als krankes Kind aus, da die Erkrankung erst nach der Beendigung des letzten Ausbildungsabschnittes eingetreten sei. Schließlich liege auch eine Übergangszeit im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2b EStG nicht vor, da der neue Ausbildungsabschnitt – also das Studium – nicht spätestens im November 2012 begonnen habe. Letztlich komme eine Berücksichtigung als behindertes Kind nach § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG nicht in Betracht, weil J nicht aufgrund einer dauerhaften Behinderung außerstande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten. Geplante Ausbildungsmaßnahmen, die nicht angetreten werden, begründeten alleine keinen Kindergeldanspruch.

    Mit Schreiben vom .04.2014 hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es seiner Ansicht nach an einem formwirksamen Einspruch der Kl’in. fehlt. Hierzu sind beide Beteiligten der Ansicht, dass der Bekl. die Einlegung per einfacher e-mail gegen sich gelten lasse müsse, da er seine E-mail-Adresse (auch) im Aufhebungsbescheid ausdrücklich zur Kontaktaufnahme angeboten habe. Die e-mail könne als Unterform der Schriftform angesehen werden und stelle zudem eine zeitgemäße Form der Kommunikation dar.

    Dem Senat lag die Kindergeldakte vor.

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    Entscheidungsgründe

    Die Klage hat keinen Erfolg.

    I. Eine Kassation des Aufhebungsbescheides vom .01.2013 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Bescheid vom .01.2013 mangels wirksamer Anfechtung bestandskräftig geworden ist.

    1. Nach § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) in der für das Handeln der Kl’in. – weil bis zum 31.07.2013 – geltenden Fassung ist der Einspruch schriftlich einzureichen oder, was hier ausscheidet, zur Niederschrift zu erklären. Es genügt nach Satz 2, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer den Einspruch eingelegt hat. Gemäß § 87a Abs. 1 Satz 1 AO ist die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet. (Auch) Eine durch Gesetz für Anträge, Erklärungen oder Mitteilungen an die Finanzbehörden angeordnete Schriftform kann, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist, durch die elektronische Form ersetzt werden. In diesem Fall ist das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen, § 87a Abs. 3 Sätze 1 und 2 AO.

    Diesen gesetzlichen Erfordernissen genügt die Einspruchseinlegung der Kl’in. nicht.

    a. Schriftlichkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn sich der Einspruch aus einem vom Einspruchsführer herrührenden Schriftstück ergibt (allgemeine Ansicht; statt vieler: Pahlke/König, AO, 2. Aufl. 2009, § 357 Rn. 13; Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand 226. Lfg. März 2014,
    § 357 Rn. 15).

    Auch wenn elektronisch nach allgemeinem Wortverständnis gerade nicht schriftlich bedeutet, könnte man es isoliert betrachtet im Sinne einer rechtsschutzgewährenden Auslegung für ein vom Einspruchsführer herrührendes Schriftstück noch als ausreichend erachten, wenn dessen über seine Computertastatur eingegebenes E-Mail-Schreiben auf dem Bildschirm der Behörde „schriftlich“ angezeigt wird und anschließend eventuell sogar ausgedruckt wird. Hierfür könnte auch sprechen, dass es – im Gegensatz zur formstrengeren Norm des § 64 der Finanzgerichtsordnung (FGO) – im Einspruchsverfahren nach § 357 Abs. 1 Satz 2 AO genügt, wenn aus dem „Schriftstück“ hervorgeht, wer den Einspruch eingelegt hat. Dieses könnte man über die auch beim Empfänger ersichtliche E-Mail-Adresse des Einspruchsführers und die – wie im Streitfall auch – eventuell vorgenommene maschinenschriftliche Unterzeichnung der e-mail noch als gewährleistet ansehen (so auch Schwarz, AO, 158. Lfg. April 2014 § 357 Rn. 16a).

    Hiergegen spricht jedoch bereits in systematischer Hinsicht noch in
    § 357 Abs. 1 AO, dass der Gesetzgeber über Satz 3 ausdrücklich die Einspruchseinlegung durch Telegramm für zulässig erklärt hat. Damit hat der Gesetzgeber bewusst einen Einzelfall geregelt, bei dem entweder (bei mündlicher Telegrammaufgabe) überhaupt kein Schriftstück des Einspruchsführers existiert oder jedenfalls das vom Einspruchsführer bei der Aufgabe erstellte bzw. abgegebene Schriftstück nicht mit demjenigen identisch ist, was bei der Behörde ankommt. Schon mit der positiven Regelung des Telegrammes als eines einzelnen, von dem obigen Schriftformverständnis jedenfalls zum Teil abweichenden Falles gibt der Gesetzgeber nach der Ansicht des Senats zu erkennen, dass er alle anderen möglichen Fälle fehlender körperlicher Schriftstücke des Einspruchsführers, also auch den E-Mail-Verkehr, weiterhin vom gesetzlichen Schriftformerfordernis ausschließen wollte.

    b. Die von den Beteiligten und, soweit ersichtlich, der gesamten Kommentarliteratur (Pahlke/König, AO, 2. Aufl. 2009, § 357 Rn. 13; Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand 226. Lfg. März 2014, § 357 Rn. 19-22; Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 357 Rn. 2; Schwarz, AO, Stand 158. Lfg. April 2014, § 357 Rn. 22a und § 87a Rn. 8c; Tipke/Kruse, AO, Stand 135. Lfg. März 2014, § 357 Rn. 7) wie auch Teilen der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.11.2011 10 K 275/11, EFG 2012, 292; FG Köln, Urteil vom 30.05.2012
    10 K 3264/11, EFG 2012, 1813) befürwortete Zulassung der unqualifizierten e-mail als schriftlich verbietet sich jedoch jedenfalls vor dem Hintergrund der Systematik des § 87a AO.

    Mit § 87a AO sollte das abgabenrechtliche Verwaltungsverfahren an die Fortentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik angepasst werden (vgl. Tipke/Kruse, AO, Stand 135. Lfg. März 2014, § 87a Rn.1).

    Insoweit ist sich der Senat auch mit den Beteiligten einig, dass die bloße Nennung der E-Mail-Adresse der Kindergeldkasse im Kopf des Aufhebungsbescheides schon als Eröffnung des Zugangs im Sinne von § 87a Abs. 1 AO anzusehen ist.

    Indes rechtfertigt dies nicht die Anbringung von Einsprüchen mittels einfacher E-Mail, da Abs. 1 insoweit durch die Spezialregelung des Abs. 3 verdrängt wird. Nach § 87a Abs. 3 Satz 2 AO ist die elektronische Einspruchseinlegung als Erklärung, für die das Gesetz in § 357 Abs. 1 Satz 1 AO die Schriftform angeordnet hat, zwingend mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen, woran es im Streitfall unstreitig fehlt. Gerade durch dieses besondere elektronische Formerfordernis soll sichergestellt werden, dass die besonderen Zwecke der überkommenen Schriftform im Zeitpunkt der Rechtsbehelfs-einlegung auch im modernen elektronischen Rechtsverkehr erfüllt werden. Nur auf diese Art und Weise kann gewährleistet werden, dass der E-Mail neben dem Inhalt der Erklärung auch die Person, von der sie stammt, hinreichend zuverlässig entnommen werden kann. Außerdem wird hierdurch sichergestellt, dass es sich hierbei nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern die E-Mail mit Wissen und Willen des Berechtigten der Behörde zugeleitet worden ist (zum Zweck des Schriftformerfordernisses vgl. Pahlke/König, AO, 2. Aufl. 2009, § 357 Rn. 2 ff und auch Gräber, FGO, 7. Aufl. 2012, § 64 Rn. 7 zum Schriftformerfordernis im finanzgerichtlichen Verfahren). Dieses sachlich gebotene, besondere gesetzliche Formerfordernis wäre hinfällig, wollte man stattdessen eine einfache E-Mail ausreichen lassen.

    Dieses vom Senat für maßgeblich erachtete systematische Verständnis wird durch die Gesetzeshistorie und, was von entscheidender Bedeutung ist, den gesetzgeberischen Willen gefestigt.

    Wäre die Einspruchseinlegung nach alter, bis zum 31.07.2013 geltender Rechtslage schon per einfacher E-Mail zulässig gewesen, hätte es der Erweiterung der Schriftlichkeits-Alternative des Satzes 1 des § 357 Abs. 1 AO um den Zusatz „oder elektronisch“ ab dem 01.08.2013 durch das sog. E-GovernmentG (vom 25.07.2013, BGBl. I 2013, 2749, 2755) nicht bedurft.

    Denn der Gesetzgeber ging in seiner Begründung für das E-Government-Gesetz, welches die vorstehend geschilderte Änderung der §§ 87a, 357 AO umfasst, davon aus, dass bisher als elektronisches Äquivalent der Schriftform allein die qualifizierte elektronische Signatur zugelassen war und diese keine hinreichende Verbreitung erreicht hatte, was zugleich den Anlass für die Änderung mit dem Ziel einer Erweiterung der sog. E-Government-Angebote der Öffentlichen Verwaltung belegt (siehe: http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/IT-Netzpolitik/E-Government/E-Government-Gesetz/e-government-gesetz_node.html; Minikommentar des BMI zum Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften, Seite 61 ff mit Verweis auf Seite 51, a.a.O. rechts unter Weitere Informationen; Bundestags-Drucksache 17/11473, Seite 22; Bundestags-Drucksache 17/13139, Seite 21 mit Verweis auf die Bundestags-Drucksache 17/11473, Seite 22; Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates vom 28. August 2012 zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften unter http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/IT-Netzpolitik/E-Government/E-Government-Gesetz/e-government-gesetz_node.html, rechts unter Weitere Informationen).

    Daher sollte die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung dadurch erleichtert werden, dass die Schriftform neben der qualifizierten elektronischen Signatur in Satz 2 des § 87a Abs. 3 AO auch noch durch zwei andere sichere Verfahren in Satz 4 Nr. 1 und 2 ersetzt werden kann (Bundestags-Drucksache 17/11473, Seite 2). Hierzu hat der Gesetzgeber bewusst auf die Versendung elektronischer Dokumente nach dem De-Mail-Gesetz – und eben nicht auf die allgemein gebräuchliche E-Mail-Kommunikation – zurückgegriffen. Denn der Zweck des De-Mail-Gesetzes vom 28.04.2011 (BGBl. I 2011, 666) war gerade die Etablierung einer auf der herkömmlichen E-Mail-Technologie basierenden Form der elektronischen Kommunikation, welche die Vorteile der einfachen E-Mail (einfache, schnelle, preiswerte und ortsunabhängige Kommunikation) mit denen des schriftlichen Briefes (Vertraulichkeit und Nachweisbarkeit der Authentizität von Willenserklärungen) kombiniert. Hierzu bedient sich das De-Mail-Verfahren besonderer Signatur- und Verschlüsselungstechniken. Die De-Mail-Anbieter müssen sowohl sicherstellen, dass die Kommunikation verschlüsselt abläuft als auch, dass die Nutzer identifiziert werden und jedem Teilnehmer der Nachweis der Kommunikation ermöglicht wird (Bundestags-Drucksache 17/3630, Seiten 1 und 18f; § 1 Abs. 1 De-Mail-Gesetz), mit anderen Worten also die Zwecke des historischen Schriftformerfordernisses sichergestellt werden. Mit der ausdrücklichen Zulassung der qualifizierten De-Mail nach § 87a Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 AO ist also die Einspruchseinlegung per einfacher E-Mail auch ab dem 01.08.2013 – entgegen der in der Literatur fast durchweg vertretenen Ansicht (siehe oben eingangs unter b.) – weiterhin ausgeschlossen. Da keine Ersetzung der qualifizierten elektronischen Signatur, sondern nur eine Erleichterung der elektronischen Kommunikation mit der Verwaltung beabsichtigt war (Bundestags-Drucksache 17/3630, Seite 19), hat der Gesetzgeber folgerichtig mit der Ersetzung des Wortes „ist“ durch „genügt“ in § 87a Abs. 3 Satz 2 AO die bisher zwingende qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz in nur noch eine von nunmehr drei mögliche Arten der zulässigen Ersetzung der Schriftform abgeschwächt.

    c. Dass dies nach § 357 Nr. 1 des Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) in der Praxis der Finanzbehörden und Familienkassen zu Gunsten der Steuerpflichtigen und Kindergeldberechtigten in der Vergangenheit anders gehandhabt wurde – wie gerade die Einlassung des Bekl. im hiesigen Verfahren zeigt – und auch einfache E-Mails als formwirksamer Einspruch angesehen wurden, vermag an der vorstehenden Würdigung des Senats nichts zu ändern. Denn der Verwaltung steht es aufgrund des Prinzips der Gewaltenteilung nicht zu, mittels Richtlinien die gesetzlichen Formerfordernisse außer Kraft zu setzen.

    Ein Anspruch auf Gleichbehandlung kann hierdurch zugunsten der Kl’in. also nicht begründet werden, da er im Unrecht nicht bestehen kann. Im Übrigen wäre hierfür positiv erforderlich, dass diese überhaupt auf jene Verwaltungsregelung vertraut hätte, was nicht einmal behauptet wurde.

    d. In der vorstehenden Würdigung liegt entgegen der Ansicht des Bekl.
    – soweit ersichtlich – auch gerade kein Widerspruch zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Diese ist zum einen (wohl) durchweg nur zur Frage der Vollständigkeit und Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrungen ergangen und somit nicht unmittelbar zum „alten“ Schriftformerfordernis. Im Übrigen hat der Bundesfinanzhof die Frage der Zulässigkeit der Einspruchseinlegung mittels einfacher E-Mail in diesem Zusammenhang regelmäßig dahinstehen lassen bzw. jedenfalls nicht positiv bejaht (BFH-Beschlüsse vom 02.02.2010 III B 20/09, BFH/NV 2010, 830, Rn. 5 und vom 12.12.2012 I B 127/12, BStBl. II 2013, 272, Rn. 19ff; BFH-Urteil vom 20.11.2013 X R 2/12, BStBl. II 2014, 236, Rn. 16; aber fraglich in Beschluss vom 12.10.2012 III B 66/12, BFH/NV 2013, 177, Leitsatz sowie Rn. 22, weil dort konkret § 87a Abs. 1 Satz 1 AO genannt ist).

    2. Dem Schriftformerfordernis des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO ist vorliegend auch nicht über die der Einspruchs-E-Mail beigefügten Anlage genügt. Denn hierbei handelte es sich um eine Bestätigung der Familienkasse und nicht um ein von der Kl’in. selbst herrührendes Dokument, was es erlauben könnte, die mit der Schriftform verfolgten Zwecke, also die Urheberschaft der Kl’in. und den fehlenden Entwurfscharakter der E-Mail auf andere Weise – als mit einer qualifizierten elektronischen Signatur – hinreichend sicher festzustellen.

    3. Da die Kl’in. bei der Einlegung des Einspruchs im Januar 2013 rechtlich nicht beraten war und sich (selbst) die Familienkasse bis heute in Verkennung der Rechtslage rügelos auf den formunwirksamen Einspruch eingelassen hat, stünde ihr grundsätzlich mangels Verschuldens ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu nach § 110 Abs. 1 AO zu. Es erscheint nicht gerecht und billig, den rechtlich unkundigen Kindergeldberechtigten für „schlauer“ zu halten als die Familienkasse, der die tägliche Anwendung der Formvorschriften obliegt. Ein solcher Anspruch scheidet hier jedoch nach § 110 Abs. 3 AO aus, weil seit der Einspruchseinlegung mehr als ein Jahr vergangen ist; hier geht die Rechtssicherheit der Einzelfallgerechtigkeit aufgrund des Charakters der Jahresfrist als Ausschlussfrist vor.

    II. Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob inhaltlich einer der für den Kindergeldbezug erforderlichen Tatbestände des § 32 Abs. 4 EStG vorliegt.

    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    IV. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, zumal sich der Senat in Widerspruch zur nahezu gesamten Kommentarliteratur als auch § 357 Nr. 1 AEAO setzt. Damit soll dem Bundesfinanzhof auch Gelegenheit gegeben werden, seine Entscheidung vom 12.10.2012 in Sachen III B 66/12 zu präzisieren, die – auch wenn sie zur Ordnungsmäßigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung ergangen ist – infolge der Nennung von § 87a Abs. 1 Satz 1 AO in Randnummer 22 dahin verstanden werden könnte, es sei (nach der bis zum 31.07.2013 geltenden Rechtslage) eine Einspruchseinlegung mittels einfacher E-Mail statthaft (gewesen).

    RechtsgebietAOVorschriften§ 87a Abs 3 S 2 AO, § 87a Abs 1 AO, § 357 Abs 1 S 1 AO