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  • 17.04.2015 · IWW-Abrufnummer 144288

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 24.06.2014 – 4 K 3997/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Baden-Württemberg

    Urt. v. 24.06.2014

    Az.: 4 K 3997/11

    Erweiterte SucheInhaltsübersicht

    In dem Finanzrechtsstreit
    - Kläger -
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -
    wegen Einkommensteuer 2009
    hat der 4. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2014 durch
    Vorsitzenden Richter am Finanzgericht als Einzelrichter
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    1.

    Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 16. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2011 wird dahingehend geändert, dass das zu versteuernde Einkommen von 34.893 € auf 26.299 € vermindert wird.

    Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.
    2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
    3.

    Das Urteil ist wegen der der Klägerin zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 €, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 €, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags vorläufig vollstreckbar.

    Tatbestand

    Der Kläger (Kl) ist in der Nähe von A bei B aufgewachsen.

    In A unterhält der Kl im Hause seines Bruders eine eigenständige, ca. 45 qm große Wohnung, die von ihm mit eigenen Möbeln ausgestattet wurde. Dort hatte der Kl auch seinen Erstwohnsitz gemeldet. Wegen der näheren Einzelheiten diese Wohnung betreffend wird auf die Prüfungsfeststellungen zur betriebsnahen Veranlagung 2004 des Finanzamts B im Bericht vom 19. Juli 2005 Bezug genommen (Bl. 30 bis 32 der Rechtsbehelfsakten des Beklagten -Bekl-).

    Seit 01. Februar 2003 ist der Kl beim Krankenhaus in X als Krankenpfleger beschäftigt. Zunächst bewohnte er ein Ein-Zimmer-Appartement in einem Wohnheim in Y mit einer monatlichen Miete in Höhe von 260 €.

    Etwa 2005 hat er Frau Z kennengelernt. Diese war damals noch verheiratet und wurde etwa ein Jahr später geschieden. Sie bot dem Kl im Jahr 2006 an, dass er bei ihr wohnen könne. Die von ihr damals angemietete Dreieinhalbzimmerwohnung besteht aus einem Schlafzimmer, einem Wohnzimmer, Dusche/Bad sowie einem weiteren Zimmer, das ihre Tochter bewohnte.

    In seiner Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für das Streitjahr machte der Kl bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit folgende Werbungskosten geltend:

    "Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
    46 Tage x 155 km = 2.139 €
    Arbeitsmittel pauschal 103 €
    Kontoführungsgebühren pauschal 16 €
    außergewöhnliche Fahrzeugkosten 8.000 €
    Insgesamt 10.256 €"

    Nach Rückfragen durch den Bekl führte der Kl aus, die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien Aufwendungen, die ihm für Fahrten X - A - X mit seinem privaten PKW entstanden seien. Die außergewöhnlichen Fahrzeugkosten stellten Aufwendungen infolge eines Unfalls dar. Dieser Unfall habe sich am Sonntag, den 10. Mai 2009, ereignet. Den Unfall habe er verursacht. Seine Freundin (Frau Z) sei als Beifahrerin in dem ihr gehörenden PKW dabei gewesen. Die Reparaturkosten hätten sich auf 8.000 € belaufen. Er fahre seit 2003 regelmäßig an allen freien Tagen zu seinem Wohnsitz in A. Dies belege seine jährliche Fahrleistung von über 20.000 km im Jahr.

    Er habe einen engen Bezug zu seinen Eltern und besonders zu seinem Bruder, in dessen Haus er wohne. Da sein Bruder seit mehreren Jahren psychisch krank sei und daraus seine Arbeitslosigkeit resultiere, sei es unabdingbar, dass er so oft wie möglich bei ihm sei. Leider zeige sein Bruder keine Krankheitseinsicht, so dass auch keine ärztliche Behandlung möglich sei. Darum sei ihm ein Betreuer zur Seite gestellt worden.

    Weiterhin habe er seinen Freundeskreis ausschließlich in B, was ihm sehr wichtig sei. Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags des Kl wird auf sein Schreiben vom 21. Januar 2011 an den Bekl Bezug genommen (Bl. 16 und 17 der Rechtsbehelfsakten des Bekl).

    Mit weiterem Schreiben vom 07. März 2011 an den Bekl (Bl. 26 und 27 der Rechtsbehelfsakten des Bekl) teilte der Kl mit, dass das Lebensmodell seiner Lebensgefährtin und von ihm gerade darin bestehe, dass jeder seinen eigenen Hausstand führe damit keine wirtschaftliche Gemeinschaft oder gar Abhängigkeit entstehe. Sie hätten schon immer jeder eine eigene Wohnung mit eigener Meldeadresse und eigenem Hausrat gehabt. Er verbringe alle freien Tage in der Woche, alle dienstfreien Wochenenden und große Teile seines Urlaubs an seinem Wohnsitz in A. An den Wochenenden begleite ihn seine Freundin regelmäßig. Er habe nur eine Wohnung, diese befinde sich im Haus seines Bruders in A. Dort befänden sich alle seine persönlichen Besitztümer, Möbel etc., dort entrichte er Steuern, Müllgebühren, verbrauche Wasser und Strom, sei wahlberechtigt usw. Er pendle nach wie vor zwischen seiner Wohnung und seinem Arbeitsplatz und "nutze" die Wohnung seiner Freundin lediglich als Unterkunft.

    Mit ESt-Bescheid 2009 vom 16. Juni 2011 (Bl. 12 und 13 der Finanzgerichts-FG-Akten) setzte der Bekl die ESt für den Kl auf 7.303 € fest. In den Erläuterungen führte er aus, dass - wie dem Kl bereits mit Schreiben vom 16. Mai 2011 mitgeteilt worden sei (Bl. 44 und 45 der Rechtsbehelfsakten des Bekl) - anstelle der erklärten Werbungskosten nur der Arbeitnehmer-Pauschbetrag mit 920 € zum Abzug gekommen sei.

    Hiergegen richtete sich der Einspruch des Kl vom 18. Juli 2011.

    Im Verlauf des sich hieran anschließenden außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens ließ der Kl von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 22. September 2011, auf dessen Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 71 bis 73 der Rechtsbehelfsakten des Bekl), eine Zusammenstellung seiner Dienstzeiten bei seinem Arbeitgeber, dem Krankenhaus in X, für das Jahr 2009 sowie eine von ihm - dem Kl - erstellte Übersicht über die von ihm im Jahr 2009 unternommenen Fahrten von X nach A und zurück (Bl. 74 bis 92 der Rechtsbehelfsakten des Bekl) vorlegen. Darüber hinaus wurden dem Bekl verschiedene Unterlagen, die den von ihm verursachten Unfall am 10. Mai 2009 mit dem PKW seiner Lebensgefährtin betreffen, übersandt (Bl. 93 bis 97 der Rechtsbehelfsakten des Bekl).

    Mit Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2011 wies der Bekl den Einspruch des Kl als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde von ihm ausgeführt, dass die Entfernungspauschale nach der gesetzlichen Regelung für das Zurücklegen des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gewährt werde. Die Entfernungspauschale werde mithin für den arbeitstäglichen Weg zur Arbeit gewährt. Vorliegend seien jedoch die Fahrten des Kl zum Großteil nicht zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erfolgt, sondern es seien Fahrten von der Wohnung in A zur Wohnung/Unterkunft in X bzw. zurück gewesen. Die Arbeitsstätte sei in der Regel von der Wohnung/Unterkunft in X aus aufgesucht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts dieser Entscheidung wird auf sie Bezug genommen (Bl. 99 bis 102 der Rechtsbehelfsakten des Bekl).

    Mit der Klage vom 23. November 2011 lässt der Kl vortragen, dass der Bekl zu Unrecht den Werbungskostenabzug für Fahrten des Kl von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte und zum Schaden eines dabei erlittenen Verkehrsunfalls versagt habe.

    In unmittelbarer Nähe von A wohnten die Eltern des Kl, in A befinde sich sein ständiges privates Umfeld und dort wohne auch sein psychisch kranker Bruder. Der Kl habe in A im Hause seines Bruders eine eigenständige Wohnung, in der sich alle persönlichen Gegenstände befänden. Der Kl fahre regelmäßig jedes Wochenende und an allen arbeitsfreien Tagen in seine Wohnung in A. Regelmäßig begleite ihn zu diesen Heimfahrten auch seine Lebensgefährtin, Frau Z. Die Entfernung von A nach X betrage ungefähr 160 km, eine Fahrt dauere also ca. 2 Stunden. Um eine kürzere Anreise zu seiner Arbeitsstätte unter der Wohnung zu haben, habe der Kl im Jahr 2009 unter der Woche häufig die Wohnung seiner Lebensgefährtin genutzt.

    Der Kl sei im Streitjahr 46 mal von und nach A gefahren. Dies allein sei ein Beleg dafür, dass er dort seinen Lebensmittelpunkt unterhalte. Genau zu diesem Ergebnis gelange man auch, wenn man die Richtlinien der Finanzverwaltung (Lohnsteuer-Richtlinien 2011, 9.10 Abs. 1 Sätze 6 bis 8 zu § 9 Einkommensteuergesetz -EStG-) heranziehe. Der Kl habe seine familiären Wurzeln in A. Dort befinde sich der Großteil seines Freundeskreises und er kümmere sich aufgrund seiner Ausbildung als Krankenpfleger auch um seinen psychisch kranken Bruder. Dass dieser verheiratet sei, schließe entgegen den Argumenten des Bekl nicht aus, dass auch die Hilfe des Kl für seinen Bruder hilfreich und nützlich sei. Darüber hinaus unterhalte der Kl im Hause seines Bruders eine komplett eingerichtete Wohnung. Der Bekl lehne die Anerkennung der Fahrten als Werbungskosten u.a. ab, insofern der Kl zunächst den Weg von A zu seiner Wohnung in X angefahren habe, um dann von dort direkt zu seiner Arbeitsstätte weiter zu fahren. Diese Auslegung der Norm durch den Bekl sei weltfremd und entspräche nicht dem Sinn und Zweck der Regelung. Zusammengefasst hätte der Kl, um die Fahrten durch den Bekl anerkannt zu bekommen, am Tage seines Arbeitsbeginns mitten in der Nacht von A nach X zu seiner Arbeitsstätte fahren müssen. Fahre der Kl jedoch die nahezu gleiche Strecke am Vorabend seines Arbeitsbeginns und mache dabei einen Zwischenstopp in seiner nach § 9 Abs.1 Nr. 4 EStG anerkannten Wohnung, verweigere ihm der Bekl die Anerkennung der Fahrten als Werbungskosten.

    Die gesamte vom Bekl vorgenommene Bewertung sei lebensfremd und ausschließlich fiskalisch geprägt. Wer seinen Lebensmittelpunkt 155 km von der Arbeitsstätte entfernt inne habe und dies aus guten Gründen, könne bereits aufgrund der Planungsprobleme zur Anreise, der Dauer der Anreise und der allgemeinen Verkehrssituation nicht stets nur direkt verkehren zwischen einerseits der Arbeitsstätte und andererseits der Wohnung, die den Lebensmittelpunkt bilde. Dies gelte erst recht, wenn - wie hier im Falle des Kl - dieser unregelmäßige Arbeitszeiten mit Schichtarbeit habe.

    Im Rahmen eines mit den Beteiligten durchgeführten Erörterungstermins (vgl. Niederschrift vom 19. August 2013, Bl. 73 bis 77 der FG-Akten Band I) führte der Kl auf Fragen ergänzend noch aus, dass er seit 01. Februar 2003 beim Krankenhaus in X beschäftigt sei, vorher sei er arbeitslos gewesen. Er habe zunächst in einem Wohnheim in Y in einem Ein-Zimmer-Appartement mit einer monatlichen Miete in Höhe von 260 € gewohnt. Wegen einer Gesetzesänderung habe er am 07. April 2004 einen neuen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem vorgenannten Krankenhaus zum 01. April 2004 abgeschlossen. Seinen ersten Wohnsitz habe er in A gehabt. Dort habe er eine Wohnung im Dachgeschoss des seinem Bruder C gehörenden Hauses gehabt. Diese Wohnung sei mit Möbeln von ihm ausgestattet und etwa 45 qm groß. Etwa 2005/2006 habe sein Bruder eine Psychose bekommen und sei in der Folge dann arbeitslos geworden. Seinen Führerschein habe er abgeben müssen. Sein Bruder sei auch zeitweise in einer psychiatrischen Klinik gewesen. Seit zwei Jahren gehe es ihm - vor allem wegen entsprechender Medikamente - besser. Seine Lebensgefährtin, eine Asiatin, habe seines Erachtens wesentlich zur Psychose beigetragen. Ihm sei damals auch ein Betreuer zugewiesen worden, der vor allem die Tätigkeiten z.B. gegenüber Behörden übernommen habe. Die Bankgeschäfte habe sein Bruder alleine machen können. Er selbst habe damit nichts zu tun gehabt, er habe mehr versucht, ihn psychisch zu stabilisieren. Es sei schwierig, Zugang zu ihm zu finden, was er dennoch immer wieder versucht habe. Er habe vor allen Dingen danach immer geschaut, ob in der Wohnung seines Bruders alles funktioniert habe, z.B. ob ausreichend Getränke vorhanden sind.

    Etwa 2005 habe er seine Freundin, Frau Z, kennengelernt. Sie sei damals noch verheiratet gewesen und sei erst etwa ein Jahr später geschieden worden. Von ihr sei dann etwa in 2006 das Angebot gekommen, dass er bei ihr wohnen könne. Sie habe eine Dreieinhalbzimmerwohnung angemietet gehabt, komme aus D und sei zweimal geschieden. Persönliche Kontakte hätte sie in X kaum, Arbeitskollegen seien ihre Freunde. Die Wohnung befinde sich in einem Neun-Familienhaus. Für das Wohnen habe er ihr nichts bezahlen müssen.

    Im Oktober 2010 hätten sie sich nach einem Streit für etwa ein Jahr getrennt. Er habe dann ab 02. November 2010 bei einem Freund in der E-Straße in F mietfrei gewohnt. Nachdem sie sich wieder versöhnt gehabt hätten, seien sie ab Anfang 2013 in ein gemietetes Haus in X eingezogen. Sie seien beide noch weiter beim Krankenhaus in X beruflich tätig. Zwischenzeitlich habe er seinen ersten Wohnsitz in X, ...Straße 5, angemeldet. Die Tochter seiner Lebensgefährtin habe eine "eigene Wohnung" im Haus.

    In A habe er außer seinem Bruder insbesondere auch seine zwischenzeitlich pflegebedürftigen Eltern besucht. Sein ganzer Freundes- und Bekanntenkreis befinde sich ebenfalls dort.

    Er habe im Streitjahr 2009 insgesamt 30 Fahrten - wie von ihm aufgezeichnet - nach bzw. von A nach bzw. von X unternommen. Die einfache Entfernung, die er dabei zurückgelegt habe, betrage 155 km. Die aufgezeichneten Fahrten habe er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin aufgrund ihrer Dienstkalender recherchiert. Den Hinweis des Finanzamts B, wonach er ein Fahrtenbuch zu führen habe, habe er nicht schriftlich erhalten, dies sei ihm nur mündlich empfohlen worden. Im Sommer sei er meistens mit dem Motorrad gefahren, das auch nur für diesen Zeitraum angemeldet gewesen sei. Seinen Urlaub im Streitjahr habe er seiner Erinnerung nach nur in A verbracht.

    Der Unfall am 10. Mai 2009 sei bereits 5 bis 6 km nach der Wegfahrt von A geschehen. Zunächst sei der beschädigte PKW vom ADAC nach G abgeschleppt worden. Wie und wann es zu der Bewertung des Autohauses H gekommen sei, wisse er nicht mehr. Den von ihm versursachten Schaden habe er durch Überweisung von 8.000 € an seine Lebensgefährtin beglichen. Wegen der anschließenden Krankmeldung habe er sich in X zu einem Unfallchirurgen begeben.

    Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2013 lässt der Kl weiter vortragen, dass die Ausführungen des Bekl zur arbeitstäglichen Fahrt neben der Sache lägen. Der Hinweis auf die ergangene Rechtsprechung hierzu sowie auf die Kommentarstelle in Schmidt seien mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu vergleichen. Im Streitfall seien konkrete Fahrten geltend gemacht worden. Diese hätten immer aus einer Hin- und einer Rückfahrt bestanden, weshalb der Ansatz für 30 Fahrten auch mit dieser Rechtsprechung konform gehe. Falsch sei auch die vermeintliche Feststellung des Bekl, wonach er - der Kl - nach dem Unfall nicht nach A zurückgekehrt sei. Tatsächlich seien er und seine Lebensgefährtin nach dem Unfall nach A zurückgekehrt und hätten dort auch übernachtet.

    Dass er seinen Lebensmittelpunkt in A gehabt habe und sich dort überwiegend außerhalb seiner Arbeitszeiten aufgehalten habe, belegten auch die eingereichten Kontoauszüge zu Barabhebungen in B und Nähe.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf seine teilweise mit Anlagen versehenen Schriftsätze vom 23. November 2011, 06. Februar 2012, 07. Mai 2012, 24. Oktober 2013 und 07. November 2013 Bezug genommen.

    Der Kl beantragt,

    den ESt-Bescheid für 2009 vom 16. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2011 dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen von 34.893 € auf 26.299 € vermindert wird.

    Der Bekl beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er stellt die vom Kl geltend gemachten Aufwendungen der Höhe nach unstreitig und trägt für seinen Antrag auf Klagabweisung Folgendes vor:

    Der Kl habe im Streitjahr mehrere Wohnungen gehabt, von denen aus er sich zu seiner Arbeitsstätte begeben habe. Verfüge ein Arbeitnehmer über mehrere Wohnungen, von denen er aus abwechselnd die Wege zur Arbeitsstätte antritt, so finde sich in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6 EStG eine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Danach seien die Wege von der Wohnung, die nicht der Arbeitsstätte am nächsten liege, nur zu berücksichtigen, wenn diese weiter entfernte Wohnung den Lebensmittelpunkt darstelle und nicht nur gelegentlich aufgesucht werde. Sei dies der Fall, so seien gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 6 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG arbeitstäglich die Aufwendungen von der jeweiligen Wohnung zur Arbeitsstätte als Werbungskosten zu berücksichtigen. Wie in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, scheide danach beim Kl eine Berücksichtigung der Aufwendungen - auch für den Unfall - aus.

    Auch wenn die Fahrten von A nach X zur Tätigkeitsstätte Krankenhaus in X beruflich bedingte Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien, sei dies nicht gleichbedeutend damit, dass es sich bei jeder Fahrt von A nach X um eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handele. Deshalb seien die vom Kl geltend gemachten Fahrten auf ihre unmittelbare Veranlassung hin zu prüfen. Dies ergebe jedoch, dass es sich bei den aufgeführten Fahrten nicht um solche zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handele. Die Tatsache, dass der Kl auf der überwiegenden Anzahl der Fahrten von seiner Freundin und teilweise auch von deren Tochter begleitet worden sei, sei ein eindeutiges Indiz, dass es sich bei diesen Fahrten nicht um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehandelt habe. Üblicherweise würden Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht in Begleitung der Freundin, Ehefrau oder sonstiger Familienangehöriger durchgeführt. Die Aufwendungen für die Fahrten stellten somit eindeutig nicht abziehbare Kosten der privaten Lebensführung dar.

    Wie aus den Ausführungen des Vertreters des Kl hervorgehe, seien die Fahrten von und nach A u.a. unter Beachtung der Dienstpläne der Freundin, der Schulzeiten der Tochter der Freundin sowie der Besuchszeiten dieser beim leiblichen Vater durchgeführt worden. Auch die Angaben zur Notwendigkeit der Fahrten unter Hinweis auf die Krankheit des Bruders verlören unter Beachtung der Tatsache, dass dieser seit Jahren eine Lebensgefährtin und nach den Angaben des Kl auch einen Betreuer habe, an Gewicht.

    Im Leitzsatz des Urteils des Hessischen Finanzgerichts (FG) vom 06. Februar 2012 (4 K 3301/09) werde festgestellt, dass die Begrenzung des Werbungskostenabzugs auf die Entfernungspauschale für eine arbeitstägliche Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verfassungsgemäß sei. Dieses Urteil sei vom Bundesfinanzhof (BFH) bestätigt worden. Im Urteil des FG Baden Württemberg vom 20. Juni 2012 (7 K 4440/10) werde des Weiteren festgestellt, dass der Abzug der vollen Entfernungspauschale voraussetze, dass der Arbeitnehmer an einem Arbeitstag den Weg von der Wohnung zu seiner Arbeitsstätte und von dort wieder zurück zu seiner Wohnung zurücklege. Sofern der Weg an unterschiedlichen Tagen zurückgelegt werde, könne die Entfernungspauschale jeweils nur zur Hälfte geltend gemacht werden. Auch dies verdeutliche, dass die Entfernungspauschale für Wege Wohnung-Arbeitsstätte entsprechend dem Gesetzeswortlaut nur für arbeitstägliche Fahrten in Betracht komme.

    Auch seien vom Kl keine Hinweise darauf erfolgt, dass aufgrund von persönlichen Beziehungen zu anderen Personen wie Eltern oder Bekannten von über das übliche Maß hinausgehenden Beziehungen ausgegangen werden könne.

    Nach den jetzigen Angaben seien nur noch 30 Fahrten durchgeführt worden. Dem Kl sei bereits im Jahr 2005 aufgegeben oder angeraten worden, künftig für die Fahrten Nachweise in Form eines Fahrtenbuchs und Benzinquittungen zu erbringen. Sein diesbezügliches Versäumnis stelle eine erhebliche Verletzung seiner Mitwirkungspflichten dar.

    In der mündlichen Verhandlung wurde seitens des Bekl erklärt, dass für den Fall, dass der Lebensmittelpunkt des Kl im Streitjahr in A gewesen sein sollte - was bestritten werde - von den geltend gemachten Aufwendungen 14 Fahrten x 155 km x 0,30 € = 651 € anzuerkennen wären.

    Wegen der weiteren Ausführungen des Bekl im Einzelnen wird auf dessen Schriftsätze vom 29. Dezember 2011, 13. März 2012, 20. Juni 2012, und 20. September 2013 Bezug genommen.

    Mit Beschluss vom 13. Februar 2013 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

    Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 10. Dezember 2013 (Bl. 104 der FG-Akten) wurde Frau Z als Zeugin vernommen. Ihre Aussage zur Sache wurde auf Tonträger aufgezeichnet.

    Nach der Vernehmung der Zeugin gaben die Vertreter des Bekl zu Protokoll, dass die vom Kl erklärten 30 Fahrten der Anzahl nach nicht mehr bestritten würden. Gleiches gelte für die Höhe der Unfallkosten mit 8.000 €.
    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet.

    I. Der angefochtene ESt-Bescheid 2009 vom 16. Juni 2011 und die Einspruchsentscheidung des Bekl vom 21. Oktober 2011 sind rechtswidrig und verletzen den Kl in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

    Zu Unrecht hat der Bekl die Aufwendungen des Kl für die von ihm durchgeführten - mittlerweile der Anzahl nach unstreitigen - 30 Fahrten von und nach A nicht als Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anerkannt.

    Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 in der für das Streitjahr geltenden Fassung des EStG (vgl. § 52 Abs. 23d Satz 1 EStG) sind Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte Werbungskosten. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6 EStG sind in Fällen, in denen ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen hat, die Wege von einer Wohnung, die nicht der regelmäßigen Arbeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.

    1. Der Kl hatte im Streitjahr seinen Lebensmittelpunkt in A.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist die Frage, wo sich der örtliche Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet, Tatfrage und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (Urteil des BFH vom 01. Februar 2007 VI B 118/04, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2007, 538).

    Die Rechtsanwendung bedarf daher zum einen subtiler Differenzierungen; zum anderen sind zur Bewältigung des steuerlichen Massenverfahrens verwaltungsseitige Typisierungen erforderlich. Maßgebend für den Lebensmittelpunkt sind die persönlichen Beziehungen zu diesem Ort (z.B. Bindung an Personen, Vereinszugehörigkeiten oder andere Aktivitäten; besondere persönliche Verwurzelung; Eigentum), die Art und Weise, wie diese Beziehungen aufrecht erhalten werden sowie eine gewisse zeitliche Verweildauer, mithin keine nur gelegentlichen Besuchsfahrten (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 9 Anm. 462 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH).

    Bei ledigen Arbeitnehmern befindet sich der Lebensmittelpunkt regelmäßig am Ort derjenigen Wohnung, von der aus sie sich überwiegend zur Arbeitsstätte begeben. Dies gilt jedoch dann nicht, falls zu dem (anderen) Ort besondere persönliche Beziehungen bestehen, zu deren Aufrechterhaltung sich der Steuerpflichtige dort nachhaltig aufhält.

    Entscheidend ist danach, ob sich der ledige Arbeitnehmer in seiner Freizeit, an den Wochenenden, in den Ferien usw. an einer auswärtigen Wohnung an einem Ort, zu dem er persönliche Bindungen hat (Eltern, Verlobte, Freundes- und Bekanntenkreis) aufhält. Unerheblich ist dabei, ob der ledige Arbeitnehmer Eigentümer der Wohnung an seinem Lebensmittelpunkt ist. Er muss jedoch zu diesem Ort noch besondere persönliche Beziehungen haben und sich möglichst am Wochenende, in den Ferien und bei sonstigen Anlässen dort aufhalten (Thürmer in Blümich, Kommentar zum EStG, § 9 Anm. 267 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH).

    Im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.4 Satz 6 EStG ist eine von mehreren Wohnungen dann der Mittelpunkt der Lebensinteressen, wenn sie als das "Heim" des Steuerpflichtigen anzusehen ist. Dies findet seinen Ausdruck besonders in Bindungen an Personen oder an Sachen, z.B. Wohnen im eigenen Haus oder im früheren oder jetzigen Haus der Eltern (von Bornhaupt in Kirchhoff/Söhn, Kommentar zum EStG, § 9 Anm. F 150 ff. mit weiterführenden Hinweisen auf die Rechtsprechung der Finanzgerichte).

    Wichtiges Kriterium ist daher insbesondere das nachhaltige Aufsuchen dieser Wohnung, also nahezu immer, wenn möglich (Loschelder in Schmidt, Kommentar zum EStG, 33. Aufl. 2014, § 9 Anm. 115).

    Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kl jedenfalls im Streitjahr noch seinen Lebensmittelpunkt in seiner Heimatgemeinde A beibehalten hat.

    Dies ergibt sich aus Folgendem:

    Bereits nach den Feststellungen zur betriebsnahen Veranlagung 2004 des Finanzamts B vom 19. Juli 2005 (Bl. 30 ff. der Rechtsbehelfsakten des Bekl) hat der Kl seine Wohnung in A mit eigenen Möbeln ausgestattet, u.a. eine "relativ neuwertige Küchenzeile". Nach den glaubwürdigen Bekundungen der Zeugin Z zog der Kläger ohne eigene Möbel in ihre Wohnung in X ein. Dies habe sie auch nicht gewollt aufgrund ihrer früheren Lebenserfahrungen (bereits zwei Scheidungen). So habe der Kl, solange er bei ihr in der Wohnung war, sozusagen "aus der Tasche gelebt". Seine privaten Unterlagen seien in seiner ihm gehörenden Wohnung in A verblieben. Auch hätten sie nie "gemeinsam gewirtschaftet". Vielmehr habe sie, da sie unabhängig habe bleiben wollen, ihren Haushalt in X unterhalten, der Kl dagegen seinen in A.

    Dieser Aspekt erhellt, dass der Kl - was seine Wohnungssituation anbelangt - in A sein "Reich" hatte, in X dagegen eher wie ein Gast lebte.

    Darüber hinaus haben nach den Einlassungen der Zeugin der Kl und sie aufgrund ihres beidseitigen Schicht- und Wechseldienstes auch eher in B an Samstagen ihre privaten Einkäufe getätigt, da während der Woche hierzu in X wenig Zeit verblieben sei. Der Kl habe im Streitjahr im Wesentlichen nur persönliche Beziehungen zu Personen, die in A und Umgebung beheimatet waren, gehabt. So konnte die Zeugin davon berichten, dass der beste Freund des Kl in A in der Nähe seiner Wohnung eine Gaststätte betreibt, die für sie und den Kl, wenn sie Freitag Abends dort angekommen seien, stets erste Anlaufstelle gewesen sei.

    Entscheidend für die Einschätzung des Gerichts war auch, dass die Zeugin überzeugend darlegen konnte, dass der Kl, soweit es ihm immer auch möglich war, in die Wohnung in A - wie früher, als er noch nicht bei ihr wohnte - zurückkehrt ist. Hierfür spricht im Übrigen auch die hohe Anzahl der von ihm an diesem Ort - teils auch während der Woche - durchgeführten Fahrten. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang weiter, dass auch die Zeugin bzw. ihre Tochter ihn bei derartigen Fahrten - so gut es immer ging - begleitet hat. Die Fahrten wurden sogar auf die Arbeitszeiten der Zeugin bzw. der "Verfügbarkeit" der Tochter abgestimmt, damit letztere ihn nach A begleiten konnten. Hieraus entwickelte sich für die Zeugin ein sehr persönlicher Kontakt zu den Eltern des Kl und zu dessen Bruder, für den sie als Krankenschwester mit Psychiatrieerfahrung das Betreuungsverfahren in die Wege geleitet hat. Auch dass die Zeugin während ihrer Aussage mehrfach von "den Schwiegereltern" sprach, mit denen auch "dort Ausflüge unternommen wurden", unterstreicht, dass die persönlichen Beziehungen des Kl zu seiner Familie und zu Freunden und Bekannten im Wesentlichen in A lagen. Dort - und nicht in X - ist sie (die Zeugin) dann nach ihrer Aussage auch in den Freundeskreis des Kl aufgenommen worden.

    Im Ergebnis ergibt sich hieraus für das Gericht, dass der Kl im Streitjahr noch derart in dem Ort, in dem er aufgewachsen war, verwurzelt war, dass sich der Lebensmittelpunkt von ihm ebenfalls noch dort befand.

    2. Der Kl hat bei 30 Fahrten im Streitjahr seinen Lebensmittelpunkt auch nicht nur gelegentlich aufgesucht. Nach Meinung der Verwaltung soll hierfür bei einem Ledigen bereits das zweimalige Aufsuchen monatlich genügen (R 9.10 Abs. 1 Satz 8 LSR).

    3. Begibt sich der Arbeitnehmer von den Wohnungen abwechselnd zur ersten Tätigkeitsstätte ist auch für die tatsächlichen Wege von der entfernter liegenden Wohnung die Entfernungspauschale zu gewähren, wenn diese Wohnung der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist. Dabei ist es - entgegen der wohl vom Bekl zumindest zu Beginn des Verfahrens vertretenen Rechtsauffassung - unerheblich, ob der Arbeitnehmer die Fahrt an der näher zur ersten Tätigkeitsstätte gelegenen Wohnung unterbricht. Zwar ist richtig, dass - soweit dazu ein Umweg erforderlich sein sollte - für die Berechnung der Werbungskosten nur die Entfernung zwischen erster Tätigkeitsstätte und der Wohnung, die den örtlichen Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers darstellt, zugrunde zu legen ist (vgl. Beschluss des BFH vom 16. September 2009 VI B 12/09, [...] und Thürmer in Blümich, a.a.O., § 9 Anm. 267). Dass der Kl daher bei der Rückfahrt von A nicht direkt zu seiner Arbeitsstätte gefahren ist, kann daher die Anerkennung der Aufwendungen als Werbungskosten nicht hindern.

    4. Nach der gesetzlichen Regelung kann die Entfernungspauschale für "jeden Arbeitstag", an dem der Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitsstätte aufsucht, geltend gemacht werden.

    Der Begriff "für jeden Arbeitstag" besagt, dass der Arbeitnehmer die Entfernungspauschalen nur einmal je Arbeitstag in Anspruch nehmen kann, auch wenn er an einem Arbeitstag die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mehrfach zurücklegt (von Bornhaupt in Kirchhoff/Söhn, a.a.O., § 9 Anm. F 78). Denn im Gegensatz zu der bis zum Veranlagungszeitraum 2000 geltenden Regelung kann die Entfernungspauschale für jeden Arbeitstag nur einmal geltend gemacht werden (Urteil des BFH vom 11. September 2003 VI B 101/03, BStBl II 2003, 893). Der Gesetzgeber geht dabei von einem arbeitstäglichen Hin- und Rückweg aus, d.h. auch bei mehrmaligem Zurücklegen der Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wird die Distanz in Kilometer nur einmal arbeitstäglich berücksichtigt (Fuhrmann in Korn, Kommentar zum EStG, § 9 Anm. 96).

    Übernachtet der Steuerpflichtige daher beispielweise an der Arbeitsstätte, steht ihm für Hin- und Rückweg jeweils nur die halbe Entfernungspauschale zu (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 9 Anm. 457). Auch wenn der Arbeitnehmer den Hinweg und den Rückweg von der Arbeitsstätte zur Wohnung an unterschiedlichen Tagen zurück legt, kann er die Entfernungspauschale für jeden Tag nur zur Hälfte geltend machen (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 20. Juni 2012 7 K 4440/10, EFG 2013, 114-116). Sie ist auch dann nur zur Hälfte anzusetzen, wenn sich z.B. an die Hinfahrt zur Arbeitsstätte eine Dienstreise anschließt, die an der Wohnung des Steuerpflichtigen endet (vgl. Urteil des BFH vom 09. Dezember 1988 VI R 199/84, BStBl II 1989, 296). Entsprechend sind deshalb jeweils unterschiedliche halbe Entfernungspauschalen maßgebend, wenn die Hin- und Rückfahrt zwei verschiedene Wohnungen betrifft.

    Für den Streitfall bedeutet dies, dass dem Kl, der entsprechend seiner Aufstellung (Bl. 74 und 75 der Rechtsbehelfsakten des Bekl) im Streitjahr an 30 Tagen von X nach A und nach dem Aufenthalt dort an (anderen) 30 Tagen von A nach X zurückgefahren ist, für die Hin- und Rückfahrten zwar nur jeweils die hälftige Entfernungspauschale zusteht. Im Ergebnis hat er aber dennoch Anspruch auf eine Entfernungspauschale in Höhe von insgesamt (60 Fahrten x 155 km x 0.15 =) 1.395 € und nicht nur - wie der Bekl in der mündlichen Verhandlung einräumte (bei einem Lebensmittelpunkt im Streitjahr in A) - von (14 x 155 km x 0.30=) 651 €.

    5. Da die - der Höhe nach unstreitigen - Kosten des Unfalls dem Kl am 10. Mai 2009 auf einer der 30 Rückfahrten von A zu seiner Arbeitsstätte entstanden sind und nicht auf einer Umwegfahrt, sind diese ebenfalls neben der Entfernungspauschale als allgemeine Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. hierzu amtliches Lohnsteuer-Handbuch 2014 des Bundesministeriums der Finanzen, H 9.10, Stichwort Unfallschäden).

    6. Das zu versteuernde Einkommen des Kl vermindert sich daher im Ergebnis von

    34.893 € auf 26.299 €.

    II. Die Berechnung der festzusetzenden ESt wird dem Bekl übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

    III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    IV. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 Zivilprozessordnung.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 9 Abs.1 Nr. 4 EStG; § 52 Abs. 23d S. 1 EStG