15.10.2015 · IWW-Abrufnummer 145568
Finanzgericht München: Urteil vom 23.02.2015 – 7 K 1242/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München
Urt. v. 23.02.2015
Az.: 7 K 1242/13
In der Streitsache
wegen
Einkommensteuer 2011 und 2012
hat der 7. Senat des Finanzgerichts München durch
ohne mündliche Verhandlung am 23. Februar 2015 für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2011 vom 9. Juli 2012 und für 2012 vom 15. April 2013 sowie der Einspruchsentscheidung vom 25. April 2013 sind bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Jahre 2011 und 2012 Schuldzinsen von jeweils 2.478,96 € abzuziehen.
2.
Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
3.
Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe
I.
Streitig ist, ob Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch nach einer Veräußerung der Immobilie außerhalb der Spekulationsfrist berücksichtigt werden können und ob Arbeitskosten eines Schreiners im Zusammenhang mit dem Austausch einer Haustür als Handwerkerleistung i.S.d. § 35a Einkommensteuergesetz (EStG), anzuerkennen sind.
Der Kläger wurde in den Streitjahren 2011 und 2012 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariellem Vertrag vom 6. September 1995 hatte der Kläger an dem Grundstück L Miteigentumsanteile von 29,8/1000 und 1/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nummer 19 und dem Tiefgaragenstellplatz Nummer 54 erworben. Der Kaufpreis war durch ein Darlehen der Sparkasse in Höhe von 345.496,47 DM (ca. 176.650 €) finanziert worden. Der Kläger hatte die Immobilie nach dem Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten bis zum späteren Verkauf durch notariellen Vertrag vom 30. Juli 2009 zu Wohnzwecken vermietet. Da der erzielte Veräußerungspreis von 85.000 € nicht ausreichte, um die zum 30. Juli 2009 noch bestehende Restschuld des Immobiliendarlehens von 146.000 € in voller Höhe zu tilgen, beantragte der Kläger in den Anlagen V zu den Einkommensteuererklärungen 2011 und 2012 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Berücksichtigung der an die Sparkasse entrichteten Schuldzinsen von jeweils 2.478,96 € sowie im Jahr 2011 weitere Schuldzinsen aus einem bei der Bank aufgenommenem Darlehen in Höhe von 189,93 € und einem Mietenkonto in Höhe von 66,09 €. Die Restschuld des bei der Sparkasse aufgenommenen Darlehens betrage zum 31. Dezember 2012 noch 67.000 €. Außerdem machte der Kläger im Jahr 2012 20 v.H. der in der Rechnung einer Schreinerei vom 24. April 2012 ausgewiesenen Arbeitskosten von brutto 2.200,44 € für die Herstellung, Lieferung und Montage einer Haustür als Handwerkerleistung i.S.d. § 35a EStG, d.h. einen Betrag von 467 €, geltend.
Das Finanzamt ließ in den Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012 die geltend ge machten Schuldzinsen unberücksichtigt, die im Jahr 2012 geltend gemachten Handwerker leistungen im Zusammenhang mit der Rechnung der Schreinerei wurden berücksichtigt (vgl. Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 6. Juli 2012 bzw. für 2012 vom 11. April 2013). Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 9. Juni 2006 wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter und vertieft sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Er begehre allerdings nur noch die Berücksichtigung der auf das Darlehen bei der Sparkasse entfallenden Schuldzinsen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Juni 2012 könnten die Schuldzinsen für ein zur Anschaffung eines Mietobjekts aufgenommenes Darlehen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, wenn und soweit der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung der Darlehensverbindlichkeit ausreiche. Die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 28. März 2013 geäußerte Einschränkung, dass der Werbungskostenabzug in den Fällen einer nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) nichtsteuerbaren Immobilienveräußerung zu versagen sei, widerspreche diesem Urteil. Der nachträgliche Schuldzinsenabzug sei deshalb auch bei Immobilienobjekten möglich, die erst nach der zehnjährigen Veräußerungsfrist verkauft würden.
Soweit das Finanzamt hilfsweise die Rückgängigmachung der anerkannten Steuerermäßigung nach § 35a EStG beantrage, wendet der Kläger ein, dass es sich bei dem Austausch einer über 60 Jahre alten Haustüre eindeutig um eine begünstigte Handwerkerleistung handle.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung der Einkommensteuerbescheide vom 6. Juli 2011 und 11. April 2013 sowie der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2013 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Schuldzinsen von jeweils 2.478,96 € für die Jahre 2011 und 2012 zum Abzug zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise für den Fall einer Klagestattgabe, den bei der Einkommensteuerfestsetzung 2012 bisher berücksichtigten Ermäßigungsbetrag für Handwerkerleistungen in Höhe von 467 € zu kürzen und insoweit mit der sich aus dem Klageantrag ergebenden Steuerminderung zu saldieren.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 versehentlich die Arbeitskosten laut Rechnung der Schreinerei vom 24. April 2012 als Handwerkerleistung anerkannt worden seien. Die Steuerermäßigung könne jedoch hinsichtlich der Lohnkosten nicht gewährt werden, weil die Fertigung der Haustür wegen der dazu notwendigen Maschinen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Schreinerwerkstatt und nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen erfolgt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Absatz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
II.
Die Klage ist begründet.
1. Der Kläger hat in Höhe der Schuldzinsen von jeweils 2.478,96 € in den Jahren 2011 und 2012 steuerlich abziehbare Werbungkosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG).
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen auch Schuldzinsen, soweit diese mit einer Einkunftsart, vorliegend den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG). Ein steuerrechtlich anzuerkennender wirtschaftlicher Zusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjektes zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Mit der erstmaligen (d.h. tatsächlichen) Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjektes wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 2012 IX R 67/10, BStBl II 2013, 275, m.w.N.).
Der BFH hat mit dem genannten Urteil in BStBl II 2013, 275 [BFH 20.06.2012 - IX R 67/10] die in der früheren Rechtsprechung vertretene Auffassung zur beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (vgl. etwa BFH-Urteil vom 25. April 1995 IX R 114/92, BFH/NV 1995, 966) aufgegeben. Nach nunmehriger Rechtsprechung fällt ein einmal begründeter (und zwischenzeitlich auch nicht aus anderen Gründen weggefallener) wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang zwischen Darlehen und Vermietungseinkünften durch die Veräußerung der Immobilie nicht allein deshalb weg, weil die mit den Darlehensmitteln angeschaffte Immobilie veräußert wird (BFH-Urteil vom 8. April 2014 IX R 45/13, DStR 2014, 996). Die gesetzgeberische Grundscheidung im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, Wertsteigerungen im privaten Vermögensbereich in erweitertem Umfang steuerlich zu erfassen, gebiete vielmehr die Erweiterung der Surrogationsbetrachtung auch bei Veräußerung der Immobilie, auch wenn diese nicht steuerbar erfolgt. Ebenso verhält es sich bei einer Umschuldung des Darlehens. Auch insoweit setzt sich der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen dem Darlehen und den Einkünften aus der Vermietung --unabhängig von der Veräußerung und mithin auch unabhängig von der Frage ihrer Steuerbarkeit-- am Veräußerungspreis fort. Daher sind nachträgliche Schuldzinsen, die auf ein solches Darlehen entfallen, grundsätzlich auch nach einer Veräußerung der Immobilie außerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG weiter als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2013, 275 [BFH 20.06.2012 - IX R 67/10]), da sie dem Grunde nach durch die (frühere) Einkünfteerzielung veranlasst sind (so schon BFH-Urteil vom 7. Juli 1998 VIII R 57/96, BFH/NV 1999, 594).
Die genannten Voraussetzungen liegen im Streitfall vor, da die maßgeblichen Schuldzinsen weiterhin auf das Darlehen bei der Sparkasse gezahlt worden sind, das zur Finanzierung der Anschaffung der einer Vermietung dienenden Immobilie aufgenommen und tatsächlich verwendet worden ist. Der einmal begründete und zwischenzeitlich auch nicht aus anderen Gründen weggefallene wirtschaftliche Veranlassungszusammenhang zwischen Darlehen und Vermietungseinkünften ist durch die Veräußerung der Immobilie nicht entfallen. Die streitigen Schuldzinsen von jeweils 2.478,96 € sind somit durch die frühere Einkünfteerzielung veranlasst und als Werbungskosten in den Jahren 2011 und 2012 abzugsfähig. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuerbeträge nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung wird dem Finanzamt gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO übertragen.
2. Darüber hinaus ist die Steuerermäßigung im Zusammenhang mit den Handwerkerleistungen für den Austausch der Haustür nicht rückgängig zu machen.
Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, um 20 %, höchstens um 600 €. Nach § 35a Abs. 2 Satz 3 EStG gilt die Ermäßigung nur für Arbeitskosten.
Handwerkerleistungen werden vom BFH als einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten definiert, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 2014 VI R 56/12, BStBl II 2014, 882 m.w.N.). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B. das Streichen und Tapezieren von Innenwänden, die Beseitigung kleinerer Schäden, die Erneuerung eines Bodenbelags (Teppichboden, Parkett oder Fliesen), die Modernisierung des Badezimmers oder der Austausch von Fenstern. Hierzu gehören auch Aufwendungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem Grundstück, z.B. Garten- und Wegebauarbeiten (BTDrucks 16/643, 10, und BTDrucks 16/753, 11), aber auch die Reparatur, Wartung und Austausch von Gas- und Wasserinstallationen (Barein in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 35a Rz 25).
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den geltend gemachten Arbeitskosten um Handwerkerleistungen i.S.d. § 35a Abs. 4 EStG. Der Austausch der renovierungsbedürftigen Haustür des Klägers stellt eine begünstigte Renovierungsmaßnahme i.S.d. § 35a Abs. 4 EStG dar. Es handelt sich dabei um Leistungen, die in unmittelbaren Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung des Klägers dienen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und den Vollstreckungsschutz folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.