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  • 15.03.2017 · IWW-Abrufnummer 192489

    Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen: Verfügung vom 18.01.2017


    Steuerbarkeit von Pokergewinnen als gewerbliche Einkünfte gem. § 15 EStG


    OFD NRW

    Kurzinformation vom 18.01.2017

    Mit Urteil vom 31.10.2012 (12 K 1136/11) hatte das FG Köln entschieden, dass die Spielgewinne eines Pokerspielers als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG zu qualifizieren sein können. Im anschließenden Revisionsverfahren hat der BFH die Rechtsauffassung des FG bestätigt und die Revision mit Urteil vom 16.09.2015 (X R 43/12, BStBl. II 2016 S. 48DB 2015 S. 2731 ) als unbegründet zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil wurde eine derzeit noch anhängige Verfassungsbeschwerde eingelegt (2 BvR 2387/15).

    I. Hintergrund

    Einnahmen aus Glücksspielen unterliegen grds. nicht der ESt. Dieser Grundsatz wurde seit dem Urteil des RG vom 11.06.1906 (1443/05, JW 1906 S. 789) auch auf Pokergewinne aus der Variante „Five Draw“ angewendet.

    In seinem o.g. Urteil hat das FG Köln diese Beurteilung weiter differenziert und festgestellt, dass in den heute populären Pokervarianten „Texas Hold’em“ und „Limited Omaha“ neben der Glückskomponente auch Geschicklichkeitselemente für den Spielausgang entscheidend seien. Verfüge der Pokerspieler über ausreichende mathematische, strategische und psychologische Kenntnisse, könne er den Glücksfaktor weitgehend relativieren und den Spielausgang durch seine Geschicklichkeit beeinflussen. Bei einem „professionellen“ Betreiben des Pokerspiels tritt der Glückspielcharakter infolgedessen zurück und es liegt u.U. eine steuerbare Tätigkeit vor.

    Nach Ansicht des BFH kann dabei nicht abstrakt anhand eines Durchschnittsspielers beurteilt werden, ob die steuerlichen Voraussetzungen eines gewerblichen Unternehmens i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG vorliegen. Zu prüfen sind die Gesamtumstände des Einzelfalls – also die jew. vorliegenden, individuellen Gegebenheiten in der Person des Stpfl.

    II. Beurteilung nach den Gesamtumständen des Einzelfalls

    Bei der Abgrenzung, ob ein Pokerspieler steuerpflichtige Gewinne (oder Verluste) i.S.d. § 15 EStGerzielt, ist zu prüfen, ob vergleichbare Kriterien, die der BFH für entscheidungserheblich gehalten hat, auf den jeweiligen Einzelfall zutreffen. Im Wesentlichen kann anhand der nachfolgenden Punkte geprüft werden, ob lediglich eine hobbymäßige Freizeitgestaltung oder eine darüber hinausgehende „professionelle“ Tätigkeit als Pokerspieler mit steuerbaren Einkünften vorliegt.

    1. Nachhaltigkeit/Wiederholungsabsicht

    Gewichtiges Indiz für eine nachhaltige Tätigkeit ist die regelmäßige Teilnahme an Turnieren, vor allem bei renommierten nationalen oder internationalen Turnieren oder an online/ins TV übertragenen Spielen, die Werbecharakter haben. Eine bestimmte Anzahl an in einem bestimmten Zeitraum gespielten Turnieren ist dafür nicht ausschlaggebend. Ausreichend kann z.B. bereits die Teilnahme an wenigen herausgehobenen Turnieren sein. Dabei ist es je nach Fallkonstellation auch ausreichend, wenn es sich lediglich um Online-Turniere handelt.

    Zwar fehlt es hier an einer physischen Anwesenheit, jedoch sind die übrigen Rahmenbedingungen grds. vergleichbar.

    2. Persönliche Fertigkeiten

    Der Pokerspieler muss aufgrund von mathematischen, strategischen und psychologischen Fähigkeiten den Spielausgang positiv beeinflussen können, sodass die Glücksspielelemente gegenüber den Geschicklichkeitselementen in den Hintergrund treten. Neben konstanten Spielerfolgen können auch ein hoher Bekanntheitsgrad, die Selbstdarstellung in den Medien und ggf. die Selbstvermarktung Anhaltspunkte hierfür bieten.

    3. Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr

    Treten die persönlichen Fertigkeiten des Spieler in den Vordergrund, besteht bei den Preisgeldern/Spielgewinnen eine ausreichende Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung, sodass das Tatbestandsmerkmal einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfüllt ist. Unbeachtlich ist dabei, dass sich der „Markt“, auf dem die Leistung angeboten wird, auf einen begrenzten Kreis, z.B. die Spielteilnehmer oder den Turnier-Veranstalter, beschränkt, und der Spieler die Gegenleistung nur erfolgsabhängig erhalten kann.

    4. Gewinnerzielungsabsicht

    Bei der Gewinnerzielungsabsicht handelt es sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das allerdings objektivierend nach den äußeren Umständen beurteilt werden kann. Sofern regelmäßig Pokergewinne erzielt werden, kann aus diesen objektiv feststellbaren Umständen auf das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden.

    Es ist dabei nicht erforderlich, dass der Stpfl. mit den Einkünften als Pokerspieler seinen Lebensunterhalt bestreitet. Wie bei jeder anderen gewerblichen Tätigkeit ist auch die neben- oder nachberufliche Ausübung möglich.

    Macht ein Spieler hingegen Verluste aus dem Pokerspiel geltend, trägt er die Feststellungslast dafür, dass er aufgrund von objektiven Kriterien ernsthaft damit rechnen konnte, einen Totalgewinn zu erzielen. Hier sind die üblichen Prüfungsmaßstäbe analog denen in Liebhaberei-Fällen anzulegen, sodass Verluste vorläufig berücksichtigt werden können (vgl. PHB „Liebhaberei“).

    5. Weitere Indizien

    Bietet der Pokerspieler neben dem Spiel weitere Leistungen an (Kurse, Tätigkeit als Poker-Kommentator/Autor, Dozent …),DB 07/2017 S. 340kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die o.g. Kriterien erfüllt sind. In diesem Fall sind – neben den ohnehin steuerbaren Einnahmen und Honoraren aus Werbung und Vermarktung – auch die Pokergewinne der Besteuerung zu unterwerfen.

    III. Hinweise zu Cash Games/Ring Games

    Zur Abgrenzung: Bei einem Turnier wird der Start-Einsatz (Buy-In) an den Veranstalter geleistet. Der Teilnehmer kann erst gegen Ende des Turniers in den finalen Runden eine Gewinnmöglichkeit („ins Geld zu kommen“) erreichen. Scheidet er vorher aus, erhält er nichts.
    Neben dem Turnier ist es als weiterer Spielmodus auch möglich, im Rahmen von Cash bzw. Ring Games zu pokern. Hierbei nimmt der Spieler einen freien Platz an einem (virtuellen) Pokertisch mit anderen Spielern ein, den er jederzeit wieder verlassen kann. Die eingesetzten Chips haben Bargeldäquivalenz, sodass die gewonnenen/verlorenen Chips unmittelbare Auswirkung auf die Spielerbilanz haben (vgl. Frieling/Süß, DStR 2014 S. 2365). Die bisherige Rspr. hat ertragssteuerlich stets zwischen den beiden Spielmodi differenziert. Das o.g. BFH-Urteil hat sich ausschließlich mit dem Turnierpoker auseinandergesetzt, da die Vorinstanz im Rahmen eines Zwischenurteils die Einbeziehung der Einnahmen aus Cash Games im Casino und beim Online-Poker ausdrücklich zurückgestellt hat.

    Mit Urteil vom 18.07.2016 hat das FG Münster nun entschieden (14 K 1370/12 E, G), dass auch die Einnahmen aus Cash Games in den Gewinn aus der Tätigkeit als Turnierpokerspieler einzubeziehen sind. Dabei hat es sich auf die Grundsätze der betrieblichen Veranlassung berufen und für die Einnahmen aus den Cash Games einen hinreichenden wirtschaftlichen, örtlichen und sachlichen Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit als Turnierpokerspieler festgestellt (anhängig beim BFH: X R 34/16). Sollten daher neben einer regelmäßigen Turnierteilnahme auch Einnahmen aus Cash bzw. Ring Games vorliegen, sind diese entsprechend bei der Ermittlung des Gewinns aus § 15 EStG als Pokerspieler zu berücksichtigen.

    Falls hingegen nahezu ausschließlich Gewinne aus Cash Games vorliegen, schließt das allein jedenfalls nicht die Gewerblichkeit aus. Im Einzelfall ist auch hier nach den o.g. Grundsätzen zu prüfen, wobei die für eine Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr erforderliche Leistungsbeziehung dann zwischen den Pokerspielern begründet werden kann (vgl. BFH vom 11.11.1993 – XI R 48/91, BFH/NV 1994 S. 622).

    Soweit sich Einspruchsführer auf das o.g. Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 2387/15 berufen, ruhen die Einsprüche gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO .

    IV. Hinweise zur Bearbeitung von AdV-Anträgen

    Sofern sich ein Antrag lediglich auf das vorgenannte Verfassungsbeschwerdeverfahren beruft, ist dies allein als Begründung unzureichend (vgl. AEAO zu § 361, Tz. 2.5.4).

    Stattdessen ist es für eine hinreichende Antragsbegründung nach den allgemeinen Grundsätzen erforderlich, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts dargestellt werden. Im vorliegenden Fall muss daher glaubhaft gemacht werden, dass nach der Beurteilung der Gesamtumstände des Einzelfalls kein Gewerbebetrieb vorliegt. Sollte diesbezüglich ein FG einem Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO stattgeben, wird gebeten, über den entsprechenden Fall zeitnah zu berichten.

    Die Kurz-Information der OFD Münster ESt 14/2013 vom 18.06.2013 wird hiermit aufgehoben.