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  • 06.02.2019 · IWW-Abrufnummer 206977

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 20.12.2018 – 5 K 2031/18 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    1

    T a t b e s t a n d

    2

    Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen für eine Jägerprüfung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen sind.

    3

    Die Klägerin ist Landschaftsökologin. Im Streitjahr 2016 war sie ganzjährig als Arbeitnehmerin bei der Firma X in P beschäftigt.

    4

    In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 erklärte die Klägerin als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Fortbildungskosten in Höhe von 2.897 €.

    5

    Da der Steuererklärung keine Nachweise über die Fortbildungskosten beigefügt waren, berücksichtigte der Beklagte diese im Steuerbescheid vom 11.08.2017 nicht als Werbungskosten.

    6

    Hiergegen legte die Klägerin am 15.08.2017 Einspruch ein. Sie trug unter Vorlage entsprechender Belege vor, dass sich die Fortbildungskosten in Höhe von insgesamt 2.897 € aus Aufwendungen für die Teilnahme am „Seminar …“ (veranstaltet vom …) in Höhe von 152 € sowie Aufwendungen für den Erwerb eines Jagdscheines (Kompaktkurs, Lehrgangsgebühr, Fahrt- und Unterbringungskosten sowie Verpflegungsmehraufwand) in Höhe von insgesamt 2.744 € zusammensetzen.

    7

    Ferner legte die Klägerin eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers X vom 12.10.2017 vor, wonach es sich bei der Jägerprüfung um eine beruflich veranlasste Zusatzqualifizierung handele, die als Arbeitszeit angerechnet worden sei. Eine Kostenübernahme durch den Arbeitgeber sei aber nicht erfolgt. Darüber hinaus legte die Klägerin eine ebenfalls von Herrn X ausgestellte Bestätigung vom 18.05.2017 über den Einsatz eines Faunistischen Spürhundes durch die Klägerin vor.

    8

    Die Klägerin trug im Einspruchsverfahren vor, die Ablegung der Jägerprüfung diene der Fortbildung wildbiologischer Kenntnisse und der Wissenserlangung über die Jagd, deren Regeln und deren Rechte. Sie stelle ein Zertifikat über das Wissen über Wildtiere und deren Lebensräume dar. Ferner biete sie die Option, in Zukunft einen jagdlichen Fallenlehrgang zu absolvieren. Darüber hinaus sei die Ablegung der Jägerprüfung für die Arbeit mit dem faunistischen Spürhund erforderlich. Für den Züchter sei bei Abgabe des Jagdhundes an das Büro X im Januar 2016 der zukünftige Erwerb des Jagdscheines ausschlaggebend gewesen. Für die Anbindung an entsprechende Jagdhund-Clubs und zur detaillierten Ausbildung der Sucharbeit sei der Jagdschein von Vorteil, teilweise sogar „Bemächtigungskriterium“. Häufig sei der Jagdschein ferner Einstellungsvoraussetzung in forstlichen Betrieben oder eine Zulassungsvoraussetzung für die Studienaufnahme im Bereich Wildtierforschung. Die Klägerin habe aufgrund der Festanstellung sowie der Tatsache, dass sie eine beruflich bedingte Zweitwohnung am Beschäftigungsort unterhalte, keine Gelegenheit, die Jagd auszuüben. Sie besitze weder eine Waffe, noch ein Revier bzw. eine Jagdpacht.

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    Mit Einspruchsentscheidung vom 01.06.2018 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2016 dahingehend ab, dass er nunmehr die Fortbildungskosten für das „Seminar …“ in Höhe von 152 € zum Werbungskostenabzug zuließ. Im Übrigen wies er den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Da die Jagd nicht zur Berufsausübung der Klägerin gehöre, seien die Aufwendungen zwar berufsfördernd, sie dienten aber nicht der Schaffung einer neuen Erwerbsquelle. Der Erwerb des Jagdscheines diene regelmäßig Bedürfnissen der privaten Lebensführung und sei nur dann beruflich veranlasst, wenn er (wie bei einem Forstbeamten) unmittelbare Voraussetzung für die Berufsausübung sei.

    10

    Mit ihrer am 01.07.2018 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren gerichtlich weiter. Der Beklagte nehme in der Einspruchsentscheidung zu Unrecht an, dass es sich nicht um eine berufsfördernde Maßnahme handele. Dies stehe ferner im Widerspruch zum Schreiben des Beklagten vom 04.10.2017, in dem dieser angeboten hatte, die Kosten für den Jagdschein zu 50% als Werbungskosten anzuerkennen. Dieses Angebot setze aber voraus, dass auch der Beklagte von einer Berufsförderung durch den Jagdschein ausgehe. Zudem übe die Klägerin die Jagd nicht privat aus, so dass eine private Nutzung des Jagdscheins ausgeschlossen werden könne. Die Klägerin verweist ferner auf die Urteile des Finanzgerichts des Saarlandes vom 26.02.2002 (Az: 1 K 93/99) und vom 15.07.2003 (Az: 1 K 30/00).

    11

    Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

    12

    Fortbildungskosten in Höhe von 2.744,20 € zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 2016 wie folgt festzusetzen:

    13

    Einkommensteuer von 2.914,00 € auf 2.178,00 €

    14

    Solidaritätszuschlag von 160,27 € auf 119,79 €.

    15

    hilfsweise, für den Fall des Unterliegens oder Teilunterliegens, die Revision zuzulassen.

    16

    Der Beklagte beantragt,

    17

    die Klage abzuweisen.

    18

    Er trägt im Klageverfahren ergänzend vor, es sei nicht absehbar, inwiefern die Klägerin die erworbene Qualifikation zukünftig zur Jagdausübung im privaten Bereich nutzen werde.

    19

    Die Klägerin hat mit Schreiben vom 22.07.2018 (Bl. 10 der Gerichtsakte) und der Beklagte hat mit Schreiben vom 12.09.2018 (Bl. 41 der Gerichtsakte) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

    20

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

    21

    Die Klage, über die der Senat gem. § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.

    22

    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2016 vom 11.08.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist nicht rechtwidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht die Kosten für die Jägerprüfung in Höhe von 2.744,20 € nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

    23

    Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind nach ständiger Rechtsprechung alle Aufwendungen, die durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Ein solcher Veranlassungszusammenhang liegt vor, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf die Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Tätigkeit gemacht werden (Schmidt/Krüger, EStG, 37. Aufl. 2018, § 9 Rdn. 40 m.w.N.).

    24

    Werbungskosten können grundsätzlich schon zu einem Zeitpunkt anfallen, in dem mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden (vorab entstandene oder auch vorweggenommene Werbungskosten). Voraussetzung für die Berücksichtigung ist in diesen Fällen jedoch, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (BFH, Beschluss vom 04.07.1990 – GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl. II 1990, 830 m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen einen endgültigen Entschluss zur Einkünfteerzielung gefasst hat und diesen zwischenzeitlich nicht wieder aufgegeben hat (BFH, Urt. vom 01.12.2015 – IX R 9/15, BStBl. II 2016, 335 und BFH, Urt. vom 09.07.2013 – IX R 21/12, BFH/NV 2013, 1778; Schmidt/Krüger, EStG, § 9 Rdn. 95).

    25

    Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten können nur dann zu Werbungskosten führen, wenn sie dazu dienen, eine Erwerbsgrundlage zu schaffen bzw. zu erhalten. Dienen Aufwendungen nicht dazu, später Erwerbseinnahmen zu erzielen, wird vielmehr ein privater Zweck, beispielsweise die Ausübung eines Hobbys damit verfolgt, so kommt ein Abzug hingegen nicht in Betracht (BFH, Beschluss vom 10.01.2012 – VI B 92/11, BFH/NV 2012, 783).

    26

    Die Jagd ist typischerweise ein Hobby, sie dient der Freizeitgestaltung, nämlich der Entspannung und Erholung und damit der Verfolgung überwiegend privater Interessen (FG Niedersachsen, Urt. vom 21.08.1991 – IX 548/88, EFG 1992, 188). Deshalb ist in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG, der gem. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG für den Werbungskostenabzug sinngemäß gilt, geregelt, dass u.a. Aufwendungen für Jagd und Fischerei nichtabziehbare Werbungskosten darstellen (vgl. Fissenewert, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 12 Rdn. 93).

    27

    Der Erwerb eines Jagdscheins ist vor diesem Hintergrund – ebenso wie der Erwerb eines Führerscheins für Kraftfahrzeuge – nur dann beruflich veranlasst, wenn dieser unmittelbare Voraussetzung für die Berufsausübung ist (vgl. BFH, Urt. vom 29.01.1960 – VI 9/59 U, BStBl. III 1060, 163; FG Berlin, Urt. vom 10.11.1978, EFG 1979, 438; Fissenewert, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 12 Rdn. 93 „Jagdschein“; Seiler, in: Kirchhof, EStG, 17. Aufl. 2018, § 12 Rdn. 8 „Jagdschein“; FG Nürnberg, Urt. vom 09.08.2017 – 5 K 815/15, juris; FG Münster, Urt. vom 27.08.2015 – 4 K 3243/14 E, juris; Schmidt/Krüger, EStG, 37. Aufl. 2018, § 19 Rdn. 110 „Führerschein“). Denn nur in diesen Fällen kann nach der Lebenserfahrung angenommen werden, dass die private Nutzung von untergeordneter Bedeutung und der Erwerb Voraussetzung für die Ausübung gerade dieser Berufstätigkeit ist (BFH, Urt. vom 20.02.1969 – IV R 119/66, BStBl. 1969, 433: bezüglich des Erwerbs eines LKW-Führerscheins bzw. Taxischeins).

    28

    Die Frage, ob im jeweiligen Einzelfall ein hinreichend erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang zu bejahen ist oder eine dem Bereich der privaten Lebensführung zuzurechnende Bildungsmaßnahme vorliegt, hat das Finanzgericht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Streitfalls zu beantworten (BFH, Urt. vom 10.01.2012 – VI B 92/11, BFH/NV 2012, 783).

    29

    Nach diesen Grundsätzen ist der Jagdschein im Streitfall keine unmittelbare Voraussetzung für die Tätigkeit der Klägerin als Landschaftsökologin. Die Klägerin nimmt im Rahmen ihrer Berufstätigkeit nicht an Jagden teil und führt auch nicht (etwa aus Sicherheitsgründen) eine Jagdwaffe bei der Arbeit mit sich. Vielmehr hat die Klägerin vorgetragen, dass sie weder beruflich noch privat an Jagden teilnehme und auch keine Waffen besitze. Soweit die Klägerin ausführt, dass der Jagdschein hilfreich sei, um Anschluss an Jagdhund-Clubs zu finden, so deutet dies auf private Interessen der Klägerin (§ 12 Nr. 1 EStG) hin. Der Vortrag der Klägerin, dass ein Jagdschein Einstellungsvoraussetzung in forstlichen Betrieben bzw. Zulassungsvoraussetzung für die Studienaufnahme im Bereich der Wildtierforschung sei, mag zutreffen. Die Klägerin hat aber nicht dargelegt und nachgewiesen, dass sie eine berufliche Veränderung in diese Bereiche anstrebt. Insoweit fehlt es mithin am für den (vorweggenommenen) Werbungskostenabzug erforderlichen hinreichend bestimmten wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang.

    30

    Nach Auffassung des Senates unterscheiden sich die Fälle, in denen eine Lizenz/Erlaubnis (PKW-Führerschein, Jagdschein, Bootsführerschein, Pilotenschein etc.) erworben wird, die typischerweise nicht nur im beruflichen Bereich, sondern auch im privaten Bereich im Rahmen eines Hobbys genutzt werden kann, von sonstigen allgemeinen Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Die von der Klägerin zitierten Urteile des Finanzgerichts des Saarlandes betrafen aber nicht Fälle des Erwerbs von Lizenzen/Erlaubnissen, sondern allgemeine Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich des Gesundheitswesens, deren Gegenstand auch die Selbsterfahrung/Selbsterkenntnis war.

    31

    Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass die Aufwendungen für den Jagdschein bereits deshalb als Werbungskosten anzuerkennen seien, weil sie mangels eigenen Jagdreviers bzw. Jagdpächterstellung und mangels eigener Waffen die Jagd (derzeit) nicht ausübe, so folgt der Senat dieser Argumentation nicht. Auch eine – vom Finanzamt zwischenzeitlich mit Schreiben vom 04.10.2017 vorgeschlagene – Aufteilung nach beruflicher und privater Nutzung scheidet aus.

    32

    Nach Auffassung des Senates sind die Grundsätze, die der BFH in Bezug auf den Werbungskostenabzug für einen PKW-Führerschein aufgestellt hat, auf den Streitfall übertragbar.

    33

    Bei Aufwendungen für den Erwerb eines PKW-Führerscheins kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige beabsichtigt, den geführten PKW betrieblich oder privat zu nutzen und inwieweit dieser Gesichtspunkt für die Aufwendungen entscheidend war. Denn in aller Regel wird der einmal erworbene Führerschein in nicht unbedeutendem Umfang auch für Privatfahrten genutzt (BFH, Urt. vom 20.02.1969 – IV R 119/66, BStBl. 1969, 433: Zum PKW-Führerschein). Für die Ermittlung eines beruflich bedingten Anteils der Aufwendungen für einen Jagdschein gibt es – ebenso wie bei einem PKW-Führerschein – keine objektiven Merkmale, nach denen die spätere private von der beruflichen Nutzung abgegrenzt werden könnte. Es lässt sich nicht vorhersagen, in welchem Verhältnis die in der Zukunft erfolgende berufliche Nutzung zur privaten Nutzung – insgesamt gesehen – stehen wird (BFH, Urt. vom 20.02.1969 – IV R 119/66, BStBl. 1969, 433: zum PKW-Führerschein; BFH, Beschluss vom 15.02.2005 – VI B 188/04, BFH/NV 2005, 890). Eine solche Aufteilung kommt mangels eines geeigneten Aufteilungsmaßstabs auch im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung zum Aufteilungs- und Abzugsverbot (BFH, Urt. vom 21.09.2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672) nicht in Betracht (so zutreffend Fissenewert, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 12 Rdn. 93).

    34

    Inwiefern die Klägerin in der Zukunft die Jagd ausüben wird, lässt sich nicht vorhersagen. Der Senat weist darauf hin, dass auch ohne eigene Jagdpacht und ohne eigene Waffe eine Jagdausübung, z.B. als Jagdgast oder mit einem Begehungsschein, jederzeit möglich ist.

    35

    Gründe für eine Revisionszulassung gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Die Frage, ob ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang oder eine dem Bereich der privaten Lebensführung zuzurechnender Bildungsmaßnahme vorliegt, obliegt der Würdigung im Einzelfall.

    36

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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