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  • 02.09.2019 · IWW-Abrufnummer 210950

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 14.05.2019 – 2 K 2355/18 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster


    Tenor:

    Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15.03.2013 und in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2018 wird nach Maßgabe der Urteilsgründe geändert. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Dem Beklagten wird die Berechnung der geänderten Steuern übertragen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    1

    Tatbestand

    2

    Der Kläger begehrt die steuermindernde Berücksichtigung von Reisekosten im Zusammenhang mit internationalen Fachtagungen, bei denen er die Reisen, auf denen ihn seine Ehefrau begleitete, über die Veranstaltungsdauer hinaus verlängerte.

    3

    Der als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätige Kläger wurde in den Streitjahren 2008 und 2009 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt.

    4

    Der Kläger war Mitglied des Verbandes „O“. Seine Ehefrau begleitete ihn auf seinen Reisen zu mehreren Veranstaltungen dieses beruflichen Netzwerkes.

    5

    Im Einzelnen flog er mit seiner Ehefrau am 12.10.2008 um 13.45 Uhr von Frankfurt nach Delhi zur dortigen O-Konferenz vom 14.10.2008 bis 19.10.2008. Im Anschluss an die Konferenz bereisten die Eheleute Indien und flogen am 25.10.2008 um 2.25 Uhr zurück. Die Flugkosten beliefen sich für beide Personen auf insgesamt 1.435,76 EUR, die Nebenkosten für Impfungen, Pässe, Parken etc. auf 653,71 EUR, und die Kosten der Veranstaltung inkl. Hotel auf 3.386,14 EUR, wobei die Kosten für einen Delegierten mit 3.400 USD und für einen Delegierten mit Begleitung mit 4.400 USD in der Rechnung des Veranstalters beziffert waren. Diese Beträge machte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung 2008 geltend; die Kosten, die ausschließlich auf die private Verlängerung der Reise in Indien entfielen, dagegen nicht.

    6

    Am 21.4.2009 um 11.25 Uhr flog der Kläger mit seiner Ehefrau von Düsseldorf nach Barcelona zum dortigen P Meeting am 22.4. und 23.4.2009. Die Rückreise erfolgte am 25.4.2009 um 19.55 Uhr. Die Flugkosten beliefen sich für beide Personen auf insgesamt 333,94 EUR, die Nebenkosten (Parken) auf 63,00 EUR und die Hotelkosten für den Zeitraum vom 21.4.2009 bis 25.4.2009 auf 1.204,71 EUR, wobei die Kosten pro Übernachtung 250 EUR betrugen. Diese Kosten machte der Kläger in seiner Steuererklärung 2009 geltend.

    7

    Wieder in Begleitung seiner Ehefrau flog der Kläger am 13.10.2009 von Dortmund nach Prag zur dortigen O-Konferenz, deren Veranstaltungen vom 13.10.2009 bis 17.10.2009 stattfanden. Rückflugdatum war der 18.10.2009. Die Flugkosten beliefen sich für beide Personen auf 493,94 EUR; für Seminarkosten inkl. Übernachtung bis zum 17.10. bezahlte der Kläger 3.890 EUR. Laut Rechnung des Veranstalters entfielen davon 90 EUR auf ein sog. Audit Forum; der Preis für einen Delegierten betrug 2.600 EUR, für einen Delegierten mit Begleitung belief er sich auf 3.590 EUR. Die weitere Hotelübernachtung vom 17.10.2009 auf den 18.10.2009 belief sich auf 122,42 EUR, sonstige Kosten auf 7,10 EUR. Sämtliche Beträge erklärte der Kläger steuerlich als Betriebsausgaben.

    8

    In den Einkommensteuerbescheiden 2008 vom 15.9.2010 und 2009 vom 9.8.2011 berücksichtigte der Beklagte, den Einkommensteuererklärungen folgend, zunächst in vollem Umfang die vorgenannten vom Kläger erklärten Reisekosten als Betriebsausgaben.

    9

    Bei einer für die Jahre 2008 bis 2010 durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die Reisekosten für die P-Veranstaltungen in Delhi (2008) und Prag (2009) bzw. Barcelona (2009) im Umfang von 2.560,64 EUR (Delhi) bzw. 1.411,26 EUR (Prag) bzw. 1.121,16 EUR (Barcelona) privat veranlasst seien. Diese Kostenkürzungen basierten auf privaten Reiseverlängerungen (1.492,48 EUR für Delhi; 205,93 EUR für Prag; 640,66 EUR für Barcelona) sowie auf Kosten, die auf die Ehefrau entfielen (1.068,17 EUR für Delhi; 1.205,34 EUR für Prag; 480,50 EUR für Barcelona). Der Prüfer ermittelte die Kosten, die auf die private Verlängerung der Reisen entfielen, jeweils nach dem prozentualen Verhältnis der als privat eingestuften Reisetage zur gesamten Reisedauer inkl. An- und Abreise (Delhi: 71,43 vH; Prag: 16,67 vH; Barcelona: 40 vH) und rechnete diesen etwaige direkt zuordnenbare private Kosten hinzu (Prag, Kosten für Hotelübernachtung iHv 122,42 EUR). Für die Delhi-Reise belief sich diese Kostenkürzung auf 1.492,48 EUR, für Prag auf 83,51 EUR (zzgl. 122,42 EUR Hotelübernachtung) und für Barcelona auf 640,66 EUR. Die auf die Ehefrau entfallenden Kosten errechnete der Prüfer, indem er zunächst Flugkosten und etwaige Nebenkosten (Impfen, Parken, Pässe usw.) addierte und diese Summe dann um die Werte minderte, die er der privaten Verlängerung der Reisen (außer der Hotelübernachtung bei der Pragreise) zugeordnet hatte, um sie in einem dritten Schritt um die Hälfte zu kürzen. Zu diesem Betrag addierte er für die Delhi- und die Pragreise anteilige Seminarkosten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Betriebsprüfungsbericht vom 15.1.2013.

    10

    Der Beklagte änderte die Einkommensteuerfestsetzungen für 2008 und 2009 jeweils am 15.3.2013 und nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) entsprechend den Ergebnissen der Betriebsprüfung.

    11

    In der Einspruchsentscheidung vom 13.7.2018 zur Einkommensteuer 2008 half der Beklagte dem Einspruch teilweise, aus hier nicht streitbefangenen Gründen, ab. Soweit der Kläger den Abzug der Reisekosten der Ehefrau als Betriebsausgabe begehrte, hatte der Einspruch keinen Erfolg. Ihre Reisekosten seien nicht (nahezu) ausschließlich betrieblich veranlasst. Seine Ehefrau, die weder am Einzelunternehmen des Klägers beteiligt noch dort als Arbeitnehmerin beschäftigt sei, sei als Begleitperson mitgefahren - im Gegensatz zum Kläger, der als Delegierter an den Veranstaltungen teilgenommen habe. Der Kläger habe mit seinem Vorbringen, das teils hypothetisch sei, keinen konkreten Bezug zwischen der Begleitung durch seine Ehefrau und seiner freiberuflichen Tätigkeit aufgezeigt.

    12

    Am 26.6.2018 erging eine Teil-Einspruchsentscheidung bezüglich der Einkommensteuer 2009, mit der der Beklagte den Einspruch, soweit über ihn entschieden wurde, zurückwies. Nicht entschieden wurde in der Teil-Einspruchsentscheidung nur über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Erstattungszinsen nach § 233a AO.

    13

    Im Klageverfahren trägt der Kläger vor, seine Ehefrau habe ihn bei seiner Tätigkeit als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer unterstützt.

    14

    Im Rahmen familiärer Mithilfe habe sie sich um die Büroausstattung gekümmert (Möbel, Blumen, Bilder, Geschirr, Besteck, Bepflanzung des Bürogrundstückes, Waschen von Hand-, Trocken- und Putztüchern) und beim Aussortieren alter Akten geholfen. Aufgrund ihrer Ausbildung sei ihr Engagement in den Bereichen „weicher Faktoren“ ganz besonders wertvoll gewesen, wie die Durchsicht von Bewerbungsunterlagen und die Vorauswahl der Bewerber sowie das Knüpfen und Pflegen von Kontakten zu Mandanten und Kollegen. Eine Vergütung hierfür sei ihr wegen des mit der unregelmäßigen Arbeitszeit verbundenen Abrechnungsaufwandes nicht gezahlt worden.

    15

    Seine Ehefrau habe ihn im Rahmen ihrer Tätigkeit für seine Praxis auf den streitgegenständlichen Reisen begleitet. Damit die Mitglieder des Netzwerkes O, einem internationalen Netzwerk i.S. des § 319b Abs. 1 Satz 3 des Handelsgesetzbuches, tatsächlich möglichst effizient, wie im Gesetz vorgesehen, zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen zusammenwirken könnten, finde jährlich einmal ein Treffen statt, bei dem sich die Mitglieder persönlich kennenlernen könnten, zumeist bei der Diskussion von Themen, die die Berufsausübung beträfen. Seine Ehefrau sei mit dabei gewesen, denn die Reise habe dazu gedient, Gelegenheiten zu schaffen, um Kontakte zu Kooperationspartnern in anderen P-Büros zu knüpfen. Das sei nicht nur direkt über die Berufsträger, sondern auch über deren Ehefrauen erfolgt. Die Auswahl etwaiger ausländischer Kollegen, von denen man den eigenen international agierenden Mandanten betreuen lassen wolle, bedürfe besonderer Sorgfalt, weil bei Schlechtberatung durch diesen auch das eigene Mandat verlustig zu drohen gehe. Neben der fachlichen Eignung spielten regelmäßig auch die privaten und finanziellen Verhältnisse des Kollegen als potentiellem Co-Berater/Co-Prüfer eine Rolle. Diese Faktoren hätten regelmäßig unmittelbare Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit und müssten in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit bestmöglich eingeschätzt werden. Aus diesem Grunde fänden die gemeinsamen Konferenzen regelmäßig zusammen mit den Ehefrauen statt. Ihm, dem Kläger, gehe es auch darum, sich die Menschenkenntnis seiner Ehefrau zunutze zu machen und von ihr eine zweite Meinung über die Eignung eines Netzwerkmitgliedes als möglichem Co-Berater einzuholen. Wenn er nicht sie mitgenommen hätte, hätte er einen Angestellten mitgenommen, was sehr viel höhere Kosten verursacht hätte und – wie sich in der Vergangenheit bei Sachverhalten mit Bezug zur Tschechoslowakei und Indonesien gezeigt habe – nicht so wertvoll gewesen wäre, weil seine Mitarbeiter wie er selbst nur eine betriebswirtschaftliche Ausbildung hätten. Kontakte auch durch die Ehefrau aufzubauen und zu pflegen diene gleichzeitig dazu, das Vertrauen von ausländischen Netzwerkmitgliedern zu seinem Büro aufzubauen und zu pflegen, damit sie ihren Mandanten das klägerische Büro und nicht ein anderes deutsches Büro empfehlen würden. Dass die Ehefrau in wirtschaftliche Überlegungen einbezogen werde, stehe einem Betriebsausgabenabzug nicht entgegen. Beispielsweise könne ein Arbeitgeber auch die Reiskosten für die Ehefrau eines Bewerbers, die er mit zum Vorstellungsgespräch eingeladen habe, als Betriebsausgaben geltend machen.

    16

    Zu dem vom Beklagten für 2008 gekürzten Kostenanteil für die Reiseverlängerung in Indien legt der Kläger dar, dass die Konferenz nur 4 Tage gedauert habe. Er habe mit seiner Ehefrau und drei Kollegen im Anschluss eine private Reise unternommen, deren Kosten nicht in den von ihm erklärten Betriebsausgaben enthalten seien. Der Beklagte habe unberücksichtigt gelassen, dass die Reisekosten auch dann in gleicher Höhe entstanden wären, wenn es keine Anschlussreise gegeben hätte. Eine viertägige Konferenz in Indien bedinge auch einen An- und Abreisetag. Ohne die Teilnahme an der Konferenz wären gar keine Reisekosten entstanden.

    17

    Zur Fahrt nach Barcelona in 2009 macht er geltend, man sei im Anschluss an die dreitägige Konferenz noch einen weiteren Tag dort geblieben, weil der Rückflug einen Tag später um so viel preisgünstiger gewesen sei, dass man die zusätzlich notwendige Nacht im Hotel davon habe bezahlen können.

    18

    Der Kläger beantragt,

    19

    die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009, beide vom 15.3.2013, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13.7.2018 (für 2008) bzw. der Teil-Einspruchsentscheidung vom 26.6.2018 (für 2009), dahingehend zu ändern, dass weitere Reisekosten als Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, für 2008 in Höhe von insgesamt 2.560,65 EUR und für 2009 in Höhe von insgesamt 2.532,43 EUR.

    20

    Der Beklagte beantragt,

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    die Klage abzuweisen.

    22

    Er nimmt Bezug auf die Einspruchsentscheidungen und den Betriebsprüfungsbericht und bringt vor, es treffe nicht den tatsächlichen Sachverhalt, dass die Mitnahme der Ehefrau „im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Praxis“ erfolgt sei.

    23

    Das Verfahren wegen Einkommensteuer 2008 (Az. 2 K 2525/18 E) ist am 25.4.2019 mit dem vorliegenden Verfahren verbunden worden.

    24

    Am 16.1.2019 hat ein Erörterungstermin vor der Berichterstatterin und am 14.5.2019 die mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Protokolle Bezug genommen.

    25

    Entscheidungsgründe

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    Die Klage ist für das Jahr 2008 teilweise begründet und für das Jahr 2009 unbegründet.

    27

    1. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15.3.2013 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13.7.2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO, weil die als Betriebsausgaben geltend gemachten Reisekosten für die Fahrt nach Delhi lediglich um einen Betrag von 2.510,89 EUR (anstatt 2.560,64 EUR) zu kürzen waren. Von dieser Summe entfallen 1.814,41 EUR auf Kosten für die Begleitung durch die Ehefrau und 696,48 EUR auf anteilige privat veranlasste Reisekosten des Klägers.

    28

    a. Bei den Einkünften des Klägers als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Reisekosten insoweit steuermindernd zu berücksichtigen, wie sie Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 4 EStG darstellen, d.h. durch den Betrieb veranlasst sind.

    29

    aa. Eine solche Veranlassung ist dann gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes stehen. Aufwendungen sind dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die -wertende- Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments", zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Ergibt diese Prüfung, dass die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, so sind sie als Betriebsausgaben oder Werbungskosten grundsätzlich abzuziehen. Beruhen die Aufwendungen hingegen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf beruflichen Umständen, so sind sie nicht abziehbar. Greifen die -für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden- beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (z.B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation) so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist, fehlt es also an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, so kommt ein Abzug der Aufwendungen insgesamt nicht in Betracht. Enthält eine Reise abgrenzbare berufliche und private Veranlassungsbeiträge, die jeweils nicht von völlig untergeordneter Bedeutung sind (z.B. einer beruflich veranlassten Reise wird ein Urlaub hinzugefügt), so erfordert es das Nettoprinzip, den beruflich veranlassten Teil der Reisekosten zum Abzug zuzulassen. Der Umfang des beruflichen Kostenanteils ist notfalls zu schätzen. Reisekosten, die sowohl den beruflichen als auch den privaten Reiseteil betreffen (z.B. Kosten der Hin- und Rückreise zu einem Auslandsaufenthalt, der berufliche und private Teile umfasst), sind zur Umsetzung des Nettoprinzips ebenfalls aufzuteilen. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG steht einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer beruflichen und privaten Anteile trennbaren Kosten nicht entgegen (BFH, Beschluss vom 21. September 2009, GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672).

    30

    bb. Im Streitfall war die Teilnahme des Klägers an der jährlichen International Conference des P-Netzwerkes, die im Jahr 2008 in Delhi stattfand, durch seine berufliche Tätigkeit als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer veranlasst. Die Kontaktaufnahme, der Informationsaustausch und die fachliche Zusammenarbeit mit Berufskollegen aus anderen Ländern stehen in direktem wirtschaftlichen Zusammenhang mit seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 EStG.

    31

    Hingegen fehlt es bei den geltend gemachten Reisekosten an einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang, soweit die Kosten auf die Begleitung des Klägers durch seine Ehefrau (a) bzw. (anteilig) auf die private Verlängerung der Reise in Indien entfallen (b).

    32

    (a) Die auf die Ehefrau entfallenden Reisekosten von 1.814,41 EUR sind nicht steuermindernd zu berücksichtigen. Sie beruhen allenfalls in unbedeutendem Maße auf beruflichen Umständen. Es handelt sich um private Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche Stellung des Klägers mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs und der Tätigkeit des Klägers erfolgen, § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG.

    33

    Die Ehefrau hat den Kläger bei der Veranstaltung in Delhi zwar bei der Aufnahme und Pflege von Kontakten zu ausländischen Berufsträgern unterstützt. Diese Unterstützungsleistung ging aber nicht über das Maß hinaus, das § 1353 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) von allen Eheleuten als gegenseitigen Beistand und Unterstützung verlangt. Die Ehefrau des Klägers war fachlich in keiner Weise vorgebildet und stand zum Kläger auch in keinem Arbeits- oder Angestelltenverhältnis. Sie nahm in einem touristisch attraktiven Land, das sie im direkten Anschluss an die P -Veranstaltung zusammen mit dem Kläger privat bereiste, an einem Programm für Begleitpersonen teil, das sich durch einen hohen Freizeitwert auszeichnete. Beispielsweise waren für die Tage 16.10.2008 und 17.10.2008 Führungen durch Delhi vorgesehen; günstige und nah gelegene Einkaufsmöglichkeiten für Kleidung und Schmuck stellte das Veranstaltungsprogramm als Attraktionen heraus. Dass dem Kläger an der Menschenkenntnis seiner Ehefrau und an der Einschätzung der Integrität und persönlichen Situation seiner potentiellen Geschäftspartner gelegen war, ist eine für eine Ehe typische Situation, in der sich Ehegatten gegenseitig unterstützen und Hilfestellung leisten. Selbst wenn die Teilnahme der Ehefrau einer Erwartungshaltung der anderen Teilnehmer entsprochen haben sollte, handelt es sich bei den durch ihre Teilnahme an der Reise veranlassten Aufwendungen um solche der privaten Lebensführung, weil sie ganz vorrangig durch ihre Rolle als Ehefrau veranlasst waren, hinter der eine etwaige berufliche Motivation –falls überhaupt vorhanden- als gänzlich unbedeutend zurücktrat.

    34

    Die Reisekosten entfielen im Umfang von 1.814,41 EUR auf die Ehefrau. Hierzu zählen die hälfigen Flugkosten von 717,88 EUR. Die anteiligen Kosten für die Begleitung während des Seminars schätzt der Senat gemäß § 162 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO auf 769,67 EUR. Die Kosten von 3.386,14 EUR sind insofern entsprechen dem Verhältnis der Veranstaltungs- und Hotelkosten für einen Delegierten von 3.400 USD zu denjenigen für einen Delegierten mit Begleitung, 4.400 USD, aufgeteilt worden. Ebenso entfallen von den Nebenkosten für Impfungen, Pässe, Parken etc. mangels anderweitiger Anhaltspunkte die Hälfte, d.h. 326,86 EUR, auf die Ehefrau.

    35

    (b) Von den vom Kläger steuerlich geltend gemachten und nur auf ihn entfallenden weiteren Reisekosten sind 696,48 EUR auf Grund der privaten Verlängerung der Reise zu kürzen. Während die nach der oben unter (a) dargelegten Kürzung für die Ehefrau verbliebenen Seminarkosten von 2.616,47 EUR vollständig als Betriebsausgaben abziehbar sind, weil sie vollumfänglich betrieblich veranlasst sind, sind die verbliebenen Kosten für den Flug (717,88 EUR) und die Nebenkosten (326,86 EUR), im Umfang von 8/12, d.h. um 696,49 EUR zu kürzen. Angesichts der langen Anreisedauer nach Indien (7,25 Flugstunden zzgl. Transfer und Wartezeiten) erscheint es sachgerecht, bei der Schätzung nach § 162 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die Reisetage weder als privat noch als beruflich veranlasst, sondern als neutral zu werten. Demnach war, abweichend von den Annahmen der Betriebsprüfung, die 10 private Tage angesetzt hat, von einem Aufteilungsmaßstab von 4 Tagen Seminar zu 8 privaten Tagen auszugehen.

    36

    2. Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 15.3.2013 in der Fassung der Teil-Einspruchsentscheidung vom 26.6.2018 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO, denn die geltend gemachten Reisekosten wären in geringerem Umfang als Betriebsausgaben zu berücksichtigen gewesen, als es der Beklagte tatsächlich getan hat. D.h. er hätte die geltend gemachten Reisekosten in einem größeren Umfang kürzen müssen. Eine Änderung zum Nachteil des Steuerpflichtigen scheidet im Klageverfahren jedoch aus, sog. Verböserungsverbot (vgl. § 96 FGO i.V.m. Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 des Grundgesetzes). Während der Beklagte die Reisekosten lediglich um insgesamt 2.532,42 EUR (1.121,16 EUR für Barcelona, 1.411,26 EUR für Prag) gekürzt hat, wären sie insgesamt um 2.836,95 EUR zu kürzen gewesen (1.522,26 EUR für Barcelona, 1.314,69 EUR für Prag).

    37

    Im Einzelnen:

    38

    Der Senat geht aus den oben näher dargestellten Gründen, die für die Reisen nach Barcelona und Prag entsprechend gelten, ebenfalls davon aus, dass die Begleitung der Ehefrau zu den Veranstaltungen in Barcelona und Prag nicht beruflich veranlasst war. In Barcelona hatten die Begleitpersonen mangels eigenen Programms während der Dauer des dortigen P- Meeting quasi den ganzen Tag freie Zeit. Am 22.4.2009 und am 23.4.2009 gab es für sie, zusammen mit den Delegierten, touristisch bzw. gesellig ausgerichtete Programmpunkte („pre dinner drinks and dinner“, „tour and tapas“). Der Kläger und seine Frau haben die Reise nach Barcelona zudem über die Veranstaltungsdauer hinaus verlängert. In Prag gab es ein gesondertes, touristisch orientiertes Programm für die Begleitpersonen (15.10.2009 und 16.10.2009: Ganztagestour nach Karlstejn bzw. Halbtagestour durch die Alt- und Neustadt von Prag). Die Art und Weise, wie die Ehefrau den Kläger bei diesen Veranstaltungen unterstützt hat, ist identisch mit derjenigen Hilfestellung bei der Zusammenkunft in Delhi. Deshalb sind die gesamten Reisekosten für beide Ziele als privat einzustufen und, soweit sie auf die Ehefrau entfallen, im Umfang von 800,83 EUR für Barcelona und von 1.211,73 EUR für Prag, insgesamt um 2.012,56 EUR, zu kürzen. Diese Beträge setzen sich für Barcelona zusammen aus 166,97 EUR Flugkosten, 31,50 EUR als 50 vH der Nebenkosten und 602,36 EUR als 50 vH der Übernachtungskosten; für Prag ergeben sie sich aus 246,97 EUR Flugkosten, 900 EUR anteiligen Seminarkosten (Differenz zwischen Fee für den Delegierten iHv 2.600 EUR und 3.500 EUR für den begleiteten Delegierten), 3,55 EUR als 50 vH der Nebenkosten und 61,21 EUR als 50 vH der Übernachtungskosten für die zusätzliche Nacht nach Abschluss der Veranstaltung.

    39

    Von den verbleibenden, allein auf den Kläger entfallenen Kosten der Reise nach Barcelona, insgesamt 800,82 EUR, waren weitere 721,43 EUR als privat veranlasst zu kürzen.

    40

    Das in Barcelona dauerte ausweislich der Veranstaltungsbeschreibung durch O insgesamt 2 Tage (22.4. und 23.4.2009). Angereist wurde am 21.4.2009, abgereist am 25.4.2009, wobei die voraussichtliche Flugdauer jeweils 2,25 h betrug. Da die Reisedauer nicht annähernd so lang war wie bei der Reise nach Delhi und die An –und Abreisetage deshalb noch substantielle Zeitfenster für eine anderweitige Nutzung des Tages als für das Reisen boten, wertet der Senat die beiden Reisetage anders als bei der Reise nach Delhi nicht als neutral. An diesen Tagen fanden keine P-Veranstaltungen statt. Deshalb geht der Senat von einem Verhältnis von 2 beruflich zu 3 privat veranlassten Tagen aus. Dementsprechend waren die Flug- und Nebenkosten (166,97 EUR + 31,50 EUR; Seminarkosten waren nicht angesetzt) im Umfang von 3/5 zu kürzen. Es verbleibt danach bei einem Betriebsausgabenabzug für die geltend gemachten Reisekosten von 79,39 EUR für Barcelona.

    41

    Von den allein dem Kläger zuzuordnenden Kosten der Pragreise, insgesamt 3.301,73 EUR, waren als Betriebsausgaben anzuerkennen 2.690 EUR Seminarkosten zzgl. 5/6 der Kosten für Flug und Nebenkosten (246,97 EUR; 3,55 EUR), d.h. 208,77 EUR, insgesamt also 2.898,77 EUR. 1/6 der o.g. Kosten für Flug und Nebenkosten, d.h. 41,75 EUR, zzgl. der hälftigen Kosten für die zusätzliche Übernachtung, 61,21 EUR, insgesamt 102,96 EUR, waren als privat veranlasst dagegen nicht zu berücksichtigen. Der Senat geht dabei wie bei der Reise nach Barcelona davon aus, dass die An- und Abreisetage, anders als bei der Fahrt nach Delhi, nicht als neutral zu werten sind, sondern bei einer sachgerechten Aufteilung als privat zu werten sind, weil die Reisedauer den jeweiligen Tag nicht völlig absorbiert.

    42

    3. Die Berechnung der geänderten Steuern wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.

    43

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Kläger hat nur in sehr geringem Umfang obsiegt und trägt deshalb alle Kosten des Verfahrens.