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  • 11.01.2021 · IWW-Abrufnummer 219816

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 18.09.2017 – 2 U 29/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Hamm


    Tenor:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.02.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    1

    Gründe:

    2

    I.

    3

    Die Klägerin nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Haftung des Erwerbers bei Geschäfts- und Firmenfortführung auf Zahlung von Kosten für Futtermittel in Höhe von 102.179,30 € nebst Zinsen in Anspruch, denen ‒ vorliegend unstreitig ‒ entsprechende Bestellungen und Lieferungen in der Zeit zwischen dem 01.10.2010 und 21.12.2010 durch und an den Ehemann der Beklagten, Herrn C2, zugrunde lagen. Der Ehemann der Beklagten führte diesen Betrieb, zu dem eine Gesamtfläche von 79 ha sowie eine Schweinemast mit Platz für bis zu 2.150 Tieren gehörten, bis zum 01.07.2011 und überließ ihn anschließend der Beklagten, Frau C1, die den Betrieb unter dieser Bezeichnung fortführte. Weder der Ehemann der Beklagten noch die Beklagte selbst waren als Kaufleute im Handelsregister eingetragen. Die Parteien streiten vorliegend um die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

    4

    Die Klägerin hat die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB als gegeben angesehen; insbesondere ist sie nicht davon ausgegangen, dass es sich bei dem in Rede stehenden Betrieb um einen landwirtschaftlichen Betrieb i.S.d. § 3 HGB handelt; ferner sieht sie den Umstand, dass die Beklagte nunmehr mit ihrem Vornamen und dem gemeinsamen Nachnamen am Rechtsverkehr teilnimmt, als für die Fortführung der Firma unbeachtlich an, da die bloße Änderung des Vornamens eine nach der Verkehrsanschauung unwesentliche Änderung darstelle. Zwar habe das Unternehmen keinen offiziellen Namen, sei aber unter „´Landwirtschaft C´“ bekannt gewesen, wobei der Ehemann der Beklagten damals wie heute noch als Ansprechpartner gelte.

    5

    Die Klägerin hat (sinngemäß) beantragt,

    6

    die Beklagte zu verurteilen, an sie gesamtschuldnerisch neben dem weiteren Schuldner C2 102.179,30 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit dem 22.11.2013 sowie weitere vorgerichtliche Mahn-und Auskunftskosten i.H.v. 1.235,57 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 22.11.2013 zu zahlen.

    7

    Die Beklagte hat beantragt,

    8

    die Klage abzuweisen.

    9

    Sie hat die Ansicht vertreten, dass § 25 Abs. 1 HGB allein schon deshalb keine Anwendung finde, weil sie einen landwirtschaftlichen Betrieb i.S.d. § 3 Abs. 1 HGB führe. Auch liege keine Firmenübernahme vor, da ihr Ehemann ‒ unterstellt er sei Kaufmann ‒ die Firma „C2“ geführt hätte, während sie die Firma „C1“ führen würde. Dabei fehle es an der erforderlichen Identität der Firmen.

    10

    Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB als gegeben angesehen und die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Dabei ist es zunächst davon ausgegangen, dass die Beklagte als Kauffrau i.S.d. § 1 HGB anzusehen sei, da der Schwerpunkt des hier in Rede stehenden Betriebes auf der Schweinemast und nicht auf der Bodennutzung liege. Die Beklagte habe die Firma ihres Ehemannes auch unter Lebenden erworben und im Sinne des § 25 Abs. 1 HGB fortgeführt. Bei der Frage, ob die bisherige Firma fortgeführt werde, komme es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma, sondern darauf an, ob ihre prägenden Bestandteile für den Rechtsverkehr gleich seien. Die prägenden Bestandteile, nämlich die Führung des Familiennamens C in den gleichen Örtlichkeiten und mit dem gleichen Geschäftsmodell seien für den Rechtsverkehr ausschlaggebend. Entscheidend sei insoweit, dass der Betrieb des Ehemannes der Beklagten im Kern unverändert durch dessen Ehefrau weitergeführt werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

    11

    Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie erneut darauf verweist, dass sie einen landwirtschaftlichen Betrieb führe und es sich auch bei dem von ihr übernommenen Betrieb ihres Ehemannes um einen solchen gehandelt habe. Darüber hinaus liege auch keine Fortführung der Firma durch sie vor, da weder ihr Ehemann noch sie eine solche geführt hätten. Allein der Umstand, dass sie im Rechtsverkehr ihren eigenen Vornamen mit ihrem Familiennamen führe, schließe die Fortführung einer Firma aus.

    12

    Die Beklagte beantragt,

    13

    die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.

    14

    Die Klägerin beantragt,

    15

    die Berufung zurückzuweisen.

    16

    Sie verteidigt die ihr günstige Entscheidung unter weitgehender Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrages erster Instanz als zutreffend.

    17

    Im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten und zu den Akten gereichten Schrift-sätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

    18

    II.

    19

    1.

    20

    Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg, da die ebenfalls zulässige Klage unbegründet ist. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 102.179,30 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht zu, da die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten gem. § 25 Abs. 1 HGB nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift haftet für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers, wer ein unter Leben erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Gläubiger darzulegen und zu beweisen (Reuschle in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Auflage 2014, § 25 Rdn. 67; Staub/Burgard, HGB, 5. Auflage 2009, § 25 Rdn. 99 a.E.).

    21

    a)

    22

    Auch wenn die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 25 Abs. 1 HGB voraussetzt, dass der bisherige Inhaber und der Erwerber Kaufleute i.S.d. §§ 1 ff. HGB sein müssen, da § 25 HGB von der Fortführung der Firma ausgeht und das Recht zur Firmenführung nur Kaufleuten zukommt (Staub/Burgard, HGB, 5. Auflage 2009, § 25 Rdn. 47 m.w.N.; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Auflage 2016, § 25 Rdn. 2), kann die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der Ehemann der Beklagten und die Beklagte selbst als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes oder aber als Kaufleute anzusehen sind, dahin stehen. Selbst wenn man Letzteres zugunsten der Klägerin unterstellt, fehlt es an der nach § 25 Abs. 1 S. 1 HGB notwendigen Fortführung der Firma durch die Beklagte.

    23

    b)

    24

    Die Haftung des Erwerbers für die in dem Geschäft begründeten Verbindlichkeiten setzt neben der Fortführung des Geschäfts voraus, dass das Geschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines sog. Nachfolgezusatzes fortgeführt wird. Beim Wechsel des Inhabers ist die Firmenfortführung deshalb eine Voraussetzung für die in § 25 Abs. 1 S. 1 HGB vorgesehene Haftung, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, die der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist (BGH, Urteil vom 24.09.2008 ‒ VIII ZR 192/06, NJW-RR 2009, 820 ‒ Tz. 19 m.w.N.; BGH, Urteil vom 04.11.1991 ‒ II ZR 85/91, NJW 1992, 911). Soweit in der Vergangenheit eine vereinzelt gebliebene Stimme in der Literatur (K. Schmidt, MDR 1994, 134) die Firmenfortführung als Voraussetzung des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB für entbehrlich und lediglich als Indiz für die Unternehmenskontinuität gehalten hat, dessen Vorliegen es dann nicht bedürfe, wenn die Identität des fortgeführten mit dem ursprünglichen Unternehmen feststehe, vermag der Senat dem schon deswegen nicht zu folgen, da diese Auffassung dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes widerspricht (vgl. LG Koblenz, Urteil vom 15.02.1995 ‒ 3 HO 148/93, MDR 1995, 785 (786) mit zust. Anm. Schmitz‑Herscheid, MDR 1995, 786). Dass die Fortführung des Handelsgeschäfts einerseits und die der Firma andererseits voneinander zu trennen sind, hat das Landgericht ebenfalls nicht hinreichend beachtet, wenn es im Zusammenhang mit der Firmenfortführung ausführt, dass die prägenden Bestandteile, nämlich die Führung des Familiennamens C in den gleichen Örtlichkeiten und mit dem gleichen Geschäftsmodell für den Rechtsverkehr ausschlaggebend seien, wobei für diesen entscheidend sei, dass der Betrieb des Ehemannes der Beklagten im Kern unverändert durch dessen Ehefrau weitergeführt werde.

    25

    aa)

    26

    Unterstellt man in diesem Zusammenhang die Kaufmannseigenschaft des Ehemannes der Beklagten als gegeben, hängt die Anwendung des § 25 Abs. 1 HGB auch nicht davon ab, ob die Firma im Handelsregister eingetragen ist oder nicht (Staub/Burgard, HGB, 5. Auflage 2009, § 25 Rdn. 49). Gem. § 17 Abs. 1 HGB ist die Firma eines Kaufmanns der Name, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. War der Ehemann der Beklagten bei Übergabe des Betriebes aber Kaufmann, was hier unterstellt wird, unterlag er der Pflicht zur Firmenführung, so dass er unter der Firma „C2“ am Rechtsverkehr teilgenommen und diese Bezeichnung damit firmenmäßig gebraucht hat. Dass der Ehemann der Beklagten im Rechtsverkehr unter „Landwirtschaft C“ bekannt gewesen sei ‒ wie die Klägerin vorgetragen hat (38) ‒, ist unbeachtlich, da er unter dieser Bezeichnung nicht firmiert hat.

    27

    bb)

    28

    Die bisherige Firma wird fortgeführt, wenn der Erwerber sie als eigene Firma im Wesentlichen unverändert führt (Staub/Burgard, HGB, 5. Auflage 2009, § 25 Rdn. 71). Für die Frage, ob die Firma fortgeführt wird, ist die Verkehrsauffassung maßgebend (BGH, Urteil vom 10.10.1985 ‒ IX ZR 153/84, NJW 1986, 581 ‒ Tz. 8 ‒ zitiert nach juris). Aus der Sicht der Öffentlichkeit kommt es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma, sondern darauf an, ob aus der Sicht des Verkehrs trotz vorgenommener Änderungen noch eine Fortführung der Firma vorliegt (BGH, Urteil vom 24.09.2008 ‒ VIII ZR 192/06, NJW-RR 2009, 820 ‒ Tz. 19 m.w.N.; BGH, Urteil vom 04.11.1991 ‒ II ZR 85/91, NJW 1992, 911). Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass der Verkehr die vom Erwerber geführte Firma mit der Firma des bisherigen Inhabers dergestalt identifiziert, dass er in der fortgeführten Firma die Firma des bisherigen Inhabers (wieder-)erkennt (Staub/Burgard, HGB, 5. Auflage 2009, § 25 Rdn. 71; vgl. auch LG Koblenz, Urteil vom 15.02.1995 ‒ 3 HO 148/93, MDR 1995, 785 ‒ juris). Nach der Rechtsprechung des BGH ist entscheidend, ob der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird (BGH, Urteil vom 24.09.2008 ‒ VIII ZR 192/06, NJW-RR 2009, 820 ‒ Tz. 19; BGH, Urteil vom 15.03.2004 ‒ II ZR 324/01, DStR 2004, 1136, 1172 unter 2.).

    29

    Bei Personenfirmen wird dabei der Beibehaltung des Familiennamens eine besonders prägende Bedeutung zugemessen (vgl. Staub/Burgard, HGB, 5. Auflage 2009, § 25 Rdn. 72), wobei das Weglassen des Vornamens nicht zur Vermeidung der Haftung nach § 25 HGB führt (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.1985 ‒ IX ZR 153/84, NJW 1986, 581 ‒ Tz. 8 ‒ zitiert nach juris). Bei einem Einzelkaufmann, der neben seinem Familiennamen auch seinen Vornamen firmenmäßig führt, sind beide Bestandteile gleichermaßen prägend (vgl. auch LG Koblenz, Urteil vom 15.02.1995 ‒ 3 HO 148/93, MDR 1995, 785 ‒ allerdings zur Rechtslage vor der Handelsrechtsreform 1998). Gebraucht der Einzelkaufmann seinen Vor- und Familiennamen im Rechtsverkehr als Firma, ist entscheidendes Element des Vertrauens, das der Verkehr einer Einzelhandelsfirma entgegenbringt, der Name des Inhabers und letztlich dieser selbst (LG Koblenz, Urteil vom 15.02.1995 ‒ 3 HO 148/93, MDR 1995, 785 (786)).

    30

    Mit einem bloßen Weglassen des Vornamens ist die Änderung der Firma von „C2“ in „C1“ jedoch nicht zu vergleichen. Wenn auch unter Beibehaltung des Familiennamens „C“ stellt die Änderung des Vornamens von „2“ in „1“ eine derart gravierende Änderung dar, dass der Geschäftsverkehr von einem gänzlich anderen Unternehmensträger ausgehen muss.

    31

    Diesem Verständnis steht auch nicht die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Reichsgerichts (Urteil vom 30.04.1926 ‒ II 437/25, RGZ 113, 306 (309)) entgegen, das in der „Aluminolwerk Z & Co.“ weiter die bisherige Firma des Einzelkaufmanns „Aluminolwerk Y Z“ gesehen hat. Denn insoweit handelt es sich nach der Verkehrsanschauung bei dem alleinigen Wegfall (und nicht Austausch) des Vornamens um eine lediglich unwesentliche Änderung (vgl. auch Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Auflage 2016, § 25 Rdn. 7).

    32

    cc)

    33

    Eine abweichende Vereinbarung i. S. v. § 25 II HGB ist nicht geltend gemacht.

    34

    2.

    35

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 3 ZPO nicht vorlagen.