06.09.2024 · IWW-Abrufnummer 243654
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 07.09.2020 – 5 K 114/19
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit
- Klägerin -
Prozeßbevollmächtigter:
gegen
- Beklagter -
wegen gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2013 und Gewerbesteuermeßbetrag 2013
hat der 5. Senat durch die Richterin ________ gemäß §§ 5 Abs. 3 Satz 1, 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung als Einzelrichterin auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 07. September 2020 für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Der Gewerbesteuermeßbescheid 2013 vom ___________ in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ___________ wird dahingehend geändert, daß der verbleibende Verlustvortrag um einen weiteren Verlust in Höhe von 34.793.699,00 € erhöht wird.
2.
Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2013 vom ___________ in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom __________ wird dahingehend geändert, daß der vortragsfähige Gewerbeverlust um einen weiteren Verlust in Höhe von 34.793.699,00 € erhöht wird.
3.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4.
Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
5.
Das Urteil wird hinsichtlich der Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob ein festgestellter vortragsfähiger Gewerbeverlust aufgrund der Veräußerung eines (Teil-)Betriebes der Klägerin untergegangen ist.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Unternehmensgegenstand ist das Halten und Verwalten von Beteiligungen aller Art, insbesondere an in der ________technik tätigen Gesellschaften. In den Jahren 2015 / 2016 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung betreffend die Veranlagungszeiträume 2011 bis 2013 durch die Großbetriebsprüfung X.________ statt, die zur Historie des Unternehmens die folgende Feststellung traf (gekürzte Darstellung des Tatbestandes der Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2018):
1. Die Y.________ besaß zum 31. Dezember 2010 einen unstreitigen sowie bestandskräftig festgestellten gewerbesteuerlichen Verlustvortrag in Höhe von 34.793.699,00 €. Komplementärin der Y._________ war hierbei ohne Kapitaleinlage die Z.__________. Alleinige Kommanditistin dieser Y.__________ mit 100% der Kapitaleinlage war die Q._________, deren Unternehmensgegenstand die Vermögensverwaltung war.
2. Mit notariellem Vertrag vom __________ wurde die Z.__________ mit der Q._________ verschmolzen. Infolge dieser Verschmelzung hatte die Y.___________ keine Komplementärin mehr, sondern nur noch eine Kommanditistin und bestand danach als KG nicht mehr fort. Das Vermögen der Y.__________ wuchs dahingehend beider Q._________ von Gesetzes wegen an.
3. Mit Gesellschafterversammlung vom __________ änderte die Q._________ Firma und Unternehmensgegenstand. Sie firmierte nun als J.________ und neuer Unternehmensgegenstand war die Be- und Verarbeitung von Eisen, Stahl und anderen Werkstoffen etc.. Die J._______ führte den Betrieb der Y._________ weiter.
4. Mit notariellem Vertrag vom _________ wurden die V.________ auf die J.________ verschmolzen.
5. Mit notariellem Vertrag vom ___________ erfolgte schließlich die Veräußerung des operativen Geschäftsbereiches der J.__________ zu Buchwerten an eine O._________.
6. Mit Gesellschafterversammlung vom _______ änderte die J._________ Firma und Unternehmensgegenstand. Sie firmierte nun als F.__________ (= die Klägerin) und neuer Unternehmensgegenstand ist das Halten und Verwalten von Beteiligungen aller Art, insbesondere an in der ________technik tätigen Gesellschaften.
Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, daß "aufgrund des mit Wirkung zum ___________ vereinbarten Asset-Deals sowie dem damit einhergehenden Wegfall der Unternehmensidentität" vormals übergegangene und noch nicht genutzte gewerbesteuerliche Verluste der früheren Y.__________ in Höhe von 34.793.699,00 € weggefallen seien und durch die Klägerin damit insoweit auch nicht mehr genutzt werden könnten (vgl. Betriebsprüfungsbericht vom __________ Tz. 57 - Seiten 14 bis 16). Der Beklagte machte sich die Auffassung der Betriebsprüfung zueigen und erließ am ____________ dementsprechend geänderte Bescheide: Der Gewerbesteuermeßbetrag 2013 wurde auf 43.897 € festgesetzt und der vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31. Dezember 2013 wurde auf 5.879.431 € festgestellt. Der gegen diese Bescheide gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom __________).
Die Klägerin erläutert zum Sachverhalt, sämtliche nachfolgend genannten Unternehmen gehörten zur U._________ und würden von der konzernleitenden W.___________ unmittelbar bzw. mittelbar beherrscht. Die Gruppe bestehe aus einer Vielzahl von Gesellschaften, die heute auf den Gebieten Rohstoffrecycling, Stahlerzeugung und -verarbeitung, Lenkungstechnik, _______technik und Guss (im Streitjahr 2013 zusätzlich noch Bahntechnik, Krantechnik, Anlagenbau und Dienstleistungen) tätig seien. Die historische Entwicklung der Gruppe habe im Jahr 1993 mit dem Kauf des Stahlstandorts P._________ von der C._________ begonnen. Sie sei in der Folge durch umfangreiche Zukäufe von Unternehmen verschiedener Rechtsformen und Geschäftszweige im In- und Ausland innerhalb eines Zeitraums von etwa 20 Jahren geprägt. Infolgedessen sei die Gruppenstruktur vor dem Streitjahr 2013 nicht klar und funktionsbezogen definiert gewesen, so daß eine zielgerichtete, rationelle und ergebnisorientierte Steuerung erschwert worden sei. Vor diesem Hintergrund habe man ab dem Jahr 2013 eine klare Trennung zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen herbeigeführt, diese auf mittlerweile neu definierte Kernbereiche reduziert und die Gesellschaften der einzelnen Sparten unter Zwischen-(Sparten-)Holdings zusammengefaßt.
Die Klägerin führt aus, Unternehmerin des Betriebes der ehemaligen Y._________ und Trägerin des Rechts auf Abzug der gewerbesteuerlichen Verluste dieses Betriebes sei seit jeher die Klägerin. Sowohl der Betrieb als auch der gewerbesteuerliche Verlustvortrag der Y._________ zum 31. Dezember 2010 seien deshalb von der Klägerin ab dem 31. Dezember 2011 fortgeführt worden.
Die gesonderten Feststellungen der vortragsfähigen Gewerbeverluste für die Klägerin auf den 31. Dezember 2011 und 2012 enthielten (infolge der Anwachsung) zu Recht den Verlustvortrag der ehemaligen Y.__________. Das sei unstreitig. Die Fortführung des Verlustvortrags an diesen Stichtagen steht zudem wegen der Bestandskraft der Feststellungsbescheide nicht in Frage. Die Streitfrage reduziere sich danach allein darauf, ob die Ausgliederung/Veräußerung eines Teils der gewerblichen Betätigung der Klägerin gemäß § 10 a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) deren gewerbesteuerlichen Verlustvortrag (ganz oder teilweise) entfallen lasse. Diese Frage sei im Blick auf § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG zu verneinen.
Der gewerbesteuerliche Verlustvortrag der Klägerin sei ein für sie gesondert festgestelltes eigenständiges Besteuerungsmerkmal, dessen Nutzung bzw. dessen Untergang nicht von seinem Ursprung (seiner Entstehung) abhänge. Eine Differenzierung nach "eigenem" und "übernommenem" Verlustvortrag sei demnach ausgeschlossen. Im Rahmen des gewerbesteuerlichen Verlustabzugs (§ 10 a GewStG) einer Kapitalgesellschaft (wie der Klägerin) sei die Unternehmensidentität keine eigenständige Voraussetzung im Sinne einer "objektsteuerbezogenen" Komponente. Die Unternehmensidentität der Klägerin sei durch die Fiktion der Gesamtbetätigung einer Kapitalgesellschaft als einheitlicher Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) gegeben. Veränderungen ihrer Betätigungen stellten die Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs der Klägerin nicht in Frage. Der gewerbesteuerliche Verlustabzug einer Kapitalgesellschaft könne nur unter den - hier nicht erfüllten - Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 a Satz 10 GewStG in Verbindung mit § 8c Körperschaftsteuergesetz (KStG) untergehen.
Zum weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 25. Februar 2019, 29. April 2019 und 27. Juni 2019 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gewerbesteuermeßbescheid 2013 vom _________ und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2013 vom __________ in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ____________ dahingehend zu ändern, daß der verbleibende Verlustvortrag / der vortragsfähige Gewerbeverlust um einen weiteren Verlust in Höhe von 34.793.699,00 € erhöht wird; hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt weiterhin,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen; hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. Ergänzend führt er aus, im Jahr 2011 hätten zunächst zwei der Gewerbesteuer unterliegende Gewerbebetriebe existiert. Dies seien die Y._________ sowie die Q.__________ gewesen. In der Folge sei noch im Jahr 2011 die KG der GmbH nach § 738 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) an gewachsen. Diese Anwachsung - die ipso iure eingetreten sei - stelle einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge dar (BFH Beschluss vom 19. Februar 1996, Vlll B 3/95, BFH/NV 1996, 685 [BFH 19.02.1996 - VIII B 3/95]). Aus gewerbesteuerlicher Sicht führe diese Gesamtrechtsnachfolge nicht zum Ende des Gewerbebetriebs der KG. Die KG als solche habe zwar nicht mehr fortbestanden. Der Gewerbebetrieb - als Gegenstand der Gewerbesteuer - habe jedoch weiter existiert, sowohl tatsächlich als auch gewerbesteuerrechtlich. Konsequenz hieraus sei, daß die GmbH durch die Anwachsung fortan über zwei Gewerbebetriebe verfügt habe.
Hinsichtlich dieser zwei Gewerbebetriebe bestehe bei isolierter Betrachtung von § 2 Abs. 1 GewStG keine Möglichkeit der Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen des jeweils anderen Gewerbebetriebs, da es sich um eigenständige Gewerbebetriebe handelt. Die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG räume jedoch Kapitalgesellschaften die Verrechnung ein, in dem es einen Gewerbebetrieb fingiert. Dies bedeutet, dass vorliegend eine Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen der beiden Gewerbebetriebe möglich ist, solange die GmbH beide Gewerbebetriebe inne hat. Damit unterscheide sich die Rechtslage von der, wenn die KG einem Einzelunternehmen angewachsen wäre. ln einem solchen Fall sei eine Verrechnung von Verlusten und Gewinnen der zwei Gewerbebetriebe - mangels einer § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG vergleichbaren Regelung - ausgeschlossen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Steuerakten der Klägerin und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO).
1. Die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbesteuerverlustes für die Vorjahre 2011 und 2012 ist zutreffend zugunsten der Klägerin erfolgt, denn diese hat infolge der Verschmelzung / Anwachsung den Gewerbebetrieb der Y._________ weitergeführt (vgl. hierzu Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 28. Oktober 2010, 11 K 3637/09, EFG 2011, 477). Der vortragsfähige Gewerbeverlust ist nicht gemäß § 2 Abs. 5 i.V.m. § 10a Abs. 8 des Gewerbesteuergsetzes (GewStG) deswegen untergegangen, weil die Klägerin im Streitjahr 2013 den - von der Y._________ stammenden - operativen Geschäftsbereich veräußert hat:
a) Nach § 2 Abs. 2 GewStG handelt es sich bei dem Gewerbebetrieb der dort genannten juristischen Personen - hier der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) - um einen Gewerbebetrieb kraft Rechtsform. Die Gewerbesteuerpflicht knüpft alleine an die Rechtsform an, auf die Art und Umfang der Tätigkeit der GmbH kommt es nicht an. Es kann mithin für die Frage des Bestehens der Gewerbesteuerpflicht sowie der Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbesteuerverlustes nicht darauf ankommen, ob eine GmbH einen ihrer Geschäftszweige ausweitet, einstellt oder veräußert. Es kann auch nicht darauf ankommen, ob die GmbH einzelne Geschäftsbereiche selbst aufbaut oder hinzuerwirbt - sei es durch Kauf oder durch Anwachsung / Gesamtrechtsnachfolge wie im Streitfall. Denn die Fiktion des Gewerbebetriebes kraft Rechtsform führt dazu, daß der Gewerbebetrieb einer GmbH stets als ein Ganzes anzusehen ist, in die sämtliche Tätigkeiten und Geschäftszweige als Einheit einbezogen und dementsprechend vollumfänglich gewerbesteuerpflichtig sind. Auch wenn tatsächlich betriebsintern eine Trennung verschiedener Geschäftsbereiche erfolgt sein sollte, liegen gewerbesteuerrechtlich nicht mehrere Gewerbebetriebe unter dem Dach der Kapitalgesellschaft vor, sondern aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 2 Abs. 2 GewStG stets ein einheitlicher Gewerbebetrieb.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterscheiden sich Kapitalgesellschaften von natürlichen Personen bzw. Personengesellschaften in der Rechtsordnung so wesentlich, daß ihre Behandlung als Gewerbebetrieb ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit im Einzelnen sachlich gerechtfertigt erscheint (vgl. Bundesfinanzhof - BFH - Beschluß vom 03. Dezember 2003, IV B 192/03, BStBl II 2004, 303 m.w.N.).
Das Gericht hat keine Rechtsgrundlage für die Annahme des Beklagten finden können, die KG sei zwar untergegangen, habe als gewerbesteuerrechtlich eigenständiger Gewerbebetrieb unter dem Dach der GmbH weiter existiert, so daß die Klägerin durch die Anwachsung fortan über (mindestens) zwei Gewerbebetriebe verfügt habe. "Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG in vollem Umfang ein einheitlicher Gewerbebetrieb. Mehrere Tätigkeiten oder Betriebe gleicher oder verschiedener Art werden bei der Kapitalgesellschaft anders als bei einer natürlichen Person stets zu einem einzigen gewerblichen Unternehmen zusammengefaßt. Die Einheitlichkeit des Unternehmens der Kapitalgesellschaft hat zur Folge, daß Verluste aus einem Bereich mit Überschüssen aus einem anderen Bereich ausgeglichen werden und nur das Gesamtergebnis zählt." (Keß in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergsetz § 2 Tz. 3125).
b) Der Gewerbebetrieb der KG ist infolge der Verschmelzung / Anwachsung in dem Gewerbebetrieb der Klägerin aufgegangen. Er lebt nicht - weder als steuerrechtliches noch zivilrechtliches Subjekt - unter dem Dach der Klägerin fort und kann daher auch nicht im Moment der Veräußerung des von der Y.__________ stammenden operativen Geschäftsbereiches wieder aufleben mit der Folge, daß § 2 Abs. 5 i.V.m. § 10 a Satz 8 GewStG Anwendung finden könnte. Mithin gibt es keine Rechtsgrundlage für den Untergang des ursprünglich von der Y.__________ "erwirtschafteten" und im Wege der Anwachsung von der Klägerin "erworbenen" Gewerbeverlustes im Veranlagungszeitraum 2013. Die vom Beklagten genannten höchstrichterlichen Entscheidungen (Bundesfinanzhof - BFH - Urteile vom 24. April 2014, IV R 34/10, BStBl II 2017, 233 und vom 07. September 2016, IV R 31/13, BStBl II 2017, 482) sowie seine Erwägungen zur Frage der Unternehmensidentität beziehen sich sämtlich auf die Rechtslage bei Personengesellschaften und sind für den hier vorliegenden Sachverhalt nicht entscheidungserheblich.
2. Ein festgestellter vortragsfähiger Gewerbesteuerverlust einer GmbH kann ausschließlich unter den Tatbestandsvoraussetzungen der § 10 a Satz 10 GewStG i.V.m. § 8 c KStG untergehen: Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor (schädlicher Beteiligungserwerb), sind insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar (§ 8 c Abs. 1 Satz 1 KStG). Unabhängig von Satz 1 sind bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (§ 8 c Abs. 1 Satz 2 KStG). Als ein Erwerber im Sinne des Satzes 1 und 2 gilt auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen (§ 8c Abs. 1 Satz 3 KStG).
Der Beklagte hat weder vorgetragen noch ergibt sich aus den von ihm vorgelegten Akten, daß auf der Gesellschafterebene der (mehrfach umfirmierten) Klägerin ein Wechsel stattgefunden hat. Es ist insoweit kein Grund ersichtlich, warum die Klägerin den festgestellten steuerlichen Verlust verlieren sollte.
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe gegeben ist. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO: Die zugrundeliegende Rechtsfrage wird weder seit längerer Zeit in der Literatur kontrovers diskutiert (die Zitierung einer ohne jegliche Begründung geäußerten Kommentarmeinung vermag das Gericht nicht als "Diskussion einer Rechtsfrage" anzusehen) noch ist sie ersichtlich für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen von Bedeutung. Eine Entscheidung des BFH erscheint auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erforderlich.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund § 151 Abs. 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung (ZPO).
- Klägerin -
Prozeßbevollmächtigter:
gegen
- Beklagter -
wegen gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2013 und Gewerbesteuermeßbetrag 2013
hat der 5. Senat durch die Richterin ________ gemäß §§ 5 Abs. 3 Satz 1, 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung als Einzelrichterin auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 07. September 2020 für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Der Gewerbesteuermeßbescheid 2013 vom ___________ in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ___________ wird dahingehend geändert, daß der verbleibende Verlustvortrag um einen weiteren Verlust in Höhe von 34.793.699,00 € erhöht wird.
2.
Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2013 vom ___________ in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom __________ wird dahingehend geändert, daß der vortragsfähige Gewerbeverlust um einen weiteren Verlust in Höhe von 34.793.699,00 € erhöht wird.
3.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4.
Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
5.
Das Urteil wird hinsichtlich der Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob ein festgestellter vortragsfähiger Gewerbeverlust aufgrund der Veräußerung eines (Teil-)Betriebes der Klägerin untergegangen ist.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Unternehmensgegenstand ist das Halten und Verwalten von Beteiligungen aller Art, insbesondere an in der ________technik tätigen Gesellschaften. In den Jahren 2015 / 2016 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung betreffend die Veranlagungszeiträume 2011 bis 2013 durch die Großbetriebsprüfung X.________ statt, die zur Historie des Unternehmens die folgende Feststellung traf (gekürzte Darstellung des Tatbestandes der Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2018):
1. Die Y.________ besaß zum 31. Dezember 2010 einen unstreitigen sowie bestandskräftig festgestellten gewerbesteuerlichen Verlustvortrag in Höhe von 34.793.699,00 €. Komplementärin der Y._________ war hierbei ohne Kapitaleinlage die Z.__________. Alleinige Kommanditistin dieser Y.__________ mit 100% der Kapitaleinlage war die Q._________, deren Unternehmensgegenstand die Vermögensverwaltung war.
2. Mit notariellem Vertrag vom __________ wurde die Z.__________ mit der Q._________ verschmolzen. Infolge dieser Verschmelzung hatte die Y.___________ keine Komplementärin mehr, sondern nur noch eine Kommanditistin und bestand danach als KG nicht mehr fort. Das Vermögen der Y.__________ wuchs dahingehend beider Q._________ von Gesetzes wegen an.
3. Mit Gesellschafterversammlung vom __________ änderte die Q._________ Firma und Unternehmensgegenstand. Sie firmierte nun als J.________ und neuer Unternehmensgegenstand war die Be- und Verarbeitung von Eisen, Stahl und anderen Werkstoffen etc.. Die J._______ führte den Betrieb der Y._________ weiter.
4. Mit notariellem Vertrag vom _________ wurden die V.________ auf die J.________ verschmolzen.
5. Mit notariellem Vertrag vom ___________ erfolgte schließlich die Veräußerung des operativen Geschäftsbereiches der J.__________ zu Buchwerten an eine O._________.
6. Mit Gesellschafterversammlung vom _______ änderte die J._________ Firma und Unternehmensgegenstand. Sie firmierte nun als F.__________ (= die Klägerin) und neuer Unternehmensgegenstand ist das Halten und Verwalten von Beteiligungen aller Art, insbesondere an in der ________technik tätigen Gesellschaften.
Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, daß "aufgrund des mit Wirkung zum ___________ vereinbarten Asset-Deals sowie dem damit einhergehenden Wegfall der Unternehmensidentität" vormals übergegangene und noch nicht genutzte gewerbesteuerliche Verluste der früheren Y.__________ in Höhe von 34.793.699,00 € weggefallen seien und durch die Klägerin damit insoweit auch nicht mehr genutzt werden könnten (vgl. Betriebsprüfungsbericht vom __________ Tz. 57 - Seiten 14 bis 16). Der Beklagte machte sich die Auffassung der Betriebsprüfung zueigen und erließ am ____________ dementsprechend geänderte Bescheide: Der Gewerbesteuermeßbetrag 2013 wurde auf 43.897 € festgesetzt und der vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31. Dezember 2013 wurde auf 5.879.431 € festgestellt. Der gegen diese Bescheide gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom __________).
Die Klägerin erläutert zum Sachverhalt, sämtliche nachfolgend genannten Unternehmen gehörten zur U._________ und würden von der konzernleitenden W.___________ unmittelbar bzw. mittelbar beherrscht. Die Gruppe bestehe aus einer Vielzahl von Gesellschaften, die heute auf den Gebieten Rohstoffrecycling, Stahlerzeugung und -verarbeitung, Lenkungstechnik, _______technik und Guss (im Streitjahr 2013 zusätzlich noch Bahntechnik, Krantechnik, Anlagenbau und Dienstleistungen) tätig seien. Die historische Entwicklung der Gruppe habe im Jahr 1993 mit dem Kauf des Stahlstandorts P._________ von der C._________ begonnen. Sie sei in der Folge durch umfangreiche Zukäufe von Unternehmen verschiedener Rechtsformen und Geschäftszweige im In- und Ausland innerhalb eines Zeitraums von etwa 20 Jahren geprägt. Infolgedessen sei die Gruppenstruktur vor dem Streitjahr 2013 nicht klar und funktionsbezogen definiert gewesen, so daß eine zielgerichtete, rationelle und ergebnisorientierte Steuerung erschwert worden sei. Vor diesem Hintergrund habe man ab dem Jahr 2013 eine klare Trennung zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen herbeigeführt, diese auf mittlerweile neu definierte Kernbereiche reduziert und die Gesellschaften der einzelnen Sparten unter Zwischen-(Sparten-)Holdings zusammengefaßt.
Die Klägerin führt aus, Unternehmerin des Betriebes der ehemaligen Y._________ und Trägerin des Rechts auf Abzug der gewerbesteuerlichen Verluste dieses Betriebes sei seit jeher die Klägerin. Sowohl der Betrieb als auch der gewerbesteuerliche Verlustvortrag der Y._________ zum 31. Dezember 2010 seien deshalb von der Klägerin ab dem 31. Dezember 2011 fortgeführt worden.
Die gesonderten Feststellungen der vortragsfähigen Gewerbeverluste für die Klägerin auf den 31. Dezember 2011 und 2012 enthielten (infolge der Anwachsung) zu Recht den Verlustvortrag der ehemaligen Y.__________. Das sei unstreitig. Die Fortführung des Verlustvortrags an diesen Stichtagen steht zudem wegen der Bestandskraft der Feststellungsbescheide nicht in Frage. Die Streitfrage reduziere sich danach allein darauf, ob die Ausgliederung/Veräußerung eines Teils der gewerblichen Betätigung der Klägerin gemäß § 10 a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) deren gewerbesteuerlichen Verlustvortrag (ganz oder teilweise) entfallen lasse. Diese Frage sei im Blick auf § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG zu verneinen.
Der gewerbesteuerliche Verlustvortrag der Klägerin sei ein für sie gesondert festgestelltes eigenständiges Besteuerungsmerkmal, dessen Nutzung bzw. dessen Untergang nicht von seinem Ursprung (seiner Entstehung) abhänge. Eine Differenzierung nach "eigenem" und "übernommenem" Verlustvortrag sei demnach ausgeschlossen. Im Rahmen des gewerbesteuerlichen Verlustabzugs (§ 10 a GewStG) einer Kapitalgesellschaft (wie der Klägerin) sei die Unternehmensidentität keine eigenständige Voraussetzung im Sinne einer "objektsteuerbezogenen" Komponente. Die Unternehmensidentität der Klägerin sei durch die Fiktion der Gesamtbetätigung einer Kapitalgesellschaft als einheitlicher Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) gegeben. Veränderungen ihrer Betätigungen stellten die Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs der Klägerin nicht in Frage. Der gewerbesteuerliche Verlustabzug einer Kapitalgesellschaft könne nur unter den - hier nicht erfüllten - Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 a Satz 10 GewStG in Verbindung mit § 8c Körperschaftsteuergesetz (KStG) untergehen.
Zum weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 25. Februar 2019, 29. April 2019 und 27. Juni 2019 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gewerbesteuermeßbescheid 2013 vom _________ und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2013 vom __________ in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ____________ dahingehend zu ändern, daß der verbleibende Verlustvortrag / der vortragsfähige Gewerbeverlust um einen weiteren Verlust in Höhe von 34.793.699,00 € erhöht wird; hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt weiterhin,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen; hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. Ergänzend führt er aus, im Jahr 2011 hätten zunächst zwei der Gewerbesteuer unterliegende Gewerbebetriebe existiert. Dies seien die Y._________ sowie die Q.__________ gewesen. In der Folge sei noch im Jahr 2011 die KG der GmbH nach § 738 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) an gewachsen. Diese Anwachsung - die ipso iure eingetreten sei - stelle einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge dar (BFH Beschluss vom 19. Februar 1996, Vlll B 3/95, BFH/NV 1996, 685 [BFH 19.02.1996 - VIII B 3/95]). Aus gewerbesteuerlicher Sicht führe diese Gesamtrechtsnachfolge nicht zum Ende des Gewerbebetriebs der KG. Die KG als solche habe zwar nicht mehr fortbestanden. Der Gewerbebetrieb - als Gegenstand der Gewerbesteuer - habe jedoch weiter existiert, sowohl tatsächlich als auch gewerbesteuerrechtlich. Konsequenz hieraus sei, daß die GmbH durch die Anwachsung fortan über zwei Gewerbebetriebe verfügt habe.
Hinsichtlich dieser zwei Gewerbebetriebe bestehe bei isolierter Betrachtung von § 2 Abs. 1 GewStG keine Möglichkeit der Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen des jeweils anderen Gewerbebetriebs, da es sich um eigenständige Gewerbebetriebe handelt. Die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG räume jedoch Kapitalgesellschaften die Verrechnung ein, in dem es einen Gewerbebetrieb fingiert. Dies bedeutet, dass vorliegend eine Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen der beiden Gewerbebetriebe möglich ist, solange die GmbH beide Gewerbebetriebe inne hat. Damit unterscheide sich die Rechtslage von der, wenn die KG einem Einzelunternehmen angewachsen wäre. ln einem solchen Fall sei eine Verrechnung von Verlusten und Gewinnen der zwei Gewerbebetriebe - mangels einer § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG vergleichbaren Regelung - ausgeschlossen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Steuerakten der Klägerin und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO).
1. Die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbesteuerverlustes für die Vorjahre 2011 und 2012 ist zutreffend zugunsten der Klägerin erfolgt, denn diese hat infolge der Verschmelzung / Anwachsung den Gewerbebetrieb der Y._________ weitergeführt (vgl. hierzu Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 28. Oktober 2010, 11 K 3637/09, EFG 2011, 477). Der vortragsfähige Gewerbeverlust ist nicht gemäß § 2 Abs. 5 i.V.m. § 10a Abs. 8 des Gewerbesteuergsetzes (GewStG) deswegen untergegangen, weil die Klägerin im Streitjahr 2013 den - von der Y._________ stammenden - operativen Geschäftsbereich veräußert hat:
a) Nach § 2 Abs. 2 GewStG handelt es sich bei dem Gewerbebetrieb der dort genannten juristischen Personen - hier der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) - um einen Gewerbebetrieb kraft Rechtsform. Die Gewerbesteuerpflicht knüpft alleine an die Rechtsform an, auf die Art und Umfang der Tätigkeit der GmbH kommt es nicht an. Es kann mithin für die Frage des Bestehens der Gewerbesteuerpflicht sowie der Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbesteuerverlustes nicht darauf ankommen, ob eine GmbH einen ihrer Geschäftszweige ausweitet, einstellt oder veräußert. Es kann auch nicht darauf ankommen, ob die GmbH einzelne Geschäftsbereiche selbst aufbaut oder hinzuerwirbt - sei es durch Kauf oder durch Anwachsung / Gesamtrechtsnachfolge wie im Streitfall. Denn die Fiktion des Gewerbebetriebes kraft Rechtsform führt dazu, daß der Gewerbebetrieb einer GmbH stets als ein Ganzes anzusehen ist, in die sämtliche Tätigkeiten und Geschäftszweige als Einheit einbezogen und dementsprechend vollumfänglich gewerbesteuerpflichtig sind. Auch wenn tatsächlich betriebsintern eine Trennung verschiedener Geschäftsbereiche erfolgt sein sollte, liegen gewerbesteuerrechtlich nicht mehrere Gewerbebetriebe unter dem Dach der Kapitalgesellschaft vor, sondern aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 2 Abs. 2 GewStG stets ein einheitlicher Gewerbebetrieb.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterscheiden sich Kapitalgesellschaften von natürlichen Personen bzw. Personengesellschaften in der Rechtsordnung so wesentlich, daß ihre Behandlung als Gewerbebetrieb ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit im Einzelnen sachlich gerechtfertigt erscheint (vgl. Bundesfinanzhof - BFH - Beschluß vom 03. Dezember 2003, IV B 192/03, BStBl II 2004, 303 m.w.N.).
Das Gericht hat keine Rechtsgrundlage für die Annahme des Beklagten finden können, die KG sei zwar untergegangen, habe als gewerbesteuerrechtlich eigenständiger Gewerbebetrieb unter dem Dach der GmbH weiter existiert, so daß die Klägerin durch die Anwachsung fortan über (mindestens) zwei Gewerbebetriebe verfügt habe. "Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG in vollem Umfang ein einheitlicher Gewerbebetrieb. Mehrere Tätigkeiten oder Betriebe gleicher oder verschiedener Art werden bei der Kapitalgesellschaft anders als bei einer natürlichen Person stets zu einem einzigen gewerblichen Unternehmen zusammengefaßt. Die Einheitlichkeit des Unternehmens der Kapitalgesellschaft hat zur Folge, daß Verluste aus einem Bereich mit Überschüssen aus einem anderen Bereich ausgeglichen werden und nur das Gesamtergebnis zählt." (Keß in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergsetz § 2 Tz. 3125).
b) Der Gewerbebetrieb der KG ist infolge der Verschmelzung / Anwachsung in dem Gewerbebetrieb der Klägerin aufgegangen. Er lebt nicht - weder als steuerrechtliches noch zivilrechtliches Subjekt - unter dem Dach der Klägerin fort und kann daher auch nicht im Moment der Veräußerung des von der Y.__________ stammenden operativen Geschäftsbereiches wieder aufleben mit der Folge, daß § 2 Abs. 5 i.V.m. § 10 a Satz 8 GewStG Anwendung finden könnte. Mithin gibt es keine Rechtsgrundlage für den Untergang des ursprünglich von der Y.__________ "erwirtschafteten" und im Wege der Anwachsung von der Klägerin "erworbenen" Gewerbeverlustes im Veranlagungszeitraum 2013. Die vom Beklagten genannten höchstrichterlichen Entscheidungen (Bundesfinanzhof - BFH - Urteile vom 24. April 2014, IV R 34/10, BStBl II 2017, 233 und vom 07. September 2016, IV R 31/13, BStBl II 2017, 482) sowie seine Erwägungen zur Frage der Unternehmensidentität beziehen sich sämtlich auf die Rechtslage bei Personengesellschaften und sind für den hier vorliegenden Sachverhalt nicht entscheidungserheblich.
2. Ein festgestellter vortragsfähiger Gewerbesteuerverlust einer GmbH kann ausschließlich unter den Tatbestandsvoraussetzungen der § 10 a Satz 10 GewStG i.V.m. § 8 c KStG untergehen: Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor (schädlicher Beteiligungserwerb), sind insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar (§ 8 c Abs. 1 Satz 1 KStG). Unabhängig von Satz 1 sind bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (§ 8 c Abs. 1 Satz 2 KStG). Als ein Erwerber im Sinne des Satzes 1 und 2 gilt auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen (§ 8c Abs. 1 Satz 3 KStG).
Der Beklagte hat weder vorgetragen noch ergibt sich aus den von ihm vorgelegten Akten, daß auf der Gesellschafterebene der (mehrfach umfirmierten) Klägerin ein Wechsel stattgefunden hat. Es ist insoweit kein Grund ersichtlich, warum die Klägerin den festgestellten steuerlichen Verlust verlieren sollte.
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe gegeben ist. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO: Die zugrundeliegende Rechtsfrage wird weder seit längerer Zeit in der Literatur kontrovers diskutiert (die Zitierung einer ohne jegliche Begründung geäußerten Kommentarmeinung vermag das Gericht nicht als "Diskussion einer Rechtsfrage" anzusehen) noch ist sie ersichtlich für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen von Bedeutung. Eine Entscheidung des BFH erscheint auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erforderlich.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund § 151 Abs. 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung (ZPO).