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  • 26.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133616

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 15.05.2013 – 2 K 2949/12 Kg

    Berufsausbildung ist jede ernstlich betriebene Vorbereitung auf einen künftigen Beruf. Dieser Begriff ist grundsätzlich weit auszulegen. Auf den deutlich engeren Begriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. darf nicht zurückgegriffen werden. Eine neben der Berufsausbildung ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit - hier studienintegrierte praktische Ausbildung zum Steuerfachangestellten während eines dualen Studiums zum Bachelor Steuerrecht - ist grundsätzlich unschädlich.


    FG Münster v. 15.05.2013

    2 K 2949 / 12 Kg

    Tatbestand

    Zu entscheiden ist, ob sich der Sohn der Klägerin noch in einer Erstausbildung bzw. in einem Erststudium i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 Einkommensteuergesetz (EStG) i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVerG) 2011 (n.F.) befindet.

    Die Klägerin bezog laufend Kindergeld für ihren am xx.yy.1988 geborenen Sohn Q.. Dieser nahm nach dem Abitur am 01.09.2008 eine duales Studium zum Bachelor in dem Studiengang Steuerrecht an der Hochschule für Ökonomie & Management in F-Stadt auf (F). Das Studium sollte enden am 29.02.2012. Parallel absolvierte er eine studienintegrierte praktische Ausbildung zum Steuerfachangestellten. Diese Ausbildung begann er am 01.08.2008. Im Juni 2011 legte er die Prüfung zum Steuerfachangestellten vor der Steuerberaterkammer xxx ab. Im März 2013 bescheinigte ihm die F den erfolgreichen Abschluss des Studiengangs Steuerrecht. Sie verlieh ihm den Titel Bachelor of Arts.

    Bis zum Abschluss seiner Ausbildung zum Steuerfachangestellten war der Kläger in der Steuerberaterpraxis N. GbR (N.) angestellt. Hier war ihm die Möglichkeit der dualen Ausbildung angeboten worden. Seit dem 01.08.2011 ist er bei den Steuerberatern T. und E. beschäftigt. Nach deren Erklärungen vom 12 .04. und 12 .06.2012 setzt der Sohn der Klägerin seine Ausbildung in dieser Steuerberaterkanzlei fort. Er werde hier studienbegleitend betreut. Ein schriftlicher Vertrag über Inhalt und Umfang der Tätigkeit liegt nicht vor. Der Sohn der Klägerin arbeitet nach eigenen Angaben mehr als 20 Stunden wöchentlich. Seine Entlohnung entspricht der eines Steuerfachangestellten.

    Der Beklagte hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 16.02.2012 ab dem 01.01.2012 auf. Gleichzeitig forderte die Beklagte das überzahlte Kindergeld für die Monate Januar und Februar 2012 zurück. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

    Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Weiterzahlung des Kindergeldes über den 01.01.2012 hinaus. Zur Begründung führt sie aus, ihr Sohn befinde sich bis zum Abschluss des dualen Studiums noch in der Ausbildung. Er habe mit Ablegen der Prüfung zum Steuerfachangestellten seine Erstausbildung noch nicht beendet. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellten der Studiengang an der F und die Ausbildung zum Steuerfachangestellten keine zwei verschiedenen Ausbildungen dar. Dem stehe schon entgegen, dass die Aufnahme des Studiums eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten zur Bedingung mache. So habe die ausbildende Steuerkanzlei N. damit geworben, dass sie eine dualen Ausbildung durchführe.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid vom 16.02.2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.07.2012 aufzuheben.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist sie zunächst auf ihre Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt sie aus, der Sohn der Klägerin habe seine Ausbildung mit Ablegen der Prüfung zum Steuerfachangestellten am 22.06.2011 erfolgreich absolviert. Bei der Ausbildung zum Steuerfachangestellten und dem Studiengang Steuerrecht an der F handele es sich um zwei verschiedene Ausbildungen. Das Studium stelle eine Zweitausbildung dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin befinde sich ihr Sohn auch nicht weiter in einem Ausbildungsverhältnis. Mit den Steuerberatern T. und E. bestehe keine entsprechende vertragliche Vereinbarung. Außerdem ergebe sich aus der Höhe der Bezüge und dem auf den Gehaltsmitteilungen ersichtlichen Personalgruppenschlüssel, dass der Sohn der Klägerin nicht als Auszubildender, sondern als Sozialversicherungspflichtiger ohne besondere Merkmale angemeldet sei. Der Sohn der Klägerin gehe nach Abschluss seiner Erstausbildung auch keiner unschädlichen Erwerbstätigkeit nach. Es liege kein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis vor. Die maßgebliche Grenze von 20 Wochenstunden werde ebenfalls überschritten.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsvortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Kindergeldakte der Beklagten verwiesen.


    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage, über die die Berichterstatterin gem. §§ 79a Abs. 3 und 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist begründet. Der Bescheid vom 16.02.2012 ist rechtswidrig. Die Klägerin wird hierdurch in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    Zu Unrecht hat die Beklagte die Kindergeldfestsetzung ab dem 01.01.2012 aufgehoben. Denn ihr Sohn befindet sich auch nach 2011 noch in der Erstausbildung bzw. in einem Erststudium.

    Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für eine Beruf ausgebildet wird. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen der Nr. 2 nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Sozialgesetzbuches sind unschädlich, § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG n.F.

    Der Sohn der Klägerin befindet sich bis zum Abschluss seines Studiums noch in der Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG.

    Berufsausbildung ist jede ernstlich betriebene Vorbereitung auf einen künftigen Beruf. Es handelt sich um einen eigenständigen Begriff, der grundsätzlich weit auszulegen ist. Auf den deutlich engeren Begriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. darf im Rahmen der Prüfung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG nicht zurückgegriffen werden. Erfasst werden alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Eine neben einer ernsthaft betriebenen Berufsausbildung ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit ist grundsätzlich unschädlich. Zur Ausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG gehört daher auch ein ernsthaft betriebenes Studium bis zu dessen Abschluss, d.h. zumindest bis zur Bekanntgabe der Prüfungsergebnisses (vgl. Schmidt/Loschelder, EStG 32. Aufl. 2013 § 32 Rz. 26, 27, 29, 49 m.w.N.).

    Nach diesen Grundsätzen befand sich der Sohn der Klägerin bis März 2013 (Verleihung des Bachelor of Arts) noch in der Ausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG. Anhaltspunkte dafür, dass das Studium angesichts der in Vollzeit ausgeübten Berufstätigkeit nicht ernsthaft betrieben wurde, bestehen nicht, da das Studium zeitnah und mit Erfolg abgeschlossen wurde.

    Der Sohn der Klägerin befand sich bis März 2013 auch noch in einer Erstausbildung bzw. in einem Erststudium i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. Ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG n.F. vorliegen, kann daher dahinstehen. Im übrigen ist unstreitig, dass der Kläger weder eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt hat noch weniger als 20 Wochenstunden tätig war.

    Die Begrifflichkeiten Erstausbildung und Erststudium sind nach Wortlaut und Zielsetzung der Vorschrift (zugunsten des Kindergeldberechtigten) sehr viel enger auszulegen als das Tatbestandsmerkmal „Berufsausbildung” in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG . Erstmalig ist die Berufsausbildung, wenn ihr weder eine andere abgeschlossene Berufsausbildung noch ein Erststudium vorausgegangen sind (Schmidt/Loschelder aaO § 32 Rz. 49 m.w.N.). Erststudium ist ein Studium, das zugleich eine erstmalige Berufsausbildung vermittelt (vgl. Schmidt/Loschelder aaO § 12 . Rz. 59 m.w.N.).

    Die Begriffe Erstausbildung und Erststudium sind dabei unter systematischen Gesichtspunkten in Abstimmung mit der Vorschrift des § 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und anderer Gesetze vom 21.07.2004 bzw. dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (n.F.) auszulegen. Denn nach § 12 Nr. 5 EStG n.F. können die Kosten einer Erstausbildung bzw. eines Erststudiums nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden. Als begleitende Maßnahme ist der Höchstbetrag für Berufsausbildungskosten i.R.d. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F von 4.000 EUR auf 6.000 EUR erhöht worden. Darüber hinaus ist mit dem StVerG 2011 die Einkünfte- und Bezügegrenze in § 32 Abs. 4 EStG für volljährige Kinder während einer erstmaligen Berufsausbildung mit Wirkung ab 2012 entfallen. Hintergrund waren befürchtete Steuerausfälle und zusätzliche Verwaltungskosten, wenn die Aufwendungen einer Erstausbildung oder eines Erststudiums als Werbungskosten oder Betriebsausgaben hätten anerkannt werden müssen (vgl. Schmidt/Loschelder aaO § 12 . Rz. 56 m.w.N.).

    Durch die Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. hat der Gesetzgeber deshalb weiter geregelt, dass die nach § 12 Nr. 5 EStG n.F. nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähigen Aufwendungen einer Erstausbildung oder eines Erststudiums grundsätzlich über die Eltern i.R.d. Familienleistungsausgleichs Berücksichtigung finden sollen. Nur Ausbildungskosten nach Abschluss einer Erstausbildung oder eines Erststudiums werden als Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei den Einkünften des Kindes berücksichtigt (vgl. Schmidt/Loschelder aaO § 32 Rz. 49 m.w.N.).

    Der BFH hat mit Urteilen vom 18.06.2009 VI R 49/07, BFH/NV 2009, 1799 und VI R 14/07, BStBl. 2010, 816 dazu Stellung genommen, wann Aufwendungen für ein Erststudium vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 5 EStG n.F. erfasst werden. Dabei hat er entschieden, dass Aufwendungen für ein sogenanntes Erststudium dann als Werbungskosten anzuerkennen sind, wenn eine – vorausgegangene – abgeschlossene Berufsausbildung vorliegt. Im Fall des Urteils zu dem Aktenzeichen VI R 49/07 hatte der Kläger nach Abschluss einer Berufsausbildung zum Koch erstmals ein Studium zum Diplom-Betriebswirt im Studiengang Hotelmanagement aufgenommen. Im zweiten Fall hatte die Klägerin nach Abschluss einer Berufsausbildung als Buchhändlerin ein Studium zur Grund, Haupt- und Realschullehrerin aufgenommen. Der BFH hat in beiden Fällen die Auffassung vertreten, dass die Kosten des Studiums als Werbungskosten abgezogen werden können, da sich die Vorschrift des § 12 Nr. 5 EStG nicht auf Umschulungen und Zweitausbildungen beziehe.

    Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein zeitgleich mit integrierter Berufsausbildung begonnenes Studium vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 5 EStG erfasst wird. Denn es liegt keine Umschulung oder Zweitausbildung nach abgeschlossener Berufsausbildung vor, wenn Studium und Berufsausbildung parallel und zeitgleich begonnen und durchgeführt werden und wenn sie sich im Sinne einer dualen Ausbildung konzeptionell bedingen und ergänzen. Dabei kann es nicht entscheidend sein, ob die studienbegleitende Berufsausbildung regelmäßig oder auch zufällig vor Abschluss des Studiums abgeschlossen wird. Es liegt vielmehr eine einheitliche Erstausbildung bzw. ein Erststudium vor, die bzw. das nach dem angestrebten Berufsziel erst mit dem Abschluss sowohl der praktischen Ausbildung als auch mit der Erlangung des angestrebten akademischen Grades beendet ist.

    Für die gebotene korrespondierende Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. bedeutet dies, dass ausbildungs- und praxisintegrierende Studiengänge (Duales Studium) als Erststudium bzw. Erstausbildung i.S. dieser Vorschrift anzusehen sind, bis der bei Aufnahme des Studiums mit integrierter Berufsausbildung angestrebte akademische Grad erreicht ist oder das Studium aus anderen Gründen beendet wird.

    Hiernach hat der Sohn der Klägerin seine Erstausbildung bzw. sein Erststudium erst in 2013 beendet. Er hat nach den vorgelegten Unterlagen an der F ein duales Studium im Studiengang Steuerrecht mit integrierter Ausbildung zum Steuerfachangestellten absolviert. Dass er die Prüfung zum Steuerfachangestellten bereits vor Abschluss des Studiums abgelegt und bestanden hat, steht der Annahme einer über das Jahr 2011 hinaus vorliegenden Erstausbildung bzw. eines Erststudiums nicht entgegen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 und § 155 FGO und § 708 Nr. 10 und § 711 Zivilprozessordnung.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 32 Abs 4 Satz 2 EStG § 32 Abs 4 Satz 3 EStG § 32 Abs 4 Satz 1 Nr 2a