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  • 03.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142604

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 26.03.2014 – 6 K 231/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Hamburg

    Urt. v. 26.03.2014

    Az.: 6 K 231/12

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen des Klägers für seine beruflich genutzte Kleidung als Werbungskosten abziehbar sind.

    Der Kläger ist seit ... bei der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg zugelassener Rechtsanwalt. Er ist seit ... 2011 angestellter Rechtsanwalt einer internationalen tätigen Wirtschaftsrechtssozietät. ....

    In der Zeit von April bis Dezember 2011 erwarb der Kläger fünf Anzüge, zwölf Hemden, drei Hosen und zwei Paar Schuhe im Gesamtwert von 3.830,95 € wie folgt:
    ESt-Akten Bl. Rechnungsdatum Artikel Anzahl Preis
    16 21.07.2011 Anzug 1 661,00 €
    21 19.09.2011 Anzug 1 534,40 €
    20 26.09.2011 Anzug 1 542,40 €
    14 03.06.2011 Anzug 1 353,00 €
    14 03.06.2011 Anzug 1 374,00 €
    11 27.04.2011 Hemd 1 69,90 €
    15 23.06.2011 Hemd 1 69,00 €
    18 05.10.2011 Hemd 1 71,20 €
    23 05.12.2011 Hemd 1 89,00 €
    13 09.05.2011 Hemd 1 49,95 €
    11 28.04.2011 Hemd 2 139,80 €
    19 26.09.2011 Hemd 2 126,40 €
    12 21.04.2011 Hemd 1 69,90 €
    17 21.07.2011 Hose 1 102,00 €
    22 28.11.2011 Hose 2 341,00 €
    12 21.04.2011 Schuhe 1 119,00 €
    12 20.04.2011 Schuhe 1 119,00 €
    Summe 3.830,95 €

    In seiner Einkommensteuererklärung für 2011 machte er bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Werbungskosten u. a. für Berufskleidung in Höhe von 1.278 € geltend. Diesen Betrag hatte der Kläger unter Berücksichtigung von Anschaffungskosten in Höhe von 3.830,95 € und einer dreijährigen Nutzungsdauer ermittelt.

    Mit Bescheid vom 13.06.2012 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2011 auf ... € fest. Dabei berücksichtigte er Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von ... €. In den Erläuterungen zur Festsetzung führte der Beklagte aus, dass Aufwendungen für Bekleidung nicht als Werbungskosten abziehbar seien, weil es sich nicht um typische Berufskleidung handele.

    Am 09.07.2012 legte der Kläger Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 27.09.2012 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

    Am 29.10.2012 hat der Kläger Klage erhoben.

    Der Kläger trägt vor:

    Die Aufwendungen für die streitgegenständliche Kleidung stellten Werbungskosten dar. Er, der Kläger, habe die Aufwendungen für die Business-Garderobe zwecks Erwerbung von Einnahmen getätigt. Sie seien in zeitlich engem Zusammenhang mit dem Beginn seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt im Anschluss an die Unterzeichnung des Anstellungsvertrages im ... 2011 und der Aufnahme seiner Tätigkeit im ... 2011 erfolgt. Diese Ausgaben seien durch seine Tätigkeit als Rechtsanwalt aufgrund der Erwartungen und Gepflogenheiten hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes angestellter Rechtsanwälte in internationalen Anwaltssozietäten auch veranlasst gewesen.

    Es handele sich um Aufwendungen für Arbeitsmittel und damit um Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinen Urteilen vom 10.11.1989 VI R 159/86 und vom 09.03.1979 VI R 171/77 stelle die streitgegenständliche Kleidung berufstypische, nämlich anwaltstypische Kleidung dar.

    Diese anwaltstypische Berufskleidung werde als selbstverständlich vorausgesetzt. Das Tragen dieser Kleidung sei üblicher Standard in internationalen Wirtschaftsrechtssozietäten und spiegele die Erwartung der Mandanten an das äußere Erscheinungsbild von Rechtsanwälten wider. Die (anwalts-) adäquate Kleidung solle der Position des Rechtsanwalts Ausdruck verleihen und seiner Tätigkeit den von den Mandanten erwarteten äußeren Rahmen geben. Dem Anwalt einer internationalen Anwaltssozietät sei es nicht möglich, seiner beruflichen Tätigkeit in Freizeitkleidung nachzugehen. So sei bei der Internetpräsenz internationaler Rechtsanwaltssozietäten ohne weiteres ersichtlich, dass ein jeder (männliche) Anwalt auf den dort gezeigten Bildern mit Anzug, Anzughemd und Krawatte zu sehen sei. Dieses sei die übliche und typische Berufskleidung. Die berufliche Verwendungsbestimmung dieser Kleidung komme auch durch ihre Unterscheidungsfunktion zum Ausdruck; durch sie grenzten sich die angestellten Rechtsanwälte vom nichtjuristischen Personal der Sozietät ab.

    Auch heute noch gelte für vor Gericht auftretende Rechtsanwälte - neben der Robenpflicht - eine gewohnheitsrechtliche Pflicht zum Tragen einer "Amtstracht", die ein weißes Hemd mit weißem Langbinder erfordere. Diese standesrechtliche Pflicht sage viel darüber aus, welches (äußerliche) Auftreten von einem Anwalt allgemein erwartet werde.

    Die verfahrensgegenständliche Bekleidung erfülle in seinem, des Klägers, Fall nahezu ausschließlich die Funktion als Berufskleidung; eine private Nutzung sei so gut wie ausgeschlossen. Es sei nicht üblich, Anzüge als normale bürgerliche Kleidung zu tragen. Es komme nur ausnahmsweise vor, dass im privaten Kontext Anzug getragen werde, nämlich bei besonders festlichen Anlässen wie Hochzeiten, Konfirmationen etc.; diese kämen typischerweise ein bis drei mal im Jahr vor.

    Ein Bürger, der im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit nicht darauf angewiesen sei, Anzug zu tragen, besitze regelhaft allenfalls ein bis zwei Anzüge. Es sei unüblich, für solche Anlässe eine größere Anzahl (etwa bis sieben) vorzuhalten. Deshalb sei es kaum möglich, überhaupt hinreichend viele private Anlässe zu finden, um bei den beschriebenen Umständen jeden Anzug im Durchschnitt auch nur mehr als ein einziges Mal zu tragen. So seien die verfahrensgegenständlichen Anzüge nahezu ausschließlich für die berufliche Verwendung bestimmt.

    Ähnliches gelte für die Anzughemden, die sich in Schnitt und Musterung/Farbgebung wesentlich von den Freizeithemden unterschieden. Diese in größerer Zahl (mehr als 20) zu privaten Anlässen zu tragen, sei weder üblich noch möglich.

    Aufwendungen für nicht typische Berufskleidung i. S. des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG seien nicht notwendigerweise Teil der allgemeinen Lebensführung, sondern könnten gleichwohl Werbungskosten darstellen. Denn der Wortlaut gebe die äußere Grenze der möglichen Auslegung vor; ihm komme bei der Gesetzesauslegung außerordentlich großes Gewicht zu. Die Nennung der typischen Berufskleidung in der vorgenannten Vorschrift sei nur beispielhaft für jede Art denkbarer Arbeitsmittel und schließe nicht die Berücksichtigung von Aufwendungen für untypische Berufskleidung aus.

    § 9 Abs. 1 EStG definiere in S. 1 allgemein die Werbungskosten, die in S. 3 - nicht abschließend - näher spezifiziert würden. Die verfahrensgegenständliche Kleidung sei ohne weiteres als ein Arbeitsmittel im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG zur Ausübung des Anwaltsberufs in einer internationalen Sozietät anzusehen; mehr noch erfüllten diese Aufwendungen die Definition der Werbungskosten in § 9 Abs. 1 S. 1 EStG.

    Eine andere Auslegung bewirke einen Verstoß gegen das (verfassungsrechtliche) objektive Nettoprinzip. Danach dürften die zur Erzielung von Einnahmen verwendeten Ausgaben des Steuerpflichtigen abgezogen werden. Nur das nach Abzug der erwerbsbedingten Aufwendungen verbleibende Nettoeinkommen stehe dem Steuerpflichtigen zur freien Verfügung; eine Unterscheidung nach typischer oder untypischer Berufskleidung treffe das objektive Nettoprinzip dabei nicht. Es komme allein darauf an, ob die Kleidung als der allgemeinen Lebensführung i. S. d. § 12 Nr. 1 S. 3 EStG zugehörig anzusehen sei; das sei im Streitfall nicht gegeben.

    Der Gesetzgeber dürfe das objektive Nettoprinzip nur aus gewichtigen Gründen einschränken. Das sei im Streitfall nicht geschehen; bei korrekter Anwendung der Regelungen des Einkommensteuergesetzes seien die verfahrensgegenständlichen Aufwendungen als Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen.

    Für die Abgrenzung von privat und beruflich veranlassten Aufwendungen komme es entscheidend auf den tatsächlichen Verwendungszweck, das heißt auf die Funktion des Wirtschaftsgutes bei den einzelnen Steuerpflichtigen an.

    Darüber hinaus erfordere der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) eine an der finanziellen Leistungsfähigkeit ausgerichtete hinreichend folgerichtige Ausgestaltung der Belastungsentscheidungen des Gesetzgebers; Ausnahmen bedürften eines besonderen sachlichen Grundes. Eine Anwendung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG aber, die die steuerliche Berücksichtigung von beruflich veranlassten Aufwendungen als Werbungskosten ausschlösse, stelle eine Abweichung von den o. g., das Einkommensteuerrecht prägenden Prinzipien dar.

    Ein Grund dafür, dass die verfahrensgegenständlichen Aufwendungen ungeachtet ihrer beruflichen Veranlassung nicht als Werbungskosten steuerlich berücksichtigt werden sollten, sei nicht ersichtlich. Zwar könne ein Grund für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen in Typisierung- und Vereinfachungserfordernissen liegen. Die gänzliche Nichtberücksichtigung der verfahrensgegenständlichen Aufwendungen verstoße jedoch gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

    Der Kläger beantragt,

    den Bescheid für 2011 über Einkommensteuer vom 13.06.2012 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.09.2012 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 1.278 € berücksichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 27.09.2012 vor:

    Nach ständiger Rechtsprechung des BFH seien als Werbungskosten nur Aufwendungen für typische Berufskleidung abzugsfähig. Die von dem Kläger geltend gemachten Anzüge, Hemden, Hosen und Schuhe zählten nicht dazu.

    Bekleidung sei notwendigerweise von jedem anzuschaffen. Die Wahl der Kleidung werde entsprechend den Einkommensverhältnissen, dem persönlichen Geschmack, dem familiären und privaten Umfeld und auch nach Gewohnheiten im Berufsleben unterschiedlich ausfallen. Die Anschaffung guter Kleidung liege heute auch privat wieder im Trend. Dass Anzüge nur bei wenigen, besonders festlichen Gelegenheiten tragbar seien, entspreche nicht mehr dem gängigen Gesellschafts- und Modebild. Auch die Argumentation, ein normaler Bürger besitze typischerweise nicht mehr als ein bis zwei Anzüge und könne auf keinen Fall mehr als 20 Anzughemden privat tragen, sei angesichts anderer Erfahrungen nicht nachvollziehbar.

    Die Anschaffung guter Kleidung sei sicherlich auch durch das Bedürfnis, bei einem als besonders empfundenen Arbeitgeber einen guten Eindruck zu hinterlassen, geprägt. Die auch privat tragbare Kleidung werde damit jedoch nicht zur Berufskleidung; eine Berücksichtigung als Werbungskosten sei nicht möglich.

    Am 26.03.2014 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden; auf die Niederschrift über diesen Termin wird Bezug genommen.

    Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten Bd. III zur Steuernummer .../.../... vorgelegen.
    Entscheidungsgründe

    I.

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

    Der Kläger ist durch die Festsetzung der Einkommensteuer auf ... € nicht in seinen Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Insbesondere stellen die Aufwendungen des Klägers für die Anschaffung der Kleidung keine Werbungskosten gemäß § 9 EStG bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit dar.

    1. a) Bei der Ermittlung der Einkünfte sind Aufwendungen als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abzuziehen, wenn sie durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist dann gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes stehen (vgl. BFH-Beschluss vom 04.07.1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).

    Die gesetzlichen Abzugstatbestände für Betriebsausgaben und Werbungskosten sind Ausdruck des in § 2 Abs. 2 EStG festgelegten objektiven Nettoprinzips. Nach diesem bemisst der Steuergesetzgeber die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht u. a. maßgebliche objektive finanzielle Leistungsfähigkeit und unterwirft der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich den Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblichen/ beruflichen) Erwerbsaufwendungen andererseits.

    b) Umgekehrt folgt aus dem objektiven Nettoprinzip, dass Aufwendungen für die Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) grundsätzlich nicht abziehbar sind. § 9 EStG ist insoweit eine auf Vermögensminderungen ausgerichtete Einkünfteermittlungsvorschrift, die eine sachgerechte Trennung der Einkommensermittlungssphäre vom Einkommensverwendungsbereich bezweckt (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Einf. EStG Anm. 2, § 9 EStG Anm. 7).

    Stehen Aufwendungen nach den Grundsätzen des Veranlassungsprinzips in keinem ausreichenden Zusammenhang mit einer steuerrelevanten Erwerbsleistung, erfüllen sie nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des Werbungskostenbegriffs gemäß § 9 EStG. Derartige Vermögensminderungen gehören als Privataufwendungen zum Einkommensverwendungsbereich; insofern spricht § 12 Nr. 1 EStG für einen Teilbereich der Einkommensverwendung, die Privatsphäre im engeren Sinne, von nichtabziehbaren Ausgaben, soweit in den dort aufgeführten Abzugsvorschriften nichts anderes bestimmt ist (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 9 EStG Anm. 29).

    Kosten der Lebensführung sind nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums (§ 32a Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 6 EStG; dazu Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 9 Rz. 81 ff.) pauschal abgegolten und grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 und des § 9 EStG entzogen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden (vgl. Ruppe, DStJG 3, 1980, S. 143 f.; BFH-Beschluss vom 21.09.2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 [BFH 21.09.2009 - GrS 1/06]).

    c) Aufwendungen für Kleidung sind ebenso wie Aufwendungen für Wohnung und Verpflegung grundsätzlich Kosten der Lebensführung; diese sind nach § 12 Nr. 1 Satz 2 des EStG auch dann nicht abzugsfähig, wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

    Die Anschaffung bürgerlicher Kleidung führt selbst dann nicht zum Werbungskostenabzug, wenn kein Zweifel besteht, dass die konkreten Kleidungsstücke so gut wie ausschließlich im Beruf getragen werden (vgl. BFH-Urteil vom 06.12.1990 IV R 65/90, BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348, 349 [BFH 06.12.1990 - IV R 65/90]). Die Berücksichtigung der Aufwendungen für Bekleidung als Werbungskosten scheidet wegen des Abzugsverbots des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG bereits immer dann aus, wenn die private Benutzung eines Kleidungsstücks als bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt. Auch wenn die konkreten Kleidungsstücke ohne die beruflichen Gründe überhaupt nicht angeschafft worden wären und sie der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienen sollen, ist das Tragen bürgerlicher Kleidung jedenfalls auch gleichzeitig deswegen der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen, weil es dem menschlichen Bedürfnis nach Bekleidung Rechnung trägt (BFH-Urteil vom 20.03.1992 VI R 55/89, BFHE 168, 83, BStBl II 1993, 192 [BFH 20.03.1992 - VI R 55/89]).

    d) Inwieweit gleichwohl ein etwa gegebener beruflicher Mehraufwand zu berücksichtigen ist, bleibt danach in erster Linie der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen (vgl. BFH-Beschluss vom 21.09.2009 GrS 1/06, a. a. O.).

    Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG ist "typische Berufskleidung" als Werbungskosten abziehbar. Sie liegt vor, wenn sie ihrer Beschaffenheit nach objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Verwendung bestimmt und wegen der Eigenart des Berufs nötig ist (vgl. BFH-Urteile vom 09.03.1979 VI R 171/77, BFHE 127, 522, BStBl II 1979, 519, und vom 06.12.1990 IV R 65/90, BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348 [BFH 06.12.1990 - IV R 65/90]). Dieser in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG ausdrücklich zugelassene Abzug der Aufwendungen für typische Berufskleidung hat nicht nur klarstellenden, sondern auch rechtsbegründenden Charakter; erst aus der Subsumtion unter diese Norm ergibt sich die Abzugsfähigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 20.11.1979 VI R 143/77, BFHE 129, 153, BStBl II 1980, 73 [BFH 20.11.1979 - VI R 143/77]).

    Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ist die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG nach Sinn und Zweck der Regelung des § 12 Nr. 1 EStG, zur Wahrung der verfassungsmäßig gebotenen gleichmäßigen Besteuerung der Steuerpflichtigen und nach dem Gebot der Folgerichtigkeit auch restriktiv auszulegen. Nur die durch typische Berufskleidung entstandenen Aufwendungen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG "auch Werbungskosten", nicht jedoch solche Aufwendungen, die auch anderen Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass sie während der Ausübung ihres Berufes bekleidet sind (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 10.12.2008 7 K 166/08, EFG 2010, 707). § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG ist demzufolge eine Ausnahmevorschrift, die Aufwendungen für bürgerliche Kleidung in ihrem Regelungsbereich nicht umfasst, da sie nicht zu den "Aufwendungen für typische Berufskleidung" gehören.

    Danach können nur solche Kleidungsstücke zur typischen Berufskleidung gehören, deren Verwendung für Zwecke der privaten Lebensführung aufgrund berufsspezifischer Eigenschaften so gut wie ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzung ist gegeben für Amtstrachten (BFH-Urteil vom 24.01.1958 VI 278/56 U, BFHE 66, 303), den schwarzen Anzug eines Leichenbestatters (BFH-Urteil vom 30.09.1970 I R 33/69, BFHE 100, 243, BStBl II 1971, 50 [BFH 30.09.1970 - I R 33/69]) und eines katholischen Geistlichen (BFH-Urteil vom 10.11.1989 VI R 159/86, BFH/NV 1990, 288), den Frack eines Kellners (BFH-Urteil vom 09.03.1979 VI R 171/77, BStBl II 1979, 519, BFHE 127, 522 [BFH 09.03.1979 - VI R 171/77]), weiße Arztkittel (vgl. BFH-Urteil vom 06.12.1990 IV R 65/90, BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348 [BFH 06.12.1990 - IV R 65/90]), den Cut eines Empfangschefs (BFH-Urteil vom 18.04.1991 IV R 13/90, BFHE 164, 419, BStBl II 1991, 751 [BFH 18.04.1991 - IV R 13/90]), uniformähnliche Dienstkleidung der Mitarbeiter einer Luftverkehrsgesellschaft (Hessisches Finanzgericht Urteil vom 09.03.1992 4 K 2725/90, EFG 1993, 648) sowie für Arbeitsanzüge (z.? B. der Bergleute), Schutzhelme, Sicherheitsschuhe, Uniformen (Thürmer in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, EStG § 9, Rdn. 458).

    Ein Abzug als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG kommt demzufolge nur in Betracht, wenn sich der berufsbezogene Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 19.10.1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 [BFH 19.10.1970 - GrS - 2/70]; vom 27.11.1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 [BFH 27.11.1978 - GrS - 8/77] sowie Urteil vom 06.07.1989 IV R 91-92/87, BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49).

    2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellen die Aufwendungen des Klägers als angestellter Rechtsanwalt für die Anschaffung von Anzügen, Hemden und Schuhen keine Werbungskosten i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG dar.

    Dies gilt selbst unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger die Kleidung eigens zur Nutzung im Beruf angeschafft, diese ganz überwiegend anlässlich seiner beruflichen Tätigkeit getragen hat und die Aufwendungen infolge der beruflichen Gepflogenheiten besonders hoch sind (vgl. BFH-Urteile vom 06.07.1989 IV R 91-92/87, BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49 unter Aufgabe der teilweise gegenteiligen Ansicht im Urteil vom 11.11.1976 IV R 3/73; vom 18.04.1991 IV R 13/90 , a. a. O.).

    Bei den von dem Kläger im Streitjahr zu Beginn seiner Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt in einer Wirtschaftssozietät angeschafften Anzügen, Hemden und Schuhen handelt es sich um Kleidungsstücke, wie sie allgemein zur Herrenmode gerechnet werden.

    Damit ist diese Bekleidung entgegen der Auffassung des Klägers nicht der typischen Berufskleidung i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG zuzurechnen. Sie gehört vielmehr zu der Art von Kleidung (Business-Kleidung), die zwar im beruflichen Umfeld des Klägers erwartet wird, die aber ihrer Beschaffenheit nach - auch nach dem Vortrag des Klägers - gleichermaßen bei besonderen privaten Anlässen wie Teilnahme an Empfängen, Geburtstagen, Hochzeiten, Konfirmationen, Besuch einer Oper oder ähnlichen Veranstaltungen getragen werden kann. Die Benutzung einer solchen Bekleidung als normale bürgerliche Kleidung liegt im Rahmen des Möglichen und Üblichen.

    Da im Streitfall eine private Nutzungsmöglichkeit der Kleidung objektiv nicht so gut wie ausgeschlossen ist, fehlt es für die Abzugsfähigkeit der insoweit entstandenen Aufwendungen an der erforderlichen Abgrenzbarkeit zu den nicht berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für die private Lebensführung nach zuverlässigen objektiven und leicht nachprüfbaren Maßstäben; ohne eine derartige Abgrenzungsmöglichkeit aber ist eine Aufteilung der Aufwendungen und ggf. teilweise Zurechnung zu den Werbungskosten oder Betriebsausgaben mit dem Regelungsgehalt des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG unvereinbar (vgl. BFH-Urteil vom 06.07.1989 IV R 91-92/87, BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49; Beschluss vom 13.11.2013 VI B 40/13, BFH/NV 2014, 335).

    Danach können die Aufwendungen des Klägers für die Business-Kleidung, die vorrangig zur Nutzung aus beruflichen Gründen erworben wurde, nicht den Werbungskosten zugerechnet werden, da eine private Nutzungsmöglichkeit auch nur bei gelegentlichen besonderen privaten Anlässen, objektiv nicht ganz oder jedenfalls nicht nahezu ausgeschlossen werden kann.

    Der erkennende Senat teilt schließlich die von dem Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den begrenzten Abzug der Aufwendungen für typische Berufskleidung nicht. Mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 des Grundgesetzes) wäre es nicht vereinbar, dass Steuerpflichtige, die während der Ausübung ihres Berufes keine Businesskleidung, jedoch ebenso wie der Kläger Jacketts, Hosen, Hemden und Schuhe tragen, die Aufwendungen für ihre Kleidung nicht abziehen können, dem Kläger dies jedoch nur deshalb gestattet würde, weil von ihm das Tragen dieser Kleidungsstücke in anwaltstypischer Ausführung erwartet wird (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 10.12.2008 7 K 166/08, a. a. O.).

    II.

    Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Die Frage der Abzugsfähigkeit von Berufskleidung als Werbungskosten ist höchstrichterlich geklärt.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 2 Abs. 2 EStG; § 4 Abs. 4 EStG; § 9 Abs. 1 S. 1, 3 Nr. 6 EStG; § 12 Nr. 1 EStG