10.11.2017 · IWW-Abrufnummer 197559
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 29.08.2017 – 4 K 2296/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes
Verkündet am: 29.08.2017
Urteil
4 K 2296/15
In dem Finanzrechtsstreit
des Herrn
- Kläger -
prozessbevollmächtigt: Rechtsanwälte
gegen
die Landesfamilienkasse
- Beklagte -
wegen Kindergeld
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 4. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. August 2017 durch den Richter am Finanzgericht Wick als Einzelrichter
für Recht erkannt:
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 2015 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2015 dazu verpflichtet, gegenüber dem Kläger Kindergeld betreffend sein Enkelkind M für die Monate Juni 2015 bis einschließlich November 2015 festzusetzen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der von der Beklagten zu tragenden Kosten zugunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Festsetzung von Kindergeld.
Im April 2013 beantrage der Kläger die Bewilligung von Kindergeld für seine drei leiblichen Kinder C, L und N sowie für sein am 30.03.2013 geborenes Enkelkind M bei der damaligen Oberfinanzdirektion. Er gab an, dass M die Tochter seiner eigenen Tochter C (geb.: 18.12.1989) und des „Ch“ sei, welcher unbekannten Aufenthalts sei. Seine drei eigenen Kinder sowie sein Enkelkind lebten in seinem Haushalt. Mit der Zahlung des Kindergeldes an den Kläger erklärten sich die Tochter des Klägers („C“) sowie die Ehefrau des Klägers (A. K.) durch ihre Unterschriften einverstanden.
Im Schreiben vom 20.04.2015 informierte der Kläger - wie bereits telefonisch mitgeteilt - die Behörde darüber, dass seine Tochter C zusammen mit seiner Enkeltochter M Anfang Mai eine eigene Wohnung beziehen werde. M werde bei ihnen - dem Kläger und seiner Frau - ein Zimmer behalten, regelmäßig bei ihnen übernachten und von ihnen betreut werden. Dadurch könnten sie ihre alleinstehende und studierende Tochter C bei der Erziehung unterstützen. Seines Erachtens werde diese Unterstützung über das übliche Maß dessen hinausgehen, was „normale“ Großeltern gegenüber ihrem Enkelkind erbrächten. Daher könne davon ausgegangen werden, dass M auch weiterhin zu ihrem Haushalt gehöre. Es werde um Prüfung gebeten, ob das Kindergeld für M auch weiterhin an ihn - den Kläger - ausgezahlt werden könne.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 hob die Landesfamilienkasse gegenüber dem Kläger die „bisher maßgebliche“ Festsetzung des Kindergeldes für das Enkelkind M mit Wirkung ab dem 01.06.2015 nach § 70 Abs. 2 EStG auf. Das Kindergeld stehe ihm ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu, weil das Enkelkind nicht mehr zu seinem Haushalt gehöre.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 15.06.2016 Einspruch ein.
Zur Begründung führte er aus, dass seine Tochter C zusammen mit der Enkeltochter M eine gemeinsame Wohnung in M bezogen habe; Umzugstermin sei der 09./10. Mai 2015 gewesen. Seine Tochter sei alleinerziehend und studiere derzeit an der Universität K. Um dies zu bewältigen zu können, werde sie von ihnen - dem Kläger und seiner Ehefrau - bei der Betreuung und Erziehung von M auch weiterhin umfangreich unterstützt. Dabei gehe diese Unterstützung weit über bloße Besuche hinaus, so dass M sowohl zum Haushalt seiner Tochter C als auch (weiterhin) zu seinem Haushalt zugehörig anzusehen sei. Exemplarisch stelle sich der übliche Wochenablauf wie folgt dar, wobei M an den Wochentagen in der Zeit von ca. 8 bis 14 Uhr den Kindergarten besuche:
So Betreuung ab nachmittags und Übernachtung bei dem Kläger und seiner Ehefrau
Mo Betreuung und Übernachtung bei seiner Tochter
Di. Betreuung bis abends bei dem Kläger und seiner Ehefrau, Übernachtung meist bei seiner Tochter
Mi. Betreuung und Übernachtung bei dem Kläger und seiner Ehefrau
Do. Betreuung bis abends, Übernachtung bei seiner Tochter
Fr. Betreuung und Übernachtung bei seiner Tochter
Sa. wechselseitige Betreuung und Übernachtung
Darüber hinaus halte sich seine Tochter C zusammen mit M auch weiterhin häufig bei ihm und seiner Ehefrau auf. Diese Aufstellung sei nicht fixiert und solle nur beispielhaft den normalen Wochenablauf darstellen. So sei es beispielsweise letzten Monat so gewesen, dass sie - der Kläger und seine Ehefrau - die Betreuung an einem Wochenende von Donnerstag bis Montag komplett übernommen gehabt hätten. Die besondere Situation verlange naturgemäß eine hohe Flexibilität sowohl von ihnen als auch von seiner Tochter C. M habe sowohl bei ihnen als auch bei seiner Tochter C ein eigens eingerichtetes Zimmer. Wenn sich M bei ihnen aufhalte, werde sie von ihnen verpflegt, betreut, getröstet, erzogen, gewaschen, gebadet, gewickelt, zum Turnen gefahren, mit ihr gespielt und vieles mehr; sie kümmerten sich umfassend um ihr Enkelkind.
Nach der Rechtsprechung sei unter Haushaltsaufnahme die Aufnahme in die Familien-gemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis familienhafter Art zu verstehen. Sie setze ein örtlich gebundenes Zusammenleben von Kind und Berechtigtem in einer gemeinsamen Familienwohnung voraus. Daneben müssten Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Nach dem BFH-Urteil vom 20. Juni 2001 (- VI R 224/98 -) gehöre ein Kind dann zum Haushalt eines Berechtigten, wenn es dort wohne, versorgt und betreut werde, so dass es sich in dessen Obhut befinde. Alle diese Voraussetzungen würden - wie dargelegt - sowohl auf sie (den Kläger und seine Ehefrau) als auch auf seine Tochter C zutreffen, so dass von einer doppelten Haushaltszugehörigkeit auszugehen sei. Für diesen Fall habe das sächsische FG mit Urteil vom 24. November 2004 (- 7 K 256/04 -) die analoge Anwendung des § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG zugelassen, wonach der Kindergeldanspruch (zwar) vorrangig dem Elternteil zustehe, der Großelternteil aber dann kindergeldberechtigt sei, wenn der Elternteil auf seinen Vorrang schriftlich verzichtet habe. Seine Tochter C habe mit ihrer Unterschrift unter seinen Kindergeldantrag vom 08.04.2013 auf ihren Vorrang verzichtet, so dass das Kindergeld auch weiterhin an ihn - den Kläger - auszuzahlen sei. Nach A 23.1 Abs. 4 Satz 1 DA-KG 2014 bleibe der Verzicht wirksam, solange er nicht widerrufen werde. Seine Tochter habe ihren Verzicht nicht widerrufen. Zwar habe sie zur Fristwahrung zwischenzeitlich einen eigenen Kindergeldantrag bei der Familienkasse gestellt, diesen aber angehalten und die weitere Bearbeitung bis zur Entscheidung über seinen - des Klägers - Einspruch zurückstellen lassen.
Da M (weiterhin) zu seinem Haushalt gehöre und seine Tochter C weiterhin auf ihren Vorrang verzichte, sei die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung rechtswidrig. Sie sei zurückzunehmen bzw. das Kindergeld ab Juni 2015 wieder ihm - dem Kläger - gegenüber festzusetzen.
Zu ihrem Kindergeldantrag bei der Familienkasse erklärte die Tochter C im Schreiben vom 24.06.2015, es werde um Zurückstellung der Bearbeitung des Kindergeldantrages gebeten, bis über den Einspruch des Klägers bei der Landesfamilienkasse entschieden worden sei. Sofern dem Einspruch stattgegeben würde, würde sie weiter auf ihren Vorrang verzichten und in diesem Falle ihren eigenen Kindergeldantrag zurückziehen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2015 wies die Landesfamilienkasse (Rechtsbehelfsstelle) den Einspruch als unbegründet zurück:
Nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 EStG könnten als „Kinder“ die vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommenen Enkel berücksichtigt werden. Dabei werde für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt (§ 64 Abs. 1 EStG). § 64 Abs. 2 EStG regele den vorrangigen Kindergeldanspruch bei mehreren Berechtigten. Danach werde bei mehreren Berechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe. Sei ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so bestimmten diese untereinander den Berechtigten. Lebe ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltern, so werde das Kindergeld vorrangig einem Elternteil gezahlt; es werde an einen Großelternteil gezahlt, wenn der Elternteil gegenüber der zuständigen Stelle auf seinen Vorrang verzichtet habe.
Unter Haushaltsaufnahme sei das örtlich gebundene Zusammenleben von Kind und Berechtigtem in einer gemeinsamen Familienwohnung zu verstehen. Das Kind müsse in diesem Haushalt seine persönliche Versorgung und Betreuung finden und sich hier grundsätzlich nicht nur zeitweise, sondern „durchgängig“ aufhalten. Eine Haushalts-aufnahme sei dann gegeben, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden sei (Verweis auf die DA-KG). Eine Haushaltsaufnahme von Enkelkindern sei nur gegeben, wenn diese von einer gewissen Dauer und Beständigkeit geprägt sei. So reiche es nicht aus, dass das Kind nur tage- oder wochenweise bei den Großeltern wohne, ansonsten aber immer wieder in den elterlichen Haushalt zurückkehre, beispielsweise wegen eine Erwerbstätigkeit der Eltern, die es ihnen nicht möglich mache, das Kind dauerhaft im eigenen Haushalt zu betreuen und zu versorgen. Gleichfalls sei für die Annahme einer Haushaltsaufnahme unzureichend, wenn sich das Kind zwar für mehr als drei Monate, aber nur für einen von vornherein begrenzten Zeitraum bei den Großeltern befinde (Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 07. Dezember 2010 - III B 33/10 -).
Im Streitfall betreute - seit dem Auszug seiner Tochter und seines Enkelkindes aus seinem Haushalt - der Kläger das Enkelkind außerhalb der Kindergartenzeiten in seinem Haushalt, wobei es in der Regel zwei- bis dreimal wöchentlich bei ihm auch übernachte. Es kehre jedoch regelmäßig in den Haushalt seiner Mutter zurück. Damit lebe es nur zeitweise in seinem Haushalt, was zu keiner Aufnahme in seinen Haushalt führe. Es sei im Haushalt der Mutter C aufgenommen, die es nur deswegen nicht dauerhaft im eigenen Haushalt betreuen und versorgen könne, weil sie sich im Studium befinde.
Durch die Haushaltsaufnahme ausschließlich im Haushalt der Tochter C ergebe sich nach § 64 Abs. 2 EStG der vorrangige Kindergeldanspruch seiner Tochter. Das Enkelkind lebe seit Mitte Mai 2015 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt eines Elternteils und der Großeltern, so dass ab dem Folgemonat, als ab dem 01.06.2015, ein Vorrangverzicht seiner Tochter nicht mehr möglich sei. Diese vom Kläger in Einspruchsbegründung angesprochene Regelung in § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG greife nur im Falle eines gemeinsam Haushalts von Eltern und Großeltern. Im Übrigen habe seine Tochter den Verzicht auf den Kindergeldvorrang auf dem Antrag vom 08.04.2013 zu einem Zeitpunkt erklärt, zu dem mit dem Kläger noch in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Mit dem Auszug aus dem gemeinsamen Haushalt und der Begründung eines eigenen Haushaltes greife die gesetzliche Vorrangregelung des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG, wonach seine Tochter C wegen alleiniger Aufnahme von M in ihren Haushalt vorrangig kindergeldanspruchsberechtigt sei. Der Hinweis des Klägers auf das Urteil des sächsischen Finanzgerichts sei nicht entscheidungserheblich, weil Entscheidungen der Finanzgerichte die Familienkasse nur im entschiedenen Einzelfall binden würden.
Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger mittels PZU am 03.11.2015 zugestellt.
Der Kläger hat am 03.12.2015 durch seine Prozessbevollmächtigten Klage erhoben. Zur Begründung tragen diese vor:
Die Frage, wer das Kindergeld zu erhalten habe, regele § 64 EStG nicht unmittelbar, da dort der Fall einer Aufnahme in zwei Haushalten nicht vorgesehen sei. Da auch bei einer so genannten „mehrfachen Haushaltsaufnahme“, bei der das Kind an sich gleichzeitig in mehrere Haushalte aufgenommen sei, nur ein berechtigter Kindergeld erhalten könne, müsse zur Bestimmung des vorrangig Kindergeldberechtigten zunächst ermittelt werden, in welchem Haushalt sich das Kind überwiegend aufhalte und seinen Lebensmittelpunkt habe (Bezugnahme auf BFH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - VIII R 106/03 -). Liege eine gleichwertige Aufnahme des Kindes in mehrere Haushalte vor, sei durch analoge Anwendung des § 64 Abs. 2 Sätze 2 – 4 EStG der vorrangig Berechtigte zu ermitteln (Bezugnahme auf BFH, Urteil vom 23. März 2006 - III R 91/03 -).
Nach der als Anlage beigefügten Übersichtsliste (Bl. 12 ff. PA) werde die am 30.03.2013 geborene M im überwiegenden Maße vom Kläger und seiner Ehefrau in deren Haushalt betreut und versorgt. Die Übersicht beinhalte insgesamt 183 Tage, von denen an 87 Tagen eine Übernachtung im Haushalt des Klägers stattgefunden habe. Wenn M in den Morgenstunden bereits dort sei, halte sie sich im Haushalt des Klägers in der Zeit bis zum Beginn des Kindergartens um 8.00 Uhr auf. Sie frühstücke dann auch im Haushalt des Klägers. Soweit sie sich nachmittags dort aufhalte, nehme sie stets auch das Mittagessen im Haushalt des Klägers und in den allermeisten Fällen zusätzlich das Abendessen sei. Sie werde an diesen Tagen auch von der Ehefrau des Klägers und vom Kläger selbst, der einen Telearbeitsplatz habe, vom Kindergarten abgeholt. Dafür könne an diesen Tagen die Kindesmutter nicht sorgen. M werde an den Tagen, an denen sie morgens da sei und nicht im Haushalt des Klägers übernachte, ebenfalls von der Ehefrau des Klägers zum Kindergarten gebracht. Die Ehefrau des Klägers und er selbst stünden auch zur Verfügung, wenn im Kindergarten Not am Mann sei und dort jemand gebraucht werde, der M früher abhole, sie bei Krankheit versorge und auch zum Arzt bringe und Ähnliches.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände bedürfe es bereits keiner Erklärung der Kindesmutter und Tochter des Klägers, dass diese auf den Kindergeldvorrang verzichte, da M ihren Lebensmittelpunkt im Haushalt des Klägers habe. Rein vorsorglich werde aber nochmals eine schriftliche Erklärung übersandt, wonach die Kindesmutter auf den Kindergeldvorrang verzichte und klarstelle, dass ihre Erklärung vom 08.04.2015 auch weiterhin nach ihrem Umzug gelte.
Soweit die Beklagte das Fehlen weiterer Merkmale der Haushaltsaufnahme bestreite, sei zu ergänzen, dass auch diese Voraussetzungen vorlägen.
So würden im Haushalt des Klägers Versorgung und Unterhalt gewährt, außerdem Fürsorge und Betreuung. Genauso wenig fehle im Streitfall das dauerhaft örtlich gebundene Zusammenleben. Wäre die Argumentation der Beklagten richtig, so wäre im Falle eines Wechselmodells bei minderjährigen Kindern ein Kindergeldanspruch der Eltern überhaupt nicht gegeben. Wenn das Kind mit seinen derzeit drei Jahren gefragt wurde, wo es wohne, würde es sagen, dass es bei Opa und Oma wohne. Das hier kein Leben in Familiengemeinschaft gegeben sei, könne ernsthaft nicht in Abrede gestellt werden. Sämtlich Kosten der Unterbringung des Kindes sowie der Versorgung des Kindes inklusive Nahrung, Kleidung, Strom, Heizung, Reinigung, Wäsche waschen, Verpflegung, Einkauf von Windeln, Einkauf und Spielsachen und Kinderbüchern, Ausflüge zu Zoobesuchen und Ähnlichem würden während der Betreuungszeiten durch den Kläger und seine Ehefrau erbracht und gezahlt.
Das Zusammenleben in Familiengemeinschaft ergebe sich auch dadurch, dass das Kind im Haushalt des Klägers und seiner Ehefrau bade und dusche, dort ständig versorgt werde und aufgrund dieses Umstandes auch die Großmutter und Ehefrau des Klägers ihre Berufstätigkeit nicht wie geplant habe ausweiten können.
Das Kind M werde vollständig von dem Kläger und seiner Ehefrau betreut und versorgt. Das Waschen, Anziehen, Frühstücken, das Bringen zum und das Abholen vom Kindergarten, sofern die Mutter keine Zeit habe, das Spielen und Ähnliches würden durch die Ehefrau des Klägers und den Kläger selbst durchgeführt.
Der Beschluss des BFH vom 16. April 2008 (- III B 36/07 -) spreche sogar dafür, dass die vorherige Haushaltsaufnahme im Haushalt des Klägers und seiner Ehefrau nur gelockert und niemals aufgehoben worden sei.
Zu den weiteren Ausführungen der Beklagten werde dahingehend Stellung genommen, dass es natürlich auch im vorliegenden Falle ein dauerhaftes örtlich gebundenes Zusammenleben in der Familiengemeinschaft mit den Großeltern gebe. Die Zeiten, die in der Übersichtsliste mitgeteilt worden seien, seien auch jetzt noch die zutreffenden Zeiten. Sie spiegelten in etwa die Betreuungssituation damals wie heute wieder.
Entgegen der Annahme der Landesfamilienkasse sei es nicht so, dass während der Semesterferien bzw. während der vorlesungsfreien Zeit in 2015 der Betreuungsaufwand bei dem Kläger und seiner Ehefrau geringer gewesen sei als in der Vorlesungszeit. Die vorlesungsfreie Zeit sei im Sommersemester 2015 der Zeitraum vom 26.07. bis zum 25.10.2015 gewesen. Der Übersicht lasse sich unter anderem entnehmen, dass die Großeltern in den vorlesungsfreien Monaten (mit Ausnahme August) erheblich weniger Betreuungsstunden geleistet hätten als in den Vorlesungsmonaten. Im August 2015 (vom 14.08. – 22.08.) hätten die Großeltern mit M, ohne die Kindesmutter, einen achttägigen Urlaub in Holland verbracht. Dieser Urlaub erkläre den vermeintlich hohen Betreuungsaufwand auch in der vorlesungsfreien Zeit des Jahres 2015.
Des Weiteren halte sich M natürlich auch außerhalb der Vorlesungszeit bzw. der Zeiten, in denen sich die Tochter des Klägers mit ihrem Studium beschäftige, häufig bei den Großeltern auf und übernachte dort. Dies erkläre sich schon allein daraus, dass die Großeltern quasi den fehlenden Vater ersetzten, der sich um seine Tochter überhaupt nicht kümmere. Daher hätten die Eltern von Anfang an ein sehr enges Verhältnis zur Enkeltochter begründet. Diese Beziehung sei viel enger als ein normales Großeltern-Enkelkind-Verhältnis. Neben ihrem Studium habe die Kindesmutter auch noch eine Nebenbeschäftigung in einer Pizzeria, wodurch zusätzlich Betreuungsaufwand bei den Großeltern notwendig werde.
Wie bereits dargelegt empfinde M die Großeltern als ihre Familie.
Schließlich sei das Vorbringen der Beklagten bezüglich eines ausschließlichen vorrangigen Kindergeldanspruchs der Kindesmutter nicht nachvollziehbar. § 64 EStG diene dem Zweck, eine Doppelzahlung des Kindergeldes zu vermeiden. § 64 Abs. 2 EStG enthalte bei der Aufnahme in einen gemeinsamen Haushalt keinen absoluten Anspruch auf vorrangiges Kindergeld für die Eltern. Selbst bei der Aufnahme in einen gemeinsamen Haushalt könnten die Eltern bestimmen, dass die Großeltern das Kindergeld erhalten sollten. Weshalb dies anders sein solle, wenn das Kind in zwei verschiedene Haushalte aufgenommen sei, erschließe nicht. Jedenfalls lasse sich dies aus der Ratio des Gesetzes nicht herleiten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 2015 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2015 zu verpflichten, ihm für das Enkelkind M für die Monate Juni 2015 bis einschließlich November 2015 Kindergeld zu gewähren und auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus:
Der klägerische Hinweis auf § 64 EStG und eine mehrfache Haushaltsaufnahme verfange nicht. Er betreffe nicht das Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Großeltern als möglichen Anspruchsberechtigten. Enkelkinder, Pflegekinder und Stiefkinder könnten gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG nur dann berücksichtigt werden, wenn diese in den Haushalt der Eltern (bzw. Pflege- oder Stiefeltern) „aufgenommen“ worden seien.
Daran aber fehle es hier aus den nachfolgenden Gründen.
Voraussetzung für die Haushaltsaufnahme sei unter anderem ein dauerhaftes örtlich gebundenes Zusammenleben in einer Familiengemeinschaft. Das örtliche Merkmal lasse sich nicht durch eine funktionelle Betrachtung des Haushaltsbegriffs ersetzen. Vielmehr sei das Erfordernis des örtlich gebundenen Zusammenlebens gerade wesentliches Kriterium dafür, dass die Großeltern tatsächlich kindesbezogene Belastungen tragen würden und ihre finanzielle Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Kinderlosen gemindert sei (Bezugnahme auf BFH, Beschluss vom 14. Januar 2011 - III B 96/09 -).
Das örtliche Merkmal der Haushaltsaufnahme beziehe sich auf eine bestimmte gemeinsame Familienwohnung als ortsbezogener Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Lebensinteressen (Bezugnahme auf BFH, Beschluss vom 16. April 2008 - III B 36/07 -). Im vorliegenden Fall fehle das dauerhafte örtlich gebundene Zusammenleben in einer Familiengemeinschaft.
Eine vorrangige Berechtigtenbestimmung im Sinne von § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG erfolge nur dann, wenn „leibliche“ Eltern die gleichen Voraussetzungen erfüllten, wenn also beide in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebten. Auch wenn das Enkelkind in einem gemeinsamen Haushalt mit den Großeltern lebe, müssten die Großeltern untereinander gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG einen vorrangig Berechtigten bestimmen. Auch daran fehle es hier. Nichts anderes ergebe sich aus § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Sonderfall, dass Großeltern, Eltern und das Kind in einem gemeinsamen Haushalt lebten, werde in § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG geregelt. Diese Vorschrift sei jedoch vorliegend unerheblich und nicht einschlägig.
Im Ergebnis bleibe damit festzuhalten, dass der Kindergeldanspruch sich primär aus der Haushaltsaufnahme durch ein Elternteil (§ 64 Abs. 2 EStG) ergebe. Ein Kind, dass, wie im vorliegenden Fall, wechselweise von den Großeltern und seiner leiblichen Mutter betreut werde, sei gerade nicht in Haushalt der Großeltern aufgenommen. Insoweit sei erneut darauf hinzuweisen, dass die Haushaltsaufnahme entscheidend sei und nicht die Betreuung. Allein die Betreuung in der Zeit, in der der allein erziehende Elternteil berufstätig sei, einer Ausbildung nachgehe oder Ähnliches, begründe gerade keinen Kindergeldanspruch. Nur die ausschließliche Haushaltsaufnahme durch einen (möglichen) Berechtigten begründe ein Kindergeldanspruch. Dabei schließe die Haushaltsaufnahme der leiblichen Eltern den Kindergeldanspruch anderer Personen aus.
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers zur Betreuung, Versorgung und Kostentragung durch den Kläger und seine Ehefrau vortrage, werde verkannt, dass eine Haushaltsaufnahme durch die Großeltern nur dann vorliege, wenn sich das Enkelkind nicht nur zeitweise, sondern „durchgängig“ bei den Großeltern aufhalte und durch diese auch umfassend versorgt, betreut und erzogen werde. Daran aber fehle es hier auch nach dem weiteren Vorbringen. Der zitierte Beschluss des BFH vom 16. April 2008 (- III B 36/07 -) helfe in der Sache nicht weiter, da er einen anderen Sachverhalt - getrennt lebende Elternteile - betreffe, so dass er auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sei.
Zu dem gerichtlichen Hinweis vom 20. September 2016, wonach die Darlegungen der Klägerseite, dass M in überwiegendem Maße vom Kläger und seiner Ehefrau in deren Haushalt betreut und versorgt worden sei, substantiiert, stimmig und glaubhaft erscheine, hat der Beklagte ergänzend ausgeführt:
Unbestritten sei, dass das Kind sich im Haushalt der Großeltern in einem Umfang aufhalte, der über bloße Besuchs- und Ferienaufenthalte hinausgehe. Es fehle aber ein dauerhaftes örtlich gebundenes Zusammenleben in einer Familiengemeinschaft. So übernachte das Enkelkind durchschnittlich innerhalb einer Woche zwei bis drei Mal bei den Großeltern. Im Übrigen sei festzustellen, dass die vorgelegte Übersichtsliste über die Aufenthaltszeiten des Enkelkindes bei der Mutter, bei den Großeltern und im Kindergarten im November 2015 erstellt worden sei und (lediglich) für alle Tage ab dem 01.06.2015 detaillierte Aufenthaltszeiten ausweise. Inwieweit diese Angaben noch nach sechs Monaten die zutreffenden Zeiten wiedergeben würden, sei allerdings fraglich. Außerdem falle auf, dass auch während der Semesterferien bzw. während der vorlesungsfreien Zeit, beispielsweise im August und September 2015, kein Unterschied erkennbar sei zum Betreuungsumfang während der Vorlesungszeit. Auch dies spreche gegen den Vortrag des Klägers. Wenn der Kläger argumentieren, durch das Studium sei die alleinerziehende Tochter darauf angewiesen, dass das Enkelkind von ihm und seine Ehefrau betreut und versorgt werde, damit sie studieren könne, müsse in den vorlesungsfreien Zeiten und während der Semesterferien die Betreuung in geringerem Umfang notwendig sein. Selbst wenn man unterstelle, dass auch während der Semesterferien und der vorlesungsfreien Zeit Praktika, Prüfungen und Veranstaltungen an der Uni stattfinden würden, sei nicht nachvollziehbar, wieso die Betreuung im gleichen Umfang stattgefunden haben solle, wie während der Semester. Die Darlegungen der Klägerseite seien insoweit nicht substantiiert, stimmig und glaubhaft.
Aber selbst bei der Annahme einer mehrfachen Haushaltsaufnahme sei ein Kindergeldanspruch der Großeltern seit dem Auszug des Enkelkindes aus dem gemeinsamen Haushalt nicht begründet. In diesem Fall ergebe sich eine Kindergeldberechtigung der Kindesmutter gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Der Kläger könne nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 63 Abs. 1 Nr. 3 EStG das Kindergeld beanspruchen. Da aber nach § 64 Abs. 1 EStG nur einem Berechtigten das Kindergeld gezahlt werden könne, regele § 64 Abs. 2 EStG ausdrücklich, wer bei mehreren Berechtigten den vorrangigen Anspruch habe. Geregelt sei der Fall, in dem das Kind in einen gemeinsamen Haushalt von Eltern/einem Elternteil und den Großeltern aufgenommen worden sei. Auch hier gelte nach § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG, dass die Eltern/der Elternteil zunächst vorrangig Kindergeld berechtigt seien/sei. Der Gesetzgeber lasse allerdings bei einem gemeinsamen Haushalt zu, dass der vorrangig kinderberechtigte Elternteil auf seinen Vorrang zu Gunsten der Großeltern verzichten könne. Im Streitfall sei ab dem 01.06.2015 kein gemeinsamer Haushalt der Kindesmutter der Großeltern gegeben. Selbst für den Fall der Aufnahme sowohl in den Haushalt der Kindesmutter als auch in den Haushalt der Großeltern ergebe sich nach den gesetzlichen Vorgaben ausschließlich der vorrangige Kindergeldanspruch der Mutter.
Der Gesetzgeber habe den Fall der gleichzeitigen Haushaltsaufnahme des Kindes in den Haushalt der Eltern und denjenigen der Großeltern nicht ausdrücklich geregelt, weil nach der eindeutigen Gesetzeslage eine Regelung dieses Sachverhaltes nicht notwendig sei. Sobald das Kind nämlich in den Haushalt der Eltern/eines Elternteils aufgenommen worden sei, sei stets ein Elternteil vorrangig kindergeldberechtigt, unabhängig davon, ob das Kind noch in einen anderen Haushalt aufgenommen sei. Damit schieden alle anderen Kindergeldberechtigten für den Kindergeldanspruch aus.
So liege es hier.
Ein im Gesetz nicht konkret geregelter Sonderfall liege nur dann vor, wenn das Kind in den Haushalt beider Elternteile in annähernd gleichem Umfang aufgenommen sei. Diese Konstellation sei von der Rechtsprechung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen dahingehend entschieden worden, dass die Eltern eine Berechtigtenbestimmung treffen könnten. Ein solcher Fall sei aber im Verhältnis zwischen Großeltern und Elternteil nicht gegeben.
Mit Beschluss vom 14. Dezember 2016 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 FGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Das Gericht hat - nach Beschluss vom 01. Juni 2017 - Beweis erhoben über die Frage der Haushaltsaufnahme des Kindes M in den Haushalt des Klägers im Hinblick auf den Streitzeitraum Juni 2015 bis einschließlich November 2015 durch Vernehmung der Ehefrau des Klägers (Frau A.K.) und der Kindesmutter (C) als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29.08.2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 12. Mai 2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Beklagte ist verpflichtet, Kindergeld für den Streitzeitraum Juni 2015 bis einschließlich November 2015 zu gewähren, da der Kläger (weiterhin) anspruchsberechtigt war.
I.
1. Das Gericht hat den Klageantrag vorsorglich gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO als Verpflichtungsantrag gefasst, da die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung - in Form eines Bescheides oder jedenfalls einer Kindergeldverfügung/Kassenanordnung - in der Kindergeldakte nicht vorhanden ist, so dass das Ende des ursprünglich bestimmten Festsetzungszeitraums nicht bekannt ist.
Daher kommt in Betracht, dass der ursprüngliche Festsetzungszeitraum mit dem Monat Mai 2015 endete. In diesem Falle könnte mit der Formulierung eines Anfechtungsantrags dem Klagebegehren des Klägers nicht zum Erfolg verholfen werden, da mit der (teilweisen) Aufhebung des angegriffenen Aufhebungsbescheides, eine (noch gar nicht getroffene) Kindergeldfestsetzung für die Monate Juni 2015 bis einschließlich November 2015 nicht wieder in Geltung gesetzt würde.
Vor diesem Hintergrund kann der begehrte Rechtsschutz (nur) mit einem Verpflichtungs-antrag sichergestellt werden. Im vorstehend genannten Falle wäre mit der „Aufhebung“ der ursprünglichen (den Kindergeldanspruch nur bis einschließlich Mai 2015 regelnden) Festsetzung der Sache nach ein Antrag auf Weitergewährung von Kindergeld abschlägig beschieden worden.
Die Bindungswirkung eines Kindergeld ablehnenden oder aufhebenden Bescheides erstreckt sich bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe (vgl. BFH, Urteil vom 21. Oktober 2015 - VI R 35/14 -, juris, Rdn. 10), hier also - da die Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2015 als im November 2015 bekanntgegeben gilt (vgl. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO) - bis einschließlich November 2015.
Im Ergebnis ist daher die Behörde entweder aufgrund des entsprechend zu ändernden Aufhebungsbescheides oder eines neu zu erlassenden Festsetzungsbescheides verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum Juni 2015 bis einschließlich November 2015 einmal - nicht doppelt - Kindergeld betreffend M zu gewähren.
2. Die Klage hat auch Erfolg.
a)
aa) Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist grundsätzlich jeder der beiden Elternteile für das leibliche Kind kindergeldbe-rechtigt. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sind auch Großeltern kindergeldberechtigt, wenn sie ein Enkelkind in ihren Haushalt aufgenommen haben. Anders als bei Pflegeeltern in Bezug auf ein Pflegekind (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG) setzt die Kindergeldberechtigung bei Großeltern in Bezug auf ein Enkelkind nicht zusätzlich voraus, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht (vgl. auch Treiber, in: Blümich, EStG, Band 3, § 63, Stand: März 2015, Rdn. 25). Beim Zusammentreffen mehrerer Ansprüche sieht das Gesetz vor, dass nur einem Berechtigten Kindergeld bezahlt wird (vgl. § 64 Abs. 1 EStG). Bei mehreren Berechtigten wird Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).
bb) Eine Haushaltsaufnahme im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG liegt vor, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen die Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Die Betreuung des Kindes im Haushalt eines Berechtigten muss einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben und die Aufenthalte des Kindes dürfen nicht nur Besuchs- oder Feriencharakter haben (vgl. BFH, Beschluss vom 14. Dezember 2004 - VIII R 106/03 -, juris, Rdn. 21).
Bei der Auslegung des Begriffs der Haushaltsaufnahme i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Merkmal der Haushaltsaufnahme dazu dienen soll, nur einem von mehreren Kindergeldberechtigten gegenüber den anderen eine Vorrangstellung einzuräumen. Denn gemäß § 64 Abs. 1 EStG ist das Kindergeld an nur einen Berechtigten zu zahlen. Das hat zur Folge, dass eine Aufteilung des Kindergeldes auf mehrere Berechtigte nicht zulässig ist (vgl. BFH, Beschluss vom 14. Dezember 2004 - VIII R 106/03 -, juris, Rdn. 24).
Die Vorschrift, dass das Kindergeld an nur einen Berechtigten gezahlt und nicht aufgeteilt wird, und der gesetzliche Grundgedanke, dass bei mehreren Berechtigten das Kindergeld an denjenigen gezahlt werden soll, der die größte Belastung trägt, führen in ihrem Zusammenspiel dazu, dass der Begriff der Haushaltsaufnahme i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht für alle Sachverhalte gleichermaßen, sondern nur fallgruppenspezifisch konkretisiert werden kann. Er ist für die Fallgruppe, dass die Dauer der Aufenthalte des Kindes in den Haushalten beider Elternteile über einen Besuchs- oder Feriencharakter hinausgeht, einschränkend auszulegen. Bei diesem Sachverhalt ist für die Annahme einer Haushaltsaufnahme zusätzlich zu den oben dargestellten Merkmalen erforderlich, dass sich das Kind dort überwiegend aufhalten und seinen Lebensmittelpunkt haben muss. Dies beruht auf der typisierenden Annahme, dass derjenige Kindergeldberechtigte die größeren Unterhaltslasten für das Kind trägt, der es überwiegend in seinem Haushalt betreut und versorgt (vgl. BFH, Beschluss vom 14. Dezember 2004 - VIII R 106/03 -, juris, Rdn. 33).
b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das Gericht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweis-aufnahme, der Überzeugung (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass M während des Streitzeitraums (mit deutlich überwiegendem Gewicht) in den Haushalt der Großeltern aufgenommen war und dort ihren Lebensmittelpunkt hatte, so dass der Kläger weiterhin kindergeldberechtigt war.
aa) In rechtlicher Hinsicht geht das Gericht - abweichend von der Rechtsauffassung der Beklagten - davon aus, dass die Begründung eines eigenen Haushalts durch die leibliche Mutter, in dem das Kind zeitweise lebt, einen möglichen Kindergeldanspruch der Großeltern nicht von Vornherein ausschließt.
Die Familienkasse hat zum einen vorgetragen, dass es in diesem Falle bezüglich der Großeltern zwangsläufig an einer bestimmten gemeinsamen Familienwohnung als ortsbezogenem Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Lebensinteressen bzw. der Dauerhaftigkeit des örtlich gebundenen Zusammenlebens in einer Familiengemeinschaft (ohne Unterbrechung) fehle. Dem haben bereits die Prozessbevollmächtigten des Klägers überzeugend entgegengehalten, dass es dann - die behördliche Ansicht unterstellt - auch bei einem zwischen den getrennt lebenden Eltern vereinbarten Wechselmodell ein Kindergeldanspruch überhaupt nicht geben könne.
Zum anderen hat die Beklagte ausgeführt, dass selbst bei Annahme einer mehrfachen Haushaltsaufnahme nach den gesetzlichen Wertungen von einem vorrangigen Kindergeldanspruch der leiblichen Eltern auszugehen sei. Auf gerichtliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, aus welchen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ein solcher Vorrang abzuleiten sei, haben die Sitzungsvertreter der Beklagten auf § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG hingewiesen. Dem vermag das Gericht nicht zu folgen.
Nach dem Gesetzesaufbau trifft § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG die grundsätzliche Wertung dahingehend, dass die Kindergeldberechtigung an die Haushaltsaufnahme anknüpft, welche aber nach den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall zu bestimmen ist. Danach dürfte zwar regelmäßig eine vorrangige Kindergeldberechtigung der Eltern bestehen, dies aber nicht aus rechtlichen Gründen, sondern aufgrund des tatsächlichen Umstands, dass die Kinder üblicherweise allein mit ihren Eltern in einer Familiengemeinschaft leben und die Aufenthalte bei den Großeltern lediglich einem zeitweiligen Aufpassen dienen. Im Einzelfall können die Verhältnisse aber anders liegen.
Die Vorschrift des § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG stellt sich als gesetzliche Regelung eines speziellen Falles, eines gemeinsamen Haushalts von Eltern/Elternteil und Großeltern, dar. In einer solchen Situation sind die jeweiligen Anteile bei der Betreuung, Erziehung und Versorgung des Kindes innerhalb der Wohnung nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand feststellbar, eine Gewichtung kaum möglich. In Anbetracht dessen hat der Gesetzgeber einen (verzichtbaren) Vorrang der Kindergeldberechtigung der Eltern bestimmt, da sie typischerweise - aufgrund einer engeren Bindung - einen größeren Beitrag materieller/immaterieller Art leisten werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht aus systematischer Sicht verfehlt, die Wertung in einer Spezialregelung zu generalisieren und im Sinne einer allgemeinen gesetzgeberischen Wertung zur Einschränkung des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG heranzuziehen.
bb) Nach diesen Maßstäben lagen die Voraussetzungen einer Haushaltsaufnahme des Kindes M bei den Großeltern während des Streitzeitraums vor. Dies ergibt sich vor allem auch aus den glaubhaften Aussagen der beiden Zeuginnen, die schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen haben und - nach dem Eindruck des Gerichts während der Beweisaufnahme - auch glaubwürdig waren.
Das Kind M lebte seit Geburt (30.03.2013) im gemeinsamen Haushalt des Klägers/seiner Ehefrau, der jungen, alleinstehenden Kindesmutter und deren Geschwistern (L und N). Nach den Umständen und unter Berücksichtigung der Aussagen der beiden Zeuginnen wurde zwischen den Großeltern und M eine auch längerfristig tragfähige Familiengemeinschaft mit Betreuung, Erziehung und Versorgung begründet, die mit dem Auszug der Kindesmutter aus dem gemeinsamen Haushalt nicht endete.
Die Zeugin A. K. hat insoweit glaubhaft bekundet, dass M für sie wie ein viertes Kind gewesen sei. Dafür spricht auch die Einlassung, M hätte die Zeugin wiederholt als „Mama“ bezeichnet. Auch diese Angabe ist angesichts der besonderen Verhältnisse - des zwei Jahre geführten gemeinsamen Haushalts, des jungen Alters der Kindesmutter, die aufgrund ihrer schulischen Ausbildung/ihres Studiums zeitlich mit den eigenen Angelegenheiten stark beschäftigt war/ist, so dass der Kläger und seine Ehefrau der Tochter C einen zeitlichen Freiraum zu schaffen und die Betreuung/Erziehung von M teilweise zu übernehmen veranlasst waren, der besonderen Nähebeziehung und des damaligen Alters des Enkelkindes (2 Jahre) - nachvollziehbar. Auch die Zeugin C hat erklärt, dass dem Kind der wirkliche Unterschied zwischen Mutter und Großmutter nicht ganz klar gewesen sei. Es sei schon ein anderes Verhältnis zwischen dem Kläger/seiner Ehefrau und M im Vergleich zu anderen Großeltern. Dass dem Kläger unter diesen Umständen, auch wegen des von Beginn an fehlenden Kindesvaters, - wie vorgetragen (vgl. Bl. 63 PA) - die Rolle eines „Ersatzvaters“ zukam, liegt für das Gericht auf der Hand.
Dadurch, dass M in der Wohnung des Klägers/seiner Ehefrau ihr eigenes Zimmer behielt, dort auch weiterhin (häufig) übernachtete und vom Kläger und seiner Ehefrau in erheblichem Umfang versorgt, betreut und erzogen wurde, ist das zu den Großeltern begründete familiäre Band eigener Art nie abgerissen und die Haushaltsaufnahme nicht beendet worden.
Nach der zur Gerichtsakte gereichten Übersichtsliste/Tabelle über die (zeitlichen) Betreuungsanteile der Großeltern einerseits und der Zeugin C andererseits in Bezug auf das Kind M während des Zeitraums 01. Juni 2015 bis 30. November 2015 (unter Berücksichtigung von Übernachtungen und Kindergarten; Bl. 12 – 15 PA) stellt sich die Sachlage so dar, dass M mindestens 2 - 3 Mal, häufiger aber 4 - 5 Mal bei dem Kläger/seiner Ehefrau übernachtete.
Bei den Zeitanteilen betreffend die Betreuung sind für den Kindergarten, wenn er besucht wurde, 6 h (= 25% der Tagesgesamtzeit von 24 h) veranschlagt, so dass - im Falle des Kindergartenbesuchs - für die Aufteilung der Betreuungsanteile zwischen den Großeltern und der Zeugin C ein Umfang von 75 % verbleibt. Diese Berechnungsweise ist nicht zu beanstanden. Bei Betrachtung der einzelnen Kalenderwochen ergeben sich
- ausgehend von denjenigen Tagen, an denen das Kind überwiegend (bzw. an 2 Tagen 50 % : 50 % am 31.10. und 02.11.) von den Großeltern betreut wurde - folgende Betreuungsanteile des Klägers/seiner Ehefrau:
1/7: 2 Wochen 4/7: 9 Wochen
2/7: 2 Wochen 5/7: 5 Wochen
3/7: 5 Wochen 6/7: 2 Wochen
Gesamt: 9 Wochen 16 Wochen.
Hieraus wird deutlich, dass M während des Streitzeitraums deutlich überwiegend vom Kläger/seiner Ehefrau betreut wurde. Unter Berücksichtigung auch der Anzahl der Übernachtungen bei den Großeltern lag/liegt der Schwerpunkt des Aufenthalts/der Betreuung des Kindes im Haushalt der bzw. bei seinen Großeltern.
Die Vertreter der Familienkasse sind dieser - vom Prozessbevollmächtigten des Klägers nach der Beweisaufnahme ebenfalls geäußerten - Einschätzung nicht entgegengetreten.
Die Richtigkeit der Aussagen der Zeuginnen sowie der von der Klägerseite vorgelegten Tabelle über die Betreuungsanteile ist seitens der Behörde nicht (mehr) in Zweifel gezogen worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat zu Recht in der Sitzung von einer hohen Richtigkeitsgewähr der Liste gesprochen. Dies folgt daraus, dass die Tabelle - was glaubhaft ist - anhand detaillierter Kalenderaufzeichnungen der Zeugin A. K. („für jedes Kind eine Spalte“) sowie unter Einbeziehung der Erinnerungen sämtlicher Familienmitglieder erstellt wurde. Vor diesem Hintergrund konnten die seitens der Vertreterin der Beklagten geäußerten Bedenken, wie die Zeugin so detaillierte Angaben habe machen können, ausgeräumt werden.
Die so geprägten Verhältnisse sind auch nicht als „vorübergehend“ anzusehen, zumal das Studium der Tochter nicht beendet war/ist und auch im Falle der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Kindesmutter eine weitere Betreuung durch den Kläger und seine Ehefrau naheliegen ist. Der Kläger und seine Ehefrau haben sich überdies in ihrem jeweiligen Beruf auf eine dauerhafte Unterstützung eingerichtet: Die Zeugin hat Gleitzeit genommen und auf eine Ausweitung ihrer Arbeitszeiten verzichtet. Der Kläger arbeitet - nach eigenem Bekunden in der mündlichen Verhandlung - 4 Tage in der Woche zu Hause und hatte einen Telearbeitsplatz eingerichtet, um sich ebenfalls um M kümmern zu können.
Des Weiteren ist festzustellen, dass die Großeltern sich ihrem Enkelkind - über ein bloßes Aufpassen hinaus - in umfassender Weise gewidmet und so - wesentlich auch durch ihre Erziehung - zur Entwicklung des kleinen Kindes beigetragen haben. Dass die Großeltern diese Aufgabe verinnerlicht und wahrgenommen haben, wird nicht nur durch die Charakterisierung, dass M für sie wie ein viertes Kind gewesen sei, sondern auch aus der Einlassung der Zeugin A. K. deutlich, sie - die Großeltern - und die Kindesmutter würden M gemeinsam erziehen, wobei sie - die Großeltern - bei der Erziehung wohl weniger streng seien als ihre Tochter C. Darüber hinaus hat die Zeugin glaubhaft bekundet, M häufig zum Kindergarten zu bringen bzw. sie von dort abzuholen oder etwa mit ihr zum Eltern-Kind-Training zu gehen. Sie - die Zeugin und der Kläger - hätten sich auch sonst um M gekümmert: Beispielsweise habe die Zeugin das Kind bei den anfallenden Arzt- oder Zahnarztbesuchen begleitet oder M bei Krankheit gepflegt. Außerdem seien sie zusammen mit ihr in den Urlaub gefahren. Nach der vorgelegten Tabelle wurde der Urlaub im Zeitraum vom 15.08.2015 bis 21.08.2015 (zeitlicher Betreuungsanteil der Großeltern: 100 %; Bl. 13 PA) durchgeführt (vgl. auch Bl. 63 PA). Sie - die Zeugin und der Kläger - hätten das Kind häufig mitgenommen, wenn sie etwas unternommen hätten. Der Kläger habe M beispielsweise zum Badminton-Bambini-Training mitgenommen.
Die Aussage der Zeugin A. K., hinsichtlich der Betreuung habe ein „ausgeglichenes Verhältnis“ bestanden, ist mit der gerichtlichen Würdigung, dass der Schwerpunkt der Betreuung/des Aufenthalts bei den Großeltern gelegen hat, vereinbar. Das Gericht pflichtet der Einschätzung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zum Ergebnis der Beweisaufnahme bei, dass die Aussagen der Zeuginnen über die Betreuungsanteile der Großeltern einerseits und der Kindesmutter andererseits „subjektiv“ gefärbt sind. Denn die Angabe eines überwiegenden Betreuungsbeitrags hätte mittelbar als Vorwurf einer unzureichenden Betreuung seitens der Kindesmutter verstanden werden können. Dass diese Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten vorliegend eine Rolle gespielt haben dürfte, wird aus der Aussage der Zeugin C deutlich. Diese hat angegeben, dass sie teilweise zeitlich sehr stark beansprucht gewesen sei und sich ihre Eltern mehr um M gekümmert hätten; es sei „aber nicht so gewesen, dass sie sich nicht um ihre Tochter gekümmert habe“. Auch nach der Einlassung der Kindesmutter selbst ist daher von einem tatsächlichen Überwiegen der Betreuung seitens der Großeltern auszugehen. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch in dem erklärten Verzicht der Kindesmutter auf Kindergeld für M. Nach gerichtlichem Verständnis anerkennt die Zeugin C damit die überwiegenden Betreuungsleistungen ihrer Eltern.
Schließlich ist auch dem (besoldungsrechtlichen) Einwand der Beklagten zu widersprechen, die Anerkennung einer Haushaltsaufnahme bei den Großeltern eröffne die Möglichkeit einer Gestaltung. Zwar trifft es zu, dass sich der Familienzuschlag um jedes weitere anzuerkennende Kind erhöht, so dass mit der Haushaltsaufnahme Ms eine höhere Besoldung des Klägers verbunden ist. Die hier gegebenen besonderen tatsächlichen Umstände stellen aber eine große Ausnahme dar.
Da nach den vorstehenden Ausführungen von einer vorrangigen Kindergeldberechtigung des Klägers auszugehen ist, kommt es auf die Frage, ob die Regelung des § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG im Falle eines erklärten Vorrangverzichts analog angewendet werden könnte (vgl. Sächsisches FG, Urteil vom 24. November 2004 - 7 K 256/04 (Kg) -, juris, Rdn. 42 f.), nicht an, wobei hier eine ex-tunc-Wirkung nicht schon deshalb zu verneinen wäre, weil der Vorrangverzicht bereits geregelte Zeiträume beträfe (vgl. BFH, Urteil vom 19. April 2012 - III R 42/10 -, juris, Rdn. 10; Hildesheim, in: Bordewin/Brandt, EStG, Band 8, § 64, Rdn. 51).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
III. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Es handelt sich vorliegend um einen besonders gelagerten Einzelfall, da die im Streitfall zwischen den Großeltern, der Kindesmutter und dem Enkelkind M bestehenden Verhältnisse von den Gegebenheiten in anderen Familien deutlich abweichen.
Rechtsmittelbelehrung
Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.
Für die Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof besteht Vertretungszwang. Zur Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesfinanzhof berechtigt sind Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Hinweis:
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite www.bundesfinanzhof.de lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S.3091) einzuhalten ist.
Verkündet am: 29.08.2017
Urteil
4 K 2296/15
In dem Finanzrechtsstreit
des Herrn
- Kläger -
prozessbevollmächtigt: Rechtsanwälte
gegen
die Landesfamilienkasse
- Beklagte -
wegen Kindergeld
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 4. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. August 2017 durch den Richter am Finanzgericht Wick als Einzelrichter
für Recht erkannt:
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 2015 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2015 dazu verpflichtet, gegenüber dem Kläger Kindergeld betreffend sein Enkelkind M für die Monate Juni 2015 bis einschließlich November 2015 festzusetzen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der von der Beklagten zu tragenden Kosten zugunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Festsetzung von Kindergeld.
Im April 2013 beantrage der Kläger die Bewilligung von Kindergeld für seine drei leiblichen Kinder C, L und N sowie für sein am 30.03.2013 geborenes Enkelkind M bei der damaligen Oberfinanzdirektion. Er gab an, dass M die Tochter seiner eigenen Tochter C (geb.: 18.12.1989) und des „Ch“ sei, welcher unbekannten Aufenthalts sei. Seine drei eigenen Kinder sowie sein Enkelkind lebten in seinem Haushalt. Mit der Zahlung des Kindergeldes an den Kläger erklärten sich die Tochter des Klägers („C“) sowie die Ehefrau des Klägers (A. K.) durch ihre Unterschriften einverstanden.
Im Schreiben vom 20.04.2015 informierte der Kläger - wie bereits telefonisch mitgeteilt - die Behörde darüber, dass seine Tochter C zusammen mit seiner Enkeltochter M Anfang Mai eine eigene Wohnung beziehen werde. M werde bei ihnen - dem Kläger und seiner Frau - ein Zimmer behalten, regelmäßig bei ihnen übernachten und von ihnen betreut werden. Dadurch könnten sie ihre alleinstehende und studierende Tochter C bei der Erziehung unterstützen. Seines Erachtens werde diese Unterstützung über das übliche Maß dessen hinausgehen, was „normale“ Großeltern gegenüber ihrem Enkelkind erbrächten. Daher könne davon ausgegangen werden, dass M auch weiterhin zu ihrem Haushalt gehöre. Es werde um Prüfung gebeten, ob das Kindergeld für M auch weiterhin an ihn - den Kläger - ausgezahlt werden könne.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 hob die Landesfamilienkasse gegenüber dem Kläger die „bisher maßgebliche“ Festsetzung des Kindergeldes für das Enkelkind M mit Wirkung ab dem 01.06.2015 nach § 70 Abs. 2 EStG auf. Das Kindergeld stehe ihm ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu, weil das Enkelkind nicht mehr zu seinem Haushalt gehöre.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 15.06.2016 Einspruch ein.
Zur Begründung führte er aus, dass seine Tochter C zusammen mit der Enkeltochter M eine gemeinsame Wohnung in M bezogen habe; Umzugstermin sei der 09./10. Mai 2015 gewesen. Seine Tochter sei alleinerziehend und studiere derzeit an der Universität K. Um dies zu bewältigen zu können, werde sie von ihnen - dem Kläger und seiner Ehefrau - bei der Betreuung und Erziehung von M auch weiterhin umfangreich unterstützt. Dabei gehe diese Unterstützung weit über bloße Besuche hinaus, so dass M sowohl zum Haushalt seiner Tochter C als auch (weiterhin) zu seinem Haushalt zugehörig anzusehen sei. Exemplarisch stelle sich der übliche Wochenablauf wie folgt dar, wobei M an den Wochentagen in der Zeit von ca. 8 bis 14 Uhr den Kindergarten besuche:
So Betreuung ab nachmittags und Übernachtung bei dem Kläger und seiner Ehefrau
Mo Betreuung und Übernachtung bei seiner Tochter
Di. Betreuung bis abends bei dem Kläger und seiner Ehefrau, Übernachtung meist bei seiner Tochter
Mi. Betreuung und Übernachtung bei dem Kläger und seiner Ehefrau
Do. Betreuung bis abends, Übernachtung bei seiner Tochter
Fr. Betreuung und Übernachtung bei seiner Tochter
Sa. wechselseitige Betreuung und Übernachtung
Darüber hinaus halte sich seine Tochter C zusammen mit M auch weiterhin häufig bei ihm und seiner Ehefrau auf. Diese Aufstellung sei nicht fixiert und solle nur beispielhaft den normalen Wochenablauf darstellen. So sei es beispielsweise letzten Monat so gewesen, dass sie - der Kläger und seine Ehefrau - die Betreuung an einem Wochenende von Donnerstag bis Montag komplett übernommen gehabt hätten. Die besondere Situation verlange naturgemäß eine hohe Flexibilität sowohl von ihnen als auch von seiner Tochter C. M habe sowohl bei ihnen als auch bei seiner Tochter C ein eigens eingerichtetes Zimmer. Wenn sich M bei ihnen aufhalte, werde sie von ihnen verpflegt, betreut, getröstet, erzogen, gewaschen, gebadet, gewickelt, zum Turnen gefahren, mit ihr gespielt und vieles mehr; sie kümmerten sich umfassend um ihr Enkelkind.
Nach der Rechtsprechung sei unter Haushaltsaufnahme die Aufnahme in die Familien-gemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis familienhafter Art zu verstehen. Sie setze ein örtlich gebundenes Zusammenleben von Kind und Berechtigtem in einer gemeinsamen Familienwohnung voraus. Daneben müssten Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Nach dem BFH-Urteil vom 20. Juni 2001 (- VI R 224/98 -) gehöre ein Kind dann zum Haushalt eines Berechtigten, wenn es dort wohne, versorgt und betreut werde, so dass es sich in dessen Obhut befinde. Alle diese Voraussetzungen würden - wie dargelegt - sowohl auf sie (den Kläger und seine Ehefrau) als auch auf seine Tochter C zutreffen, so dass von einer doppelten Haushaltszugehörigkeit auszugehen sei. Für diesen Fall habe das sächsische FG mit Urteil vom 24. November 2004 (- 7 K 256/04 -) die analoge Anwendung des § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG zugelassen, wonach der Kindergeldanspruch (zwar) vorrangig dem Elternteil zustehe, der Großelternteil aber dann kindergeldberechtigt sei, wenn der Elternteil auf seinen Vorrang schriftlich verzichtet habe. Seine Tochter C habe mit ihrer Unterschrift unter seinen Kindergeldantrag vom 08.04.2013 auf ihren Vorrang verzichtet, so dass das Kindergeld auch weiterhin an ihn - den Kläger - auszuzahlen sei. Nach A 23.1 Abs. 4 Satz 1 DA-KG 2014 bleibe der Verzicht wirksam, solange er nicht widerrufen werde. Seine Tochter habe ihren Verzicht nicht widerrufen. Zwar habe sie zur Fristwahrung zwischenzeitlich einen eigenen Kindergeldantrag bei der Familienkasse gestellt, diesen aber angehalten und die weitere Bearbeitung bis zur Entscheidung über seinen - des Klägers - Einspruch zurückstellen lassen.
Da M (weiterhin) zu seinem Haushalt gehöre und seine Tochter C weiterhin auf ihren Vorrang verzichte, sei die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung rechtswidrig. Sie sei zurückzunehmen bzw. das Kindergeld ab Juni 2015 wieder ihm - dem Kläger - gegenüber festzusetzen.
Zu ihrem Kindergeldantrag bei der Familienkasse erklärte die Tochter C im Schreiben vom 24.06.2015, es werde um Zurückstellung der Bearbeitung des Kindergeldantrages gebeten, bis über den Einspruch des Klägers bei der Landesfamilienkasse entschieden worden sei. Sofern dem Einspruch stattgegeben würde, würde sie weiter auf ihren Vorrang verzichten und in diesem Falle ihren eigenen Kindergeldantrag zurückziehen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2015 wies die Landesfamilienkasse (Rechtsbehelfsstelle) den Einspruch als unbegründet zurück:
Nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 EStG könnten als „Kinder“ die vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommenen Enkel berücksichtigt werden. Dabei werde für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt (§ 64 Abs. 1 EStG). § 64 Abs. 2 EStG regele den vorrangigen Kindergeldanspruch bei mehreren Berechtigten. Danach werde bei mehreren Berechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe. Sei ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so bestimmten diese untereinander den Berechtigten. Lebe ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltern, so werde das Kindergeld vorrangig einem Elternteil gezahlt; es werde an einen Großelternteil gezahlt, wenn der Elternteil gegenüber der zuständigen Stelle auf seinen Vorrang verzichtet habe.
Unter Haushaltsaufnahme sei das örtlich gebundene Zusammenleben von Kind und Berechtigtem in einer gemeinsamen Familienwohnung zu verstehen. Das Kind müsse in diesem Haushalt seine persönliche Versorgung und Betreuung finden und sich hier grundsätzlich nicht nur zeitweise, sondern „durchgängig“ aufhalten. Eine Haushalts-aufnahme sei dann gegeben, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden sei (Verweis auf die DA-KG). Eine Haushaltsaufnahme von Enkelkindern sei nur gegeben, wenn diese von einer gewissen Dauer und Beständigkeit geprägt sei. So reiche es nicht aus, dass das Kind nur tage- oder wochenweise bei den Großeltern wohne, ansonsten aber immer wieder in den elterlichen Haushalt zurückkehre, beispielsweise wegen eine Erwerbstätigkeit der Eltern, die es ihnen nicht möglich mache, das Kind dauerhaft im eigenen Haushalt zu betreuen und zu versorgen. Gleichfalls sei für die Annahme einer Haushaltsaufnahme unzureichend, wenn sich das Kind zwar für mehr als drei Monate, aber nur für einen von vornherein begrenzten Zeitraum bei den Großeltern befinde (Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 07. Dezember 2010 - III B 33/10 -).
Im Streitfall betreute - seit dem Auszug seiner Tochter und seines Enkelkindes aus seinem Haushalt - der Kläger das Enkelkind außerhalb der Kindergartenzeiten in seinem Haushalt, wobei es in der Regel zwei- bis dreimal wöchentlich bei ihm auch übernachte. Es kehre jedoch regelmäßig in den Haushalt seiner Mutter zurück. Damit lebe es nur zeitweise in seinem Haushalt, was zu keiner Aufnahme in seinen Haushalt führe. Es sei im Haushalt der Mutter C aufgenommen, die es nur deswegen nicht dauerhaft im eigenen Haushalt betreuen und versorgen könne, weil sie sich im Studium befinde.
Durch die Haushaltsaufnahme ausschließlich im Haushalt der Tochter C ergebe sich nach § 64 Abs. 2 EStG der vorrangige Kindergeldanspruch seiner Tochter. Das Enkelkind lebe seit Mitte Mai 2015 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt eines Elternteils und der Großeltern, so dass ab dem Folgemonat, als ab dem 01.06.2015, ein Vorrangverzicht seiner Tochter nicht mehr möglich sei. Diese vom Kläger in Einspruchsbegründung angesprochene Regelung in § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG greife nur im Falle eines gemeinsam Haushalts von Eltern und Großeltern. Im Übrigen habe seine Tochter den Verzicht auf den Kindergeldvorrang auf dem Antrag vom 08.04.2013 zu einem Zeitpunkt erklärt, zu dem mit dem Kläger noch in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Mit dem Auszug aus dem gemeinsamen Haushalt und der Begründung eines eigenen Haushaltes greife die gesetzliche Vorrangregelung des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG, wonach seine Tochter C wegen alleiniger Aufnahme von M in ihren Haushalt vorrangig kindergeldanspruchsberechtigt sei. Der Hinweis des Klägers auf das Urteil des sächsischen Finanzgerichts sei nicht entscheidungserheblich, weil Entscheidungen der Finanzgerichte die Familienkasse nur im entschiedenen Einzelfall binden würden.
Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger mittels PZU am 03.11.2015 zugestellt.
Der Kläger hat am 03.12.2015 durch seine Prozessbevollmächtigten Klage erhoben. Zur Begründung tragen diese vor:
Die Frage, wer das Kindergeld zu erhalten habe, regele § 64 EStG nicht unmittelbar, da dort der Fall einer Aufnahme in zwei Haushalten nicht vorgesehen sei. Da auch bei einer so genannten „mehrfachen Haushaltsaufnahme“, bei der das Kind an sich gleichzeitig in mehrere Haushalte aufgenommen sei, nur ein berechtigter Kindergeld erhalten könne, müsse zur Bestimmung des vorrangig Kindergeldberechtigten zunächst ermittelt werden, in welchem Haushalt sich das Kind überwiegend aufhalte und seinen Lebensmittelpunkt habe (Bezugnahme auf BFH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - VIII R 106/03 -). Liege eine gleichwertige Aufnahme des Kindes in mehrere Haushalte vor, sei durch analoge Anwendung des § 64 Abs. 2 Sätze 2 – 4 EStG der vorrangig Berechtigte zu ermitteln (Bezugnahme auf BFH, Urteil vom 23. März 2006 - III R 91/03 -).
Nach der als Anlage beigefügten Übersichtsliste (Bl. 12 ff. PA) werde die am 30.03.2013 geborene M im überwiegenden Maße vom Kläger und seiner Ehefrau in deren Haushalt betreut und versorgt. Die Übersicht beinhalte insgesamt 183 Tage, von denen an 87 Tagen eine Übernachtung im Haushalt des Klägers stattgefunden habe. Wenn M in den Morgenstunden bereits dort sei, halte sie sich im Haushalt des Klägers in der Zeit bis zum Beginn des Kindergartens um 8.00 Uhr auf. Sie frühstücke dann auch im Haushalt des Klägers. Soweit sie sich nachmittags dort aufhalte, nehme sie stets auch das Mittagessen im Haushalt des Klägers und in den allermeisten Fällen zusätzlich das Abendessen sei. Sie werde an diesen Tagen auch von der Ehefrau des Klägers und vom Kläger selbst, der einen Telearbeitsplatz habe, vom Kindergarten abgeholt. Dafür könne an diesen Tagen die Kindesmutter nicht sorgen. M werde an den Tagen, an denen sie morgens da sei und nicht im Haushalt des Klägers übernachte, ebenfalls von der Ehefrau des Klägers zum Kindergarten gebracht. Die Ehefrau des Klägers und er selbst stünden auch zur Verfügung, wenn im Kindergarten Not am Mann sei und dort jemand gebraucht werde, der M früher abhole, sie bei Krankheit versorge und auch zum Arzt bringe und Ähnliches.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände bedürfe es bereits keiner Erklärung der Kindesmutter und Tochter des Klägers, dass diese auf den Kindergeldvorrang verzichte, da M ihren Lebensmittelpunkt im Haushalt des Klägers habe. Rein vorsorglich werde aber nochmals eine schriftliche Erklärung übersandt, wonach die Kindesmutter auf den Kindergeldvorrang verzichte und klarstelle, dass ihre Erklärung vom 08.04.2015 auch weiterhin nach ihrem Umzug gelte.
Soweit die Beklagte das Fehlen weiterer Merkmale der Haushaltsaufnahme bestreite, sei zu ergänzen, dass auch diese Voraussetzungen vorlägen.
So würden im Haushalt des Klägers Versorgung und Unterhalt gewährt, außerdem Fürsorge und Betreuung. Genauso wenig fehle im Streitfall das dauerhaft örtlich gebundene Zusammenleben. Wäre die Argumentation der Beklagten richtig, so wäre im Falle eines Wechselmodells bei minderjährigen Kindern ein Kindergeldanspruch der Eltern überhaupt nicht gegeben. Wenn das Kind mit seinen derzeit drei Jahren gefragt wurde, wo es wohne, würde es sagen, dass es bei Opa und Oma wohne. Das hier kein Leben in Familiengemeinschaft gegeben sei, könne ernsthaft nicht in Abrede gestellt werden. Sämtlich Kosten der Unterbringung des Kindes sowie der Versorgung des Kindes inklusive Nahrung, Kleidung, Strom, Heizung, Reinigung, Wäsche waschen, Verpflegung, Einkauf von Windeln, Einkauf und Spielsachen und Kinderbüchern, Ausflüge zu Zoobesuchen und Ähnlichem würden während der Betreuungszeiten durch den Kläger und seine Ehefrau erbracht und gezahlt.
Das Zusammenleben in Familiengemeinschaft ergebe sich auch dadurch, dass das Kind im Haushalt des Klägers und seiner Ehefrau bade und dusche, dort ständig versorgt werde und aufgrund dieses Umstandes auch die Großmutter und Ehefrau des Klägers ihre Berufstätigkeit nicht wie geplant habe ausweiten können.
Das Kind M werde vollständig von dem Kläger und seiner Ehefrau betreut und versorgt. Das Waschen, Anziehen, Frühstücken, das Bringen zum und das Abholen vom Kindergarten, sofern die Mutter keine Zeit habe, das Spielen und Ähnliches würden durch die Ehefrau des Klägers und den Kläger selbst durchgeführt.
Der Beschluss des BFH vom 16. April 2008 (- III B 36/07 -) spreche sogar dafür, dass die vorherige Haushaltsaufnahme im Haushalt des Klägers und seiner Ehefrau nur gelockert und niemals aufgehoben worden sei.
Zu den weiteren Ausführungen der Beklagten werde dahingehend Stellung genommen, dass es natürlich auch im vorliegenden Falle ein dauerhaftes örtlich gebundenes Zusammenleben in der Familiengemeinschaft mit den Großeltern gebe. Die Zeiten, die in der Übersichtsliste mitgeteilt worden seien, seien auch jetzt noch die zutreffenden Zeiten. Sie spiegelten in etwa die Betreuungssituation damals wie heute wieder.
Entgegen der Annahme der Landesfamilienkasse sei es nicht so, dass während der Semesterferien bzw. während der vorlesungsfreien Zeit in 2015 der Betreuungsaufwand bei dem Kläger und seiner Ehefrau geringer gewesen sei als in der Vorlesungszeit. Die vorlesungsfreie Zeit sei im Sommersemester 2015 der Zeitraum vom 26.07. bis zum 25.10.2015 gewesen. Der Übersicht lasse sich unter anderem entnehmen, dass die Großeltern in den vorlesungsfreien Monaten (mit Ausnahme August) erheblich weniger Betreuungsstunden geleistet hätten als in den Vorlesungsmonaten. Im August 2015 (vom 14.08. – 22.08.) hätten die Großeltern mit M, ohne die Kindesmutter, einen achttägigen Urlaub in Holland verbracht. Dieser Urlaub erkläre den vermeintlich hohen Betreuungsaufwand auch in der vorlesungsfreien Zeit des Jahres 2015.
Des Weiteren halte sich M natürlich auch außerhalb der Vorlesungszeit bzw. der Zeiten, in denen sich die Tochter des Klägers mit ihrem Studium beschäftige, häufig bei den Großeltern auf und übernachte dort. Dies erkläre sich schon allein daraus, dass die Großeltern quasi den fehlenden Vater ersetzten, der sich um seine Tochter überhaupt nicht kümmere. Daher hätten die Eltern von Anfang an ein sehr enges Verhältnis zur Enkeltochter begründet. Diese Beziehung sei viel enger als ein normales Großeltern-Enkelkind-Verhältnis. Neben ihrem Studium habe die Kindesmutter auch noch eine Nebenbeschäftigung in einer Pizzeria, wodurch zusätzlich Betreuungsaufwand bei den Großeltern notwendig werde.
Wie bereits dargelegt empfinde M die Großeltern als ihre Familie.
Schließlich sei das Vorbringen der Beklagten bezüglich eines ausschließlichen vorrangigen Kindergeldanspruchs der Kindesmutter nicht nachvollziehbar. § 64 EStG diene dem Zweck, eine Doppelzahlung des Kindergeldes zu vermeiden. § 64 Abs. 2 EStG enthalte bei der Aufnahme in einen gemeinsamen Haushalt keinen absoluten Anspruch auf vorrangiges Kindergeld für die Eltern. Selbst bei der Aufnahme in einen gemeinsamen Haushalt könnten die Eltern bestimmen, dass die Großeltern das Kindergeld erhalten sollten. Weshalb dies anders sein solle, wenn das Kind in zwei verschiedene Haushalte aufgenommen sei, erschließe nicht. Jedenfalls lasse sich dies aus der Ratio des Gesetzes nicht herleiten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 2015 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2015 zu verpflichten, ihm für das Enkelkind M für die Monate Juni 2015 bis einschließlich November 2015 Kindergeld zu gewähren und auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus:
Der klägerische Hinweis auf § 64 EStG und eine mehrfache Haushaltsaufnahme verfange nicht. Er betreffe nicht das Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Großeltern als möglichen Anspruchsberechtigten. Enkelkinder, Pflegekinder und Stiefkinder könnten gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG nur dann berücksichtigt werden, wenn diese in den Haushalt der Eltern (bzw. Pflege- oder Stiefeltern) „aufgenommen“ worden seien.
Daran aber fehle es hier aus den nachfolgenden Gründen.
Voraussetzung für die Haushaltsaufnahme sei unter anderem ein dauerhaftes örtlich gebundenes Zusammenleben in einer Familiengemeinschaft. Das örtliche Merkmal lasse sich nicht durch eine funktionelle Betrachtung des Haushaltsbegriffs ersetzen. Vielmehr sei das Erfordernis des örtlich gebundenen Zusammenlebens gerade wesentliches Kriterium dafür, dass die Großeltern tatsächlich kindesbezogene Belastungen tragen würden und ihre finanzielle Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Kinderlosen gemindert sei (Bezugnahme auf BFH, Beschluss vom 14. Januar 2011 - III B 96/09 -).
Das örtliche Merkmal der Haushaltsaufnahme beziehe sich auf eine bestimmte gemeinsame Familienwohnung als ortsbezogener Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Lebensinteressen (Bezugnahme auf BFH, Beschluss vom 16. April 2008 - III B 36/07 -). Im vorliegenden Fall fehle das dauerhafte örtlich gebundene Zusammenleben in einer Familiengemeinschaft.
Eine vorrangige Berechtigtenbestimmung im Sinne von § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG erfolge nur dann, wenn „leibliche“ Eltern die gleichen Voraussetzungen erfüllten, wenn also beide in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebten. Auch wenn das Enkelkind in einem gemeinsamen Haushalt mit den Großeltern lebe, müssten die Großeltern untereinander gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG einen vorrangig Berechtigten bestimmen. Auch daran fehle es hier. Nichts anderes ergebe sich aus § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Sonderfall, dass Großeltern, Eltern und das Kind in einem gemeinsamen Haushalt lebten, werde in § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG geregelt. Diese Vorschrift sei jedoch vorliegend unerheblich und nicht einschlägig.
Im Ergebnis bleibe damit festzuhalten, dass der Kindergeldanspruch sich primär aus der Haushaltsaufnahme durch ein Elternteil (§ 64 Abs. 2 EStG) ergebe. Ein Kind, dass, wie im vorliegenden Fall, wechselweise von den Großeltern und seiner leiblichen Mutter betreut werde, sei gerade nicht in Haushalt der Großeltern aufgenommen. Insoweit sei erneut darauf hinzuweisen, dass die Haushaltsaufnahme entscheidend sei und nicht die Betreuung. Allein die Betreuung in der Zeit, in der der allein erziehende Elternteil berufstätig sei, einer Ausbildung nachgehe oder Ähnliches, begründe gerade keinen Kindergeldanspruch. Nur die ausschließliche Haushaltsaufnahme durch einen (möglichen) Berechtigten begründe ein Kindergeldanspruch. Dabei schließe die Haushaltsaufnahme der leiblichen Eltern den Kindergeldanspruch anderer Personen aus.
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers zur Betreuung, Versorgung und Kostentragung durch den Kläger und seine Ehefrau vortrage, werde verkannt, dass eine Haushaltsaufnahme durch die Großeltern nur dann vorliege, wenn sich das Enkelkind nicht nur zeitweise, sondern „durchgängig“ bei den Großeltern aufhalte und durch diese auch umfassend versorgt, betreut und erzogen werde. Daran aber fehle es hier auch nach dem weiteren Vorbringen. Der zitierte Beschluss des BFH vom 16. April 2008 (- III B 36/07 -) helfe in der Sache nicht weiter, da er einen anderen Sachverhalt - getrennt lebende Elternteile - betreffe, so dass er auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sei.
Zu dem gerichtlichen Hinweis vom 20. September 2016, wonach die Darlegungen der Klägerseite, dass M in überwiegendem Maße vom Kläger und seiner Ehefrau in deren Haushalt betreut und versorgt worden sei, substantiiert, stimmig und glaubhaft erscheine, hat der Beklagte ergänzend ausgeführt:
Unbestritten sei, dass das Kind sich im Haushalt der Großeltern in einem Umfang aufhalte, der über bloße Besuchs- und Ferienaufenthalte hinausgehe. Es fehle aber ein dauerhaftes örtlich gebundenes Zusammenleben in einer Familiengemeinschaft. So übernachte das Enkelkind durchschnittlich innerhalb einer Woche zwei bis drei Mal bei den Großeltern. Im Übrigen sei festzustellen, dass die vorgelegte Übersichtsliste über die Aufenthaltszeiten des Enkelkindes bei der Mutter, bei den Großeltern und im Kindergarten im November 2015 erstellt worden sei und (lediglich) für alle Tage ab dem 01.06.2015 detaillierte Aufenthaltszeiten ausweise. Inwieweit diese Angaben noch nach sechs Monaten die zutreffenden Zeiten wiedergeben würden, sei allerdings fraglich. Außerdem falle auf, dass auch während der Semesterferien bzw. während der vorlesungsfreien Zeit, beispielsweise im August und September 2015, kein Unterschied erkennbar sei zum Betreuungsumfang während der Vorlesungszeit. Auch dies spreche gegen den Vortrag des Klägers. Wenn der Kläger argumentieren, durch das Studium sei die alleinerziehende Tochter darauf angewiesen, dass das Enkelkind von ihm und seine Ehefrau betreut und versorgt werde, damit sie studieren könne, müsse in den vorlesungsfreien Zeiten und während der Semesterferien die Betreuung in geringerem Umfang notwendig sein. Selbst wenn man unterstelle, dass auch während der Semesterferien und der vorlesungsfreien Zeit Praktika, Prüfungen und Veranstaltungen an der Uni stattfinden würden, sei nicht nachvollziehbar, wieso die Betreuung im gleichen Umfang stattgefunden haben solle, wie während der Semester. Die Darlegungen der Klägerseite seien insoweit nicht substantiiert, stimmig und glaubhaft.
Aber selbst bei der Annahme einer mehrfachen Haushaltsaufnahme sei ein Kindergeldanspruch der Großeltern seit dem Auszug des Enkelkindes aus dem gemeinsamen Haushalt nicht begründet. In diesem Fall ergebe sich eine Kindergeldberechtigung der Kindesmutter gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Der Kläger könne nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 63 Abs. 1 Nr. 3 EStG das Kindergeld beanspruchen. Da aber nach § 64 Abs. 1 EStG nur einem Berechtigten das Kindergeld gezahlt werden könne, regele § 64 Abs. 2 EStG ausdrücklich, wer bei mehreren Berechtigten den vorrangigen Anspruch habe. Geregelt sei der Fall, in dem das Kind in einen gemeinsamen Haushalt von Eltern/einem Elternteil und den Großeltern aufgenommen worden sei. Auch hier gelte nach § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG, dass die Eltern/der Elternteil zunächst vorrangig Kindergeld berechtigt seien/sei. Der Gesetzgeber lasse allerdings bei einem gemeinsamen Haushalt zu, dass der vorrangig kinderberechtigte Elternteil auf seinen Vorrang zu Gunsten der Großeltern verzichten könne. Im Streitfall sei ab dem 01.06.2015 kein gemeinsamer Haushalt der Kindesmutter der Großeltern gegeben. Selbst für den Fall der Aufnahme sowohl in den Haushalt der Kindesmutter als auch in den Haushalt der Großeltern ergebe sich nach den gesetzlichen Vorgaben ausschließlich der vorrangige Kindergeldanspruch der Mutter.
Der Gesetzgeber habe den Fall der gleichzeitigen Haushaltsaufnahme des Kindes in den Haushalt der Eltern und denjenigen der Großeltern nicht ausdrücklich geregelt, weil nach der eindeutigen Gesetzeslage eine Regelung dieses Sachverhaltes nicht notwendig sei. Sobald das Kind nämlich in den Haushalt der Eltern/eines Elternteils aufgenommen worden sei, sei stets ein Elternteil vorrangig kindergeldberechtigt, unabhängig davon, ob das Kind noch in einen anderen Haushalt aufgenommen sei. Damit schieden alle anderen Kindergeldberechtigten für den Kindergeldanspruch aus.
So liege es hier.
Ein im Gesetz nicht konkret geregelter Sonderfall liege nur dann vor, wenn das Kind in den Haushalt beider Elternteile in annähernd gleichem Umfang aufgenommen sei. Diese Konstellation sei von der Rechtsprechung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen dahingehend entschieden worden, dass die Eltern eine Berechtigtenbestimmung treffen könnten. Ein solcher Fall sei aber im Verhältnis zwischen Großeltern und Elternteil nicht gegeben.
Mit Beschluss vom 14. Dezember 2016 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 FGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Das Gericht hat - nach Beschluss vom 01. Juni 2017 - Beweis erhoben über die Frage der Haushaltsaufnahme des Kindes M in den Haushalt des Klägers im Hinblick auf den Streitzeitraum Juni 2015 bis einschließlich November 2015 durch Vernehmung der Ehefrau des Klägers (Frau A.K.) und der Kindesmutter (C) als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29.08.2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 12. Mai 2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Beklagte ist verpflichtet, Kindergeld für den Streitzeitraum Juni 2015 bis einschließlich November 2015 zu gewähren, da der Kläger (weiterhin) anspruchsberechtigt war.
I.
1. Das Gericht hat den Klageantrag vorsorglich gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO als Verpflichtungsantrag gefasst, da die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung - in Form eines Bescheides oder jedenfalls einer Kindergeldverfügung/Kassenanordnung - in der Kindergeldakte nicht vorhanden ist, so dass das Ende des ursprünglich bestimmten Festsetzungszeitraums nicht bekannt ist.
Daher kommt in Betracht, dass der ursprüngliche Festsetzungszeitraum mit dem Monat Mai 2015 endete. In diesem Falle könnte mit der Formulierung eines Anfechtungsantrags dem Klagebegehren des Klägers nicht zum Erfolg verholfen werden, da mit der (teilweisen) Aufhebung des angegriffenen Aufhebungsbescheides, eine (noch gar nicht getroffene) Kindergeldfestsetzung für die Monate Juni 2015 bis einschließlich November 2015 nicht wieder in Geltung gesetzt würde.
Vor diesem Hintergrund kann der begehrte Rechtsschutz (nur) mit einem Verpflichtungs-antrag sichergestellt werden. Im vorstehend genannten Falle wäre mit der „Aufhebung“ der ursprünglichen (den Kindergeldanspruch nur bis einschließlich Mai 2015 regelnden) Festsetzung der Sache nach ein Antrag auf Weitergewährung von Kindergeld abschlägig beschieden worden.
Die Bindungswirkung eines Kindergeld ablehnenden oder aufhebenden Bescheides erstreckt sich bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe (vgl. BFH, Urteil vom 21. Oktober 2015 - VI R 35/14 -, juris, Rdn. 10), hier also - da die Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2015 als im November 2015 bekanntgegeben gilt (vgl. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO) - bis einschließlich November 2015.
Im Ergebnis ist daher die Behörde entweder aufgrund des entsprechend zu ändernden Aufhebungsbescheides oder eines neu zu erlassenden Festsetzungsbescheides verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum Juni 2015 bis einschließlich November 2015 einmal - nicht doppelt - Kindergeld betreffend M zu gewähren.
2. Die Klage hat auch Erfolg.
a)
aa) Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist grundsätzlich jeder der beiden Elternteile für das leibliche Kind kindergeldbe-rechtigt. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sind auch Großeltern kindergeldberechtigt, wenn sie ein Enkelkind in ihren Haushalt aufgenommen haben. Anders als bei Pflegeeltern in Bezug auf ein Pflegekind (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG) setzt die Kindergeldberechtigung bei Großeltern in Bezug auf ein Enkelkind nicht zusätzlich voraus, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht (vgl. auch Treiber, in: Blümich, EStG, Band 3, § 63, Stand: März 2015, Rdn. 25). Beim Zusammentreffen mehrerer Ansprüche sieht das Gesetz vor, dass nur einem Berechtigten Kindergeld bezahlt wird (vgl. § 64 Abs. 1 EStG). Bei mehreren Berechtigten wird Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).
bb) Eine Haushaltsaufnahme im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG liegt vor, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen die Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Die Betreuung des Kindes im Haushalt eines Berechtigten muss einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben und die Aufenthalte des Kindes dürfen nicht nur Besuchs- oder Feriencharakter haben (vgl. BFH, Beschluss vom 14. Dezember 2004 - VIII R 106/03 -, juris, Rdn. 21).
Bei der Auslegung des Begriffs der Haushaltsaufnahme i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Merkmal der Haushaltsaufnahme dazu dienen soll, nur einem von mehreren Kindergeldberechtigten gegenüber den anderen eine Vorrangstellung einzuräumen. Denn gemäß § 64 Abs. 1 EStG ist das Kindergeld an nur einen Berechtigten zu zahlen. Das hat zur Folge, dass eine Aufteilung des Kindergeldes auf mehrere Berechtigte nicht zulässig ist (vgl. BFH, Beschluss vom 14. Dezember 2004 - VIII R 106/03 -, juris, Rdn. 24).
Die Vorschrift, dass das Kindergeld an nur einen Berechtigten gezahlt und nicht aufgeteilt wird, und der gesetzliche Grundgedanke, dass bei mehreren Berechtigten das Kindergeld an denjenigen gezahlt werden soll, der die größte Belastung trägt, führen in ihrem Zusammenspiel dazu, dass der Begriff der Haushaltsaufnahme i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht für alle Sachverhalte gleichermaßen, sondern nur fallgruppenspezifisch konkretisiert werden kann. Er ist für die Fallgruppe, dass die Dauer der Aufenthalte des Kindes in den Haushalten beider Elternteile über einen Besuchs- oder Feriencharakter hinausgeht, einschränkend auszulegen. Bei diesem Sachverhalt ist für die Annahme einer Haushaltsaufnahme zusätzlich zu den oben dargestellten Merkmalen erforderlich, dass sich das Kind dort überwiegend aufhalten und seinen Lebensmittelpunkt haben muss. Dies beruht auf der typisierenden Annahme, dass derjenige Kindergeldberechtigte die größeren Unterhaltslasten für das Kind trägt, der es überwiegend in seinem Haushalt betreut und versorgt (vgl. BFH, Beschluss vom 14. Dezember 2004 - VIII R 106/03 -, juris, Rdn. 33).
b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das Gericht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweis-aufnahme, der Überzeugung (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass M während des Streitzeitraums (mit deutlich überwiegendem Gewicht) in den Haushalt der Großeltern aufgenommen war und dort ihren Lebensmittelpunkt hatte, so dass der Kläger weiterhin kindergeldberechtigt war.
aa) In rechtlicher Hinsicht geht das Gericht - abweichend von der Rechtsauffassung der Beklagten - davon aus, dass die Begründung eines eigenen Haushalts durch die leibliche Mutter, in dem das Kind zeitweise lebt, einen möglichen Kindergeldanspruch der Großeltern nicht von Vornherein ausschließt.
Die Familienkasse hat zum einen vorgetragen, dass es in diesem Falle bezüglich der Großeltern zwangsläufig an einer bestimmten gemeinsamen Familienwohnung als ortsbezogenem Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Lebensinteressen bzw. der Dauerhaftigkeit des örtlich gebundenen Zusammenlebens in einer Familiengemeinschaft (ohne Unterbrechung) fehle. Dem haben bereits die Prozessbevollmächtigten des Klägers überzeugend entgegengehalten, dass es dann - die behördliche Ansicht unterstellt - auch bei einem zwischen den getrennt lebenden Eltern vereinbarten Wechselmodell ein Kindergeldanspruch überhaupt nicht geben könne.
Zum anderen hat die Beklagte ausgeführt, dass selbst bei Annahme einer mehrfachen Haushaltsaufnahme nach den gesetzlichen Wertungen von einem vorrangigen Kindergeldanspruch der leiblichen Eltern auszugehen sei. Auf gerichtliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, aus welchen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ein solcher Vorrang abzuleiten sei, haben die Sitzungsvertreter der Beklagten auf § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG hingewiesen. Dem vermag das Gericht nicht zu folgen.
Nach dem Gesetzesaufbau trifft § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG die grundsätzliche Wertung dahingehend, dass die Kindergeldberechtigung an die Haushaltsaufnahme anknüpft, welche aber nach den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall zu bestimmen ist. Danach dürfte zwar regelmäßig eine vorrangige Kindergeldberechtigung der Eltern bestehen, dies aber nicht aus rechtlichen Gründen, sondern aufgrund des tatsächlichen Umstands, dass die Kinder üblicherweise allein mit ihren Eltern in einer Familiengemeinschaft leben und die Aufenthalte bei den Großeltern lediglich einem zeitweiligen Aufpassen dienen. Im Einzelfall können die Verhältnisse aber anders liegen.
Die Vorschrift des § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG stellt sich als gesetzliche Regelung eines speziellen Falles, eines gemeinsamen Haushalts von Eltern/Elternteil und Großeltern, dar. In einer solchen Situation sind die jeweiligen Anteile bei der Betreuung, Erziehung und Versorgung des Kindes innerhalb der Wohnung nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand feststellbar, eine Gewichtung kaum möglich. In Anbetracht dessen hat der Gesetzgeber einen (verzichtbaren) Vorrang der Kindergeldberechtigung der Eltern bestimmt, da sie typischerweise - aufgrund einer engeren Bindung - einen größeren Beitrag materieller/immaterieller Art leisten werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht aus systematischer Sicht verfehlt, die Wertung in einer Spezialregelung zu generalisieren und im Sinne einer allgemeinen gesetzgeberischen Wertung zur Einschränkung des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG heranzuziehen.
bb) Nach diesen Maßstäben lagen die Voraussetzungen einer Haushaltsaufnahme des Kindes M bei den Großeltern während des Streitzeitraums vor. Dies ergibt sich vor allem auch aus den glaubhaften Aussagen der beiden Zeuginnen, die schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen haben und - nach dem Eindruck des Gerichts während der Beweisaufnahme - auch glaubwürdig waren.
Das Kind M lebte seit Geburt (30.03.2013) im gemeinsamen Haushalt des Klägers/seiner Ehefrau, der jungen, alleinstehenden Kindesmutter und deren Geschwistern (L und N). Nach den Umständen und unter Berücksichtigung der Aussagen der beiden Zeuginnen wurde zwischen den Großeltern und M eine auch längerfristig tragfähige Familiengemeinschaft mit Betreuung, Erziehung und Versorgung begründet, die mit dem Auszug der Kindesmutter aus dem gemeinsamen Haushalt nicht endete.
Die Zeugin A. K. hat insoweit glaubhaft bekundet, dass M für sie wie ein viertes Kind gewesen sei. Dafür spricht auch die Einlassung, M hätte die Zeugin wiederholt als „Mama“ bezeichnet. Auch diese Angabe ist angesichts der besonderen Verhältnisse - des zwei Jahre geführten gemeinsamen Haushalts, des jungen Alters der Kindesmutter, die aufgrund ihrer schulischen Ausbildung/ihres Studiums zeitlich mit den eigenen Angelegenheiten stark beschäftigt war/ist, so dass der Kläger und seine Ehefrau der Tochter C einen zeitlichen Freiraum zu schaffen und die Betreuung/Erziehung von M teilweise zu übernehmen veranlasst waren, der besonderen Nähebeziehung und des damaligen Alters des Enkelkindes (2 Jahre) - nachvollziehbar. Auch die Zeugin C hat erklärt, dass dem Kind der wirkliche Unterschied zwischen Mutter und Großmutter nicht ganz klar gewesen sei. Es sei schon ein anderes Verhältnis zwischen dem Kläger/seiner Ehefrau und M im Vergleich zu anderen Großeltern. Dass dem Kläger unter diesen Umständen, auch wegen des von Beginn an fehlenden Kindesvaters, - wie vorgetragen (vgl. Bl. 63 PA) - die Rolle eines „Ersatzvaters“ zukam, liegt für das Gericht auf der Hand.
Dadurch, dass M in der Wohnung des Klägers/seiner Ehefrau ihr eigenes Zimmer behielt, dort auch weiterhin (häufig) übernachtete und vom Kläger und seiner Ehefrau in erheblichem Umfang versorgt, betreut und erzogen wurde, ist das zu den Großeltern begründete familiäre Band eigener Art nie abgerissen und die Haushaltsaufnahme nicht beendet worden.
Nach der zur Gerichtsakte gereichten Übersichtsliste/Tabelle über die (zeitlichen) Betreuungsanteile der Großeltern einerseits und der Zeugin C andererseits in Bezug auf das Kind M während des Zeitraums 01. Juni 2015 bis 30. November 2015 (unter Berücksichtigung von Übernachtungen und Kindergarten; Bl. 12 – 15 PA) stellt sich die Sachlage so dar, dass M mindestens 2 - 3 Mal, häufiger aber 4 - 5 Mal bei dem Kläger/seiner Ehefrau übernachtete.
Bei den Zeitanteilen betreffend die Betreuung sind für den Kindergarten, wenn er besucht wurde, 6 h (= 25% der Tagesgesamtzeit von 24 h) veranschlagt, so dass - im Falle des Kindergartenbesuchs - für die Aufteilung der Betreuungsanteile zwischen den Großeltern und der Zeugin C ein Umfang von 75 % verbleibt. Diese Berechnungsweise ist nicht zu beanstanden. Bei Betrachtung der einzelnen Kalenderwochen ergeben sich
- ausgehend von denjenigen Tagen, an denen das Kind überwiegend (bzw. an 2 Tagen 50 % : 50 % am 31.10. und 02.11.) von den Großeltern betreut wurde - folgende Betreuungsanteile des Klägers/seiner Ehefrau:
1/7: 2 Wochen 4/7: 9 Wochen
2/7: 2 Wochen 5/7: 5 Wochen
3/7: 5 Wochen 6/7: 2 Wochen
Gesamt: 9 Wochen 16 Wochen.
Hieraus wird deutlich, dass M während des Streitzeitraums deutlich überwiegend vom Kläger/seiner Ehefrau betreut wurde. Unter Berücksichtigung auch der Anzahl der Übernachtungen bei den Großeltern lag/liegt der Schwerpunkt des Aufenthalts/der Betreuung des Kindes im Haushalt der bzw. bei seinen Großeltern.
Die Vertreter der Familienkasse sind dieser - vom Prozessbevollmächtigten des Klägers nach der Beweisaufnahme ebenfalls geäußerten - Einschätzung nicht entgegengetreten.
Die Richtigkeit der Aussagen der Zeuginnen sowie der von der Klägerseite vorgelegten Tabelle über die Betreuungsanteile ist seitens der Behörde nicht (mehr) in Zweifel gezogen worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat zu Recht in der Sitzung von einer hohen Richtigkeitsgewähr der Liste gesprochen. Dies folgt daraus, dass die Tabelle - was glaubhaft ist - anhand detaillierter Kalenderaufzeichnungen der Zeugin A. K. („für jedes Kind eine Spalte“) sowie unter Einbeziehung der Erinnerungen sämtlicher Familienmitglieder erstellt wurde. Vor diesem Hintergrund konnten die seitens der Vertreterin der Beklagten geäußerten Bedenken, wie die Zeugin so detaillierte Angaben habe machen können, ausgeräumt werden.
Die so geprägten Verhältnisse sind auch nicht als „vorübergehend“ anzusehen, zumal das Studium der Tochter nicht beendet war/ist und auch im Falle der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Kindesmutter eine weitere Betreuung durch den Kläger und seine Ehefrau naheliegen ist. Der Kläger und seine Ehefrau haben sich überdies in ihrem jeweiligen Beruf auf eine dauerhafte Unterstützung eingerichtet: Die Zeugin hat Gleitzeit genommen und auf eine Ausweitung ihrer Arbeitszeiten verzichtet. Der Kläger arbeitet - nach eigenem Bekunden in der mündlichen Verhandlung - 4 Tage in der Woche zu Hause und hatte einen Telearbeitsplatz eingerichtet, um sich ebenfalls um M kümmern zu können.
Des Weiteren ist festzustellen, dass die Großeltern sich ihrem Enkelkind - über ein bloßes Aufpassen hinaus - in umfassender Weise gewidmet und so - wesentlich auch durch ihre Erziehung - zur Entwicklung des kleinen Kindes beigetragen haben. Dass die Großeltern diese Aufgabe verinnerlicht und wahrgenommen haben, wird nicht nur durch die Charakterisierung, dass M für sie wie ein viertes Kind gewesen sei, sondern auch aus der Einlassung der Zeugin A. K. deutlich, sie - die Großeltern - und die Kindesmutter würden M gemeinsam erziehen, wobei sie - die Großeltern - bei der Erziehung wohl weniger streng seien als ihre Tochter C. Darüber hinaus hat die Zeugin glaubhaft bekundet, M häufig zum Kindergarten zu bringen bzw. sie von dort abzuholen oder etwa mit ihr zum Eltern-Kind-Training zu gehen. Sie - die Zeugin und der Kläger - hätten sich auch sonst um M gekümmert: Beispielsweise habe die Zeugin das Kind bei den anfallenden Arzt- oder Zahnarztbesuchen begleitet oder M bei Krankheit gepflegt. Außerdem seien sie zusammen mit ihr in den Urlaub gefahren. Nach der vorgelegten Tabelle wurde der Urlaub im Zeitraum vom 15.08.2015 bis 21.08.2015 (zeitlicher Betreuungsanteil der Großeltern: 100 %; Bl. 13 PA) durchgeführt (vgl. auch Bl. 63 PA). Sie - die Zeugin und der Kläger - hätten das Kind häufig mitgenommen, wenn sie etwas unternommen hätten. Der Kläger habe M beispielsweise zum Badminton-Bambini-Training mitgenommen.
Die Aussage der Zeugin A. K., hinsichtlich der Betreuung habe ein „ausgeglichenes Verhältnis“ bestanden, ist mit der gerichtlichen Würdigung, dass der Schwerpunkt der Betreuung/des Aufenthalts bei den Großeltern gelegen hat, vereinbar. Das Gericht pflichtet der Einschätzung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zum Ergebnis der Beweisaufnahme bei, dass die Aussagen der Zeuginnen über die Betreuungsanteile der Großeltern einerseits und der Kindesmutter andererseits „subjektiv“ gefärbt sind. Denn die Angabe eines überwiegenden Betreuungsbeitrags hätte mittelbar als Vorwurf einer unzureichenden Betreuung seitens der Kindesmutter verstanden werden können. Dass diese Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten vorliegend eine Rolle gespielt haben dürfte, wird aus der Aussage der Zeugin C deutlich. Diese hat angegeben, dass sie teilweise zeitlich sehr stark beansprucht gewesen sei und sich ihre Eltern mehr um M gekümmert hätten; es sei „aber nicht so gewesen, dass sie sich nicht um ihre Tochter gekümmert habe“. Auch nach der Einlassung der Kindesmutter selbst ist daher von einem tatsächlichen Überwiegen der Betreuung seitens der Großeltern auszugehen. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch in dem erklärten Verzicht der Kindesmutter auf Kindergeld für M. Nach gerichtlichem Verständnis anerkennt die Zeugin C damit die überwiegenden Betreuungsleistungen ihrer Eltern.
Schließlich ist auch dem (besoldungsrechtlichen) Einwand der Beklagten zu widersprechen, die Anerkennung einer Haushaltsaufnahme bei den Großeltern eröffne die Möglichkeit einer Gestaltung. Zwar trifft es zu, dass sich der Familienzuschlag um jedes weitere anzuerkennende Kind erhöht, so dass mit der Haushaltsaufnahme Ms eine höhere Besoldung des Klägers verbunden ist. Die hier gegebenen besonderen tatsächlichen Umstände stellen aber eine große Ausnahme dar.
Da nach den vorstehenden Ausführungen von einer vorrangigen Kindergeldberechtigung des Klägers auszugehen ist, kommt es auf die Frage, ob die Regelung des § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG im Falle eines erklärten Vorrangverzichts analog angewendet werden könnte (vgl. Sächsisches FG, Urteil vom 24. November 2004 - 7 K 256/04 (Kg) -, juris, Rdn. 42 f.), nicht an, wobei hier eine ex-tunc-Wirkung nicht schon deshalb zu verneinen wäre, weil der Vorrangverzicht bereits geregelte Zeiträume beträfe (vgl. BFH, Urteil vom 19. April 2012 - III R 42/10 -, juris, Rdn. 10; Hildesheim, in: Bordewin/Brandt, EStG, Band 8, § 64, Rdn. 51).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
III. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Es handelt sich vorliegend um einen besonders gelagerten Einzelfall, da die im Streitfall zwischen den Großeltern, der Kindesmutter und dem Enkelkind M bestehenden Verhältnisse von den Gegebenheiten in anderen Familien deutlich abweichen.
Rechtsmittelbelehrung
Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.
Für die Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof besteht Vertretungszwang. Zur Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesfinanzhof berechtigt sind Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Hinweis:
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite www.bundesfinanzhof.de lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S.3091) einzuhalten ist.