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  • 13.05.2019 · IWW-Abrufnummer 208806

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 07.05.2018 – 8 K 2881/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    In dem Finanzrechtsstreit
    - Kläger -
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -
    wegen Einkommensteuer 2011 bis 2014
    hat der 8. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07. Mai 2018 durch
    Vorsitzenden Richter am Finanzgericht
    Richterin am Finanzgericht
    Richterin
    Ehrenamtliche Richterin
    Ehrenamtlichen Richter
    für Recht erkannt:
    Tenor:

        1.

        Die Klage wird abgewiesen.
        2.

        Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
        3.

        Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob die Einkommensteuerbescheide der Kläger für die Jahre 2011 bis 2014 nachträglich zu ändern sind und sich die vom Kläger an die Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte geleisteten Jahresbeiträge infolge dessen steuerlich auswirken können.

    Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte u.a. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als ...(Arzt), welche einheitlich und gesondert festgestellt wurden.

    Der Kläger zahlte in den Jahren 2008 bis 2014 folgende Jahresbeiträge an die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte:
    2008: x.xxx,xx €;    2011: xx.xxx €    2014: xx.xxx,xx €
    2009: xx.xxx,xx €    2012: xx.xxx €    2015: xx.xxx,xx €.
    2010: xx.xxx,xx €;    2013: xx.xxx €    

    In den Steuererklärungen für die Streitjahre 2011 bis 2014, ebenso wie in den Erklärungen für die vorangegangenen Veranlagungszeiträume (VZ) 2008 bis 2010, erklärte der Kläger bzw. sein steuerlicher Berater und späterer Prozessbevollmächtigte diese Zahlungen als Beträge zu "Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht und Kapitallebensversicherung mit mindestens zwölf Jahren Laufzeit und Laufzeitbeginn sowie erster Beitragszahlung vor dem 1.1.2005" in den jeweils hierfür vorgesehen Feldern der Steuererklärungsformulare. Für den VZ 2008 war dies Zeile 73 des Mantelbogens, ab dem VZ 2009 auf der Anlage Vorsorgeaufwand Zeile 19, ab VZ 2010 Zeile 49, ab VZ 2012 Zeile 51 und im VZ 2014 das Feld mit der Nr. 503.

    Alle Einkommensteuererklärungen für die streitigen VZ erstellte der steuerliche Berater, ebenso wie die Erklärungen der vorhergehenden VZ 2008 bis 2010, mit Hilfe des Steuererklärungsprogramms der Firma DATEV und übermittelte es elektronisch mit dem von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellten Programms ELSTER an das beklagte Finanzamt (FA). Außerdem druckte der Steuerberater in allen VZ (2008 bis 2014) die entsprechenden Formulare aus und übersandte sie ebenfalls an das FA. Allen Erklärungen, außer der Erklärung für den VZ 2014, legte er ein von ihm unterschriebenes Anschreiben bei, auf dem er mitteilte, dass die für die Angaben in der Erklärung benötigten Anlagen beigefügt seien.

    Jeweils auf der letzten Seite dieser ausgedruckten Steuererklärungen, außer bei der Erklärung für den VZ 2014, haben die zuständigen Bearbeiterinnen des beklagten FA einen Stempel mit dem Vermerk "Veranlagung durchgeführt - Belege zurückgegeben" angebracht, den sie immer mit ihrem Namenszeichen und dem Datum der Veranlagung versahen.

    In keinem der Einkommensteuerbescheide wirkten sich die Beitragszahlungen des Klägers steuerlich aus, weil sie mit einem Anteil von 88% als (nur) beschränkt abziehbare Vorsorgeaufwendungen behandelt wurden. Alle Einkommensteuerbescheide der Streitjahre, ebenso wie der vorangegangenen VZ 2008 bis 2010 wurden bestandskräftig. Das FA hatte in die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013 Vorbehalte der Nachprüfung aufgenommen. Diese wurden durch Bescheide vom 21. März 2016 aufgehoben.

    Am 3. Juni 2016 beantragte der Steuerberater die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2015 gemäß § 173 AO, da die Beiträge des Klägers zu der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (im Weiteren: Versorgungsanstalt) nicht berücksichtigt worden waren. Die Beitragsnachweise seien bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung beim Beklagten stets mit eingereicht worden. Dem Antrag beigefügt waren zwei Schreiben der Versorgungsanstalt an den Kläger, aus denen zu entnehmen ist, dass der Kläger an diese im Jahr 2008 einen Beitrag i.H.v. x.xxx,xx € und im Jahr 2009 einen Beitrag i.H.v. xx.xxx € geleistet hatte.

    Mit Bescheid vom 14. Juni 2016 lehnte der Beklagte die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2014 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ab. Da der Einkommensteuerbescheid 2015 noch nicht ergangen sei, könnten die Aufwendungen lediglich für dieses Jahr berücksichtigt werden. Die Beiträge für die berufsständische Versorgungseinrichtung seien in den Steuererklärungen nicht beantragt worden. Es lägen keine Eintragungen in der "Anlage Vorsorgeaufwendungen" vor. Die Beiträge würden seit mindestens 2008 gezahlt und seien nie in der Einkommensteuererklärung geltend gemacht worden.

    Ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen könne darin liegen, dass dieser die von seinem steuerlichen Berater gefertigte Steuererklärung unterschreibe, obwohl ihm bei der Durchsicht der Steuererklärung ohne weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt wurden.

    Gegen den ablehnenden Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger Einspruch ein. Die streitigen Werte seien in die falschen Zeilen der Einkommensteuererklärungen eingetragen worden. Sofern eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht erfolgen könne, werde eine Änderung gemäß § 129 AO beantragt. Der Eintrag in die falschen Zeilen stelle eine offenbare Unrichtigkeit dar, die eigentlich das Finanzamt hätte erkennen müssen, da die Belege der Versorgungsanstalt zu jeder Steuererklärung mit eingereicht worden seien. Es handele sich um eine offenbare, auch für das Finanzamt erkennbare Unrichtigkeit.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 1. September 2016 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Die Unrichtigkeit der Anlage Vorsorgeaufwand sei entgegen der Behauptung der Kläger für den zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamts nicht ohne weitere Prüfung erkennbar gewesen. Die Unrichtigkeit habe sich nicht aus der Steuererklärung selbst, den dazugehörigen Anlagen oder den in den Akten befindlichen Unterlagen für den betreffenden Veranlagungszeitraum ergeben. Nicht erkennbar sei für den Sachbearbeiter gewesen, dass die Zeile "Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht und/ oder Kapitallebensversicherung mit einer Laufzeit von mindestens zwölf Jahren sowie einem Laufzeitbeginn und der ersten Beitragszahlung vor dem 1.1.2015" falsch ausgefüllt war. Hiergegen spreche die hinreichend verständliche und eindeutige Formulierung der Zeile. Betrachte man allein die Steuererklärungen und Anlagen der streitgegenständlichen Veranlagungszeiträume, deute nichts darauf hin, dass hier ein falscher Eintrag erfolgt sei.

    Am 28. September 2016 erhoben die Kläger wegen der Jahre 2008 bis 2014 Klage beim Finanzgericht. Wegen der Jahre 2008 bis 2010 nahmen sie die Klage später nach Hinweis der Berichterstatterin auf die diesbezüglich eingetretene Festsetzungsverjährung und den hieraus resultierenden Ausschluss einer Änderung der betreffenden Bescheide zurück.

    Die Kläger tragen vor, im Streitfall liege lediglich ein Eintragungs- bzw. Übernahmefehler vor, da durch den "ständigen Formularwechsel" die Beitragszahlungen zur Versorgungsanstalt versehentlich fälschlicherweise in die Zeile der Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht und nicht bei den Beiträgen zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen bei Nichtarbeitnehmern übernommen worden seien. Trotz Beifügung des Nachweises der berufsständischen Versorgungseinrichtung sei der Betrag unter Auslassen der richtigen Beitragszeile mechanisch falsch eingegeben worden. Aus dem Eintragungsfehler seitens der Kläger sei der Übernahmefehler des Finanzamts geworden. Dieses habe sich den Fehler der Kläger zu eigen gemacht.

    Der Steuerberater habe die Einkommensteuererklärungen 2008 bis 2014 mit den bei der jeweiligen Veranlagung beim Beklagten eingereichten Belegen so vorgelegt, wie dies aus den umfangreichen Kopien, welche der Klagebegründung beigefügt worden seien (Bl. 23-178 Klageakte), ersichtlich sei.

    Das Steuerbüro kopiere generell sämtliche Belege der Mandanten, die dann der Steuererklärung beigefügt würden. Dies seien vor allem Belege im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen über 100 €, alle Spendenbelege, sämtliche Versicherungsaufwendungen, Lohnsteuerbescheinigungen, haushaltsnahe Aufwendungen, Studienbescheinigungen, Behindertenausweise, Mietverträge, alle selbst erstellten Anlagen und Jahresabschlüsse sowie besondere Belege, welche hohe Beiträge auswiesen und außergewöhnlich seien und bei denen mit einer Nachfrage seitens des Finanzamts zu rechnen sei. Die Originalbelege seien in den Kalenderjahren 2008 bis 2010 mit den Original-Erklärungsvordrucken, unterschrieben von den Mandanten, auf dem Postweg beim Finanzamt eingereicht worden. In Bezug auf die Kalenderjahre 2011 und 2012 sei die Erklärung in komprimierter Form von den Mandanten unterschrieben worden und die Belege mit einem Anschreiben separat auf dem Postweg an das Finanzamt nachgereicht worden. Die Steuererklärungen 2013 und 2014 seien auf dem Duplikats-Steuererklärungsausdruck von den Klägern unterschrieben, dann auf dem elektronischen Wege übertragen und die dazugehörigen Belege umgehend an das Finanzamt separat eingereicht worden.

    In den Jahren 2008 bis 2014 gebe es die Möglichkeit, im Programm zu wählen, ob zu den elektronisch übertragenen Daten Belege eingereicht würden oder nicht. Er habe immer die Option "mit Einreichung der Belege" ausgewählt, um ein entsprechendes Anschreiben für das Finanzamt für die einzureichenden Belege zu erhalten. Diese Optionsausübung werde dem Finanzamt mit der elektronischen Steuererklärung mitgeteilt. Aufgrund der Tatsache, dass die fraglichen Beitragszahlungen Pflichtbeiträge seien, sei es eine Selbstverständlichkeit gewesen, diese Beitragsnachweise zu den einzureichenden Belegen beizufügen, um unnötige Nachfragen zu vermeiden. Der zuständige Sachbearbeiter beim Finanzamt habe zudem die Prüfung der Vollständigkeit vernachlässigt, da ihm hätte auffallen müssen, dass die Eintragung der Pflichtbeiträge nicht in der richtigen Zeile des Steuerformulars erfolgt sei.

    Durch den Wechsel des Steuerberaters - ab dem Veranlagungsjahr 2008 - sei der manuelle Fehler erst möglich geworden, da die Datenübernahme unvollständig und falsch vorgenommen worden sei. In der Steuererklärung 2008 sei bei der manuellen Übernahme der Werte durch die Mitarbeiterin des Steuerberaters aus der Steuererklärung 2007 der Betrag in die falsche Zeile übertragen worden. Dem Finanzbeamten sei es ohne zusätzliche Ermittlungsbemühungen erkennbar gewesen, dass der Eintrag der Versorgungsbeiträge im Formular des Kalenderjahres 2008 in der falschen Zeile erfolgt sei, da er den Sachverhalt aus den Erklärungen aus dem Kalenderjahr 2007 gekannt habe und die Bescheinigungen der Beiträge des Versorgungswerks den Steuererklärungen beigelegen hätten. Es sei aus den eingereichten Unterlagen zu den Steuererklärungen 2008 bis 2014 ersichtlich gewesen, dass es sich um Beiträge zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen gehandelt habe.

    Im Einzelnen habe die Mitarbeiterin des neuen Steuerberaters, die Zeugin X., die für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen der Kläger verantwortlich gewesen sei, die Daten in die Datenmaske der DATEV eingetragen. Bei der Ersterklärung für das Jahr 2008 sei Frau X. bei der Eingabe der Zahlungen an die Versorgungsanstalt in der Zeile verrutscht. Daher habe sie die Eingabe nicht in Zeile 62 im Feld "Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtung bei Nichtarbeitnehmern", sondern in Zeile 73 ("Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht und Kapitallebensversicherung mit mindestens zwölf Jahren Laufzeitlaufzeit und Laufzeitbeginn sowie erster Beitragszahlung vor dem 1.1.2005") vorgenommen. Zusätzlich habe Frau X. eine Anlage gefertigt, in der sämtliche Versicherungszahlungen angegeben worden seien. In dieser Anlage, die zu jedem der streitigen Jahre gefertigt worden sei, sei die Altersvorsorge über die Versorgungsanstalt zutreffend wiedergegeben. Die Einkommensteuererklärung sei von den Klägern unterzeichnet und zusammen mit der vom Steuerberater erstellte Anlage zu den Versicherungszahlungen sowie mit dem Bescheid der Versorgungsanstalt beim Beklagten eingereicht worden.

    In den Folgejahren, also ab der Steuererklärung 2009, sei Frau X. wie folgt verfahren: Sie habe die Eingabemaske der DATEV für die Einkommensteuererklärung an ihrem PC aufgerufen. Dort habe sie den Programmbefehl "Jahresübernahme" betätigt. Sodann sei auf dem PC die Eingabemaske mit den Zahlen aus dem Vorjahr erschienen, welche schwarz wiedergegeben würden. Es bestehe sodann die Möglichkeit, diese Zahlen zu überschreiben. Werde die Zahl überschrieben, werde sie grün. Frau X. sei jeweils, ohne erneute Überlegungen anzustellen, dergestalt vorgegangen, dass sie die aktuellen Beitragszahlungen an die Versorgungsanstalt durch Überschreiben der Vorjahreszeilen eingetragen habe. Zumindest für die Streitjahre 2009 bis 2014 habe kein Rechtsirrtum vorgelegen.

    Der Kläger bringe, wenn die Einkommensteuererklärung anstehe, seinen Ordner mit Belegen zum Steuerberater mit, welche er im Laufe des betreffenden Jahres gesammelt habe. Dort finde ein erster Termin mit dem Mandanten statt. Nachdem dieser seine Unterlagen vorbeigebracht habe, bereite Frau X. die Erklärung mit Unterlagen vor. Im Anschluss gebe es einen zweiten Termin mit dem Mandanten. Bei diesem werde die Erklärung mit ihm besprochen. Daraufhin unterschrieben der Mandant sowie der Steuerberater die Erklärung. Danach werde - wie bei DATEV vorgesehen - eine Ausfertigung der Erklärung dem Mandanten ausgehändigt. Die "eigentliche" Erklärung werde auf elektronischen Wege dem Finanzamt übermittelt.

    Mit den dazugehörigen Belegen verhalte es sich so, dass diese normalerweise in einem "Finanzamt-Y-Fach" beim Steuerberater für jeden Mandanten gesondert gesammelt würden und ca. einmal in der Woche beim Finanzamt Y, welches vom Büro des Prozessbevollmächtigten nicht weit entfernt sei, vorbeibeigebracht und in den finanzamtseigenen Briefkasten eingeworfen würden.

    Was die so bezeichneten "Anlagen zur Anlage" der jeweiligen Einkommensteuererklärung betreffe, so würden diese automatisch mit der elektronischen Erklärung - ebenfalls auf elektronischem Wege - an das Finanzamt übersandt. Nach DATEV könne nur eine Übermittlung mit allen in der Kanzlei erstellten "Anlagen zur Anlage" oder gar keiner veranlasst werden. Eine Übermittlung nur einzelner erstellter "Anlagen zur Anlage" sei technisch nicht möglich.

    Weiterhin trug der Prozessbevollmächtigte vor, bei den hohen Beträgen, um die es vorliegend gehe, werde man "die Belege doch nicht weglassen". Wegen der Höhe der Einkünfte sei der Kläger ein sog. Intensivprüfungsfall gewesen. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Belege nicht dabei gewesen seien. Diese Handhabung der Belegeinreichung habe sich erst geändert, nachdem im Jahr 2017 im Rahmen eines Klimagesprächs mit dem Finanzamt vereinbart worden sei, keine Belege mehr zu übermitteln.

    Die Eingabe durch Frau X. sei im Übrigen so erfolgt, dass sie zunächst die Formularliste unter "Erfassungsformulare" aufgerufen habe. Dort sei der Mantelbogen anzuklicken gewesen mit der Bezeichnung "ESt 1A". In diesem würden die Eingaben nach "Herunterscrollen" in die entsprechende Zeile eingegeben. Frau X. habe fälschlicherweise die fraglichen Beträge nicht in Zeile 63 eingegeben, sondern sei - nach weiterem "Herunterscrollen" - zu den Ziffern 71 - 74 gelangt. Dort müsse ein gesondertes Eingabefeld angeklickt werden, wo die Beträge nicht direkt eingegeben würden, sondern über ein gesondertes Eingabefenster. Werde dieses angeklickt, können eine Eingabe zu den verschiedenen Versicherungen erfolgen, wobei diese unter dem Begriff "Bezeichnung der Versicherung" vorgegeben seien. Hierzu habe die Zeugin X. unter dem Begriff "Kapitallebensversicherung" mit mindestens zwölf Jahren Laufzeit" die Zahlung auf die Basisrente sowie an die Versorgungsanstalt angegeben, genauso wie zur freiwilligen Krankenversicherung die Zahlung an die Z., wodurch sich der erstmalige falsche Eintrag in Höhe von xx,xxx € in Zeile 73 der Einkommensteuererklärung ergeben habe.

    Die Kläger beantragen,

    den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 14. Juni 2016 und der Einspruchsentscheidung vom 1. September 2016, geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre zu erlassen, in denen folgende Beträge als zusätzliche Beiträge des Klägers zur Altersvorsorge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen als Sonderausgaben berücksichtigt werden:

        1.

        im Jahr 2011 in Höhe von xx.xxx €
        2.

        im Jahr 2012 in Höhe von xx.xxx €
        3.

        im Jahr 2013 in Höhe von xx.xxx €
        4.

        im Jahr 2014 in Höhe von xx.xxx €

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte verweist auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, es werde bestritten, dass die notwendigen Nachweise zu den Beitragszahlungen in den streitigen Zeiträumen dem zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamts bei der Veranlagung vorgelegen hätten. Im Streitfall seien dem Finanzamt weder Bescheinigungen der baden-württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte, noch individuell erstellte "Anlagen zur Anlage Versorgungsaufwand" vorgelegt worden. Letztere Anlagen würden vom Finanzamt nach Veranlagung nämlich nicht zurückgeschickt, sondern in der Einkommensteuerakte abgeheftet.

    Eine offenbare Unrichtigkeit liege im Streitfall nicht vor. Eine Berichtigung nach § 129 AO scheitere bereits daran, dass die Unrichtigkeit nicht augenfällig sei, offen zu Tage trete oder auf der Hand liege. Denn auch für einen verständigen Dritten wäre eine weitere Prüfung erforderlich gewesen, um den Fehler auszumachen. Zudem sei § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Übertragungsfehler gegründet sei oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruhe. Bereits bei der Vornahme der Eintragungen habe die Zeugin X. eine steuerliche Würdigung der von ihr aus den Unterlagen der Kläger zu entnehmenden Beträge vornehmen müssen. Sie habe genau differenzieren müssen, um welche Art von Versicherung/Absicherung es sich bei den einzelnen Belegen jeweils gehandelt habe und die Beträge sodann, gegebenenfalls aufsummiert, den jeweiligen Eingabefeldern zuordnen müssen. Sie habe sich in den einzelnen Streitjahren intensiv mit der Frage befassen müssen, an welcher Stelle und in welcher Höhe eine Eintragung zu erfolgen hatte. Es sei mithin von ihr eine rechtliche Würdigung der Umstände vorgenommen worden. Insoweit habe die Zeugin X. bereits zum Zeitpunkt der Eintragungen in die DATEV-Maske in sämtlichen Streitjahren eine rechtliche Würdigung der ihr vorliegenden Unterlagen zu den Zahlungen vorgenommen. Da die Fehler insoweit auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen seien, sei ein mechanisches Versehen auszuschließen.

    Ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage fand am 8. Februar 2018 beim Gericht statt.

    In der mündlichen Verhandlung wurde die Mitarbeiterin des Steuerbüros, Frau X., zu der Frage, wie in den Streitjahren die Bearbeitung der Einkommensteuererklärungen der Kläger beim Prozessbevollmächtigten, insbesondere auch in Bezug auf die Eingabe in die DATEV-Maske, vorgenommen wurde, und wie die Weiterleitung von Unterlagen/Daten an den Beklagten erfolgte, vernommen. Außerdem wurden die für die VZ 2008 bis 2014 zuständigen Mitarbeiterinnen des Beklagten zu der Frage, wie die Bearbeitung der Einkommensteuererklärungen der Kläger in den Streitjahren beim Beklagten im Einzelnen erfolgte, vernommen.

    Im Übrigen wird auf die Erklärungen für die Streitjahre sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigefügten Anlagen verwiesen.
    Entscheidungsgründe

    1. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Nach § 101 Satz 1 FGO ist die Klage begründet, wenn die Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Die angefochtenen Ablehnungsbescheide sind rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Änderung der streitigen Einkommensteuerscheide liegen nicht vor. Insbesondere ist dem beklagten FA keine offenbare Unrichtigkeit beim Erlass der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre unterlaufen.

    a) Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO). Offenbare Unrichtigkeiten i.S.d. § 129 AO sind Schreib- und Rechenfehler sowie ähnliche offenbare Unrichtigkeiten. Unter ähnlichen Unrichtigkeiten werden solche Fehler verstanden, die in einem sonstigen mechanischen Vertun bestehen, wie Übersehen, Vergreifen, falsches Ablesen oder Übertragen, Verwechseln, Vertauschen, Vergessen und dergleichen. Das Vertun besteht regelmäßig auf Unachtsamkeit, Flüchtigkeit, Gedankenlosigkeit oder Abgelenktheit. Es handelt sich demzufolge um einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche mechanische Versehen, die ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden können (Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2017 13 K 3544/15 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2018, 342).

    Zu den mechanischen Fehlern zählen auch Eingabe- und Übertragungsfehler (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Oktober 2016 X R 1/14, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2016, 257). Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus (BFH-Urteil vom 16. September 2015 IX R 37/14, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 250, 332, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2015, 1040). § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2016 X R 1/14, a.a.O.).

    Die Berichtigungsmöglichkeit gemäß § 129 AO setzt voraus, dass der offenbare Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 26. Oktober 2016 X R 1/14, a.a.O., m.w.N.).

    Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei besonders nach Aktenlage beurteilt werden. Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2016 X R 1/14, a.a.O.).

    b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall waren die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2011 bis 2014 nicht nach § 129 AO zu ändern, da unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls und insbesondere der Aktenlage keine offenbare Unrichtigkeit i.S. der Vorschrift vorliegt.

    Die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre sind falsch bzw. materiell zuungunsten der Kläger rechtswidrig (vgl. dazu aa)). Das war bei Berücksichtigung der Aktenlage zum Zeitpunkt der Veranlagung für einen unvoreingenommenen Dritten bei zutreffender rechtlicher Würdigung klar und eindeutig erkennbar, da die Kontoauszüge und sonstigen Belege über die Beiträge zur Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte vorgelegen haben (dazu unter dd)). Es handelte sich jedoch nicht um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 S. 1 AO, weil den fehlerhaften Bescheiden eine unzutreffende rechtliche Würdigung fehlerhafter Steuererklärungen zugrunde lag (vgl. bb) und cc)).

    aa) Die streitigen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2014 sind unrichtig, da der Beklagte in ihnen die Zahlungen des Klägers an die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte nicht als Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt hat. Danach sind Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen oder zur landwirtschaftlichen Alterskasse sowie zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen. Bei den Beiträgen des Klägers zur Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte handelt es sich um solche zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung (Heinicke in Schmidt, EStG, § 10 Rz. 62 mit Verweis auf Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF- vom 8. Juli 2014, BStBl I 14, 1098 (vergleichbar BMF-Schreiben vom 7. Februar 2007 BStBl I 2007, 262)).

    Der Beklagte behandelte die Beiträge zur Versorgungsanstalt steuerlich genauso wie diejenigen Aufwendungen, die zu Recht in die ausgewählte Zeile gehört hätten - etwa die im Erläuterungstext dazu ausdrücklich aufgeführten Beiträge zu Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht und Kapitallebensversicherungen mit mindestens zwölf Jahren Laufzeit und Laufzeitbeginn sowie erster Beitragszahlung vor dem 1.1.2005. Derartige Vorsorgeaufwendungen wären aufgrund der sog. Höchstbetragsregelung im Streitfall aufgrund der Ausschöpfung des Höchstbetrags durch anderweitige vom Kläger getätigte - vergleichbare - Vorsorgeaufwendungen zu Recht nicht berücksichtigt worden.

    Durch die Behandlung als beschränkt abziehbare Vorsorgeaufwendungen wurde die Einkommensteuer für die Kläger zu hoch festgesetzt.

    bb) Dieser Fehler, der dem Beklagten bei der Durchführung der Veranlagungsverfahren der Streitjahre unterlief, hat seine Ursache in der fehlerhaften Erstellung der Einkommensteuererklärungen durch die Kläger bzw. den von ihnen damit beauftragten Steuerberater. Die im Büro des Steuerberaters angestellte und mit der Vorbereitung der Steuererklärungen der Kläger befasste Zeugin X. hat in den Jahren 2011 bis 2014 und auch in den Vorjahren 2008 bis 2010 die vom Kläger an die Versorgungsanstalt geleisteten Beiträge jeweils in die falsche Zeile des betreffenden Erklärungsvordrucks - im Jahr 2008 noch im Mantelbogen sowie ab 2009 in der sog. Anlage Vorsorgeaufwand - eingegeben und nach Unterschrift des Steuerberaters sowie der Kläger, durch welche diese sich den Inhalt der Steuererklärung zu eigen gemacht haben, auf elektronischem Wege dem Beklagten übermittelt.

    Durch die entsprechende Übernahme des Erklärungsgehalts der Steuererklärung hat der Beklagte diesen Fehler in den betreffenden Jahren übernommen.

    cc) Dieser Fehler stellt jedoch keine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO dar, da kein mechanisches Versehen wie beispielsweise ein (bloßer) Eingabe- oder Übertragungsfehler vorliegt.

    Der Eintrag der vom Kläger an die Versorgungsanstalt geleisteten Beiträge in die falsche Zeile durch die Mitarbeiterin des Steuerberaters beruht nicht lediglich auf Unachtsamkeit, Flüchtigkeit, Gedankenlosigkeit oder Abgelenktheit. Vielmehr hat die Zeugin in mehreren Schritten unter Zuhilfenahme der Eingabemaske des DATEV Steuererklärungsprogramms am PC bewusst und unter Verkennung der steuerlichen Rechtslage das im vorliegenden Fall unzutreffende Eingabefeld für die Beiträge des Klägers zur Versorgungsanstalt ausgewählt und diese dort eingegeben.

    Die Zeugin ist bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung für den VZ 2008 weder - wie von Klägerseite vorgetragen - in der Zeile verrutscht, noch ist sie - ohne jegliche rechtlichen oder tatsächlichen Überlegungen anzustellen - auf ein falsches Feld "geraten". Wie sich aus den dem Schriftsatz der Kläger vom 3. Mai 2018 beigefügten Screenshots der betreffenden Eingabemaske ergibt und auch von der Zeugin in der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2018 nachvollziehbar und verständlich erläutert wurde, musste sie bei der erstmaligen Erstellung der Einkommensteuererklärung nach Übernahme des Mandats des Kläger durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten im Veranlagungsjahr 2008 mehrere einzelne Schritte im Programm durchlaufen, um letztendlich zur Eintragung des Betrages zu gelangen.

    Aus dem glaubhaften Vortrag der Zeugin, welche den sie betreffenden Sachverhalt ruhig und auch in den Einzelheiten nachvollziehbar darlegte und auch auf Zwischenfragen detailliert und überzeugend Auskunft geben konnte, ergibt sich, dass sie die von ihr ausgeführten Schritte im mehrstufigen Programm am Bildschirm bis zur schlussendlichen Eintragung der Zahl ganz bewusst und zugleich unter Verkennung der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten in Bezug auf die Aufwendungen des Klägers für die Versorgungsanstalt vorgenommen hat. Da ihr die unterschiedliche steuerliche Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen im Einzelfall bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2008 nicht präsent war, traf sie die falsche Entscheidung bei der Auswahl der zum Eintrag bestimmten Zeile.

    Die von ihr angestellten Überlegungen führten sie in der Eingabemaske letztendlich auf dem von ihr bewusst gewählten falschen Weg bis zum irrigen Öffnen des Bereichs 71 bis 74. Hierhin war sie - zwar unter Zugrundelegung fehlerhafte Vorüberlegungen, aber wie von ihr gewollt - gelangt, indem sie sich zu diesem Zweck der vom Programm geforderten Schritte bediente. Dies manifestierte sich im Ergebnis in der Eintragung in den Bereich 71 bis 74. Die Annahme eines bloßen mechanischen Versehens i.S.d. § 129 AO ist nach Überzeugung des Senats aus diesem Grund ausgeschlossen.

    Die oben geschilderte Vorgehensweise des Jahres 2008 hat sich bei der Bearbeitung der Folgejahre ab 2009, ebenfalls durch die Zeugin X., perpetuiert. Zwar durchlief die Zeugin in diesen Jahren nicht mehr alle im Jahr 2008 erforderlichen Eingabeschritte. Vielmehr wurde sie durch Betätigung des Programmbefehls "Jahresübernahme" direkt zur Eingabemaske, hinterlegt mit den Vorjahreszahlen, geleitet. Dadurch wandelte sich jedoch ihre oben geschilderte irrige, von falschen Vorstellungen geleitete Bearbeitungsweise aus dem Jahr 2008 nicht in ein bloßes mechanisches Versehen um. Vielmehr wollte die Zeugin auch in den Folgejahren ganz bewusst ihre Bearbeitungstätigkeit aus dem Vorjahr bestätigen und als Grundlage des darauffolgenden Jahres mit den aktuellen Werten fortführen. Dabei übernahm sie die in den jeweiligen Zeilen voreingetragenen Beträge als Ausgangsbasis und zugleich manifestes Ergebnis der Erstellung der Einkommensteuererklärung des Jahres 2008 und damit zwangsläufig auch die mit der damaligen Eingabe verbundenen - vorgelagerten - Begleitumstände in die aktuell zu bearbeitende Steuererklärung.

    Hierdurch hat sich in den Nachjahren die ursprüngliche Vorgehensweise der Zeugin X. des Jahres 2008 einschließlich der jeweiligen rechtlichen bzw. tatsächlichen Qualität ihres damaligen Verhaltens für jedes Veranlagungsjahr immer wieder neu perpetuiert und chronologisch bis ins letzte Streitjahr 2014 fortgesetzt. Durch die ständig wiederholte Übernahme des aus dem jeweiligen Vorjahr herrührenden Eingabeergebnisses als Grundlage für die Bearbeitung der Steuererklärung des aktuellen Jahres hat sich die Zeugin X. ihr ursprüngliches Fehlverhalten immer wieder neu zu eigen gemacht. Ein mechanisches Versehen ist daher auch in den Folgejahren ausgeschlossen.

    Eine vom Veranlagungsjahr 2008 abweichende rechtliche Beurteilung gemäß § 129 AO betreffend die Jahre 2011 bis 2014 scheidet damit aus.

    dd) Ohne dass es hierauf für die Entscheidung noch ankommt, ist der Senat davon überzeugt, dass die Unrichtigkeit offenbar i.S.d. § 129 AO war. Abgesehen von dem Vorliegen eines mechanischen Fehlers sind die übrigen Voraussetzungen für eine Änderung gemäß § 129 AO erfüllt.

    (a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Unrichtigkeit dann offenbar, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 26. Oktober 2016 X R 1/14, a.a.O., mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

    (b) Nach Auffassung des Senats war die mit der fehlerhaften Eintragung der Beiträge an die Versorgungsanstalt verbundene Unrichtigkeit für den Beklagten ohne weiteres erkennbar.

    Der Senat ist entgegen der Ansicht des Beklagten davon überzeugt, dass anlässlich der Veranlagungen der Streitjahre 2011 bis 2014 der betreffenden Bearbeiterin die Bestätigungen der Versorgungsanstalt über die Beitragsleistungen des Klägers vorlagen. In diesem Zusammenhang ist es dabei unerheblich, ob die "Anlage zur Anlage Vorsorgeaufwand" ebenfalls vorlag.

    Die Zeugin X. sagte in der mündlichen Verhandlung anlässlich ihrer Vernehmung aus, die Belege des Klägers zum Vorsorgeaufwand habe sie auf jeden Fall an das Finanzamt übersandt. Sie erklärte weiterhin glaubhaft und nachvollziehbar, sie sei jemand, der eher zu viel kopiere und mitgebe, um Rückfragen des Finanzamts zu vermeiden. Dies sei zeitaufwendiger, aber sie fühle sich dann auch auf der sicheren Seite. Sie sei sogar von Kollegenseite schon angemahnt worden, dass sie zu viel beifüge. Belege, die sie an das Finanzamt schicke, kopiere und archivieren sie. Damals - inzwischen werde "das alles" gescannt - habe man diese zurückbehaltenen Kopien in einer Akte bzw. im entsprechenden sog. "Mandantenordner" abgeheftet. Die Zeugin machte während ihrer Vernehmung einen ruhigen und glaubwürdigen Eindruck. Der Senat sieht keinen Grund, ihre Aussage diesbezüglich in Zweifel zu ziehen.

    Aus dem in der mündlichen Verhandlung dem Gericht übergebenen "Mandantenordner" des Prozessbevollmächtigten für die Kläger ergibt sich weiterhin, dass in diesem für die streitigen Jahre neben einem Ausdruck der jeweiligen Einkommensteuererklärung die Kopien von vielen beim Beklagten eingereichten Belegen abgeheftet wurden. Darunter befinden sich auch die im Klageverfahren dem Gericht vorgelegten Bestätigungen der Versorgungsanstalt mit den geltend gemachten Beträgen. Der Senat sieht keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Kopien erst im Nachhinein, insbesondere im Hinblick auf die mündliche Verhandlung angefertigt und abgelegt sein sollten, zumal sich auf der Rückseite der Kopien für 2011 und 2012 Kopien anderer mit dem streitigen Vorgang nicht im Zusammenhang stehender Belege befinden.

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vernehmung der Zeuginnen A. und B., der Veranlagungsbearbeiterinnen der Jahre 2008 (Frau A.) und 2009 bis 2014 (Frau B.). Die Zeugin A. sagte aus, dass normalerweise, wenn ein Beleg kontrolliert worden sei, an der entsprechenden Stelle in der Einkommensteuererklärung ein Haken gesetzt werde. Wenn sich - wie im Streitfall - an der betreffenden Eintragung kein Haken befinde, sei die Summe wohl nicht überprüft worden. Ein Beleg werde jedoch u.a. dann nicht angefordert, wenn die sogenannte "Kappung" greife, also etwa beim Sonderausgabenhöchstbetrag - so z.B. im Fall des Vorsorgeaufwands bei Lebensversicherungen mit Kapitalwahlrecht und zwölf Jahren Mindestlaufzeit, da sich dort Zahlungen oberhalb der Kappungsgrenze "gar nicht mehr groß auswirken". Bei einer Eintragung in der Zeile 63 hätte man allerdings genauer nachgesehen, ob die Eintragung richtig sei, weil sich dort die Höhe des Betrages steuerlich auswirke. Frau B. sagte aus, Lebensversicherungen würden sich wegen der Höchstbeträge "eher nicht auswirken". Die Beträge "auf der Rückseite" würden sich nicht auswirken; ein hoher Betrag sei dann unerheblich. Zu der Frage, ob im Streitfall die fraglichen Belege vorgelegen hätten, konnten die Zeuginnen weder aus ihrer Erinnerung noch auf Vorhalt des konkreten Sachverhalts Angaben machen.

    Aus ihren Aussagen ist lediglich zu entnehmen, dass der in der falschen Zeile eingetragene Betrag von den Bearbeiterinnen nicht einer Überprüfung unterzogen wurde. Dass der dazugehörige Beleg - die Bescheinigung der Versorgungsanstalt - bei der Veranlagung im Einzelfall nicht vorgelegen hat, kann hieraus nicht geschlossen werden, da die Zeuginnen aufgrund der mutmaßlich fehlenden steuerlichen Auswirkung eines dortigen Eintrags den betreffenden Betrag nach ihrer Aussage weder der Höhe nach noch inhaltlich überprüft haben.

    2. Eine Änderung der betroffenen Einkommensteuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheidet vorliegend ebenfalls aus. Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

    Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5). Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es dabei nicht auf die Kenntnis der "Finanzbehörde" als solche, sondern auf die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle an (BFH-Urteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10 a.a.O.). Dabei ist allerdings dieser Stelle grundsätzlich das bekannt, was sich aus den bei ihr geführten Akten ergibt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankommt. Zu den Akten gehören alle Schriftstücke, die bei der Dienststelle vorliegen oder sie im Dienstgang erreichen. Bekannt sind der zuständigen Dienststelle in diesem Sinn auch sämtliche Informationen, die dem Bearbeiter von vorgesetzten Dienststelle zur Verfügung gestellt werden. Ist dem Bearbeiter der zuständigen Dienststelle im Zeitpunkt der Veranlagung der Inhalt der Akten nach diesen Grundsätzen bekannt, so können die hier aufgeführten Tatsachen nicht mehr nachträglich bekannt werden und damit auch nicht mehr Grundlage für die Änderung eines bestandkräftigen Bescheids gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sein (BFH-Urteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10 a.a.O., m.w.N.).

    Im Streitfall fehlt es bereits an einem nachträglichen Bekanntwerden im Sinne des Gesetzes. Die Tatsache, dass es sich bei den in Zeile 73 (bzw. vergleichbar) der Anlage Vorsorgeaufwand eingetragenen Beträge um Beitragsleistungen des Klägers an die Versorgungsanstalt handelt, wurde dem Beklagten nicht nachträglich bekannt. Wie oben ausgeführt ist das Gericht davon überzeugt, dass die Bescheinigungen der Versorgungsanstalt durch den Prozessbevollmächtigten beim Beklagten zusammen mit anderen - unstreitig vorgelegten - Belegen eingereicht wurden und bei diesem während der Veranlagung vorlagen, bevor sie zusammen mit den übrigen Belegen anschließend, wie per Stempel in der Akte bestätigt, an die Kläger zurückgeschickt wurden.

    3. Die Kosten des Verfahrens tragen gemäß § 135 FGO die Kläger.

    4. Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung betreffend die Frage der offenbaren Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO zuzulassen.

    Vorschriften§ 173 AO § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG

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