07.04.2020 · IWW-Abrufnummer 215161
Finanzgericht Brandenburg: Urteil vom 11.12.2019 – 3 K 3210/19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg
In dem Rechtsstreit
A... und B...,
Kläger,
Verfahrensbevollmächtigter der Klägerin: B...
gegen
Finanzamt,
Beklagter,
den Richter am Finanzgericht ...,
den Richter am Finanzgericht ...,
die ehrenamtliche Richterin ... und
die ehrenamtliche Richterin ...
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für die ambulante Pflege für die nicht im Haushalt der Steuerpflichtigen, sondern in ihrem eigenen Haushalt lebende Mutter der Klägerin gemäß § 35a Einkommensteuergesetz - EStG - im Streitjahr 2016.
I.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur ESt veranlagt. Die 1933 geborene Mutter der Klägerin wohnt in einem eigenen Haushalt in C..., knapp 100 km vom Wohnort der Kläger entfernt. Sie bedurfte im Streitjahr Hilfe für Einkäufe und Wohnungsreinigung. Sie bezog im Streitjahr eine Rente in Höhe von 3.085 € oder 3.265 € im gesamten Jahr (genauer Betrag unklar, monatlich 272,06 €) sowie ergänzende Leistungen der Sozialhilfe.
Am 26.01.2015 wurde mit der Sozialstation in C... eine Vereinbarung zur Erbringung von Pflegeleistungen abgeschlossen. Im Eingang des Vertrages ist die Mutter als Leistungsnehmerin aufgeführt, der Vertrag ist jedoch von der Klägerin unterschrieben (FG-A Bl. 17-18). Die Rechnungen (vgl. exemplarisch ESt-Akte Bd. 4 Fach 2016 Bl. 4) wiesen die Mutter als Rechnungsempfängerin aus und wurden der Klägerin übersandt. Die Rechnungen wurden von der Klägerin durch Banküberweisung beglichen und beliefen sich im Streitjahr auf insgesamt 1.071 € (vgl. ESt-Akte Bd. 4 Fach 2016 Bl. 2 und Einspruchsvorgang Bl. 37)
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für 2016, beim Finanzamt - FA - eingegangen am 26.09.2017, machten die Kläger den Gesamtbetrag ihrer Aufwendungen für die Mutter in Höhe von 1.071 € geltend. Im ESt-Bescheid 2016 vom 20.11.2017 lehnte das FA den Abzug ab und führte aus, gemäß § 35a EStG müsse der Steuerpflichtige (selbst) eine Rechnung erhalten haben. Hier habe jedoch die Mutter die Rechnungen erhalten.
2.
Der Einspruch vom 10.12.2017, mit dem die Kläger darauf hinwiesen, es handele sich um einen Vertrag der Klägerin zugunsten der Mutter, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 23.07.2019 (Einspruchsvorgang Bl. 73) mit derselben Begründung wie im ESt-Bescheid als unbegründet zurückgewiesen.
III.
Am 07.08.2019 erhoben die Kläger Klage, mit der sie die Berücksichtigung gemäß § 35a EStG (steuerliche Auswirkung gemäß Proberechnung Einspruchsvorgang Bl. 62 bei der ESt: 215,00 €) weiterverfolgen. Vertragspartnerin der Sozialstation sei die Klägerin gewesen. Der Auftrag sei von der Klägerin erteilt worden. Der Vertragsabschluss sei mittels eines Vordrucks der Sozialstation erfolgt, der von dieser regelmäßig verwendet werde. Auf Wunsch der Sozialstation sei die Mutter als Leistungsnehmerin in das Formular eingetragen worden. Hinsichtlich der Bezahlung seien jedoch die Sozialstation und die Klägerin von Anfang an davon ausgegangen, dass die Klägerin als Auftraggeberin und Unterzeichnerin für die Kosten aufzukommen habe. Die Mutter hätte aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse die Zahlungen auch gar nicht leisten können. Dass die Klägerin auch als Rechnungsempfängerin genannt sein müsse, ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Sie müsse lediglich eine Rechnung haben, die aber auch die gepflegte Person benennen könne.
Auf den Hinweis des Berichterstatters auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 03.04.2019 VI R 19/17 weisen sie auf den Unterschied zwischen stationären Pflegeleistungen, wozu sich nach ihrer Auffassung das genannte Urteil ausschließlich verhalte, und ambulanten Pflegeleistungen hin. Im Übrigen gingen selbst die Finanzverwaltung (Schreiben BMF vom 09.11.2016, BStBl I 2016, 1213, Rn. 43 Beispiel 6) und das beklagte FA davon aus, dass bei ambulanten Pflegeleistungen auch die Pflege anderer Personen als des Steuerpflichtigen in deren eigenen Haushalt vom Anwendungsbereich des § 35a EStG umfasst sei.
Die Kläger beantragen (FG-A Bl. 1),
den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 20.11.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.07.2019 dahingehend zu ändern, dass die Kosten für hauswirtschaftliche Dienstleistungen zur Pflege und Betreuung der Mutter in Höhe von 1.071 € steuermindernd berücksichtigt werden.
Das FA beantragt (FG-A Bl. 43),
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (Kläger: FG-A Bl. 45, FA: FG-A Bl. 43).
2.
Die ESt-Akten Bd. 3 und 4 der Einspruchsvorgang und die Vertragsakte lagen vor.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil die von der Klägerin für die ambulante Pflege der in ihrem eigenen Haushalt lebenden Mutter gezahlten Beträge nicht, insbesondere nicht gemäß § 35a EStG, steuerlich abziehbar sind.
I.
Übereinstimmend und zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass ein Abzug als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG an der zumutbaren Eigenbelastung (hier: 6.175 €) scheitert.
II.
Ebenfalls zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass ein Abzug gemäß § 33a Abs. 1 EStG nicht möglich ist, weil die Rente der Mutter, soweit sie 624 € (§ 33a Abs. 1 Satz 5 EStG) überschreitet, höher ist als der geltend gemachte Unterstützungsbetrag.
III.
Ein Abzug gemäß § 35a EStG scheitert zwar nicht an der Person des Rechnungsempfängers (nachfolgend 1.), jedoch gilt § 35a EStG - entgegen der Auffassung auch der Finanzverwaltung - nur für die ambulante Pflege von Angehörigen im eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen, nicht für die ambulante Pflege von Angehörigen in deren eigenem (anderen) Haushalt (nachfolgend 2.)
1.
Aufgrund des Zwecks des Rechnungserfordernisses, nämlich der Verhinderung von Schwarzarbeit, muss sich aus der Rechnung der Leistungserbringer und der Leistungsempfänger ergeben (BFH, Urteil vom 29.01.2009 VI R 28/08, DStRE 2009, 552, BStBl II 2010, 166, Juris Rn. 45). Dass der Leistungsempfänger und der Zahlende identisch sein müssten, ergibt sich daraus nicht.
Damit korrespondiert zutreffend, dass bei Mietverhältnissen die Mieter und bei Wohnungseigentümergemeinschaften die selbst nutzenden Miteigentümer von der Finanzverwaltung zum anteiligen Abzug gemäß § 35a EStG zugelassen werden, obwohl die Rechnungen in der Regel vom Leistungserbringer aufden Vermieter bzw. den Verwalter als Auftraggeber ausgestellt sind.
2.
Pflege- und Betreuungsleistungen für ambulante Pflege außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen sind jedoch gemäß § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG nicht abziehbar. Im Ergebnis können daher zwar die Aufwendungen für die ambulante Pflege eines Angehörigen, der im Haushalt des Steuerpflichtigen lebt, nicht aber für die ambulante Pflege eines Angehörigen, der in seinem eigenen Haushalt lebt, abgezogen werden.
a)
Inzwischen ist geklärt (BFH, Urteil vom 03.04.2019 VI R 19/17, DStR 2019, 1144, BStBl II 2019, 445, Juris Rn. 11), dass sowohl die Steuerermäßigung für (allgemeine) haushaltsnahe Dienstleistungen gemäß § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG nur für die Inanspruchnahme von "eigenen" haushaltsnahen Dienstleistungen beansprucht werden kann, als auch, dass die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG der Steuerpflichtige nur für die Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner eigenen Heimunterbringung in Anspruch nehmen kann.
b)
Es wäre ein erheblicher Wertungswiderspruch hierzu, würde man bei Aufwendungen für (ambulante) Pflege- und Betreuungsleistungen gemäß § 35a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG die Anwendbarkeit von § 35a EStG nicht auf solche im Haushalt des Steuerpflichtigen (sei es für die eigene ambulante Pflege, sei es für die ambulante Pflege von Haushaltsangehörigen) beschränken, sondern bei ambulanter Pflege auch Aufwendungen für die Pflege Dritter (häufig Verwandter) außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen, im Haushalt des Dritten, mit einbeziehen.
c)
Der jetzige Wortlaut des Gesetzes ist allerdings nicht eindeutig, zumal zwar nicht im Zusammenhang des sachlichen, jedoch des räumlichen Anwendungsbereichs in § 35a Abs. 4 EStG vom Haushalt der gepflegten oder betreuten Person die Rede ist. Gleichwohl sprichtder Gesamtzusammenhang ("haushaltsnahe" Dienstleistungen) und die Systematik des § 35a EStG insgesamt für die vorgenannte Beschränkung.
d)
Auch die Gesetzesmaterialien sprechen für die Beschränkung. Die Änderung erfolgte ab 01.01.2009 durch das "Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleitungen (Familienleistungsgesetz - FamLeistG)".
aa)
Aus Drucksache 16/10809, Seite 10, linke Spalte, ergibt sich, dass der Gesetzgeber Familien entlasten wollte, die pflegebedürftige Angehörige zu Hause betreuen und versorgen. "Schalten sie zusätzlich zu der familiären Pflege professionelle Leistungserbringer ein, um eine Überforderung der Pflegepersonen zu vermeiden, ... können sie die dadurch entstehenden Aufwendungen steuerlich geltend machen."
Dass der Gesetzgeber auch die "nur" finanzielle Unterstützung von Angehörigen, die in ihrem eigenen Haushalt ambulante Pflegeleistungen benötigen, durch die Neufassung des § 35a EStG fördern wollte, ergibt sich jedenfalls nicht aus der Gesetzesbegründung.
bb)
In der Gesetzesbegründung wird weiter (Drucksache 16/10809, Seite 15, rechte Spalte) auf die Einbeziehung des bisherigen § 33a Abs. 3 EStG Bezug genommen. Diese Vorschrift in ihrer bis 2008 geltenden Fassung erlaubte aber den Abzug für eine Haushaltshilfe u. a. wegen Krankheit "... einer anderen zu seinem Haushalt gehörigen unterhaltenen Person, ...". Auch dies spricht nur für die Absicht des Gesetzgebers, ambulante Haushaltshilfe im eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen zu fördern, nicht aber für die Förderung von Haushaltshilfen in Dritthaushalten.
e)
Schließlich wäre es auch verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) kaum begründbar, warum rein finanzielle Aufwendungen für Angehörige zur Abdeckung von Kosten von deren stationärer Pflege außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen nicht, solche zur Abdeckung von deren ambulanter Pflege außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen aber doch im Rahmen des § 35a EStG als haushaltsnahe Dienstleistungen abziehbar sein sollten.
IV.1.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
2.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, zugelassen.
Es erscheint - nicht zuletzt wegen der Häufigkeit solcher Sachverhalte - klärungswürdig und klärungsbedürftig, ob Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung von nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern in ihrem eigenen Haushalt lebenden Familienangehörigen im Rahmen von § 35a EStG als haushaltsnahe Dienstleistungen abziehbar sind, und falls ja, ob der Abzug voraussetzt,dass die Rechnung auf den Steuerpflichtigen ausgestellt ist.
3.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung aufgrund des Verzichts der Beteiligten, § 90 Abs. 2 FGO.
Urteil vom 11.12.2019
Az.: 3 K 3210/19
In dem Rechtsstreit
A... und B...,
Kläger,
Verfahrensbevollmächtigter der Klägerin: B...
gegen
Finanzamt,
Beklagter,
wegen Einkommensteuer 2016
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 3. Senat - ohne mündliche Verhandlung am 11. Dezember 2019 durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,den Richter am Finanzgericht ...,
den Richter am Finanzgericht ...,
die ehrenamtliche Richterin ... und
die ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für die ambulante Pflege für die nicht im Haushalt der Steuerpflichtigen, sondern in ihrem eigenen Haushalt lebende Mutter der Klägerin gemäß § 35a Einkommensteuergesetz - EStG - im Streitjahr 2016.
I.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur ESt veranlagt. Die 1933 geborene Mutter der Klägerin wohnt in einem eigenen Haushalt in C..., knapp 100 km vom Wohnort der Kläger entfernt. Sie bedurfte im Streitjahr Hilfe für Einkäufe und Wohnungsreinigung. Sie bezog im Streitjahr eine Rente in Höhe von 3.085 € oder 3.265 € im gesamten Jahr (genauer Betrag unklar, monatlich 272,06 €) sowie ergänzende Leistungen der Sozialhilfe.
Am 26.01.2015 wurde mit der Sozialstation in C... eine Vereinbarung zur Erbringung von Pflegeleistungen abgeschlossen. Im Eingang des Vertrages ist die Mutter als Leistungsnehmerin aufgeführt, der Vertrag ist jedoch von der Klägerin unterschrieben (FG-A Bl. 17-18). Die Rechnungen (vgl. exemplarisch ESt-Akte Bd. 4 Fach 2016 Bl. 4) wiesen die Mutter als Rechnungsempfängerin aus und wurden der Klägerin übersandt. Die Rechnungen wurden von der Klägerin durch Banküberweisung beglichen und beliefen sich im Streitjahr auf insgesamt 1.071 € (vgl. ESt-Akte Bd. 4 Fach 2016 Bl. 2 und Einspruchsvorgang Bl. 37)
II.
1.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für 2016, beim Finanzamt - FA - eingegangen am 26.09.2017, machten die Kläger den Gesamtbetrag ihrer Aufwendungen für die Mutter in Höhe von 1.071 € geltend. Im ESt-Bescheid 2016 vom 20.11.2017 lehnte das FA den Abzug ab und führte aus, gemäß § 35a EStG müsse der Steuerpflichtige (selbst) eine Rechnung erhalten haben. Hier habe jedoch die Mutter die Rechnungen erhalten.
2.
Der Einspruch vom 10.12.2017, mit dem die Kläger darauf hinwiesen, es handele sich um einen Vertrag der Klägerin zugunsten der Mutter, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 23.07.2019 (Einspruchsvorgang Bl. 73) mit derselben Begründung wie im ESt-Bescheid als unbegründet zurückgewiesen.
III.
Am 07.08.2019 erhoben die Kläger Klage, mit der sie die Berücksichtigung gemäß § 35a EStG (steuerliche Auswirkung gemäß Proberechnung Einspruchsvorgang Bl. 62 bei der ESt: 215,00 €) weiterverfolgen. Vertragspartnerin der Sozialstation sei die Klägerin gewesen. Der Auftrag sei von der Klägerin erteilt worden. Der Vertragsabschluss sei mittels eines Vordrucks der Sozialstation erfolgt, der von dieser regelmäßig verwendet werde. Auf Wunsch der Sozialstation sei die Mutter als Leistungsnehmerin in das Formular eingetragen worden. Hinsichtlich der Bezahlung seien jedoch die Sozialstation und die Klägerin von Anfang an davon ausgegangen, dass die Klägerin als Auftraggeberin und Unterzeichnerin für die Kosten aufzukommen habe. Die Mutter hätte aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse die Zahlungen auch gar nicht leisten können. Dass die Klägerin auch als Rechnungsempfängerin genannt sein müsse, ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Sie müsse lediglich eine Rechnung haben, die aber auch die gepflegte Person benennen könne.
Auf den Hinweis des Berichterstatters auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 03.04.2019 VI R 19/17 weisen sie auf den Unterschied zwischen stationären Pflegeleistungen, wozu sich nach ihrer Auffassung das genannte Urteil ausschließlich verhalte, und ambulanten Pflegeleistungen hin. Im Übrigen gingen selbst die Finanzverwaltung (Schreiben BMF vom 09.11.2016, BStBl I 2016, 1213, Rn. 43 Beispiel 6) und das beklagte FA davon aus, dass bei ambulanten Pflegeleistungen auch die Pflege anderer Personen als des Steuerpflichtigen in deren eigenen Haushalt vom Anwendungsbereich des § 35a EStG umfasst sei.
Die Kläger beantragen (FG-A Bl. 1),
den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 20.11.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.07.2019 dahingehend zu ändern, dass die Kosten für hauswirtschaftliche Dienstleistungen zur Pflege und Betreuung der Mutter in Höhe von 1.071 € steuermindernd berücksichtigt werden.
Das FA beantragt (FG-A Bl. 43),
die Klage abzuweisen.
IV.
1.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (Kläger: FG-A Bl. 45, FA: FG-A Bl. 43).
2.
Die ESt-Akten Bd. 3 und 4 der Einspruchsvorgang und die Vertragsakte lagen vor.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil die von der Klägerin für die ambulante Pflege der in ihrem eigenen Haushalt lebenden Mutter gezahlten Beträge nicht, insbesondere nicht gemäß § 35a EStG, steuerlich abziehbar sind.
I.
Übereinstimmend und zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass ein Abzug als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG an der zumutbaren Eigenbelastung (hier: 6.175 €) scheitert.
II.
Ebenfalls zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass ein Abzug gemäß § 33a Abs. 1 EStG nicht möglich ist, weil die Rente der Mutter, soweit sie 624 € (§ 33a Abs. 1 Satz 5 EStG) überschreitet, höher ist als der geltend gemachte Unterstützungsbetrag.
III.
Ein Abzug gemäß § 35a EStG scheitert zwar nicht an der Person des Rechnungsempfängers (nachfolgend 1.), jedoch gilt § 35a EStG - entgegen der Auffassung auch der Finanzverwaltung - nur für die ambulante Pflege von Angehörigen im eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen, nicht für die ambulante Pflege von Angehörigen in deren eigenem (anderen) Haushalt (nachfolgend 2.)
1.
Aufgrund des Zwecks des Rechnungserfordernisses, nämlich der Verhinderung von Schwarzarbeit, muss sich aus der Rechnung der Leistungserbringer und der Leistungsempfänger ergeben (BFH, Urteil vom 29.01.2009 VI R 28/08, DStRE 2009, 552, BStBl II 2010, 166, Juris Rn. 45). Dass der Leistungsempfänger und der Zahlende identisch sein müssten, ergibt sich daraus nicht.
Damit korrespondiert zutreffend, dass bei Mietverhältnissen die Mieter und bei Wohnungseigentümergemeinschaften die selbst nutzenden Miteigentümer von der Finanzverwaltung zum anteiligen Abzug gemäß § 35a EStG zugelassen werden, obwohl die Rechnungen in der Regel vom Leistungserbringer aufden Vermieter bzw. den Verwalter als Auftraggeber ausgestellt sind.
2.
Pflege- und Betreuungsleistungen für ambulante Pflege außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen sind jedoch gemäß § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG nicht abziehbar. Im Ergebnis können daher zwar die Aufwendungen für die ambulante Pflege eines Angehörigen, der im Haushalt des Steuerpflichtigen lebt, nicht aber für die ambulante Pflege eines Angehörigen, der in seinem eigenen Haushalt lebt, abgezogen werden.
a)
Inzwischen ist geklärt (BFH, Urteil vom 03.04.2019 VI R 19/17, DStR 2019, 1144, BStBl II 2019, 445, Juris Rn. 11), dass sowohl die Steuerermäßigung für (allgemeine) haushaltsnahe Dienstleistungen gemäß § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG nur für die Inanspruchnahme von "eigenen" haushaltsnahen Dienstleistungen beansprucht werden kann, als auch, dass die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG der Steuerpflichtige nur für die Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner eigenen Heimunterbringung in Anspruch nehmen kann.
b)
Es wäre ein erheblicher Wertungswiderspruch hierzu, würde man bei Aufwendungen für (ambulante) Pflege- und Betreuungsleistungen gemäß § 35a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG die Anwendbarkeit von § 35a EStG nicht auf solche im Haushalt des Steuerpflichtigen (sei es für die eigene ambulante Pflege, sei es für die ambulante Pflege von Haushaltsangehörigen) beschränken, sondern bei ambulanter Pflege auch Aufwendungen für die Pflege Dritter (häufig Verwandter) außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen, im Haushalt des Dritten, mit einbeziehen.
c)
Der jetzige Wortlaut des Gesetzes ist allerdings nicht eindeutig, zumal zwar nicht im Zusammenhang des sachlichen, jedoch des räumlichen Anwendungsbereichs in § 35a Abs. 4 EStG vom Haushalt der gepflegten oder betreuten Person die Rede ist. Gleichwohl sprichtder Gesamtzusammenhang ("haushaltsnahe" Dienstleistungen) und die Systematik des § 35a EStG insgesamt für die vorgenannte Beschränkung.
d)
Auch die Gesetzesmaterialien sprechen für die Beschränkung. Die Änderung erfolgte ab 01.01.2009 durch das "Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleitungen (Familienleistungsgesetz - FamLeistG)".
aa)
Aus Drucksache 16/10809, Seite 10, linke Spalte, ergibt sich, dass der Gesetzgeber Familien entlasten wollte, die pflegebedürftige Angehörige zu Hause betreuen und versorgen. "Schalten sie zusätzlich zu der familiären Pflege professionelle Leistungserbringer ein, um eine Überforderung der Pflegepersonen zu vermeiden, ... können sie die dadurch entstehenden Aufwendungen steuerlich geltend machen."
Dass der Gesetzgeber auch die "nur" finanzielle Unterstützung von Angehörigen, die in ihrem eigenen Haushalt ambulante Pflegeleistungen benötigen, durch die Neufassung des § 35a EStG fördern wollte, ergibt sich jedenfalls nicht aus der Gesetzesbegründung.
bb)
In der Gesetzesbegründung wird weiter (Drucksache 16/10809, Seite 15, rechte Spalte) auf die Einbeziehung des bisherigen § 33a Abs. 3 EStG Bezug genommen. Diese Vorschrift in ihrer bis 2008 geltenden Fassung erlaubte aber den Abzug für eine Haushaltshilfe u. a. wegen Krankheit "... einer anderen zu seinem Haushalt gehörigen unterhaltenen Person, ...". Auch dies spricht nur für die Absicht des Gesetzgebers, ambulante Haushaltshilfe im eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen zu fördern, nicht aber für die Förderung von Haushaltshilfen in Dritthaushalten.
e)
Schließlich wäre es auch verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) kaum begründbar, warum rein finanzielle Aufwendungen für Angehörige zur Abdeckung von Kosten von deren stationärer Pflege außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen nicht, solche zur Abdeckung von deren ambulanter Pflege außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen aber doch im Rahmen des § 35a EStG als haushaltsnahe Dienstleistungen abziehbar sein sollten.
IV.1.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
2.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, zugelassen.
Es erscheint - nicht zuletzt wegen der Häufigkeit solcher Sachverhalte - klärungswürdig und klärungsbedürftig, ob Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung von nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern in ihrem eigenen Haushalt lebenden Familienangehörigen im Rahmen von § 35a EStG als haushaltsnahe Dienstleistungen abziehbar sind, und falls ja, ob der Abzug voraussetzt,dass die Rechnung auf den Steuerpflichtigen ausgestellt ist.
3.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung aufgrund des Verzichts der Beteiligten, § 90 Abs. 2 FGO.