04.08.2020 · IWW-Abrufnummer 217197
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 23.06.2020 – 10 K 197/17 G
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Erhebungszeitraum 2014 (Streitjahr) Inhaber eines oder zweier Gewerbebetriebe i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) war.
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Der Kläger übernahm durch einen Tankstellenunternehmervertrag vom 17. Januar 2008 mit Wirkung ab dem 31. Januar 2008 die Lagerung und den Verkauf der von der B GmbH unter der Marke „C“ zur Verfügung gestellten Kraft- und Schmierstoffe auf dem Gelände der Tankstelle D Straße 100 (Tankstellen-Nr. 0001). Er verpflichtete sich, den für das Agenturgeschäft örtlich relevanten Markt, insbesondere Wettbewerberpreise, nach Weisung der B GmbH kontinuierlich zu beobachten und B GmbH diese unverzüglich und zu den vorgegebenen Zeiten zu melden (§ 3 Nr. 1 des Vertrags). Nach § 8 Nr. 1 des Vertrags war der Kläger verpflichtet, seinen gesamten Bedarf an Waren, die er ‒ anders als die im Kommissionsgeschäft verkauften Kraft- und Schmierstoffe (§ 2 Nr. 1 des Vertrags) ‒ nach § 2 Nr. 6 des Vertrags im Eigengeschäft verkaufen durfte (Tabakwaren, Lebensmittel, Kfz-Zubehör, Telefonkarten), ausschließlich bei B GmbH zu beziehen, sofern B GmbH diese Artikel in ihrem Sortiment führte. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Vertrag nebst Anlagen Bezug genommen (Anlage K IV zum Schriftsatz vom 10. März 2017). Der Kläger meldete den Betrieb dieser Tankstelle am 23. Januar 2008 bei der Stadt Z-Stadt an. Dabei bezeichnete er diese Tankstelle als unselbständige Zweigstelle und die C-Tankstelle an der D Straße 200 als Hauptniederlassung.
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Durch einen weiteren Tankstellenunternehmervertrag vom 17. April 2008, der inhaltlich mit dem Vertrag vom 17. Januar 2008 übereinstimmt, übernahm der Kläger ab dem 29. April 2008 auch die Lagerung und den Verkauf der von B GmbH zur Verfügung gestellten Kraft- und Schmierstoffe auf dem Gelände der Tankstelle D Straße 200 (Tankstellen-Nr. 0002; vgl. Anlage K III zum Schriftsatz vom 10. März 2017). Beide Tankstellen sind ca. 600 m voneinander entfernt. Den Betrieb der Tankstelle an der D Straße 200 meldete der Kläger am 29. April 2008 bei der Z Stadt an. Darin bezeichnete er abweichend von der Anmeldung vom 23. Januar 2008 nunmehr auch die Tankstelle an der D Straße 200 als unselbständige Zweigstelle und als Hauptniederlassung die ebenfalls von ihm geführte Tankstelle an der E Straße 300 in YStadt. Bei der IHK Mittlerer Niederrhein wurden diese drei Tankstellen entsprechend den Angaben des Klägers unter einer Mitgliedsnummer als drei Betriebsstätten geführt (BP-Handakten zur St.-Nr. 000/000/001, Fach „IHK-Mitgliedschaft“). Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland hatte für die Tankstellen jeweils gesonderte Betriebsnummern erteilt (BP-Handakten zur St.-Nr. 000/000/001, Fach „Prüfung Sozialversicherung“).
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Der Kläger richtete für den Betrieb der Tankstellen an der D Straße 100 und 200 bei der Bank verschiedene Konten ein (D Straße 100: 00000001; D Straße 200: 00000002). Sowohl die vom Kläger im Namen der C Tankstellen Deutschland GmbH (C D) als Rechtsnachfolgerin der B GmbH aus Gutscheinverkäufen vereinnahmten, von der F GmbH abzurechnenden Beträge als auch die von der C D selbst abzurechnenden Beträge wurden für jede Tankstelle unter gesonderten Kundennummern abgerechnet (vgl. BP-Handakten zur St.Nr. 000/000/0001 [D Straße 100] und 000/000/0002 [D Straße 200], jeweils Fach „Muster Bank“ bzw. „Bank 00000002“). Der Kläger, der seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte, erstellte für jede der Tankstellen an der D Straße eigene Jahresabschlüsse und Gewinnermittlungen. Auch die Lohnbuchhaltung erfolgte für jede Tankstelle gesondert (vgl. BP-Handakten zur St.-Nr. 000/000/0002, Fach „Buchungsliste Löhne“ und Fächer „Prüfung Sozialversicherung“ und „Lohnjournale D Straße 200“). Durch Kaufvertrag vom 27. Februar 2009 erwarb der Kläger für Marktbeobachtungsfahrten und Fahrten zur Bank einen PKW, den er ‒ nachdem Kraftstoffpreisvergleiche durch Internetportale möglich wurden ‒ durch Vertrag vom 20. Juni 2016 verkaufte.
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Durch getrennte Verträge vom 29. Dezember 2010 beteiligte sich G ab dem 1. Januar 2011 als atypisch stiller Gesellschafter an der unter der Firma C Station A an der D Straße 100 betriebenen Tankstelle und an der unter der Firma C Station A an der D Straße 200 betriebenen Tankstelle. G leistete jeweils eine Einlage von 25.000 Euro. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verträge verwiesen (Anlagen K I und K II zum Schriftsatz vom 10. März 2017).
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Durch Vereinbarungen vom 7./20. August 2013 änderten der Kläger und die C D ab dem 1. September 2013 durch für jede der Tankstellen an der D Straße gesondert abgeschlossene Tankstellenunternehmerverträge die insoweit im Jahr 2008 abgeschlossenen Verträge. Wegen des Inhalts der neuen Verträge wird auf diese Bezug genommen (Anlagen K V und K VI zum Schriftsatz vom 10. März 2017).
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Der Kläger gab für beide Tankstellen, die beim Beklagten seit Abschluss der Pachtverträge unter verschiedenen Steuernummern geführt wurden, eigene Gewerbesteuererklärungen ab. Für den Erhebungszeitraum 2014 erklärte der Kläger für die Tankstelle D Straße 100 einen Gewinn in Höhe von 23.975 Euro sowie hinzuzurechnende Finanzierungsanteile i. S. von § 8 Nr. 1 GewStG in Höhe von 40.785 Euro und für die Tankstelle D Straße 200einen Gewinn in Höhe von 43.697 Euro sowie hinzuzurechnende Finanzierungsanteile i. S. von § 8 Nr. 1 GewStG in Höhe von 64.059 Euro. Der Beklagte folgte diesen Angaben in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewerbesteuermessbescheiden für 2014, durch die Gewerbesteuermessbeträge in Höhe von null Euro (D Straße 100) bzw. 668 Euro (D Straße 200) festgesetzt wurden.
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Aufgrund von Prüfungsanordnungen vom 13. Mai 2016 führte der Beklagte in der Zeit vom 30. Juni bis zum 22. August 2016 beim Kläger für beide Tankstellen Betriebsprüfungen durch. Bei einer Besichtigung der beiden Tankstellen, an der auch der Kläger und ein Vertreter seiner Steuerberaterin teilnahmen, trafen die Prüfer u. a. folgende Feststellungen: Nach Angaben des Klägers bezog er das Warensortiment der Tankstellen größtenteils von C-Partnern wie z. B. X. Bei Warenengpässen kam es zu einem Austausch zwischen den Tankstellen. Zur Kontrolle des Rücklaufs wurde dies schriftlich festgehalten. Auch bei Personalengpässen aufgrund von Erkrankungen oder Urlauben kam es zu einer gegenseitigen Aushilfe mittels des Personals der jeweils anderen Tankstelle. Schriftliche Arbeitsverträge mit den Mitarbeitern bestanden nach Angaben des Klägers erst ab dem Jahr 2015. Schriftliche Einsatzpläne gab es nicht. Der Einsatz der Mitarbeiter wurde aufgrund mündlicher Absprachen von H koordiniert. Sowohl der Kläger als auch G führten mehrere Tankstellen in der Rechtsform einer atypisch stillen Gesellschaft, aber auch als einzelkaufmännische Unternehmen. Im Urlaubs- bzw. Krankheitsfall vertraten sie sich gegenseitig. Der PKW wurde von allen Mitarbeitern der Z Stadt Tankstellen genutzt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den über die Besichtigung der Tankstellen erstellten Vermerk vom 30. Juni 2016 verwiesen.
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Nachdem die Prüfer in einem Schreiben vom 12. Juli 2016 im Einzelnen dargelegt hatten, dass und warum es sich bei den beiden C-Tankstellen an der D Straße aus ihrer Sicht um einen Gewerbebetrieb i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG handele, nahm der Kläger durch Schreiben vom 9. August 2016 wie folgt Stellung: Beide Tankstellen seien sachlich selbständig, weil zwischen ihnen kein finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Für jede Tankstelle sei ein eigenes Bankkonto eingerichtet worden. Kassenabrechnungen würden für jede Tankstelle getrennt vorgenommen. Zudem würden für jede Tankstelle getrennte Aufzeichnungen geführt und jeweils selbständige Gewinnermittlungen erstellt.
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Auch ein organisatorischer Zusammenhang zwischen den Tankstellen sei, so der Kläger weiter, nicht gegeben. Die Mitarbeiter seien arbeitsvertraglich jeweils einer Tankstelle zugeordnet. Aushilfs- oder Vertretungsregelungen zwischen den Tankstellen bestünden nicht. Zu einer personellen Aushilfe zwischen den Standorten komme es nur in Ausnahmefällen, nämlich als Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse. Gleiches gelte für die Warenaushilfe. Die Waren würden grundsätzlich für jede Tankstelle getrennt beschafft. Nur in den Fällen, in denen ein Empfehlungslieferant von C D sie nicht liefern könne, kaufe er ‒ der Kläger ‒ sie bei einem anderen Lieferanten ein und teile sie dann unter interner Rechnungsstellung auf die Tankstellen auf. Jede Tankstelle verfüge über ein eigenes Kassensystem, sodass es entgegen der Annahme der Prüfer nicht möglich sei, einen Verkauf an einer Tankstelle ‒ etwa bei Defekt des dortigen Kartenlesegeräts ‒ über das Kassensystem der anderen Tankstelle abzurechnen. Das Kassensystem sei von C D vorgegeben und werde an allen C-Tankstellen Deutschlands eingesetzt. Ein Pächter habe darauf keinen Einfluss. Die Tankstellen an der D Straße 100 und 200 verfügten auch nicht über einen gemeinsamen Kundenstamm. Werde ein Kunde von einer Tankstelle an die andere verwiesen, so sei nicht sicher, ob der Kunde dieser Empfehlung folge, weil sich zwischen beiden Tankstellen noch eine I-Tankstelle befinde.
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Schließlich bestehe zwischen beiden Tankstellen auch kein wirtschaftlicher Zusammenhang, weil diese sich nicht gegenseitig stützten oder ergänzten. Beide Tankstellen würden unabhängig von der jeweils anderen geführt. Für keine der Tankstellen sei es betriebswirtschaftlich notwendig, die andere aufrechtzuerhalten. Die Anmeldung der Z-Stadt Tankstellen und der in Y-Stadt betriebenen Tankstelle unter einer Mitgliedsnummer bei der IHK habe keine Indizfunktion für das Bestehen eines oder mehrerer Gewerbebetriebe. Anderenfalls, so der Kläger, seien die Betriebsergebnisse aller drei Tankstellen bei einer Gewerbesteuermessbetragsermittlung zusammenzufassen.
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Die Prüfer gelangten dagegen in ihrem Bericht vom 31. August 2016 zu der Auffassung, dass es sich bei den Tankstellen nicht um zwei sachlich selbständige Gewerbebetriebe handele, sondern lediglich um einen Gewerbebetrieb mit zwei Betriebsteilen bzw. Filialen, weil es sich beim Betrieb der Tankstellen um das gleiche Handelsgewerbe handele und zwischen den beiden Tankstellen ein organisatorischer und wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Wegen der dafür angestellten tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen wird auf den Bericht Bezug genommen.
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Der Beklagte setzte daraufhin den Gewerbesteuermessbetrag für 2014 für den Betrieb an der D Straße 100 (St.-Nr. 000/000/0001) durch Bescheid vom 12. September 2016 auf null Euro fest. In den Erläuterungen führte er aus, dass die bisher für diesen Betrieb erlassenen Bescheide aufgehoben würden, weil beide Tankstellen zu einem Unternehmen gehörten, für das unter der St.-Nr. 000/000//0002 eine Messbetragsfestsetzung erfolge. Durch weiteren Bescheid vom selben Tag setzte er den Gewerbesteuermessbetrag für den Betrieb an der D Straße 200 (St.-Nr. 000/000/0002) unter Zusammenfassung der Betriebsergebnisse und Hinzurechnungsbeträge beider Tankstellen auf 1.508 Euro fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er auf. Den dagegen eingelegten, im Wesentlichen auf die bereits im Schreiben vom 9. August 2016 angeführten Gründe gestützten Einspruch wies er durch Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2016 zurück.
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Mit der am Montag, dem 23. Januar 2017 erhobenen Klage hält der Kläger unter Wiederholung und Ergänzung seines Vorbringens während der Betriebsprüfung und im Einspruchsverfahren an seiner Rechtsauffassung fest, dass es sich bei jeder Tankstelle im Streitjahr um einen Gewerbebetrieb i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG gehandelt habe. Die aufgrund seiner Gewerbesteuererklärungen erfolgten Messbetragsfestsetzungen hätten daher nicht geändert bzw. aufgehoben werden dürfen. Der Kläger sieht die sachliche Selbständigkeit beider Betriebe u. a. deshalb als gegeben, weil für beide Tankstellen gesonderte und selbständig kündbare Tankstellenunternehmerverträge und atypisch stille Gesellschaftsverträge abgeschlossen worden seien. Die Pacht- und Provisionszahlungen seien entsprechend den Verträgen getrennt ermittelt worden. Bei Kündigung eines oder beider Verträge entstünden gesonderte Ausgleichsansprüche nach § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB). Die Belieferung im Franchisesystem erfolge getrennt. Nicht nur er selbst, sondern auch seine Vertragspartner hätten damit zum Ausdruck gebracht, dass von getrennten Betrieben auszugehen sei. Andernfalls hätte es jeweils genügt, nur einen Vertrag abzuschließen. Überlegungen zum gewerbesteuerlichen Freibetrag seien für die Vertragsgestaltung nicht ausschlaggebend gewesen.
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Die Abrechnung der IHK-Beiträge in einem Beitragsbescheid sei für die Beurteilung, ob ein Gewerbebetrieb oder mehrere Gewerbebetriebe vorlägen, nicht bedeutsam. Seine, des Klägers, Beitragspflicht beruhe darauf, dass er beide Tankstellen leite. Bei der Unternehmensleitung handele es sich aber um ein persönliches und nicht um ein sachliches Merkmal, weshalb es für die Beurteilung, ob ein Steuergegenstand oder mehrere Steuergegenstände vorlägen, nicht geeignet sei. Ein organisatorischer Zusammenhang lasse sich auch nicht damit begründen, dass die Zahl der von H geleisteten und ihr vergüteten Arbeitsstunden zunächst nicht mit der Anzahl der der Berufsgenossenschaft gemeldeten Arbeitsstunden übereingestimmt habe (Anlage K XI zum Schriftsatz vom 10. März 2017). Ursache dafür seien nicht gepflegte Daten gewesen, nicht aber eine Diskrepanz zwischen lohnsteuerlich erfassten und tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Hinsichtlich der Waren- und Personalaushilfe sei nochmals darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um absolute Ausnahmefälle gehandelt habe. Soweit die Ergebnisse der mit dem dem Betriebsvermögen der Tankstelle D Straße 200 zugeordneten PKW durchgeführten Preisvergleichsfahrten auch dem Betrieb der Tankstelle an der D Straße 100 zugutegekommen seien, handele es sich um einen Effekt von vollkommen untergeordneter Bedeutung, aus dem keine organisatorische Unselbständigkeit beider Tankstellen abgeleitet werden könne.
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Er, der Kläger, habe die Tankstellen auch nicht auf Wunsch von B GmbH zusammen angepachtet, was sich schon aus dem zeitlichen Abstand der ursprünglichen Verträge ergebe. Jeder Vertrag sei zudem unabhängig vom Bestand des jeweils anderen Vertrags und deshalb selbständig kündbar. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Klageverfahren wird auf seine Schriftsätze vom 10. März und vom 25. April 2017 Bezug genommen.
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Der Kläger beantragt,
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1. den zur St.-Nr. 000/000/0002 ergangenen Gewerbesteuermessbescheid für 2014 vom 12. September 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2016 aufzuheben,
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2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält an seiner rechtlichen Beurteilung fest. Wegen seines Vorbringens im Klageverfahren wird auf seinen Schriftsatz vom 6. April 2017 verwiesen.
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Das Gericht hat die den Streitfall betreffenden Steuerakten des Beklagten und die Handakten der Betriebsprüfer beigezogen.
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Entscheidungsgründe
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I. Die Klage ist unbegründet. Der zur St.-Nr. 000/000/0002 ergangene Gewerbesteuermessbescheid für 2014 vom 12. September 2016 war nicht nach § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben, weil er nicht rechtswidrig ist und den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten verletzt. Der Beklagte ist vielmehr zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im Streitjahr durch den Betrieb der Tankstellen D Straße100 und 200 in Z-Stadt nur einen Gewerbebetrieb i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterhalten hat.
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1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder im Inland betriebene stehende Gewerbebetrieb, d. h. jedes gewerbliche Unternehmen i. S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG der Gewerbesteuer. Einzelunternehmer können daher ‒ anders als die in § 2 Abs. 2 GewStG aufgeführten Kapitalgesellschaften und sonstigen Körperschaften („in vollem Umfang“) ‒ mehrere Gewerbebetriebe unterhalten, was zu mehreren Steuergegenständen führt. Nicht jede Verselbständigung gewerblicher Betätigungen eines Einzelunternehmers begründet jedoch einen eigenständigen Gewerbebetrieb. Auch Teilbetriebe sind mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet und dennoch Teile eines Gesamtbetriebs. Die Entscheidung über die Frage, ob mehrere gewerbliche Betätigungen eines Einzelunternehmers zu mehreren selbständigen Gewerbebetrieben führen, richtet sich danach, ob die einzelnen Betätigungen jeweils sachlich selbständig sind. Die Annahme eines (sachlich) selbständigen Gewerbebetriebs erfordert dessen vollkommene Eigenständigkeit. Unschädlich für die Annahme mehrerer sachlich selbständiger Gewerbebetriebe sind lediglich zwischen ihnen bestehende Verbindungen in der Person des Steuerpflichtigen, d. h. die daher rühren, dass sie denselben Unternehmer haben und von diesem geleitet werden. Dies beruht darauf, dass die Gewerbesteuer Objektsteuercharakter hat (vgl. § 3 Abs. 2 der Abgabenordnung ‒ AO ‒), d. h. der stehende Gewerbebetrieb als solcher Steuergegenstand ist (vgl. die Überschrift zu § 2 GewStG), während der Unternehmer lediglich der Steuerschuldner i. S. von § 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs ‒ BFH ‒ vom 1. Dezember 1960 IV 353/60 U, Bundessteuerblatt ‒ BStBl ‒ III 1961, 65; vom 16. Dezember 1964 I 375/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965, 224; vom 12. Januar 1983 IV R 177/80, BStBl II 1983, 425; vom 19. November 1985 VIII R 310/83, BStBl II 1986, 719; vom 9. August 1989 X R 130/87, BStBl II 1989, 901, und vom 24. Oktober 2012 X R 36/10, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ‒ BFH/NV ‒ 2013, 252).
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a) Was unter sachlicher Selbständigkeit zu verstehen ist, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Die Rechtsprechung hat hierzu einige Merkmale hervorgehoben, von denen aber keines allein entscheidend ist, wenngleich ihnen unterschiedliches Gewicht zukommt. So sind insbesondere die Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der Betätigungen von großer Bedeutung. Maßgebend ist jedoch letztlich das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse. Als sachlich selbständig anzusehen sind zwei gewerbliche Betätigungen, wenn sich weder ein finanzieller noch ein organisatorischer noch ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen ihnen feststellen lässt. Mehrere Betriebe ein und desselben Steuerpflichtigen begründen umgekehrt eine wirtschaftliche Einheit, d. h. einen Gewerbebetrieb i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG, wenn sie als gleichartig anzusehen sind, d. h. wenn sie sachlich, insbesondere finanziell, organisatorisch oder wirtschaftlich zusammenhängen (vgl. dazu Urteil des Reichsfinanzhofs ‒ RFH ‒ vom 21. Dezember 1938 VI 730/38, Reichssteuerblatt ‒ RStBl ‒ 1939, 372; ferner BFH-Urteile vom 25. April 1989 VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261, und vom 18. Dezember 1996 XI R 63/96, BStBl II 1997, 573).
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Allerdings spricht die Gleichartigkeit der Betätigungen nicht zwingend für einen einheitlichen Betrieb. Der BFH ist zwar im Urteil vom 30. Juni 1961 IV 426/60 (Steuerrechtsprechung in Karteiform § 2 Abs. 1 GewStG bis 1977 Rechtsspruch 142) von einer dahingehenden Vermutung ausgegangen, hat diese jedoch für widerleglich gehalten, falls besondere Umstände dafür sprechen, dass es sich tatsächlich um verschiedene, selbständige Gewerbebetriebe handelt, d. h. wenn kein sachlicher, namentlich finanzieller, organisatorischer oder wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben sei (vgl. auch vorsichtiger BFH-Urteil vom 14. September 1965 I 64/63 U, BStBl III 1965, 656, wonach eine Einheit, d. h. ein Gewerbebetrieb, bei gleichartigen Betrieben eher gegeben sein werde als bei ungleichartigen, wo die Selbständigkeit in der Regel schon aus der Ungleichartigkeit der Betriebe folge). Soweit der VIII. Senat des BFH im Urteil vom 17. März 1981 VIII R 149/76 (BStBl II 1981, 746) schon allein aus der Gleichartigkeit zweier vom Steuerpflichtigen betriebener Einrichtungen auf einen Gewerbebetrieb i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG geschlossen und es nicht für entscheidend gehalten hat, ob und in welchem Umfang die Einrichtungen finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich zusammenhängen, hat er an dieser Aussage im Urteil vom 19. Oktober 1982 VIII R 149/81 (BStBl II 1983, 278, insoweit dort nicht veröffentlicht ‒ n. v. ‒; vgl. dagegen juris, Dok. STRE831005550) nicht festgehalten, sondern im Einklang mit früherer Rechtsprechung ausgeführt, dass auch bei gleichartigen Betätigungen nur dann ein Gewerbebetrieb angenommen werden könne, wenn sie in finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht zusammenhingen. Allerdings komme ‒ vorbehaltlich der gebotenen Gesamtbildbetrachtung ‒ der Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der Betätigungen besonderes Gewicht zu. Je mehr die Betätigungen sich glichen, umso eher sei ein einheitlicher Gewerbebetrieb anzunehmen (ebenso BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII 310/83, BStBl II 1986, 719; vom 24. Oktober 2012 X R 36/10, BFH/NV 2013, 252, und vom 20. März 2013 X R 38/11, BFH/NV 2013, 1125).
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b) Angesichts der Maßgeblichkeit des Gesamtbildes der tatsächlichen Verhältnisse kann den zur Feststellung der sachlichen Selbständigkeit oder Unselbständigkeit der Betätigungen des Steuerpflichtigen i. S. eines eigenständigen Gewerbebetriebs oder eines bloßen Teilbetriebs heranzuziehenden Merkmalen eines Zusammenhangs finanzieller, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art unterschiedliches Gewicht zukommen. Da die Gewichtung der einzelnen Merkmale nur nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles erfolgen kann, lassen sich für deren Gewichtung weder quantitativ noch qualitativ allgemein gültige Kriterien aufstellen, zumal nicht alle Merkmale bzw. die dafür weiter heranzuziehenden tatsächlichen Umstände erfüllt sein müssen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 16. Juni 1999 II B 57/98, BFH/NV 1999, 1455; vom 24. Oktober 2012 X R 36/10, BFH/NV 2013, 252, und vom 20. März 2013 X R 38/11, BFH/NV 2013, 1125).
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c) Ein finanzieller Zusammenhang fehlt, wenn getrennte Aufzeichnungen geführt, jeweils eigene Bankkonten unterhalten, getrennte Kassenabrechnungen vorgenommen und für jeden Betrieb gesonderte Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen erstellt werden. Ein organisatorischer Zusammenhang ist anzunehmen, wenn die Unternehmensbereiche in einem Geschäftslokal untergebracht sind, unter Einsatz derselben Arbeitskräfte ausgeübt oder die Waren oder Betriebsmittel gemeinsam eingekauft und bezahlt werden (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 63/96, BStBl II 1997, 573). Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Betätigungen gleichartig sind oder sich ‒ bei ungleichartigen Betätigungen ‒ gegenseitig stützen oder ergänzen (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 XI R 63/96, BStBl II 1997, 573; vom 24. Oktober 2012 X R 36/10, BFH/NV 2013, 252, und vom 20. März 2013 X R 38/11, BFH/NV 2013, 1125). Von Bedeutung sein kann ferner die Identität oder die Verschiedenheit der Kunden- und Lieferantenkreise sowie die Zusammensetzung des Aktivvermögens und dessen Finanzierung durch Eigen- oder Fremdkapital, wobei den beiden letztgenannten Kriterien und ihrer Veränderung im Allgemeinen kein entscheidendes Gewicht für die Beurteilung der Unternehmensgleichheit oder -verschiedenheit beizumessen ist (vgl. BFH-Urteile vom 12. Januar 1978 IV R 26/73, BStBl II 1978, 348; vom 12. Januar 1983 IV R 177/80, BStBl II 1983, 425, und vom 24. Oktober 2012 X R 36/10, BFH/NV 2013, 252).
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2. Nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen waren die vom Kläger an der D Straße 100 und 200 betriebenen Tankstellen nicht jeweils sachlich selbständig und damit eigenständige Gewerbebetriebe. Es handelte sich vielmehr lediglich um Betriebsteile eines einheitlichen Gewerbebetriebs i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG, weil die Betriebsteile in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht in nicht nur unwesentlicher Bedeutung zusammenhingen.
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a) Dem Kläger ist allerdings zuzugeben, dass der Betrieb der Tankstellen keinen finanziellen Zusammenhang aufwies. Für beide Tankstellen bestanden unterschiedliche Bankkonten. Auch war für jede Tankstelle eine eigene Lohnbuchhaltung eingerichtet. Für beide Tankstellen bestehen dementsprechend bei der Deutschen Rentenversicherung unterschiedliche Betriebsnummern. Aufzeichnungen wie etwa Bestandslisten und die Abrechnungen mit C D erfolgten ebenfalls getrennt. Der Kläger hat außerdem für jede Tankstelle einen eigenen Jahresabschluss mit Bilanz und Gewinnermittlung erstellt.
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b) Zwischen den Tankstellen bestanden jedoch in organisatorischer Hinsicht Verflechtungen.
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Anders als in dem dem BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 62/87 (BStBl II 1989, 973) zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem der dortige Kläger eine Markentankstelle auf Provisionsbasis und eine freie Tankstelle in eigener Regie führte, betrieb der Kläger im Streitfall im Jahr 2014 beide Tankstellen für denselben Franchisegeber, die C D, nach Maßgabe derselben vertraglichen Regelungen als Handelsvertreter (Kraft- und Schmierstoffverkauf) bzw. als Eigengeschäft (sonstige Verkaufsartikel). Damit bestand, weil das sonstige Warensortiment der Tankstellen aufgrund der Tankstellenunternehmerverträge weit überwiegend von vom Franchisegeber vorgegebenen Unternehmen geliefert wurde, bezüglich beider Tankstellen hinsichtlich der Lieferanten vollständige Übereinstimmung. Auch soweit der Kläger in geringem Umfang Waren einkaufte, die er nicht von Partnerunternehmen von C D bezog, teilte er diese unter interner Rechnungsstellung auf die Tankstellen auf. Der Kreis der Lieferanten war daher für beide Tankstellen identisch.
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Ob dies im Streitjahr auch für den Kundenkreis galt, vermag das Gericht mangels geeigneter tatsächlicher Grundlagen zwar weder festzustellen noch umgekehrt auszuschließen. Es ist jedoch anzunehmen, dass zumindest ein Teil der Kunden bei beiden Tankstellen tankte. Kunden, die sich markentreu verhalten und daher nur bei C tanken, dürften dies, je nachdem welche Tankstelle sie gerade als erste erreichten, an der einen oder anderen Station getan haben, zumal, wenn sie an einer Station vorbeigefahren waren, sich bei der zweiten dann aber doch noch zum Tanken an dieser Station entschließen konnten. Dies mag im Übrigen auch für solche Kunden gelten, die zwar nicht absolut markentreu waren, aber aufgrund von Preisvorteilen der C-Tankstellen im Verhältnis zu anderen Anbietern in Kenntnis beider Stationen mal an der einen und mal an der anderen Station tankten.
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Der Kläger hat zudem eingeräumt, dass es bei Waren- und Personalengpässen zu gegenseitiger Unterstützung beim Betrieb der Tankstellen kam. Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 6. April 2017 nicht bestritten, dass es dazu ‒ wie vom Kläger behauptet ‒ nur in Ausnahmefällen als Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse gekommen sei. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte dafür, dass das Vorbringen des Klägers unzutreffend ist. Eine Beweiserhebung dazu war daher ungeachtet der Regelungen in § 76 Abs. 1 Satz 1 und 5 FGO mit Rücksicht auf § 288 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i. V. m. § 155 Satz 1 FGO nicht veranlasst. Auch wenn demnach im Streitjahr von einer Waren- und Personalaushilfe in nur sehr geringem, auf Ausnahmefälle beschränkten Umfang auszugehen ist, ist auch dies bei der Beurteilung des organisatorischen Zusammenhangs zu Lasten der Annahme einer vollkommenen Eigenständigkeit der beiden Tankstellen einzubeziehen (ebenso BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 130/87, BStBl II 1989, 901). Das Gericht hält es zwar für möglich, dass eine gegenseitige Warenaushilfe auch im Verhältnis mehrerer Franchisenehmer desselben Franchisegebers denkbar ist, allerdings nur bezüglich solcher Waren, die sie vom Franchisegeber oder dessen Partnerunternehmen beziehen. Für Artikel, die außerhalb der durch das Franchising bedingten Vertragsbeziehungen beschafft werden, hält das Gericht dies für ausgeschlossen. Soweit die Warenaushilfe daher auch Artikel umfasste, die der Kläger von anderen Anbietern als C D oder deren Partnerunternehmen beschafft hatte, war sie nur möglich, weil der Kläger diese Artikel für beide Tankstellen einkaufte und auf diese verteilte. Die gegenseitige Personalaushilfe war ohnehin nur möglich, weil der Kläger seine Arbeitnehmer arbeitsvertraglich nicht ausschließlich einer der beiden Tankstellen zugewiesen hatte, sondern sich direktionsrechtlich vorbehalten hatte, sie ‒ sei es auch nur in Ausnahmefällen ‒ an einer anderen Station als der einzusetzen, an der sie regelmäßig arbeiteten (vgl. dazu auch § 2 Abs. 2 und 3 der ab 2015 geltenden, schriftlich abgeschlossenen Arbeitsverträge des Klägers mit J, H und K; Anlagen V, VI und VII zum Schreiben des Klägers vom 9. August 2016 während der Betriebsprüfung). Eine Personalaushilfe zwischen einander fremden Tankstellenbetrieben hält das Gericht für ausgeschlossen, und zwar selbst dann, wenn es sich um Franchisenehmer desselben Franchisegebers handelt. Der Kläger konnte durch diese arbeitsvertragliche Gestaltung, die Mitarbeiter nicht vertraglich ausschließlich einer Tankstelle zuzuweisen, verhindern, dass die andere Tankstelle bei vollständigem Ausfall des dortigen Personals vorübergehend hätte geschlossen werden müssen. Damit handelt es sich insoweit nicht um tatsächliche Umstände, die auf der Leitungsfunktion des Klägers beruhten, sondern um betriebsbezogene und damit mit dem Steuergegenstand zusammenhängende Vorkehrungen.
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Im Rahmen der Beurteilung des organisatorischen Zusammenhangs ist ferner zu Lasten der Annahme völliger Selbständigkeit der beiden Tankstellen zu berücksichtigen, dass alle Mitarbeiter den PKW nutzen konnten. Zwar gilt dies angesichts des fehlenden finanziellen Zusammenhangs nicht für die Bankfahrten, wohl aber für die Marktbeobachtungsfahrten. Zu diesen war der Kläger aufgrund beider Tankstellenunternehmerverträge verpflichtet. Unabhängig von der Zuordnung des PKW zum Betriebsvermögen der Tankstelle an der D Straße 200 wurde daher mit jeder dieser Fahrten zugleich eine vertragliche Verpflichtung aufgrund des Betriebs der anderen Tankstelle erfüllt.
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Der Kläger hat zudem bereits bei der Anmeldung des Betriebs der Tankstelle an der D Straße100 am 23. Januar 2008 diese als im Verhältnis zur Tankstelle an der D Straße 200 (Hauptniederlassung) „unselbständige Zweigstelle“ angegeben. Damit hat er zum einen zu erkennen gegeben, dass der Abschluss eines Tankstellenunternehmervertrags bezüglich der Tankstelle an der D Straße 200 bereits feststand, weil er die Tankstelle an der D Straße 100 sonst nicht als unselbständige Zweigstelle, sondern als einzige Betriebsstätte hätte anmelden müssen. Zum anderen hat er damit zum Ausdruck gebracht, dass zwischen beiden Tankstellen ein Verhältnis von Haupt- und Zweigniederlassung bestehen sollte, d. h. beide Tankstellen für ihn ein einheitliches Unternehmen darstellten. Die Qualifizierung auch der Tankstelle an der D Straße 200 in der Gewerbeanmeldung vom 29. April 2008 als (nunmehrige) unselbständige Zweigstelle der Hauptniederlassung an der E Straße 300 in Y-Stadt ändert daran nichts. Da der Betrieb der Tankstelle in Y-Stadt räumlich weit vom Betrieb der Tankstellen in Z Stadt entfernt ist, sprechen keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Verhältnis der Betätigungen in beiden Städten an der sachlichen Selbständigkeit der Betätigung in Z Stadt fehlt (vgl. dazu RFH-Urteil vom 28. September 1938 VI 611/38, RStBl 1938, 1117; ferner Finanzgericht ‒ FG ‒ Nürnberg, Urteil vom 7. November 2008 7 K 377/2007, n. v., juris Dok. STRE200970328; nachgehend BFH-Beschluss vom 28. Dezember 2009 III B 266/08, BFH/NV 2010, 642). Umgekehrt bringen die Angaben des Klägers in der Gewerbeanmeldung vom 23. Januar 2008 entgegen der Darstellung im Schriftsatz vom 10. März 2017 (S. 7) zum Ausdruck, dass entweder von seiner Seite oder von Seiten der B GmbH der Wunsch bestand, beide C-Tankstellen an der D Straße als Pächter zu führen. Dass die Verträge zeitversetzt abgeschlossen wurden, steht dem nicht entgegen. Sie beruhen jedenfalls auf einem vor Abschluss des ersten Vertrags gefassten einheitlichen Entschluss der Vertragspartner. Die Gewerbeanmeldung vom 29. April 2008 erklärt damit zugleich, warum die drei Tankstellen bei der IHK unter einer Debitorennummer als drei Betriebsstätten unter Führung der Y Stadt Tankstelle und weiterer Folge der Tankstelle an der D Straße 200 und sodann der Tankstelle an der D Straße 100 in Z Stadt geführt werden. Über die aus den Gewerbeanmeldungen abzuleitenden Folgerungen für die Annahme eines organisatorischen Zusammenhangs hinaus ergeben sich dadurch allerdings keine weiteren Folgerungen.
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c) Zwischen den Tankstellen bestand auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang.
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Angesichts der Gleichartigkeit der Betätigungen an beiden Tankstellenstandorten und ihrer räumlichen Nähe aufgrund einer Entfernung zueinander von lediglich rd. 600 m bedarf es für die Annahme des wirtschaftlichen Zusammenhangs nicht noch einer wechselseitigen Ergänzung oder Unterstützung. Insoweit wäre allenfalls auch darauf abzustellen, dass in Ausnahmefällen aufgrund der räumlichen Nähe Personal- und Sortimentsengpässe schnell beseitigt werden konnten.
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d) Weder die Gesellschaftsverträge mit G noch die Verträge mit C D oder deren Partnerunternehmen sprechen für eine sachliche Selbständigkeit der beiden Tankstellen in Z Stadt.
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Die Gründung zweier atypisch stiller Gesellschaften hat nicht dazu geführt, dass der vom Kläger in Z Stadt unterhaltene einheitliche Gewerbebetrieb in zwei sachlich selbständige Gewerbebetriebe aufgespalten wurde. Sind eine oder mehrere Personen oder Personengruppen als atypisch stille Gesellschafter am Handelsgewerbe einer anderen Person beteiligt, liegt nur eine Personengesellschaft und damit gewerbesteuerrechtlich ein einziger Gewerbebetrieb vor, wenn wie im Streitfall der Zweck der atypischen stillen Gesellschaft jeweils darauf gerichtet ist, die gesamten unter der Firma des Inhabers des Handelsgeschäfts ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten gemeinsam und zusammen mit dem Inhaber des Handelsgeschäfts auszuüben (Nöcker in Lenski/ Steinberg, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 2 Rz. 1467). Der Freibetrag wird für den einzelnen Gewerbebetrieb eingeräumt, dem gewerbesteuerrechtliche Selbständigkeit zukommt, nicht jeweils jedem einzelnen Mitunternehmer (vgl. BFH-Urteil vom 8. Februar 1995 I R 127/93, BStBl II 1995, 764). Bei einer Kündigung eines der beiden Gesellschaftsverträge verbliebe die atypisch stille Beteiligung am Betrieb der anderen Tankstelle eine Beteiligung an einem Teilbetrieb oder an einem bestimmten, selbständig abgrenzbaren Geschäftszweig (vgl. BFH-Urteil vom 27. Februar 1975 I R 11/72, BStBl II 1975, 611). Ob ein Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG dem Kläger auch insofern zu gewähren wäre, als ihm im Rahmen der atypisch stillen Gesellschaft ein Gewinnanteil zusteht und die Beteiligung an der atypisch stillen Gesellschaft für ihn insoweit einen eigenständigen Gewerbebetrieb begründet (vgl. dazu Suchanek, GmbH-Rundschau 2017, 292), kann dahinstehen, weil der angefochtene Bescheid sich auf den für Rechnung der stillen Gesellschaft geführten Gewerbebetrieb des Klägers bezieht. Ein an den Kläger außerhalb der Beteiligung an der stillen Gesellschaft gerichteter Gewerbesteuermessbescheid wurde nicht erlassen.
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Die rechtliche Selbständigkeit der Verträge des Klägers mit C D spricht nicht gegen die Annahme lediglich eines in Z Stadt geführten sachlich selbständigen Gewerbebetriebs. Angesichts der oben unter 2. b) dargestellten tatsächlichen Umstände, die für eine Übereinkunft des Klägers mit B GmbH als seinerzeitigem Vertragspartner hinsichtlich der Verpachtung beider Tankstellen an ihn, den Kläger, sprechen, kann allein aufgrund des Abschlusses zweier Verträge nicht davon ausgegangen werden, dass b GmbH jede Tankstelle in der Hand des Klägers als selbständigen Gewerbebetrieb gewertet hat. Auch die selbständige Kündbarkeit jedes Vertrags spricht nicht für die Annahme zweier Gewerbebetriebe. Da die Betriebe sich nur begrenzt wechselseitig ergänzten, hätte jede Tankstelle nach Kündigung des die andere Tankstelle betreffenden Vertrags weitergeführt werden können. Hinzu kommt, dass bei weitgehender Verselbständigung bloßer Teilbetriebe bzw. Geschäftsbereiche die Begebenheiten des Streitfalls den Abschluss mehrerer Verträge auch insoweit zuließen, als es sich bei den Tankstellen um bloße Filialbetriebe ein und desselben Gewerbebetriebs handelt.
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e) Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse bildeten die Tankstellen des Klägers in Z Stadt danach im Streitjahr einen einheitlichen Gewerbebetrieb i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG. Der finanzielle Zusammenhang zwischen den Betriebsstätten steht dem nicht entgegen, weil es zwischen ihnen ‒ wie dargelegt ‒ nicht unbedeutende organisatorische Verflechtungen gab, vor allem aber zwischen beiden Tankstellen ein ausgeprägter wirtschaftlicher Zusammenhang bestand. Da die Annahme sachlich selbständiger Gewerbebetriebe deren vollkommene Eigenständigkeit verlangt (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 130/87, BStBl II 1989, 901), kann bei den im Streitfall gegebenen organisatorischen und wirtschaftlichen Verflechtungen nicht von zwei selbständigen Gewerbebetrieben ausgegangen werden.
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Der Streitfall unterscheidet sich insofern maßgeblich von dem Sachverhalt, über den der BFH im Urteil vom 25. April 1989 VIII R 294/84 (BFH/NV 1990, 261) zu entscheiden hatte. Das FG hatte in diesem Fall nicht feststellen können, dass es hinsichtlich des in beiden Tankstellen beschäftigten Personals zu Aushilfseinsätzen gekommen war. Auch ein Austausch der Maschinen zwischen den Tankstellen fand nach seinen Feststellungen nicht statt. Zudem hatte der dortige Kläger die zweite Tankstelle ‒ anders als im hier anhängigen Streitfall ‒ bei der gewerberechtlichen Anmeldung als selbständigen Gewerbebetrieb angemeldet. Schließlich ergab sich in dem vom BFH zu entscheidenden Verfahren keine wirtschaftliche Verflechtung daraus, dass der dortige Kläger vom Verpächter für die erste Tankstelle einen Liquiditätszuschuss erhielt, weil dadurch keine Verflechtungen beider Betriebe geschaffen wurden, die darauf hätten abzielen können, deren Wirtschaftlichkeit gegenseitig zu stärken. Vielmehr sah der BFH darin lediglich den für den Kläger geschaffenen Zwang, beide Tankstellen getrennt zu führen, wollte er den zugesagten Zuschuss erhalten. Eine vergleichbare Liquiditätshilfe wurde dem Kläger des hiesigen Verfahrens bei der Übernahme der C Tankstellen an der D Straße in Z Stadt nicht zugesagt.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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III. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Die Gesamtwürdigung der Tatsachen, auf die es für die Beurteilung ankommt, ob ein sachlich selbständiger Gewerbebetrieb vorliegt oder ob es sich um mehrere Gewerbebetriebe handelt, obliegt zwar dem FG als Tatsacheninstanz und ist revisionsrechtlich nur daraufhin zu überprüfen, ob alle bedeutsamen Umstände zutreffend erfasst wurden und das allgemeine Erfahrungswissen berücksichtigt wurde (BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 130/87, BStBl II 1989, 901). Angesichts des zum Betrieb zweier vom selben Verpächter in derselben politischen Gemeinde gepachteten Tankstellen ergangenen BFH-Urteils vom 25. April 1989 VIII R 294/84 (BFH/NV 1990, 261), in dem zwei sachlich selbständige Gewerbebetriebe angenommen wurden, erschien die Revisionszulassung gleichwohl angezeigt.