15.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221126
Finanzgericht Köln: Urteil vom 30.09.2020 – 3 K 1858/18
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2016 vom 26.01.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2018 wird die Einkommensteuer dahingehend neu festgesetzt, dass ‒ neben den bereits dem Grunde nach anerkannten außergewöhnlichen Belastungen von 986 €, aber unter Wegfall des Behinderten-Pauschbetrages von 3.700 € ‒ weitere 8.286 € im Zusammenhang mit der Unterbringung des Klägers im „A“ als außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 33 EStG berücksichtigt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 25 v. H. und der Beklagte zu 75 v. H.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung der Aufwendungen der Kläger im Zusammenhang mit der Unterbringung des Klägers in einer Pflegewohngemeinschaft in Form einer selbstverantworteten Wohngruppe im Sinne der §§ 24 Abs. 2, 25 Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG) als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
3Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie haben zwei 1994 und 1996 geborene Kinder.
4Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger bezog neben einem Brutto-Arbeitslohn von 804 € eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine abgekürzte Leibrente aus einem Altersvorsorgevertrag.
5Der Kläger, geboren am ...1965, ist aufgrund eines Motorradunfalls, bei dem er u. a. eine Kopfverletzung erlitten hat, und eines danach zu spät entdeckten bösartigen Hirntumors, der zur Beeinträchtigung bzw. zum vollständigen Ausfall wichtiger Körperfunktionen geführt hat, seit Januar 2007 schwerbehindert. Der Schwerbehindertenausweis des Kreises G vom 04.08.2009 weist als Grad der Behinderung 100 und die Merkzeichen G (erheblich gehbehindert), B (Begleitung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nötig) und H (hilflos) aus. Er ist von der Pflegekasse seit 2017 in Pflegegrad 4 (schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit) eingestuft worden.
6Der Kläger wurde zunächst von der Klägerin Zuhause versorgt. Ab 2011 lebte er in einer an das Pflegeheim in S angegliederten betreuten Wohnform und wurde von einem ambulanten Pflegedienst versorgt, während die Klägerin und die Kinder im Eigenheim der Kläger wohnen blieben. Ausweislich der Meldedaten zog der Kläger am ....2015 nach ... A1, C-Straßen ... (alleinige Wohnung) um. Hierbei handelt es sich um eine im Juli 2015 von Frau W eingerichtete Pflegewohngemeinschaft in einem Haus mit Garten, in der pflegebedürftige Menschen in einer kleinen Wohngemeinschaft leben und rund um die Uhr von einem ambulanten Pflegedienst und Ergänzungskräften betreut, gepflegt und hauswirtschaftlich versorgt werden (so auf den Informationsseiten der Gemeinde A1 ...). Der Unterbringung liegt ein Mietvertrag „A“ des Klägers, vertreten durch die Klägerin, mit den Eheleuten W zunächst in der Fassung vom 08.11.2015, dann vom 07.06.2016 zugrunde.
7Der Mietvertrag vom 08.11.2015 bezieht sich auf die Anmietung eines teilmöblierten Zwei-Bett-Zimmers für 250 € monatlich einschließlich Nebenkosten zur Wohnraumnutzung im Rahmen der Pflegewohngemeinschaft durch den Kläger, vertreten durch die Klägerin. Zusätzlich wird die Mitbenutzung der Küche, Wohnzimmer, Bad/Dusche, WC, Nebenräume, Terrasse und Garten für erlaubt erklärt.
8Daneben wurde mit den Eheleuten W unter dem 08.11.2015 die monatliche Überweisung von 1.150 € für die Versorgung des Klägers vereinbart. Dieser den Eheleuten W „zur freien Verfügung“ gestellte Betrag sollte ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Bescheinigung zur Deckung folgender Kosten dienen: „Kost (ohne Sonderkost), Getränke, Telefon, Nachzahlungen Strom, Wasser, Gas, Schornsteinfeger, Grundbesitzabgaben, Wohngebäude- und Hausratversicherung, Hygieneartikel (außer Inkontinenzartikel), Putzmittel, Personalkosten und Sozialversicherungsabgaben sowie Berufsgenossenschaftsbeiträge für Nachtwachen, Haushaltshilfen, Gärtner, Hausmeister, Verwaltung, Einkaufshilfen, Rücklagen für Neuanschaffungen/Reparaturen und Finanzierung der vorhandenen Ausstattungen und Einrichtungsgegenstände“. Die Kosten wurden pauschal abgerechnet. Die Abrechnung des Taschengeldkontos sollte jährlich zum 31.12. eines Jahres erfolgen.
9Die Präambel des Mietvertrages vom 07.06.2016 lautet:
10„Der Vermieter ermöglicht durch die Vermietung von individuellen Wohnbereichen, Nebenflächen und gemeinschaftlich zu nutzenden Flächen und Einrichtungen im Anwesen C-Straße ... ... die Bildung einer bzw. zweier selbstverantworteten ambulanten betreuten Wohngemeinschaft/en durch ältere ggfs. betreuungs- und/oder pflegebedürftige Menschen.
11Zweck soll das Ermöglichen des gemeinschaftlichen Zusammenlebens der Mieter in einer eigenen Häuslichkeit im Rahmen eines gemeinsamen Haushalts und einer gemeinschaftlichen Wohn- und Lebensumgebung gemäß der Entscheidung der Mieter selbst sein. Durch Selbstorganisation der Mieter der Wohngemeinschaft/en können und sollen zudem extern von Dritten erbrachte Dienstleistungen, insbesondere aber nicht nur hauswirtschaftliche Hilfs- und Betreuungsleistungen, beschafft werden. Die Versorgung der Mieter mit auf individuelle Bedarfe abgestimmte Betreuungs-und /oder Pflegedienstleistungen sowie die Inanspruchnahme weiterer externer Leistungen liegt in der individuellen Entscheidung der Mieter. Der Vermieter erbringt lediglich die in diesem Vertrag beschriebene Nutzungsüberlassung, jedoch im Rahmen des hier geregelten Vertragsverhältnisses keinerlei darüber hinausgehende Leistungen. Er hat auch keinerlei Rahmenvereinbarungen oder irgendwelche Absprachen über die Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen mit ambulanten Pflegediensten getroffen … Die Vertragspartner sind sich einig, dass sich aus dieser Art des Zusammenwohnens und -lebens von hilfs-/betreuungs-/pflegebedürftigen älteren Menschen besondere wechselseitige Verpflichtungen in Bezug auf das Zusammenwohnen im Rahmen des Mietverhältnisses ergeben.“
12Aufgrund des Mietvertrages wurden dem Kläger ein Schlafzimmer im Obergeschoss, ausgestattet mit einem Kleiderschrank, als individueller Wohnbereich und zwei Wohnzimmer nebst Wohnküche im Erdgeschoss sowie Terrasse und Garten zur gemeinschaftlichen Nutzung überlassen. Die zur gemeinschaftlichen Nutzung vermieteten Wohnflächen waren mit Ess- und Wohnzimmermöbeln, Einbauküche, TV, Radio etc. ausgestattet. Die monatliche Gesamt(warm)miete belief sich auf 250 €. Daneben sollte eine Renovierungskosten-Umlage von monatlich 160 € und eine „Investitionsumlage“ für die Einrichtungsüberlassung und -erhaltung von monatlich 270 €, also insgesamt 680 € auf das bisherige Bankkonto der Vermieter gezahlt werden. Die Reinigung der vermieteten privaten Wohnräume sowie der gemeinschaftlich genutzten Flächen, die Fensterreinigung, der Winterdienst und die Gartenpflege oblagen vertraglich dem Mieter.
13Der Kläger bezog von seiner Pflegeversicherung ab Dezember 2015 den Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI, der direkt an den Pflegedienst X überwiesen wurde. Dem Kläger wurden überdies im Jahr 2016 durch die Pflegeversicherung im Rahmen der Ersatzpflege Pflegesachleistungen dergestalt gewährt, dass die anfallenden Kosten bis maximal 1.612 € übernommen und direkt mit dem Pflegedienst abgerechnet wurden.
14In ihrer Einkommensteuererklärung für 2016 machten die Kläger ‒ neben unstreitiger außergewöhnlicher Belastungen von 986 € (Krankheitskosten 86 € und pauschal ermittelte Kfz-Kosten bei Gehbehinderung 900 €) ‒ an die Eheleute W gezahlte Aufwendungen für die Unterbringung im Pflegeheim von 17.040 € (= 12 x 250 € und 12 x 1.170 €) nach § 33 EStG sowie den erhöhten Behinderten-Pauschbetrag geltend. Zum Nachweis legten die Kläger die Unterlagen zur Neuanlage eines SEPA-Dauerauftrages der Klägerin über die ab 01.01.2016 in Höhe von 250 € monatlich an die Eheleute W zu zahlende „Miete P“ sowie einen ab dem 01.07.2016 geänderten SEPA-Dauerauftrag der Klägerin über monatlich an die Eheleute W zu überweisende 1.170 € mit dem Verwendungszweck „Haushaltskasse P“ vor.
15Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2016 mit Einkommensteuerbescheid vom 26.01.2018 fest. Dabei blieben die in Höhe von 986 € vom Beklagten anerkannten außergewöhnliche Belastungen wegen der zumutbaren Belastung von 1.673 € steuerlich ohne Auswirkung. Der Beklagte berücksichtigte im Übrigen den Behinderten-Pauschbetrag nach § 33 b Abs. 3 Satz 3 EStG von 3.700 €. In den Erläuterungen verwies der Beklagte darauf, dass die in den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid 2015 vom 25.11.2016 erbetene vollständige Vorlage der Rechnungen zur Heimunterbringung nicht erfolgt sei. Da aus den vorgelegten SEPA-Daueraufträgen nicht ersichtlich sei, wofür die Zahlungen geleistet worden seien, behielten die Aufwendungen für die Unterbringung in der Pflegewohngemeinschaft ihren Charakter als übliche Aufwendungen für die Lebensführung und seien somit nicht zu berücksichtigen.
16Mit ihrem Einspruch vom 26.01.2018 begehrten die Kläger weiter die Anerkennung der Aufwendungen für die Unterbringung des Klägers neben dem Behinderten-Pauschbetrag. Sie trugen vor, dass der Kläger aufgrund eines sehr schweren Unfalls mit krankheitsbedingten Erschwernissen zu leben habe. Ein eigenständiges Leben sei nicht möglich. Insoweit werde auf das Merkzeichen H verwiesen. Aus dem Namen „A“ seien ‒ im Gegensatz zum Namen „Q“ ‒ keine wertenden Schlüsse zu ziehen. Es würden keine Rechnungen bezüglich der Unterbringung erteilt. Der Unterbringung liege der anliegende Mietvertrag „A“ vom 07.06.2016 zugrunde. Es handele sich ‒ ausweislich des Schriftverkehrs mit dem Kreis G ‒ um eine selbstverantwortete Wohngruppe, die durch die ambulante Pflege auf der Grundlage des beigefügten Pflegevertrages mit X vom 15.12.2015/25.01.2016 ergänzt bzw. erst ermöglicht werde. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23.05.2002 III R 24/01 (BFHE 199, 296; BStBl. II 2002, 567) werde hingewiesen, wonach außergewöhnliche Belastungen auch vorlägen, soweit die Unterbringung in einer betreuten Wohngemeinschaft erfolge.
17Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 10.07.2018 als unbegründet zurück. Aus dem Anwendungsbereich der außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 33 EStG seien die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten seien. Hierunter fielen auch Aufwendungen, die geleistet würden, um den existenziellen Wohnbedarf zu befriedigen. Diese Grundsätze fänden keine Anwendung, wenn Aufwendungen für einen zweiten Wohnbedarf entstanden seien, weil die den ersten existenziellen Wohnbedarf abdeckende Wohnung unbewohnbar geworden sei. Danach könnten grundsätzlich auch Aufwendungen aufgrund einer behinderungs- oder krankheitsbedingten Unterbringung in einem Heim abzugsfähig sein. Derartige abziehbare krankheitsbedingte Mehrkosten umfassten nach der Rechtsprechung des BFH ‒ wie bei einer Unterbringung in einem Krankenhaus ‒ nicht nur die Aufwendungen für Pflege und ärztliche Hilfe, sondern auch die gesamten vom Heim in Rechnung gestellten Kosten für Unterkunft und Verpflegung, die bei einem Heimaufenthalt in der Regel erheblich höher lägen als die dafür üblichen Kosten beim Verbleib im eigenen Haushalt. Im Streitfall sei der Kläger jedoch nicht in einem Heim untergebracht, da nach den Bestimmungen des Mietvertrages lediglich Wohnung überlassen werde. Damit fehle es an der für den Abzug nach § 33 EStG notwendigen Zwangsläufigkeit der Aufwendungen. In dem BFH-Urteil vom 23.05.2002 III R 24/01, BStBl. II 2002, 567 habe der Steuerpflichtige zwar ebenfalls in einer Wohngruppe gelebt. Es habe sich jedoch um eine betreute Wohngruppe gehandelt, die der vollstationären Unterbringung volljähriger Menschen mit Behinderung diente und ein Heim im Sinne des § 1 des Heimgesetzes (HeimG) darstellte. Vorliegend habe der Kreis G jedoch dem Vermieter ausdrücklich bestätigt, dass es sich um eine selbstverantwortete Wohngruppe handele, die gemäß § 25 WTG NRW nicht den Anforderungen nach diesem Gesetz unterfiele. Das WTG NRW vom 02.10.2014 sei mit der Föderalismusreform 2006 im Bereich der ordnungsrechtlichen Vorschriften für den Betrieb einer Senioreneinrichtung anstelle des Heimgesetzes getreten.
18Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren fort, die Unterhaltsaufwendungen ‒ betragsmäßig zuletzt korrigiert auf ‒ 11.040 € als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG steuermindernd anzusetzen. Dieser Jahresbetrag umfasse monatlich die Miete von 250 €, die Renovierungskosten-Umlage von 160 €, die Investitionsumlage für die Einrichtungsüberlassung und -erhaltung von 270 € sowie die Kosten des Servicevertrages von 240 €. Unter Berücksichtigung der Haushaltsersparnis bezogen auf die gesamten Zahlungen von 16.920 € in 2016 im Zusammenhang mit der Unterbringung sei auf jeden Fall der vorgenannte monatliche Betrag von zusammen 920 € berücksichtigungsfähig. Der Behinderten-Pauschbetrag werde bei einem Ansatz der tatsächlichen Kosten nach § 33 EStG nicht mehr zusätzlich beantragt.
19Die Unterbringung in einem Heim sei für Menschen im arbeitsfähigen Alter ‒ wie den Kläger ‒ außergewöhnlich. Wegen der Zwangsläufigkeit werde auf das ärztliche Attest des Hausarztes des Klägers, Herrn V vom 17.07.2018 und auf das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach SGB XI (Begutachtung vom 07.07.2014) verwiesen. Die vorliegenden Aufwendungen für die Unterbringung lägen sowohl der Art als auch der Höhe nach außerhalb des Üblichen. Dies gelte sowohl für eine Unterbringung in einem Heim als auch für die hier gewählte Unterbringung.
20Ergänzend tragen sie vor, dass zum 01.07.2016 eine Änderung der Organisationsstruktur im A stattgefunden habe, woraufhin neue Verträge abgeschlossen worden seien. Die Leistungserbringung sei zum einen durch die Eheleute W erfolgt. So sei weiterhin die monatliche Miete von 250 € per eigenem Dauerauftrag überwiesen worden. Die Renovierungskosten- und Investitionsumlagen von zusammen 430 € monatlich seien im Überweisungsbetrag von 1.150 € bzw. 1.170 € enthalten gewesen. Daneben sei ab dem 01.07.2016 mit Frau K ein „Servicevertrag über allgemeine Unterstützungsleistungen“ geschlossen worden. Hinsichtlich der Leistungen wird insoweit auf die Präambel sowie § 3 des vorliegenden Mietvertrages verwiesen. Die monatlichen Kosten hätten sich insoweit auf 240 € belaufen, die aus dem Betrag von 1.150 bzw. 1.170 € durch die Eheleute W beglichen worden seien.
21Soweit der Beklagte das BFH-Urteil vom 23.05.2002 II R 24/01, BStBl. II 2002, 567 vorliegend nicht für anwendbar halte, werde darauf verwiesen, dass es in diesem Urteil heiße „Nach der Rechtsprechung des Senats gilt dies insbesondere bei einer behinderungs- oder krankheitsbedingten Unterbringung in einem Heim.“. Die Interpretation des Beklagten, dass ein Heim nach Heimgesetz zwingend vorliegen müsse, werde angesichts der Verwendung der Formulierung „insbesondere“ statt „nur“ infrage gestellt.
22Die Kläger beantragen,
23unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2016 vom 26.01.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2018 die Einkommensteuer dahingehend neu festzusetzen, dass die Aufwendungen für die Unterbringung des Klägers im „A“ in Höhe von 11.040 € sowie weitere 986 € vor Abzug der zumutbaren Belastung als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG Berücksichtigung finden, unter gleichzeitiger Streichung des bisher anerkannten Behindertenpauschbetrages in Höhe von 3.700 €.
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Aus seiner Sicht sei entscheidend, ob die vorliegende vertragliche Gestaltung für die Annahme einer Heimunterbringung ausreiche. Das von den Klägern angeführte BFH-Urteil vom 23.05.2002 II R 24/01, BStBl. II 2002, 567 sei auf den Streitfall nicht übertragbar, da in dem dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt der Kläger „in einer betreuten Wohngruppe, die der vollstationären Unterbringung volljähriger Menschen mit Behinderung dient und ein Heim im Sinne des § 1 des Heimgesetzes“ darstellte, untergebracht war.
27Auf das Protokoll der öffentlichen Verhandlung vom 30.09.2020 wird Bezug genommen.
28Dem Gericht hat die Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakte vorgelegen.
29Entscheidungsgründe
30- 31
I. Die Klage ist zum Teil begründet.
Denn der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2016 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger dadurch in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO ‒), wie die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Unterbringung des Klägers in der Pflegewohngemeinschaft in der im Tenor bezeichneten Höhe nicht als außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt worden sind.
331. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen.
34Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) abgegolten sind, können nicht nochmals nach § 33 EStG berücksichtigt werden und sind daher aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteile vom 14.11.2013 VI R 20/12, BStBl. II 2014, 456; vom 25.07.2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200). Zu diesen rechnen u. a. die Kosten der Unterbringung und Verpflegung, insofern regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altersheim (BFH-Urteile vom 14.11.2013 VI R 20/12, BStBl II 2014, 456; vom 23.05.2002 III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl. II 2002, 567; vom 18.04.2002 III R 15/00, BStBl II 2003, 70). Demgegenüber sollen durch § 33 EStG zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf berücksichtigt werden, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen (BFH-Urteil vom 23.05.2002 III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl. II 2002, 567).
35In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Solche Aufwendungen werden von der Rechtsprechung daher als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne das es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Erforderlich ist lediglich, dass die Aufwendungen mit der Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen (z.B. BFH-Urteile vom 14.11.2013 VI R 20/12, BStBl. II 2014, 456; vom 22.10.1996 III R 240/94, BStBl. II 1997, 346).
36Zu den Krankheitskosten gehören die Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung der Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, wie insbesondere Kosten für die eigentliche Heilbehandlung und eine krankheitsbedingte Unterbringung (z.B. BFH-Urteile vom 14.11.2013 VI R 20/12, BStBl. II 2014, 456; vom 13.10.2010 VI R 38/09, BStBl II 2011, 1010; vom 18.04.2002 III R 15/00, BStBl II 2003, 70; vom 26.06.1992 III R 83/91, BStBl. II 1993, 212). Von den dargelegten Grundsätzen werden insofern Aufwendungen für die Pflege eines Steuerpflichtigen infolge einer Krankheit oder Behinderung gleichermaßen erfasst (vgl. BFH-Urteile vom 22.10.2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl. II 2010, 280; vom 15.04.2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl. II 2010, 794).
37Entsprechend sind auch krankheits- oder behinderungsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 14.11.2013 VI R 20/12, BStBl. II 2014, 456; vom 09.12.2010 VI R 14/09, BFHE 232, 343, BStBl. II 2011, 1011; vom 23.05.2002 III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl. II 2002, 567; vom 24.02.2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl. II 2000, 294), und zwar unabhängig davon, ob neben dem Pauschalentgelt gesondert Pflegekosten in Rechnung gestellt werden (BFH-Urteile vom 14.11.2013 VI R 20/12, BStBl. II 2014, 456; vom 09.12.2010 VI R 14/09, BFHE 232, 343, BStBl. II 2011, 1011; vom 13.10.2010 VI R 38/09, BStBl. II 2011, 1010). Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (BFH-Urteile vom 14.11.2013 VI R 20/12, BStBl. II 2014, 456; vom 13.10.2010 VI R 38/09, BStBl. II 2011, 1010; Loschelder in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 33 Rz. 51, 58).
38Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grund nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die sog. Haushaltsersparnis (BFH-Urteil vom 15.04.2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl. II 2010, 794) sowie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigen.
392. In Anwendung der vorgenannten Grundsätze stellen sich im Streitfall die geltend gemachten Aufwendungen für die durch die Krankheit und die schwere Behinderung mit der Folge der Pflegebedürftigkeit veranlasste Unterbringung des Klägers in der Wohngemeinschaft des A in dem im Tenor bezeichneten Umfang als nach § 33 EStG abziehbare Krankheitskosten dar.
40a) Die Unterbringung des Klägers ist angesichts seines Alters von 50 Jahren im Zeitpunkt des Umzugs in die Wohngemeinschaft außergewöhnlich im Sinne des § 33 EStG.
41Denn während es bei einem älteren Menschen nichts Außergewöhnliches ist, wenn er in einem Altersheim lebt, weil er nicht mehr für sich sorgen kann oder will, stellt sich für Menschen im arbeitsfähigen Alter ‒ wie den Kläger ‒ die Unterbringung in einem Heim als außergewöhnlich dar (vgl. BFH-Urteil vom 23.05.2002 III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl. II 2002, 567 Rz. 17 m.w.N.). So leben Menschen in diesem Alter in der Regel entweder alleine oder mit anderen, etwa Ehegatte, Partner oder Familienangehörigen.
42Die Annahme der Außergewöhnlichkeit gilt jedoch nicht nur bei einer Unterbringung in einem Heim im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 HeimG bzw. in einer ‒ mit der Föderalismusreform 2006 in Nordrhein-Westfalen inhaltsgleich an dessen Stelle getretenen ‒ sog. Einrichtung mit umfassenden Leistungsangebot nach § 18 Abs. 1 WTG NW. Sie ist vielmehr gleichermaßen bei einer Unterbringung in einer „Wohngemeinschaft mit Betreuungsleistungen“ im Sinne des § 24 Abs. 1 WTG NW zu bejahen, die ‒ wie im Streitfall ‒ die Voraussetzungen nach § 24 Abs. 2 WTG NW einer selbstverantworteten Wohngemeinschaft erfüllt.
43Die Einrichtung mit umfassendem Leistungsangebot zeichnet sich nach dem mit § 1 Abs. 1 Satz 2 HeimG inhaltsgleichen Gesetzeswortlaut des § 18 Abs. 1 WTG NW insbesondere dadurch aus, dass ältere oder pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderung aufgenommen werden, ihnen Wohnraum überlassen, Betreuungsleistungen zur Verfügung gestellt und eine umfassende Gesamtversorgung gewährleistet wird.
44Es macht aber keinen Unterschied, dass die einander ebenfalls zunächst nicht vertrauten Bewohner in einer Wohnung mit einem gemeinsamen Hausstand leben mit dem zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 HeimG gleichlautenden Ziel, ihnen ein hohes Maß an Selbständigkeit und selbstbestimmter Lebensführung so lange und so weit wie möglich zu erhalten. Denn ‒ wie bei einer „klassischen Heimunterbringung“ ‒ treten daneben die ihnen hier von einem oder mehreren Leistungsanbietern ‒ statt in Gänze von der Einrichtung ‒ angebotenen Betreuungsleistungen. So wird der Kläger vom ambulanten Pflegedienst X versorgt und es ist u. a. eine 24-Stunden-Betreuung nebst allgemeiner Unterstützungsleistungen im Haus sichergestellt. In der Gesamtschau der von den Klägern von verschiedenen Anbietern entgeltlich erworbenen Leistungen in Gestalt der Überlassung behindertengerecht eingerichteten Wohnraums, der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 SGB XI, der Nachtwache und allgemeiner Unterstützungsleistungen nebst der Versorgung stellt sich die Unterbringung in der Wohngemeinschaft im wesentlichen Kern damit nicht anders dar, als die in einem Heim im Sinne des inzwischen nicht mehr gültigen § 1 HeimG bzw. nunmehr in einer sog. Einrichtung mit umfassenden Leistungsangebot nach § 18 Abs. 1 WTG NW.
45Vor diesem Hintergrund ist kein für die steuerliche Betrachtung relevanter Unterschied zwischen diesen verschiedenen, vom Gesetzgeber gleichermaßen anerkannten Formen der Unterbringung pflegebedürftiger Menschen oder von Menschen mit Behinderung ersichtlich. Das sicherlich größere Leistungsangebot in einem Heim mit regelmäßig höheren Kosten und die umfassendere Abrechnung der Pflege- und Betreuungskosten mit der Pflegekasse im Rahmen des § 43 SGB XI sind insoweit irrelevant. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass letztlich der steuerlichen Beurteilung nach § 33 EStG in beiden Konstellationen der hier angesprochenen Unterbringung der vom Steuerpflichtigen zu tragende Eigenanteil unterfällt. Hierbei handelt es sich aber ebenso ‒ nach Bereinigung insbesondere um die von der Pflegekasse übernommenen Pflegekosten ‒ um die Kosten der Unterbringung und Verpflegung sowie eventuell anfallende Kosten für zusätzliche Leistungen. Es kommt auch nicht auf den für die jeweilige Unterbringungsform maßgeblichen ordnungsrechtlichen Rahmen an, der vorliegend für die selbstverantworteten Wohngemeinschaften nach § 25 Abs. 1 WTG NW geringere Anforderungen vorsieht. Vielmehr ist darauf abzustellen, dass auch bei einer krankheits- bzw. behinderungsbedingten Unterbringung in einer solchen Wohngemeinschaft dem Steuerpflichtigen zwangsläufig Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf entstehen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in den allgemeinen Freibeträgen entziehen.
46b) Die Unterbringung in der Pflegewohngemeinschaft ist für den Kläger auch aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig.
47So ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger seit November 2015 krankheits- und behinderungsbedingt in der Pflegewohngemeinschaft untergebracht ist. Bestätigt wird diese Einschätzung durch das ärztliche Attest von Herrn V, dem langjährigen Hausarzt des Klägers, vom 17.07.2018 und durch das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach SGB XI sowie die ausführliche Schilderung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zum Verlauf der Erkrankung und dem Zustand ihres Mannes. Demnach ist der Kläger aufgrund seiner Erkrankung und der Behinderung nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen und ist die Unterbringung in einer Einrichtung erforderlich, die eine umfassende Fremdversorgung und eine permanente Anwesenheit einer Pflegekraft ermöglicht.
48Die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes ist nicht nötig. So handelt es sich nicht um einen der in § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) abschließend aufgezählten Konstellationen, bei denen der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein amtsärztliches Gutachten oder durch eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erfolgen hat. Hinzu kommt, dass nach der Lebenserfahrung niemand, der nicht pflegebedürftig ist, aus persönlichen Gründen in eine Pflegewohngemeinschaft ziehen wird. Motive der persönlichen Lebensführung scheiden insofern hier aus.
49Dem Abzug der Kosten als krankheits- und behinderungsbedingt steht auch nicht entgegen, dass dem Kläger ‒ aufgrund der unmittelbaren Abrechnung des ambulanten Pflegedienstes X mit der Pflegeversicherung ‒ keine Pflegekosten von den Betreibern des A in Rechnung gestellt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.2010 VI R 14/09, BFHE 232, 343, BStBl. II 2011, 1011; vom 13.10.2010 VI R 38/09, BStBl. II 2011, 1010).
50c) Zweifel an der Angemessenheit im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG bestehen angesichts der sich im üblichen Rahmen bewegenden Unterbringungskosten nicht. Der steuerlich geltend gemachte Eigenanteil dürfte aufgrund der von den Klägern gewählten Unterbringungsform zudem hinter dem für eine Heimunterbringung zurückbleiben.
51d) Die Kosten der Unterbringung des Klägers (12 x 250 € + 6 x 1.150 € + 6 x 1.1.70 € = 16.920 €) im Jahr 2016 sind nur insoweit nach § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die sog. Haushaltsersparnis von 8.652 € sowie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG, hier: 1.673 €) übersteigen.
52(1) Der Bundesfinanzhof hat für den Bereich der Heimunterbringung entschieden, dass dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigte Kosten einer Heimunterbringung nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar sind, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sog. Haushaltsersparnis übersteigen. Nur in dieser Höhe entstehen dem Steuerpflichtigen hierdurch gegenüber seiner bisherigen Lebensführung zusätzliche Kosten. Entsprechend sind Unterbringungskosten um eine Haushaltsersparnis, die der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten entspricht, zu kürzen (BFH-Urteile vom 18.04.2002 II R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; vom 10.08.1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231).
53Von der Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis ist nur dann abzusehen, wenn dem Steuerpflichtigen nur vorübergehend, etwa anlässlich eines Sanatoriumsaufenthaltes im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung, ausschließlich krankheitsbedingte Unterbringungskosten entstehen. Der Ansatz einer Haushaltsersparnis scheidet mithin aus, solange noch die Fixkosten der früheren Wohnung deshalb in unveränderter Höhe getragen werden müssen, weil eine Rückkehr des Pflegebedürftigen in die Wohnung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 10.08.1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231). Dem Steuerpflichtigen kann dann nicht zugemutet werden, seine Wohnung aufzugeben (BFH-Urteil vom 22.08.1980 VI R 138/77, BFHE 131, 381, BStBl II 1981, 23).
54Im vorliegenden Fall sind zwar die Klägerin und die Kinder nach dem Auszug des Klägers im Jahre 2011 in der ursprünglich gemeinsamen Wohnung verblieben. Aus der maßgeblichen Sicht des Klägers handelt es sich aber nicht nur um eine vorübergehenden Aufenthalt außerhalb dieses Haushalts. Mit seiner Rückkehr in die frühere Wohnung ist angesichts des Zeitablaufs und insbesondere aufgrund des fortschreitenden Grades der Pflegebedürftigkeit nicht mehr zu rechnen.
55(2) Die Haushaltsersparnis wird entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen von im Streitjahr 8.652 € geschätzt.
56Diese Vorgehensweise entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 04.10.2017 VI R 22/16, BFHE 259, 352, BStBl. II 2018, 179; vom 15.04.2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl. II 2010, 794 m.w.N.). Die Schätzung ist realitätsgerecht. Denn die Haushaltsersparnis ist durch einen Vergleich der aufgewendeten Unterbringungskosten mit den Kosten des aufgegebenen entsprechenden privaten Haushalts zu ermitteln. Maßgröße sind insoweit die üblichen Kosten eines Ein-Personen-Haushalts. Diese werden in ihren Mindestanforderungen durch den in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag typisiert abgebildet.
57e) Es verbleiben damit nach Abzug der Haushaltsersparnis ‒ aber vor Berücksichtigung der zumutbaren Belastung von 1.673 € ‒ Unterbringungskosten von 8.268 € (= 16.920 € - 8.652 €) als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG, die zusätzlich zu den bereits vom Beklagten anerkannten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 986 € anzusetzen sind. Der bisher vom Beklagten im angefochtenen Einkommensteuerbescheid vorgenommene Abzug des Behinderten-Pauschbetrages nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG ist aus den im BFH-Urteil vom 04.11.2004 III R 38/02, BFHE 208, 155, BStBl. II 2005, 271 dargelegten Gründen im Einverständnis mit den Klägern rückgängig zu machen.
58- 59
II. Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird gemäß § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Alt. 2 FGO.
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IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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V. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Rechtsfortbildung zugelassen. Die Frage, ob Voraussetzung für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen ist, dass der Steuerpflichtige in einem Heim im Sinne des § 1 HeimG bzw. einer Einrichtung mit umfassenden Leistungsangebot im Sinne des § 18 WTG NW untergebracht ist, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Der Bundesfinanzhof hat diese Frage zuletzt in seinem Urteil vom 14.11.2013 VI R 20/12, BFHE 244, 285, BStBl. II 2014, 456 ausdrücklich offen gelassen, nachdem diese auch in der Entscheidung vom 23.05.2002 III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl. II 2002, 567 keiner Entscheidung bedurfte.