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  • 01.12.2022 · IWW-Abrufnummer 232564

    Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 21.09.2022 – 3 K 48/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern

    Urteil vom 21.09.2022


    In dem Rechtsstreit
    ...
    - Kläger -
    gegen
    Finanzamt ...
    - Beklagter -
    wegen Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2019

    hat der 3. Senat des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern ohne mündliche Verhandlung am 21. September 2022 durch ... für Recht erkannt:

    Tenor:

    Abweichend von dem Einkommensteuerbescheid für 2019 vom 06.01.2021 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 25.05.2021 und vom 07.07.2021 und der Einspruchsentscheidung vom 02.02.2022 wird die Einkommensteuer für 2019 unter Berücksichtigung von weiteren Werbungskosten in Höhe von € 720,00 neu festgesetzt.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    Diese Entscheidung ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

    Der Streitwert beträgt € 1.500,00.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Pkw-Stellplatzkosten im Rahmen der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung.

    1.

    Der Kläger ist Betriebswirt und Unternehmensberater. Er war im Streitjahr 2019 bei der A und bei der B angestellt. Beide Gesellschaften hatten ihren Sitz in C. Der Kläger unterhielt einen Wohnsitz in D-Straße in E und einen Wohnsitz in der F-straße in G. In G hatte der Kläger einen auf dem Grundstück H gelegenen Pkw-Tiefgaragenplatz für € 60,00 monatlich gemietet. Auf den Mietvertrag Rechtsbehelfsakte Bl. 46 wird verwiesen. Die F-straße in G mündet in das I ein. Die Wohnung des Klägers befindet sich somit auf einem anderen Grundstück als der Pkw-Stellplatz, aber in fußläufiger Entfernung.

    Der Kläger erzielte im Streitjahr 2019 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 96.359,00, außerdem Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit in geringerer Höhe. Die Einkommensteuererklärung des Klägers für 2019 ging am 11.07.2020 beim Beklagten ein. Der Kläger machte darin Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung in Höhe von € 42.151,00 geltend, die der Beklagte mit Bescheid vom 06.01.2021 zunächst insgesamt nicht anerkannte.

    2.

    Der Kläger legte mit Schreiben vom 18.01.2021 Einspruch ein und reichte eine Auflistung der geltend gemachten Aufwendungen und Belege nach. Geltend gemacht wurden danach - unter anderem - Kosten für die Sanierung der Wohnung in Höhe von rund € 34.000,00, außerdem Stellplatzmiete in Höhe von € 720,00.

    Mit Schreiben vom 10.02.2021 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Unterhaltungskosten für die Wohnung mit maximal € 1.000,00 pro Monat zu berücksichtigen seien, somit mit € 12.000,00 pro Jahr. Daneben könne eine Absetzung für Abnutzung (AfA) für die Einrichtung in Höhe von € 434,37 berücksichtigt werden.

    Der Kläger machte geltend, dass zusätzlich die Kosten des Stellplatzes in Höhe von € 720,00 zu berücksichtigen seien. Er berief sich auf die Entscheidung des Finanzgerichtes des Saarlandes vom 20.05.2020 (2 K 1251/17). Der Beklagte folgte dem nicht und berücksichtigte mit Änderungsbescheid vom 25.05.2021 sonstige Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung von € 12.435,00. Am 07.07.2021 wurde der Bescheid aus nicht streitgegenständlichen Gründen erneut geändert.

    Der Beklagte wies sodann den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 02.02.2022 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Kosten des Stellplatzes seien Teil der Unterkunftskosten und daher mit der Berücksichtigung des Höchstbetrages von € 1.000,00 monatlich nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 Einkommensteuergesetz -EStG- abgegolten. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF-Schreiben vom 25.11.2020 BStBl I 2020, 1228 Rz. 108) umfasse der Höchstbetrag sämtliche Aufwendungen wie Miete, Betriebskosten, Kosten der laufenden Reinigung und Pflege und auch Miet- oder Pachtgebühren für Kfz-Stellplätze. Das vom Kläger zitierte Finanzgerichtsurteil sei eine Einzelfallentscheidung und entfalte keine Bindungswirkung über den dort entschiedenen Fall hinaus.

    3.

    Die Klage ist am 02.03.2022 bei Gericht eingegangen. Mit der Klage begehrt der Kläger weiter die Berücksichtigung der Stellplatzkosten in Höhe von € 720,00. Zur Begründung bezieht er sich auf das Urteil des Finanzgerichtes des Saarlandes.

    Der Kläger beantragt sinngemäß,

    den Einkommensteuerbescheid vom 06.01.2021 in Gestalt der Abänderungsbescheide vom 25.05.2021 und vom 07.07.2021 und der Einspruchsentscheidung vom 02.02.2022 abzuändern und die Steuer unter Berücksichtigung von weiteren Werbungskosten in Höhe von € 720,00 neu festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er beruft sich darauf, dass er an das zitierte BMF-Schreiben gebunden sei.

    Dem Gericht liegen eine Einkommensteuerakte und eine Rechtsbehelfsakte vor.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    1.

    Werbungskosten sind bei derjenigen Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 S. 2 EStG). Zu den Werbungskosten gehören notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 1 EStG).

    Die Kosten in Höhe von € 720,00, die dem Kläger für den Stellplatz entstanden sind, sind unstreitig durch eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung angefallen. Die Kosten waren auch notwendig. Die Notwendigkeit bestimmt sich danach, ob die Aufwendungen für den Pkw-Stellplatz zum Schutz des Fahrzeuges oder aufgrund der angespannten Parkplatzsituation am Beschäftigungsort notwendig sind. Auf die Frage, ob das Vorhalten eines Kraftfahrzeuges am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen notwendig war, kommt es nicht an (Bundesfinanzhof -BFH-, Urt. vom 13.11.2012, VI R 50/11, BStBl II 2013, 286; FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 20.05.2020, 2 K 1251/17, EFG 2020, 1408 = juris Rn. 40). Von einer angespannten Parkplatzsituation ist in einer Großstadt wie G ohne weiteres - und dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers in der Klageschrift folgend - auszugehen.

    2.

    Die danach grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Kosten des Stellplatzes werden durch die Vorschrift des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht begrenzt.

    Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung können im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, höchstens 1.000,00 Euro im Monat (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG). Bei der Beantwortung der Frage, was zu den "Unterkunftskosten" gehört, ist vom Wortlaut des Gesetzes auszugehen. Danach sind Kosten eines separat angemieteten Stellplatzes keine Unterkunftskosten, da sie nicht für die Unterkunft, sondern für das davon zu unterscheidende Abstellen des Pkw aufgewendet werden (so auch FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 20.05.2020, 2 K 1251/17 a. a. O.; ebenso Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 273. Aktualisierung § 9 Rn. G 121; Thürmer in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, 162. Ergänzungslieferung § 9 EStG Rn. 402; a. A. - ohne Begründung - Oertel in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Auflage § 9 Rn. 115). Anders wäre es dann, wenn Wohnung und Stellplatz stets eine untrennbare Einheit bilden würden, oder möglicherweise - was offen bleiben kann - auch dann, wenn im Einzelfall Wohnung und Stellplatz nur zusammen angemietet werden konnten und zusammen angemietet worden sind. Ersteres trifft allgemein nicht zu, da eine Wohnung in vielen Fällen (gerade in Großstädten) auch ohne Stellplatz angemietet oder erworben werden kann; und Letzteres trifft im Streitfall nicht zu.

    Diesem Verständnis des Gesetzeswortlauts entspricht es, dass nach der Rechtsprechung des BFH (Urt. vom 04.04.2019, VI R 18/17, BStBl II 2019, 449 [BFH 03.04.2019 - VI R 15/17]) zu den "Unterkunftskosten" alle Aufwendungen gehören, die der Steuerpflichtige getragen hat, um die Unterkunft zu nutzen, soweit sie ihr einzeln zugeordnet werden können. Bei einer Eigentumswohnung gehören dazu die Absetzung für Abnutzung auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie die Zinsen für Fremdkapital sowie die Betriebskosten einschließlich der Stromkosten, nicht dagegen die Kosten für Einrichtungsgegenstände und Haushaltsartikel. Diese zuletzt genannten Kosten lassen sich von der Unterkunft trennen; Einrichtungsgegenstände und Haushaltsartikel können denkbar auch für eine andere Wohnung genutzt werden. Dasselbe trifft auf einen Kfz-Stellplatz zu, der - wie hier - baulich nicht mit der Unterkunft verbunden ist und auch ohne die Unterkunft gemietet werden könnte.

    Der Sinn und Zweck des Gesetzes spricht für dasselbe Ergebnis. Die Regelung soll die Kosten im Interesse der Vereinfachung und Typisierung auf einen festen Betrag begrenzen. Dadurch sollte die als zu aufwendig beschriebene Ermittlung des Durchschnittsmietzinses für eine 60 qm große Wohnung überflüssig gemacht werden (vgl. BT-Drucksache 17/10774 Seite 13; FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 20.05.2020, 2 K 1251/17 a. a. O.). In der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache a. a. O.) heißt es dazu: "Die Festsetzung des Betrages von 1.000,00 Euro orientiert sich dabei an einer von der Rechtsprechung bisher immer herangezogenen, nach Lage und Ausstattung durchschnittlichen, ca. 60 m2 großen Wohnung. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (...) zahlen unter 6,2 Prozent aller Hauptmieterhaushalte in Deutschland eine monatliche Bruttokaltmiete von 1.000,00 Euro und mehr. Bei weniger als 5,5 Prozent aller Hauptmieterhaushalte liegt die monatliche Bruttokaltmiete bei 16,67 Euro pro m2 oder mehr. Bei mehr als 98,8 Prozent derjenigen Personen, die in einem 1-Personen-Haushalt leben, liegt die Bruttokaltmiete unter 1.000,00 Euro monatlich. Die breite Masse der in Deutschland genutzten Mietwohnungen liegt somit innerhalb der 1.000,00 Euro."

    Demnach erscheint es als sachgerecht und entspricht dem Gesetzeszweck, zu den "Unterkunftskosten" nur diejenigen Kosten zu zählen, die üblicherweise in die Berechnung einer durchschnittlichen Bruttokaltmiete einfließen und damit auch von dem Pauschalbetrag von € 1.000,00, der die Berechnung der Durchschnittsmiete ersetzen soll, erfasst werden. Das sind die monatlich aufzuwendenden Beträge für Wasser, Kanalisation, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Hausreinigung und -beleuchtung, Schornsteinreinigung, Hauswart, öffentliche Lasten, Gebäudeversicherung und Kabelanschluss. Nicht zur Bruttokaltmiete gerechnet werden Umlagen für Zentralheizung, Warmwasserversorgung, Untermietzuschläge und Zuschläge für Möblierung (Statistisches Bundesamt, www.destatis.de/Themen/Gesellschaft und Umwelt/Einkommen, Konsum und Lebensbedingungen/Bruttokaltmiete). Dass auch Stellplatzkosten in die Berechnung einfließen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

    Wenn in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache a. a. O.) ausgeführt wird, dass von den Unterkunftskosten auch die Miet- oder Pachtgebühren für Pkw-Stellplätze erfasst seien, dann rechtfertigt das kein anderes Ergebnis. Die subjektive Vorstellung des Gesetzgebers ist unbeachtlich, soweit sie - wie hier - in der gesetzlichen Regelung keinen Niederschlag gefunden hat (Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff a. a. O.). Das vom Beklagten zitierte BMF-Schreiben ist eine Verwaltungsanweisung und bindet das Gericht nicht.

    3.

    Die Klage hat aus diesen Gründen Erfolg. Da die Ermittlung des im Ergebnis festzusetzenden Betrages einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert, bestimmt der Senat die Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes durch Angabe der zu Unrecht nicht berücksichtigten Werbungskosten (§ 100 Abs. 2 S. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Entscheidung ergeht mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

    Die Revision ist zuzulassen, da die hier erhebliche Rechtsfrage offen und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

    Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 155 S. 1 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung. Der Streitwert ist auf den Mindestbetrag festzusetzen (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 Gerichtskostengesetz).

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