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  • 19.03.2024 · IWW-Abrufnummer 240417

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 24.01.2024 – 2 K 936/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Sachsen 

    Urteil vom 24.01.2024


    In dem Finanzrechtsstreit
    1.
    2.
    - Kläger -
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -

    wegen Einkommensteuer 2022

    hat der 2. Senat durch , und sowie die ehrenamtlichen Richter und auf Grund mündlicher Verhandlung am 24. Januar 2024 für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist die Berücksichtigungsfähigkeit eines Pflegepauschbetrages.

    Die gemeinsam veranlagten Kläger erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. In der Einkommensteuererklärung für 2022 machte der Kläger einen Pflegepauschbetrag für seine Mutter geltend. Dabei gab er an, dass sie seit 1. Juni 2021 in einer Wohnung in .... untergebracht und in Pflegestufe 3 eingestuft ist. Die Mutter hat einen Betreuungsvertrag mit einer Pflegeeinrichtung geschlossen. Die Schwester des Klägers ist 2020 verstorben. Der Beklagte erließ am 28. Juli 2023 den Einkommensteuerbescheid für 2022 und setzte die Einkommensteuer für 2022 auf € 29.751 fest, dabei berücksichtigte er den Pflegepauschbetrag nicht, weil die Mutter weit vom Kläger entfernt wohne. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 28. September 2023 hinsichtlich der hier streitigen Frage als unbegründet zurückwies.

    Die Kläger tragen vor, dass die Voraussetzungen für die Gewährung eines Pflegepauschbetrages vorlägen. Die Mutter des Klägers wohne in einer eigenen Wohnung. Der Kläger habe seine Mutter im Jahr 2022 fünf Mal über mehrere Tage besucht und sie dort unterstützt, indem er ihr bei der Körperpflege, beim An- und Auskleiden, bei den Mahlzeiten sowie beim Verlassen der Wohnung geholfen habe. In der übrigen Zeit habe er organisatorische Dinge für sie erledigt. Dem Wortlaut des Gesetzes sei keine Mindestpflegedauer zu entnehmen, vielmehr sei lediglich Voraussetzung, dass Aufwendungen für die Pflege entstanden seien.

    Die Kläger beantragen,

    den Bescheid über Einkommensteuer für 2022 vom 28. Juli 2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. September 2023 dahingehend zu ändern, dass beim Kläger ein Pflegepauschbetrag in Höhe von € 1.100 berücksichtigt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt vor, dass zwar Pflegeleistungen im Inland vorlägen, es fehle jedoch an der Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen. Nicht erkennbar sei, dass dem Kläger Mehraufwendungen finanzieller Art entstanden seien, die ihrer Art und der Höhe nach außergewöhnlich wären, weil der Kläger seine Mutter fünf Mal im Jahr auch dann besucht hätte, wenn sie gesund gewesen wäre. Trotz der erhöhten Entfernung wäre dies bei einer älteren und alleinlebenden nahen Angehörigen noch im mittleren Bereich des Üblichen. Eine krankheitsbedingte Häufung oder längere Dauer sei hier im Jahr 2022 nicht erkennbar. Die Pflege müsse auch mehr als geringfügig sein und über die - bei einem älteren Angehörigen - üblichen familiären Hilfestellungen hinausgehen. Dies wäre der Fall, wenn der Pflegende krankheitsbedingt mehr Zeit mit der gepflegten Person verbringen müsse, als er - oder ein durchschnittlicher Dritter - sonst für die Besuche bei seinen Eltern aufgewandt hätte. Hier betrage der Pflegeanteil des Klägers lediglich 4,4%, was nicht ausreichend sei. Die Mutter des Klägers habe zum Beginn des Jahres 2022 seit über 15 Monaten Pflegestufe 3 gehabt, aber noch einen eigenen Haushalt geführt. Aus ihrer Unterbringung im "betreuten Wohnen" könne geschlossen werden, dass sie nur gelegentlich Hilfe benötige und nachts nicht überwacht und versorgt werden müsse.

    Die Übernahme von organisatorischen Tätigkeiten für die Mutter liege innerhalb der Betreuung, nicht aber der Pflege einer hilfebedürftigen Person. Unter dem Begriff der "Pflege" sei die Hilfeleistung bei Verrichtungen des täglichen Lebens zu verstehen, bei denen der Pflegebedürftige der Hilfe bedürfe, also regelmäßig wiederkehrende Unterstützungsleistungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhaltes im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftstücke, die zu Gericht gereichten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2024 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    I.

    Dem Kläger steht für das Jahr 2022 kein Pflegepauschbetrag gemäß § 33b Abs. 6 EStG zu.

    Ein Steuerpflichtiger kann nach § 33b Abs. 6 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihm durch die Pflege einer Person erwachsen, anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag geltend machen (Pflege-Pauschbetrag), wenn er dafür keine Einnahmen im Kalenderjahr erhält und der Steuerpflichtige die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt und diese Wohnung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat gelegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist.

    Eine "Wohnung" kann auch ein Zimmer im Alten- oder Pflegeheim sein, wenn die betreute Person in ihrer persönlichen Umgebung verbleibt (Schmidt, EStG-Kommentar, 42. Auflage, § 33b Rz. 35).

    Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes setzt aber die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG eine Zwangsläufigkeit voraus (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 4. September 2019 - VI R 52/17, zitiert nach Juris). Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen ist gegeben, wenn diese Gründe von außen so auf die Entscheidung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann. Pflegeleistungen sind solche, die in der Hilfeleistung bei Verrichtungen des täglichen Lebens bestehen, bei denen der Pflegebedürftige der Hilfe bedarf (vgl. § 14 Abs. 1 und 3 SGB XI). Verrichtungen in diesem Sinne sind nach § 14 Abs. 4 SGB XI solche im Bereich der Körperpflege (Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- oder Blasenentleerung), im Bereich der Ernährung (mundgerechtes Zubereiten, Aufnahme der Nahrung), der Mobilität (selbständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung, Beheizen) (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 4. September 2019 - VI R 52/17, zitiert nach Juris).

    Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der Zwangsläufigkeit, da die gepflegte Person seine Mutter ist. Des Weiteren findet die Pflege in der Wohnung der Mutter statt. Diese Wohnung ist nicht nur ein Zimmer in einer Einrichtung, sondern eine geschlossene Wohnung, welche an eine Betreuungseinrichtung angeschlossen ist, mit der die Mutter des Klägers einen Betreuungsvertrag über Pflegeleistungen geschlossen hat. Des Weiteren erhält der Kläger für seine erbrachten Leistungen, die als Pflegeleistungen im Sinne von § 14 Abs. 4 SGB XI angesehen werden können, keine Einnahmen.

    Allerdings müssen dem Kläger auch außergewöhnliche Belastungen erwachsen sein, was nur dann der Fall ist, wenn die Tätigkeit des Klägers eine Mindestpflegedauer erreicht. Außergewöhnlichkeit liegt nur vor, wenn dem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 21. Februar 2018 - VI R 11/16, zitiert nach Juris, zu § 33 EStG). In Bezug auf die Pflege von Personen kann diese in nicht nur untergeordnetem Umfang erfolgen, sondern muss mit mindestens 10% des gesamten pflegerischen Zeitaufwandes erfolgen, um als außergewöhnlich angesehen werden zu können (Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 13. November 2017 - 15 K 3228/16, noch zur alten Rechtslage, zitiert nach Juris, offengelassen von Urteil des Bundesfinanzhofes vom 4. September 2019 - VI R 52/17, a.a.O.).

    Einen Zeitaufwand, der als außergewöhnlich zu betrachten wäre, hat der Kläger nicht erbracht. Er hat vorgetragen, dass er seine Mutter 2022 fünf Mal über mehrere Tage besucht und sie dort unterstützt hat, indem er ihr bei der Körperpflege, beim An- und Auskleiden, bei den Mahlzeiten sowie beim Verlassen der Wohnung geholfen habe. In der übrigen Zeit habe er organisatorische Dinge für sie erledigt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass er 20 Tage ganztägig sämtliche Pflegeleistungen erbracht hätte, macht dies im Jahr nur einen Anteil von 5,4% aus. Dies ist nicht ausreichend, um eine außergewöhnliche Belastung des Klägers anzunehmen. Anderenfalls könnten in vielen Fällen Familienbesuche, die mit Hilfeleistungen im Haushalt verbunden sind, als außergewöhnliche Belastung angenommen werden, die den Pflege-Pauschbetrag rechtfertigen würden. Dies ist nicht die Intention des Gesetzgebers. Dieser wollte mit dem im Jahr 1990 eingeführten § 33b Abs. 6 EStG die häusliche Pflege stärken und die vielfältigen Belastungen, welche die persönliche Pflege eines Schwerpflegebedürftigen mit sich bringt, in angemessenem Rahmen steuerlich anerkennen. Der Pauschbetrag ist mit dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vereinbar und deshalb bei den Vorschriften über die außergewöhnlichen Belastungen aufzunehmen. Durch die pauschale Anerkennung sollte im Hinblick auf die menschliche Belastung, welche die Pflegeperson auf sich nimmt, auf Aufzeichnungen und Belege verzichtet werden, um auch solche Pflegeleistungen abzugelten, die nicht oder schwer nachweisbar sind. Bei der häuslichen Pflege von Personen in ihrer gewohnten Umgebung sollte aber auch eine Kostendämpfung erreicht werden (Bundestagsdrucksache vom 19. April 1988, 11/2157, Seite 151). Auch bei der Änderung von § 33b Abs. 6 EStG im Jahr 2020 hat der Gesetzgeber keine anderen Erwägungen getroffen, die auf eine Ausweitung der Anwendung der Norm auch auf solche Fälle schließen ließen, die keine Außergewöhnlichkeit erfordern (Bundesratsdrucksache vom 7. August 2020 420/20, Seite 12). Daher steht dem Kläger der Pflegepauschbetrag nicht zu.

    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zuzulassen. Die Frage der Mindestpflegedauer ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden, ebenso die der Wohnung im Sinne von § 33b Abs. 6 EStG.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 33b Abs. 6 EStG