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  • 09.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242549

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 15.02.2024 – 2 K 71/23

    Im Wesentlchen inhaltsgleich mit Urteil des Niedersächsischen FG vom 15.02.2024 - 2 K 55/23 - Keine ermäßigte Besteuerung einer Arbeitnehmerabfindung im Falle einer betriebsbedingten Kündigung bei unbefristetem Rückkehrrecht des Arbeitnehmers zu früherem Arbeitgeber und bei Wahlrecht des Arbeitnehmers auf Fortsetzung des im Wesentlichen unveränderten Arbeitsverhältnisses mit früherem Arbeitgeber oder auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und eine vom früheren Arbeitgeber auszuzahlende weitere Abfindung

    Wird ein Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung mit dem einen Arbeitgeber, der durch Betriebsübergang in dieses Arbeitsverhältnis eingetreten ist, beendet und in Ausübung eines unbefristeten Rückkehrrechts mit einem früheren Arbeitgeber, aber in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt, so ist ein Arbeitsplatzverlust, der eine ermäßigte Besteuerung der Abfindung rechtfertigen könnte, nicht gegeben. Nichts anderes gilt für die vom kündigenden Arbeitgeber gezahlte Abfindung in dem Fall, dass sich der Arbeitnehmer bei einem vom früheren Arbeitgeber eingeräumten Wahlrecht nicht für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem früheren Arbeitgeber, sondern für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und eine vom früheren Arbeitgeber zur Vermeidung von Einnahmeverlusten auszuzahlende weitere Abfindung entscheidet.


    Finanzgericht Niedersachsen

    Urteil vom 15.02.2024


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob eine an den Kläger im Jahr 2021 (Streitjahr) im Zusammenhang mit einer betriebsbedingten Kündigung geleistete Abfindungszahlung in Höhe von 86.002,76 € nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuern ist. Im Einzelnen geht es vor allem darum, ob die Abfindungszahlung eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellt, wenn dem Steuerpflichtigen als Arbeitnehmer nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses ein Wahlrecht auf Rückkehr zu seinem früheren Arbeitgeber bei im Wesentlichen unveränderten Konditionen oder auf Auszahlung einer vom früheren Arbeitgeber zu leistenden weiteren Abfindung zusteht und der Steuerpflichtige sich in Ausübung dieses Wahlrechts für die Auszahlung einer zweiten Abfindung - hier in Höhe von 168.861,67 € - entscheidet.

    Der im Jahre 1963 geborene Kläger stand seit 1986 in einem Arbeitsverhältnis mit der Y-GmbH. (...) Der Kläger war im Werk N, und zwar im Bereich "A und B" (AB) eingesetzt.

    Mit Gesellschaftsvertrag vom tt.mm.2015 wurde die AB-Holding-GmbH gegründet. (...) Alleinige Gesellschafterin war die Yz-B.V. mit Sitz in den Niederlanden.

    Am tt.mm.2016 wurde (...) die AB-GmbH gegründet. Das Stammkapital der Gesellschaft (...) wurde allein von der Y-GmbH gehalten. (...)

    Der Kläger und weitere Beschäftigte der Y-GmbH am Standort N wurden mit Schreiben der Y-GmbH vom tt.mm.2016 "über den geplanten Betriebsteilübergang von der Y-GmbH auf die AB-GmbH" unterrichtet. Hiernach beabsichtigte die Y-GmbH, den Geschäftsbereich AB der Y-Gruppe rechtlich zu verselbständigen. Zu diesem Zweck werde sie die zum Geschäftsbereich AB im Inland gehörenden wesentlichen Betriebsmittel an die AB-GmbH übertragen. Diese Übertragung führe (auch) am Standort N rechtlich zu einem Betriebsübergang i.S. des § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Von diesem Betriebsübergang sei auch das Arbeitsverhältnis des Klägers betroffen. Das Schreiben vom tt.mm.2016 diene als Unterrichtung i.S. des § 613a Abs. 5 BGB. Der Betriebsübergang sei zum Stichtag 01.08.2016 geplant.

    Unter Ziffer IV. des Schreibens vom tt.mm.2016 werden die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs erläutert. Es wird u.a. auf eine von der Y-GmbH, der AB-GmbH und den Arbeitnehmervertretungen am tt.mm.2016 geschlossene Grundsatzvereinbarung hingewiesen. Diese treffe u.a. Regelungen zur Überleitung der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten auf die AB-GmbH. Unter Ziffer IV. 1. d heißt es:

    "Die Grundsatzvereinbarung regelt in Abschnitt B unter anderem ein Rückkehrrecht für Arbeitnehmer, die auf die AB-GmbH übergehen für den Fall, dass deren Arbeitsverhältnisse durch die AB-GmbH betriebsbedingt gekündigt werden, zur Y-GmbH. Dieses Rückkehrrecht besteht zeitlich beschränkt für Kündigungen, die während des Veräußerungsverfahrens im Sinne der Grundsatzvereinbarung erklärt werden. (...) Abschnitt C der Grundsatzvereinbarung enthält Regelungen für den Fall einer weiteren teilweisen oder vollständigen Veräußerung des verselbständigten Geschäftsbereichs AB an einen Dritten. Unter anderem ist dort eine Standortregelung für die Standorte N (...) für den Fall einer Veräußerung vorgesehen. Darüber hinaus regelt Abschnitt C der Grundsatzvereinbarung, dass die Y-GmbH Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse im Fall der Veräußerung auf die Erwerbergesellschaft (voraussichtlich AB-Holding-GmbH) übergeht, für den Fall von betriebsbedingten Kündigungen nach Veräußerung durch die Erwerbergesellschaft oder einen ihren Rechtsnachfolger ein unbefristetes Rückkehrrecht zusagt. (...)"

    Unter Ziffer V. (Geplante Maßnahme) der Mitteilung vom tt.mm.2016 wird u.a. ausgeführt, die Verselbständigung des Geschäftsbereichs AB erfolge mit der Zielsetzung, diesen in einem zweiten Schritt teilweise oder vollständig an einen Partner oder Käufer zu veräußern. In der Grundsatzvereinbarung sei dazu geregelt, dass eine teilweise oder vollständige Veräußerung des rechtlich verselbständigten Geschäftsbereichs AB nur über einen weiteren Betriebsübergang auf eine weitere Gesellschaft erfolgen werde und eine teilweise oder vollständige Veräußerung der Anteile an der AB-GmbH an einen Dritten (sog. Share Deal) ausgeschlossen sei. Diese neu gegründete Gesellschaft werde "nach heutigem Stand" die AB-Holding-GmbH sein. Dazu sei in der Grundsatzvereinbarung vereinbart worden, dass vor Abschluss eines etwaigen Kaufvertrags in einer sog. F-Vereinbarung diejenigen Regelungen getroffen würden, die nach Ansicht der Betriebsparteien erforderlich seien, "um das Ziel einer Absicherung der Arbeitnehmer des rechtlich verselbständigten Geschäftsbereichs AB zu erreichen."

    Nach dem tatsächlich erfolgten, auf einem sog. Asset Deal beruhenden Betriebsübergang wurde zwischen der Y-GmbH und der AB-GmbH Ende 2016 ein Gewinnabführungsvertrag geschlossen (...).

    Im Monat (...) 2017 schlossen die Y-GmbH, die AB-GmbH, die AB-Holding-GmbH und die auch für den Standort N zuständigen Vertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine "F-Vereinbarung". Diese Vereinbarung enthielt u.a. folgende Regelungen:

    "(...) A. Vorbemerkung, Geltungsbereich, bereits getroffene Regelungen (...)

    1. Vorbemerkung

    Y-GmbH, AB-GmbH und die Arbeitnehmervertretungen haben im Rahmen der Prozessvereinbarung zur Neuausrichtung des Geschäftsbereichs AB vom tt.mm.2015 sowie in der Grundsatzvereinbarung vom tt.mm.2016 (...) vereinbart, sobald ein Käufer für den Bereich feststeht, einen weiteren Betriebsübergang auf die AB-Holding-GmbH durchzuführen und im Hinblick auf den Käufer eine F-Vereinbarung abzuschließen. (...)

    3. Betriebsübergang / Veräußerung

    Der ausgegründete Geschäftsbereich AB (AB-GmbH) geht im Wege eines Asset Deals auf die AB-Holding-GmbH über.

    Anschließend werden die Anteile an der AB-Holding GmbH von D und E im Wege eines Share Deals erworben.

    Die Auswirkungen dieser Maßnahme werden hier geregelt. Die F-Vereinbarung stellt zugleich einen etwa erforderlichen Interessenausgleich sowie Sozialplan nach §§ 111 f BetrVG dar. (...)

    B. Weitere Regelungen (...)

    1. Fortgeltung bestehender Regelungen

    Im Hinblick auf den zweiten Betriebsübergang stellen die Betriebsparteien klar, dass die AB-Holding-GmbH nach § 613a Abs. 1 BGB in vollem Umfang in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs besehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. (...)

    4. Standort- und Beschäftigungssicherung

    Die AB-Holding-GmbH oder eine ihrer Rechtsnachfolgerinnen und die Erwerber sagen den Fortbestand der bestehenden Standorte mindestens bis zum 31.12.2022 sowie den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen mindestens bis zum 31.12.2020 zu. (...)

    5. Rückkehrrecht

    Sollte die AB-Holding-GmbH oder eine ihrer Rechtsnachfolgerinnen nach Ablauf der Frist gem. Abschnitt B Ziff. 4 Personalanpassungsmaßnahmen durchführen wollen, sagt die Y-GmbH allen Mitarbeitern, sofern diese am Stichtag S bereits bei der Y-GmbH oder einem Unternehmen des Y-Konzerns beschäftigt waren, Folgendes zu:

    Für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung wird eine unbefristete Rückkehrmöglichkeit zur Y-GmbH garantiert. Dem Ausspruch der Kündigung gleichgestellt ist die Aufnahme von Mitarbeitern in eine zwischen Betriebsrat und AB-Holding-GmbH bzw. einer ihrer Rechtsnachfolgerinnen vereinbarte Liste konkret von betriebsbedingten Kündigungen betroffener Mitarbeiter.

    6. Abfindungsrecht

    Alternativ zur Ausübung des Rückkehrrechts können die nach Abschnitt B Ziff. 5 berechtigten Mitarbeiter die Zahlung einer Abfindung entsprechend Abschnitt B Ziff. 8 dieser Vereinbarung wählen. Das Wahlrecht zwischen Rückkehr und Abfindung wird vom Arbeitnehmer durch schriftliche Geltendmachung des jeweiligen Anspruchs gegenüber der Y-GmbH ausgeübt.

    7. Weiterführende Regelungen zum Rückkehrrecht gem. Abschnitt B Ziff. 5

    Bei Ausübung des Rückkehrrechts durch nach Abschnitt B Ziff. 5 berechtigte Mitarbeiter gilt das Arbeitsverhältnis mit Y-GmbH als ununterbrochen fortgesetzt. Die bei der AB-GmbH und AB-Holding-GmbH sowie etwaigen Rechtsnachfolgerinnen verbrachte Betriebszugehörigkeit wird voll angerechnet.

    Vorzugsweise wird eine Rückkehr auf einen geeigneten Arbeitsplatz bei der Y-GmbH in dem Betrieb angeboten, in dem der Mitarbeiter ursprünglich bei der Y-GmbH bzw. der AB-GmbH beschäftigt war. Sollte dies nicht möglich sein, wird ein geeigneter Arbeitsplatz im Großraum des jeweiligen bisherigen Standorts, an dem der Mitarbeiter ursprünglich bei der Y-GmbH bzw. der AB-GmbH beschäftigt war, angeboten. (...)

    Als geeignet gilt ein ggf. inhaltlich veränderter, gleicher oder gleichwertiger Arbeitsplatz. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Arbeitsplatz hinsichtlich der Entgeltgruppe und der Entlohnungsart auf Basis der jeweiligen tariflichen Rahmenbedingungen mindestens die gleichen Verdienstmöglichkeiten bietet, wie der bisherige Arbeitsplatz und seine Anforderungen der bisherigen Qualifikation (Ausbildung und Erfahrung) und den Fähigkeiten des Mitarbeiters entspricht. Für die Besetzung des Arbeitsplatzes ist in erster Linie das Anforderungsprofil maßgeblich.

    Ist ein gleicher oder gleichwertiger Arbeitsplatz nicht vorhanden, wäre jedoch nach einer bis zu sechsmonatigen (in Sonderfällen zwölfmonatigen) Vollzeit-Umschulung die Weiterbeschäftigung auf einem gleichwertigen Arbeitsplatz möglich, so ist dem Mitarbeiter ein entsprechendes Umschulungsangebot zu machen. Während der Dauer der Umschulung zahlt Y-GmbH dem Mitarbeiter das bisherige Arbeitsentgelt für die Normalarbeitszeit fort, sofern nicht Dritte in Anspruch genommen werden können.

    Wie in Ziffer 5.1.2. des Interessenausgleichs und Sozialplans Standort N vom (...) gilt für die Entgeltberechnung: Während der Umschulung erhält der Mitarbeiter eine Ausfallentschädigung nach dem durchschnittlichen Stundenverdienst der letzten 13 Wochen bzw. dem durchschnittlichen Monatsentgelt der letzten 3 Monate. Sollte die Umschulung von dritter Stelle durchgeführt werden und hierbei eine Verdienstminderung eintreten, so übernimmt Y-GmbH den Unterschiedsbetrag. Bei der Ermittlung des Durchschnittsverdienstes darf es zu keiner Benachteiligung der Mitarbeiter, die Entgelt Ersatzleistungen (z.B. bei Kurzarbeit, Krankheit etc.) erhalten, kommen. Unberührt davon bleibt bei entsprechender Eignung die Übernahme einer höherwertigen Tätigkeit im Rahmen der beruflichen Weiterbildung.

    Kann ein gleichwertiger Arbeitsplatz oder die Umschulung auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz nicht angeboten werden, so darf die neue Aufgabe maximal eine (...)-Entgeltgruppe unter der bisherigen liegen. In diesem Fall greift für alle betroffenen Mitarbeiter die Gesamtbetriebsvereinbarung Grundentgeltsicherung nach dem (...)-Tarifvertrag der Y-GmbH. Bereits am Standort bestehende, für die Mitarbeiter günstigere Regelungen bleiben unberührt. (...) Y-GmbH trifft auf Wunsch des Mitarbeiters mit der AB-Holding-GmbH oder einer Rechtsnachfolgerin gem. § 4 BetrAVG eine Regelung zur Übertragung von Versorgungsanwartschaften in den Y-Vorsorgeplan in seiner dann geltenden Fassung (Portabilität).

    8. Abfindungsregularien

    Unmittelbar nach Ankündigung der AB-Holding-GmbH, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, vereinbaren die Y-GmbH sowie der Betriebsrat auf Anforderung einer Seite Abfindungsregularien, die standortbezogene Besonderheiten berücksichtigen. (...)

    16. Betriebliche Altersversorgung

    AB-Holding-GmbH sowie ihre Rechtsnachfolgerinnen stehen auch nach einer Bestandsübertragung auf einen anderen Pensionsfonds (...) für die Mindesthöhe einer vom Pensionsfonds zu erbringenden lebenslangen Zahlung ein."

    Wegen der weiteren Regelungen wird auf die F-Vereinbarung Bezug genommen.

    Mit Schreiben der AB-GmbH vom tt.mm.2017 erhielten der Kläger und die anderen Beschäftigten eine "Mitteilung über den geplanten Betriebsübergang" von der AB-GmbH auf die AB-Holding-GmbH.

    Unternehmerischer Grund des Betriebsübergangs sei die geplante Veräußerung des weltweiten AB-Geschäfts der Y-Gruppe an D und E. Die Veräußerung solle in mehreren Schritten vollzogen werden: Das in der AB-GmbH gebündelte AB-Geschäft in Deutschland werde im Wege der Einzelrechtsübertragung von der AB-GmbH auf die AB-Holding-GmbH übertragen. Darüber hinaus würden der AB-GmbH die Anteile der Gesellschaften im Ausland übertragen, in denen das AB-Geschäft außerhalb von Deutschland gebündelt sei. Anschließend sei beabsichtigt, alle Anteile der AB-GmbH an die H-KG zu veräußern. Hierbei handele es sich um ein zum Zwecke des Erwerbs des AB-Geschäfts der Y-Gruppe gegründetes Unternehmen, dessen Anteile indirekt, d.h. über Zwischengesellschaften, von den Käufern gehalten würden.

    Der Betriebsübergang auf die AB-Holding-GmbH sei zum Stichtag 01.10.2017 geplant.

    Unter Ziffer IV. (Rechtsfolgen des Betriebsübergangs) 1. d der Mitteilung wird u.a. auf die Grundsatzvereinbarung vom tt.mm.2016 und die (...) F-Vereinbarung verwiesen. Abschnitt C der Grundsatzvereinbarung regele, dass die Y-GmbH Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse auf die AB-Holding-GmbH übergingen, für den Fall von betriebsbedingten Kündigungen nach Veräußerung durch die AB-GmbH oder einen ihrer Rechtsnachfolger ein unbefristetes Rückkehrrecht zusage (Ziffer IV. 1. e). Die F-Vereinbarung enthalte u.a. Regelungen zur Ausgestaltung des in der Grundsatzvereinbarung zugesagten unbefristeten Rückkehrrechts (Ziffer IV. 1. f).

    Am tt.mm.2017 beschloss die Gesellschafterversammlung der AB-Holding-GmbH, die Firma in T-GmbH zu ändern. (...) Der Übergang der Gesellschaftsanteile an der T-GmbH auf die H-KG erfolgte im Rahmen eines Share Deals. (...)

    Nach seinem eigenen Vorbringen war der Kläger bei der T-GmbH nicht in seinem kaufmännischen Ausbildungsberuf (...), sondern in der Produktion, und zwar im Bereich "FG" tätig gewesen.

    Infolge der den Geschäftsbereich AB betreffenden Betriebsübergänge von der Y-GmbH auf die AB-GmbH zum 01.08.2016 und von der AB-GmbH auf die T-GmbH zum 01.10.2017 wurden die Lohnsteuerdaten des Klägers dem FA für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 30.09.2017 von der AB-GmbH und für den Zeitraum vom 01.10. bis zum 31.12.2017 von der T-GmbH übermittelt.

    Aufgrund eines in der Coronakrise eingetretenen Umsatzeinbruchs beschloss die Geschäftsführung der T-GmbH im Jahr 2020, die Produktion am Standort N (...) bis Ende 2021 aufzugeben. Nach einem Bericht (...) verständigten sich Betriebsleitung und Arbeitnehmervertretungen jedoch darauf, dass einige Arbeitsplätze der T-GmbH am Standort N erhalten blieben. Die T-GmbH und der Gesamtbetriebsrat des Unternehmens vereinbarten (...) einen "Sozialplan zur Teilschließung und zum Fortführungskonzept Betrieb N der T-GmbH". (...)

    Im Sozialplan waren auch Leistungen der T-GmbH für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt. Hiernach erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis betriebsbedingt beendet wird, eine Abfindung. Hiervon ausgenommen sind solche Beschäftigte, die im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Unternehmen des T-Konzerns eintreten. Die Abfindung setzte sich aus der Grundabfindung, für welche die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Bruttomonatsgehalt maßgeblich waren, und etwaigen Zusatzkomponenten (z.B. Kinderzulage, Schwerbehindertenzulage, Arbeitsmarktzulage) zusammen. Der Höchstbetrag der Summe aus Grundabfindung und Arbeitsmarktzulage war auf (...) € gedeckelt.

    Einzelheiten zur Arbeitsmarktzulage sind unter § 3 Ziff. 1 Buchst. d geregelt:

    "Für Arbeitnehmer, denen keine unbefristete Rückkehrmöglichkeit zur Y-GmbH nach Maßgabe von Abschnitt B. Ziffern 5, 7 der F-Vereinbarung (...) bzw. nach Wahl des Arbeitnehmers alternativ eine Abfindungszahlung durch die Y-GmbH nach Maßgabe von Abschnitt B. Ziffer 6, 8 der F-Vereinbarung garantiert ist (im Folgenden: "Arbeitnehmer ohne Rückkehrrecht"), erhöht sich die Abfindung um einen pauschalen Betrag in Höhe von (...) € brutto.

    Arbeitnehmer ohne Rückkehrrecht sind Arbeitnehmer i.S.d. § 3 Ziffer 1. a, die am Stichtag S nicht bei der Y-GmbH oder einem Unternehmen des Y-Konzerns beschäftigt waren. Im Zweifelsfall ist Basis für die Prüfung dieser Negativvoraussetzung der von der Y-GmbH systemseitig an den Arbeitgeber übermittelte Eintrittsstichtag des Arbeitnehmers.

    Die Arbeitsmarktzulage dient dem Ausgleich der potenziell vergleichsweise höheren wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer ohne Rückkehrrecht. Die Arbeitnehmer ohne Rückkehrrecht sind verglichen mit den Arbeitnehmern mit Rückkehrrecht aufgrund des stark angespannten Arbeitsmarktes (...) in erhöhtem Maße von Arbeitslosigkeit bedroht.

    Die Arbeitsmarktzulage ist zurückzuzahlen, wenn die Y-GmbH abweichend von Absatz 2 ein Rückkehr- bzw. Abfindungsrecht nach Maßgabe von Abschnitt B. Ziffern 5 bis 8 der F-Vereinbarung (...) anerkennt."

    Anfang 2021 erklärte die T-GmbH gegenüber dem Kläger schriftlich unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2021. (...) Mit Schreiben vom tt.mm.2021 teilte die T-GmbH dem Kläger mit, dass sich die aus dem (...) Sozialplan für ihn ergebende Abfindung nach einer Neuberechnung auf 86.329,71 € (brutto) belaufe.

    An den Kläger und seine ebenfalls von der betriebsbedingten Kündigung betroffenen Kolleginnen und Kollegen hatte die Y-GmbH zwei standardisierte Informationsschreiben (...) adressiert.

    Im ersten Schreiben wies die Y-GmbH darauf hin, über die von der T-GmbH ausgesprochenen Kündigungen informiert worden zu sein. Es gehe um die Aufklärung über die nächsten Schritte für "Sie als berechtigte ehemalige Y-Mitarbeiter". Aufgrund der Kündigungserklärung stünden auch dem Kläger grundsätzlich die Rechte aus der F-Vereinbarung zu. Voraussetzung dafür sei, dass der Kläger bereits am Stichtag S bei der Y-GmbH oder einem Unternehmen des Y-Konzerns beschäftigt gewesen sei.

    Im zweiten Schreiben wurde über die Einrichtung einer Internetseite informiert. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden aufgefordert, die dort vorgesehenen Felder zur Geltendmachung der Rechte aus der F-Vereinbarung auszufüllen. Unter Ziffer 6. des Schreibens ging es um die Entscheidung für eine Rückkehr oder eine Abfindung (...).

    Die Y-GmbH schloss mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, welche sich für eine Beschäftigung im Y-Werk N entschieden, im Regelfall keine neuen Arbeitsverträge ab. Es ist dem Gericht aus anderen Klageverfahren aus dem Komplex "Tarifbegünstigte Besteuerung der Abfindungszahlungen der T-GmbH" bekannt, dass diese Beschäftigten ein (...) Schreiben der Y-GmbH vom 31.08.2021 erhielten. Dieses enthielt unter Bezugnahme auf Abschnitt B Ziffer 7 der F-Vereinbarung den Hinweis, dass bei Ausübung des Rückkehrrechts das Arbeitsverhältnis mit der Y-GmbH als ununterbrochen fortgesetzt gilt.

    Der Kläger gehörte zu den Beschäftigten, die die angebotene Abfindung der Y-GmbH wählten. Die Y-GmbH als Arbeitgeberin und der Kläger als Arbeitnehmer schlossen am tt.mm.2021 schriftlich einen "Arbeitsvertrag und Aufhebungsvertrag". Diese Verträge enthielten u.a. folgende Vereinbarungen:

    "1. Begründung des Arbeitsverhältnisses

    In Umsetzung des Rückkehrrechts des Arbeitnehmers aus der F-Vereinbarung wird zwischen der Y-GmbH im Werk N und dem Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis begründet. (...)

    4. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

    Das zwischen der Y-GmbH und dem Arbeitnehmer (...) begründete Arbeitsverhältnis wird durch die vorliegende Vereinbarung einvernehmlich mit Wirkung zu Beginn des Tages aufgehoben, der auf das T-Enddatum folgt (01.09.2021); das Arbeitsverhältnis mit der Y-GmbH besteht dementsprechend nur für eine juristische Sekunde.

    Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt aufgrund des Abfindungsangebotes gemäß der (...)

    5. Abfindung

    Der Arbeitnehmer erhält als Ausgleich für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 168.861,67 EUR (mit Sperrzeit) brutto.

    Der Abfindungsbetrag wird mit der Abrechnung im September 2022 überwiesen (...)"

    Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die im Jahr 2022 von der Y-GmbH ausgezahlte Abfindung ermäßigt zu besteuern ist. (...)

    Für das Jahr 2020 hatte das FA gegenüber dem Kläger die Einkommensteuer auf (...) € festgesetzt. Der Festsetzung liegt eine Summe der Einkünfte in Höhe von (...) € zugrunde, hierunter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 41.509,00 € (Bruttoarbeitslohn: 42.509,00 €; Werbungskosten: 1.000,00 €) (...).

    Nach den dem FA für das Streitjahr übermittelten Lohndaten bezog der Kläger von der T-GmbH Arbeitslohn im Zeitraum vom 01.01. bis 31.08.2021 in Höhe von 32.791,47 € und im Zeitraum vom 01.09. bis 30.09.2021 in Höhe von 2,81 € (Ziffer 3. der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung). Überdies wurden dem FA ein ermäßigt besteuerter Arbeitslohn für mehrere Kalenderjahre und ermäßigt besteuerte Entschädigungen (Ziffer 10.) in Höhe von 86.002,76 € mitgeteilt.

    Die Einkommensteuererklärung 2021 reichte der Kläger (...) beim FA ein. Auf der Anlage N wurden ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von insgesamt 32.793,00 € und ermäßigt besteuerte Entschädigungen / Arbeitslohn für mehrere Jahre lt. Nr. 10 der Lohnsteuerbescheinigung in Höhe von 86.002,00 € erklärt. (...)

    Mit Bescheid vom 09.09.2022 setzte das FA gegenüber dem Kläger die Einkommensteuer 2021 auf (...) € fest. Der Festsetzung liegt eine Summe der Einkünfte von (...) € (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: 117.795,00 € [= 118.795,00 € ./. 1.000,00 €]; ...) zugrunde. Auf das ermittelte zu versteuernde Einkommen (...) wandte das FA den sog. Grundtarif an.

    Im Erläuterungsteil führte das FA u.a. aus, bei der von der T-GmbH gezahlten Abfindung handele es sich nicht um eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a oder b EStG. Denn der Kläger sei für eine juristische Sekunde zur Y-GmbH zurückgekehrt, und es sei kein Einnahmeverlust eingetreten.

    Hiergegen legte der Kläger (...) Einspruch ein. Der Kläger begehrte, die im Streitjahr von der T-GmbH gezahlte Abfindung in Höhe von 86.002,76 € nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 EStG ermäßigt zu besteuern. Das FA teilte hierauf mit, der Kläger habe nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die T-GmbH ein Rückkehrrecht zur Y-GmbH gehabt. In Ausübung dieses Rechts habe die Y-GmbH dem Kläger im Jahr 2022 eine weitere Abfindung gezahlt. Die von der T-GmbH gezahlte Abfindung stelle mithin keine Entschädigung i.S. der genannten Vorschriften dar.

    Nachdem die Prozessbevollmächtigte die Vertretung des Klägers angezeigt hatte, bat sie mit Schreiben vom 15.04.2023 um Erteilung einer Einspruchsentscheidung. Auch wenn es bei den Einkommensteuerveranlagungen einer Vielzahl anderer ehemaliger Beschäftigter der T-GmbH um die Frage gehe, ob die von der T-GmbH gezahlten Abfindungen ermäßigt zu besteuern seien, und bereits Klagen zum Niedersächsischen Finanzgericht (FG) vorbereitet würden, stimme der Kläger einem Ruhen des Einspruchsverfahrens (§ 363 der Abgabenordnung - AO -) nicht zu. Nach Aktenlage hat sich das FA hierzu nicht geäußert.

    Der Kläger hat am 23.05.2023 Untätigkeitsklage erhoben. (...)

    Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger - in der Sache zum Teil unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Einspruchsverfahren - im Wesentlichen geltend:

    Die Klage sei als Untätigkeitsklage nach § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig. Das FA habe keine Gründe für die verzögerte Bearbeitung des Einspruchs mitgeteilt. Die Einsprüche anderer ehemaliger Beschäftigter der T-GmbH habe das FA inzwischen zurückgewiesen. Dadurch mache das FA klar, dass Entscheidungsreife vorliege. Für zwei ehemalige Kollegen des Klägers habe die Prozessbevollmächtigte bereits Klage erhoben. Da sich die Sachverhalte in Details voneinander unterschieden, sei ein Abwarten der Entscheidungen in den unter den Geschäftszeichen 2 K 52/23 und 2 K 55/23 geführten Verfahren nicht prozessökonomisch.

    Im Übrigen lehne es das FA zu Unrecht ab, die von der T-GmbH gezahlte Abfindung ermäßigt zu besteuern. Das Arbeitsverhältnis des Klägers habe zunächst mit der AB-GmbH und aufgrund des im Jahre 2017 erfolgten Betriebsübergangs mit der T-GmbH bestanden. Der Kläger habe wegen dieses Betriebsübergangs mit der T-GmbH selbst keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Aufgrund der Anfang 2021 erklärten betriebsbedingten Kündigung habe der Kläger seinen Arbeitsplatz bei der T-GmbH und die künftigen, auf diesem Arbeitsplatz gründenden Einnahmen verloren

    Die Anwendung des ermäßigten Steuertarifs werde vom FA mit der Begründung abgelehnt, es fehle aufgrund des Rückkehrrechts zur Y-GmbH und der in Ausübung dieses Rechts in Anspruch genommenen Abfindung am Eintritt eines Schadens. Diesem Argument könne indessen deshalb nicht gefolgt werden, weil es sich um ein Recht auf Rückkehr zur Y-GmbH, nicht aber auf Weiterbeschäftigung im T-Konzern handele. Hätte durch eine Anschlussbeschäftigung des Klägers im T-Konzern ein Einnahmeverlust des Klägers abgewendet werden können, hätte die T-GmbH keine Abfindung gezahlt. Bei der Beurteilung der Frage, ob im Falle einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung als "Entschädigung ... als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) gezahlt werde, komme es allein auf das beendete Arbeitsverhältnis, nicht aber auf ein neues Arbeitsverhältnis mit einer anderen Arbeitgeberin oder einem anderen Arbeitgeber an. Die Y-GmbH, mit welcher der Kläger ein Rückkehrrecht vereinbart habe, stelle eine andere Arbeitgeberin in diesem Sinne dar.

    Der Kläger habe nicht die Absicht gehabt, mit 58 Jahren seine Tätigkeit zu verlieren und beschäftigungslos zu werden. Faktisch habe ihm der Y-Konzern in Bezug auf Arbeitsbereich und Entlohnung keine adäquate Weiterbeschäftigung angeboten. Der Y-Konzern habe deutlich kommuniziert, dass für die sog. Rückkehrerinnen und Rückkehrer keine Arbeit vorhanden sei und diese eine Abfindung zur Überbrückung des Zeitraums vom Wiedereintritt bis zur Rente wählen sollten. Aus diesem Grunde sei die Höhe der Abfindung vom Y-Konzern "besonders großzügig ausgestaltet" worden.

    Der Arbeitsalltag für diejenigen Betroffenen wie den Kläger hätte so ausgesehen, dass sie sich den ganzen Arbeitstag über in einem Aufenthaltsraum befunden hätten. Nur wenn in einer der Abteilungen kurzfristig Hilfstätigkeiten angefallen wären, wären einzelne Beschäftigte hierzu für kurze Zeit aus der faktischen Nichtbeschäftigung herausgerufen worden. (...)

    Vor diesem Hintergrund könne (...) keinesfalls davon die Rede sein, dass die betriebsbedingte Kündigung für den Kläger und andere betroffene Kolleginnen und Kollegen wegen des zuvor mit der Y-GmbH vereinbarten Rückkehrrechts glimpflich ausgegangen sei. (...)

    Bei der Y-GmbH und der T-GmbH handele es sich um selbständige Gesellschaften, welche nicht derselben Konzerngruppe angehörten. An der (...) F-Vereinbarung sei die T-GmbH als Vertragspartei nicht beteiligt gewesen. Die T-GmbH habe mit dieser Vereinbarung "tatsächlich und rechtlich nichts zu tun". Umgekehrt sei weder die Y-GmbH noch eine andere zum Y-Konzern gehörende Gesellschaft an dem (...) "Sozialplan zur Teilschließung und zum Fortführungskonzept Betrieb N der T-GmbH" beteiligt gewesen. Ebenso wenig gebe es eine im Jahr 2021 vom Y-Konzern und der T-GmbH getroffene gemeinsame Vereinbarung über die Überleitung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder über das Rückkehrrecht zum Y-Konzern.

    Ein Betriebsübergang von der T-GmbH auf die Y-GmbH habe im Jahre 2021 nicht stattgefunden. Die T-GmbH habe mit der "Wiederbeschäftigung" einiger der von den betriebsbedingten Kündigungen betroffener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Y-GmbH "rechtlich und tatsächlich nichts zu tun." Für die Anwendung der §§ 24, 34 EStG sei es ohne Belang, dass die oder der Steuerpflichtige nach betriebsbedingter Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu einer früheren Arbeitgeberin der einem früheren Arbeitgeber zurückkehren könne. Hierauf komme es erst recht nicht an, wenn es sich bei den beiden Arbeitgeberinnen oder Arbeitgebern nicht um verbundene oder rechtlich verflochtene Unternehmen handele.

    Würde die ermäßigte Besteuerung nicht für Fälle gelten, in denen die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung erhalte und anschließend mit einer anderen Arbeitgeberin oder einem anderen Arbeitgeber ein neues Beschäftigungsverhältnis eingehe, fände § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG auf Abfindungen kaum noch Anwendung. Dies sei jedoch der vom Gesetzgeber gewollte Hauptanwendungsfall der Vorschrift.

    Die T-GmbH habe die Abfindung nicht in Erfüllung ihrer auf dem Arbeitsverhältnis beruhenden Pflichten geleistet, sondern auf Grundlage des Sozialplans.

    Letztlich stehe weder die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 34 EStG noch die Verwaltungsauffassung (R 24.1 der Einkommensteuer-Richtlinien; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 01.11.2013 - IV C 4-S 2290/13/10002, BStBl I 2013, 1326, Rz 3) der sog. Fünftelregelung entgegen. Dies gelte auch für das BFH-Urteil vom 13.12.2005 - XI R 8/05 (BFH/NV 2006, 1071), auf welches der Berichterstatter im Richterbrief vom 28.12.2023 hinweise. Hiernach sei zwar unter bestimmten Voraussetzungen eine beim Rückwechsel einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers gezahlte Abfindung nicht nach §§ 24, 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt. Zu den Voraussetzungen für die Nichtanwendung der Fünftelregelung gehöre jedoch, dass beide betroffenen Arbeitgeberinnen oder Arbeitgeber sowohl unternehmensrechtlich als auch steuerrechtlich miteinander verflochten seien. Dieses Merkmal erfüllten die Y-GmbH und die T-GmbH zum Zeitpunkt der Beendigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses (31.08.2021) nicht.

    Auch aufgrund des im Steuerrecht geltenden Gleichbehandlungsgebots sei die dem Kläger gezahlte Abfindung ermäßigt zu besteuern. Während das FA gegenüber einigen Beschäftigten der T-GmbH, welche im Jahr 2022 frühzeitig die Einkommensteuererklärung 2021 abgegeben hätten, die jeweilige von der T-GmbH gezahlte Abfindung ermäßigt besteuert habe, wende das FA im Falle des Klägers und anderer Kolleginnen und Kollegen auf die Abfindung zu Unrecht den Grundtarif oder den Splittingtarif an. Andere Finanzämter als das FA wendeten unterdessen nach wie vor § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 EStG auf die von der T-GmbH im Streitjahr aufgrund des Sozialplans gezahlten Abfindungen an.

    Der Kläger beantragt,

    unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides vom 2021 vom 09.09.2022 auf Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 86.329,71 € die Tarifvorschriften der §§ 24 Nr. 1 Buchst. a, 34 Abs. 1 EStG anzuwenden und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das FA hält die Klage als Untätigkeitsklage zwar für zulässig, jedoch für unbegründet. Im Streitfall komme die Anwendung des ermäßigten Steuertarifs mangels Einnahme- oder Arbeitsplatzverlustes nicht in Betracht.

    Indem der Kläger das ihm zustehende Rückkehrrecht zur Y-GmbH wahrgenommen und sich in Ausübung dieses Rechts für eine im Jahr 2022 gezahlte Abfindung entschieden habe, seien ihm keine Einnahmen entgangen. Daher stelle die von der T-GmbH geleistete Abfindung keine Entschädigungszahlung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG dar. Hiervon könne nur bei einem Ersatz für entgangene oder entgehende, also ursprünglich erwarteter, nun aber tatsächlich nicht erzielter Einnahmen die Rede sein. Aus den Regelungen der F-Vereinbarung ergebe sich indessen ein Recht auf Rückkehr zur Y-GmbH bei unveränderten Bedingungen.

    Für die Frage, ob ein Einnahmeverlust eingetreten sei, sei entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung nicht allein auf das Arbeitsverhältnis mit der T-GmbH, sondern auf alle Vereinbarungen und Umstände des Streitfalles abzustellen. Hierzu gehöre die Rückkehrzusage der Y-GmbH, durch welche für den Kläger ein Anspruch auf (Wieder-) Begründung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses entstanden sei. Damit seien der Bestand des bisherigen Arbeitsverhältnisses und die unveränderte Fortführung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen über den Arbeitsbereich und die Entlohnung unter Wahrung des sozialen Besitzstandes gewährleistet. Eine Auflösung und endgültige Beendigung des Dienstverhältnisses sei nach den im BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1071 [BFH 13.12.2005 - XI R 8/05] aufgestellten Maßstäben nicht gegeben.

    Zwar liege dieser Entscheidung ein Sachverhalt zugrunde, in dem mit einem neuen Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei und beide Arbeitgeber unternehmensrechtlich und steuerrechtlich miteinander verflochten seien. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung könne im Streitfall jedoch nichts Anderes gelten. Maßgeblich seien die im Einzelfall getroffenen Vereinbarungen und nicht die Unternehmensstruktur. Auch wenn die Y-GmbH und die T-GmbH nicht (mehr) demselben Konzern angehörten, bestehe zwischen beiden Unternehmen eine gewisse Nähe (so auch BFH-Beschluss vom 30.01.2008 - IX B 245/07, BFH/NV 2008, 944 zur bewährten Geschäftsbeziehung zwischen alter und neuer Arbeitgeberin). Die T-GmbH sei aus der AB-Holding-GmbH und damit aus einer Tochter der Y-Gruppe hervorgegangen. Die Verflechtung zeige sich auch in den im Sozialplan (...) getroffenen Vereinbarungen. Denn an mehreren Stellen werde hierin die Y-GmbH erwähnt, etwa im Zusammenhang mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit als ein Teil der Bemessungsgrundlage für die Höhe der Abfindung (..). Die Höhe der Arbeitsmarktzulage (...) werde von einer Rückkehrmöglichkeit zur Y-GmbH abhängig gemacht.

    Demzufolge sei die an den Kläger gezahlte Abfindung nicht als Ersatz für eine vertraglich zustehende Leistung erbracht worden, sondern sie stelle vielmehr die Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses bzw. eine Zahlung im Rahmen eines fortlaufenden Einkünfteerzielungstatbestandes dar, und es handele sich bei der Abfindung mithin nicht um eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 EStG.

    In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger u.a. erklärt, er sei kein Facharbeiter und habe sich deshalb in der Produktion hocharbeiten müssen. Zu über 20 % habe sein Arbeitslohn bei der T-GmbH aus Akkordzuschlägen bestanden. Er habe im Falle einer Weiterbeschäftigung bei der Y-GmbH die Sorge gehabt, in eine niedrigere Entgeltgruppe eingestuft zu werden und die Akkordzuschläge zu verlieren. Außerdem habe er eine Verwendung an einem anderen Standort (...) befürchtet. Einen solchen Y-Standort habe er nicht ohne Weiteres erreichen können (...)

    Zur Begründung des Vorbringens, das FA oder andere Finanzämter hätten die an andere ehemalige Beschäftigte der T-GmbH im Jahr 2021 ausgezahlten Abfindungen ermäßigt besteuert und daher dürfe das FA dem Kläger die Anwendung der Fünftelregelung unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht versagen, hat der Prozessbevollmächtigte ausdrücklich auf die Kommentierung von Seer in Tipke/Kruse, § 85 AO, Rz 10 ff., hingewiesen. (...)

    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in dessen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Recht hat das FA die von der T-GmbH an den Kläger im Streitjahr gezahlte Abfindung in Höhe von 86.002,76 € nicht ermäßigt besteuert.

    I. Die Klage ist als Untätigkeitsklage zulässig.

    1. Eine Klage ist abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (Untätigkeitsklage), wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klage kann jedoch nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Nach Satz 3 der Vorschrift kann das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten, verlängerbaren Frist aussetzen.

    Ursachen im Bereich der Behördenorganisation, wie Arbeitsüberlastung durch Personalmangel, Urlaub oder Krankheitsfälle sind grundsätzlich kein zureichender Grund für die Überschreitung einer angemessenen Frist. Das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO kann jedoch ein zureichender Grund sein (vgl. BFH-Urteil vom 27.04.2006 - IV R 18/04, BFH/NV 2006, 2017, m.w.N.).

    Wie sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 FGO entnehmen lässt, ist eine Frist von bis zu sechs Monaten nach Einlegung des Einspruchs regelmäßig als angemessen anzusehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30.10.1987 - IV B 148/86, BFH/NV 1989, 558; vom 07.03.2006 - VI B 78/04, BFHE 211, 433, BFH/NV 2006, 1018; BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2017, m.w.N.). Das Tatbestandsmerkmal "in angemessener Frist" ist jedoch auch nach Ablauf von sechs Monaten zu prüfen. Dabei ist nach den gesamten Umständen des Falles zu beurteilen, ob eine darüber hinausreichende Frist noch "angemessen" ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1018; BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2017). Abzuwägen sind auf der einen Seite der Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und auf der anderen Seite das Interesse der Rechtsbehelfsführerin oder des Rechtsbehelfsführers an einer baldigen Entscheidung (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1018; BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2017 [BFH 27.04.2006 - IV R 18/04]; Teller in Gräber, FGO, 9. Aufl., § 46 Rz 8, m.w.N.).

    Nach der Rechtsprechung des BFH, welcher das Gericht folgt, kann jedoch eine vor Abschluss des Vorverfahrens erhobene Klage nur dann nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO zulässig sein, wenn spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG die Untätigkeit der Finanzbehörde gerügt wird (vgl. BFH-Urteile vom 17.05.1985 - III R 213/82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521; vom 10.01.2013 - V R 47/11, BFH/NV 2013, 1101, unter II. 2. b; Teller in Gräber, FGO, 9. Aufl., § 46 Rz 2).

    2. Nach diesen Maßstäben ist die Klage zulässig, ohne dass das Verfahren über den am 16.09.2022 eingelegten Einspruch zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 23.05.2023 bereits abgeschlossen war.

    Die sechsmonatige Regel- bzw. Sperrfrist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO) war bei Klageerhebung bereits abgelaufen. Das FA hatte sich seit dem Hinweisschreiben vom 30.11.2022 im außergerichtlichen Vorverfahren nicht mehr geäußert, auch nicht auf die mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 15.04.2023 geäußerte Bitte, zeitnah über den Rechtsbehelf durch eine rechtsmittelfähige Einspruchsentscheidung zu entscheiden. Insbesondere hat das FA dem Kläger keine Umstände mitgeteilt, die eine über sechs Monate hinausgehende Bearbeitung des Einspruchs rechtfertigen. Die Untätigkeit des FA ist etwa in der Klageschrift hinreichend gerügt worden.

    In Übereinstimmung mit der von beiden Beteiligten vertretenen Rechtsauffassung ist die Untätigkeitsklage deshalb zulässig.

    II. In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg.

    Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG gehören nach § 24 Nr. 1 EStG auch Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (Buchst. a) oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche (Buchst. b) sowie Entschädigungen als Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB).

    1. Eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist eine Leistung, die "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährt wird, d.h. an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen tritt.

    a) Sie muss unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt sowie dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen und auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 10.07.2008 - IX R 84/07, BFH/NV 2009, 130, unter II. 2.; vom 25.08.2009 - IX R 3/09, BFHE 226, 261, BStBl II 2010, 1030, unter II. 1. a; vom 10.09.2003 - XI R 9/02, BFHE 204, 65, BStBl II 2004, 349; vom 13.08.2018 - IX R 16/17, BFHE 261, 258, BStBl II 2018, 709, Rz 9; vom 06.12.2021 - IX R 10/21, BFHE 279, BFH/NV 2023, 878, Rz 17). Eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i.V.m. § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG setzt ferner voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, soweit er vom Steuerpflichtigen selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dass dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand; der Steuerpflichtige darf das schadenstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben (z.B. BFH-Urteile vom 27.07.2004 - IX R 64/01, BFH/NV 2005, 191, unter II. 2. a; in BFH-Urteil in BFHE 261, 258, BStBl II 2018, 709 [BFH 13.03.2018 - IX R 16/17], Rz 9).

    b) Aus dem Zusammenhang der Tatbestände in § 24 Nr. 1 Buchst. a bis c EStG sowie aus einem Vergleich der in § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG aufgeführten Tatbestände verlangt die Bejahung einer Entschädigung, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis beendet wird (vgl. BFH-Urteile vom 12.04.2000 - XI R 1/99, BFH/NV 2000, 1195, unter 2; in BFH/NV 2006, 1071 [BFH 13.12.2005 - XI R 8/05], unter II. 2.). Der Zweck der Regelung ist darauf gerichtet, die aus Anlass der Beendigung eines Einkunftserzielungstatbestandes zusammengeballt zugeflossenen Leistungen ermäßigt zu besteuern. Zahlungen, die im Rahmen eines fortlaufenden Einkunftserzielungstatbestandes geleistet werden, mögen sie auch Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen sein, sind nicht begünstigt (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1195, unter 2.).

    In Anwendung dieser Grundsätze hat der XI. Senat des BFH entschieden, dass der Wechsel des Arbeitgebers im Rahmen des Betriebsübergangs bei geänderten Konditionen lediglich zu einer (modifizierten) Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses führt. Da das den Zahlungen zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht beendet worden ist, kommt eine tarifbegünstigte Besteuerung (§§ 24, 34 Abs. 1 EStG) von Ausgleichszahlungen des alten Arbeitgebers zum Ausgleich von Nachteilen, welche auf einem neuen Arbeitsvertrag mit dem neuen Arbeitgeber beruhten, nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1195 [BFH 12.04.2000 - XI R 1/99]). Außerdem ist nach derselben Entscheidung ein Arbeitsplatzverlust, der eine Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung rechtfertigt, dann nicht gegeben, wenn das bestehende Dienstverhältnis zwar mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird.

    Nach dem BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1071 [BFH 13.12.2005 - XI R 8/05] ist ein die Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG a.F. rechtfertigender Arbeitsplatzverlust ebenfalls nicht gegeben, wenn eine Steuerpflichtige oder ein Steuerpflichtiger zwar formal zweimal die Arbeitgeber gewechselt hat, die beteiligten - sowohl unternehmensrechtlich als auch steuerrechtlich miteinander verflochtenen - Unternehmen jedoch beide Wechsel im gegenseitigen Einvernehmen so ausgestaltet haben, dass das bestehende Arbeitsverhältnis mit dem einen Arbeitgeber jeweils im Wesentlichen unverändert mit dem anderen Arbeitgeber fortgesetzt werden konnte (durchgehender Vergütungstarif, Anrechnung der Dienstzeiten, Entfallen einer Probezeit). Die durch § 3 Nr. 9 EStG a.F. aus sozialpolitischen Gründen gewährte Steuerbefreiung ist nur im Falle der endgültigen Beendigung des Dienstverhältnisses gerechtfertigt. Fehlt es hieran, ist eine vom zweiten Arbeitgeber vor der Rückkehr zum ersten Arbeitgeber gezahlte Abfindung auch nicht nach §§ 24, 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt.

    Auch nach dem BFH-Beschluss vom 10.10.2006 - XI B 118/05 (BFH/NV 2007, 415) verlangt die Bejahung des Tatbestandsmerkmals "Entschädigung" i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis beendet wird. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn das bestehende Dienstverhältnis lediglich formal mit einer neuen Arbeitgeberin oder einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird. Dass die formale Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einer neuen Arbeitgeberin oder einem neuen Arbeitgeber nur innerhalb eines Konzernverbundes möglich ist, ist dieser Entscheidung des BFH nicht zu entnehmen.

    Nach dem BFH-Beschluss vom 22.06.2001 - XI B 27/01 (BFH/NV 2001, 1551, m.w.N.) wird ein bestehendes Dienstverhältnis nicht fortgesetzt, wenn die oder der Beschäftigte nach der Beendigung mit demselben Arbeitgeber ein neues Dienstverhältnis zu anderen Bedingungen begründet. Ob ein neues Dienstverhältnis begründet oder das alte - wirtschaftlich betrachtet - lediglich fortgesetzt wird, ist nach Auffassung des BFH davon abhängig, ob das neue Dienstverhältnis als Fortsetzung des bisherigen Dienstverhältnisses zu beurteilen ist. Entscheidend dafür ist, ob die Beteiligten nach den Umständen des einzelnen Falles die Umsetzung als Fortsetzung eines einheitlichen Dienstverhältnisses ausgestaltet haben.

    Im BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 944 hat der XI. Senat entschieden, dass es für das Merkmal "Auflösung des Dienstverhältnisses" i.S. des 3 Nr. 9 EStG a.F. entscheidend auf dessen endgültige Beendigung ankommt. Hieran fehlt es, wenn das bestehende Arbeitsverhältnis - bei Vorliegen der im BFH-Beschluss in BFHE 2006, 1071 genannten Voraussetzungen - von einem neuen Arbeitgeber fortgeführt wird, mit dem der alte Arbeitgeber zwar nicht gesellschafts- oder konzernrechtlich verbunden ist, aber seit Längerem in einer bewährten Geschäftsbeziehung steht.

    c) Eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehört zu den tarifbegünstigten außerordentlichen Einkünften i.S. von § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG, wenn sie in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen ist und wenn durch die Zusammenballung von Einkünften eine erhöhte steuerliche Belastung entsteht. Eine Zusammenballung von Einkünften ist nur gegeben, wenn der Steuerpflichtige unter Einschluss der Entschädigung infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge, erhalten hätte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 261, 258, BStBl II 2018, 709 [BFH 13.03.2018 - IX R 16/17], Rz 10, m.w.N.).

    2. Nach diesen Grundsätzen ist die von der T-GmbH an den Kläger im Streitjahr gezahlte Abfindung in Höhe von 86.002,76 € nicht nach § 24 Nr. 1 i.V.m. § 34 EStG ermäßigt zu besteuern. Dem Kläger ist zwar darin zuzustimmen, dass die T-GmbH die Abfindung nicht in Erfüllung des Arbeitsvertrages, sondern auf einer anderen Rechtsgrundlage gezahlt hat (unten a). Der im Arbeitsverhältnis mit der T-GmbH angelegte Einkünfteerzielungstatbestand ist jedoch durch die betriebsbedingte Kündigung nicht beendet worden, und das bestehende Dienstverhältnis ist hierdurch lediglich formal, aber nicht wirtschaftlich beendet worden. Auch wenn sich der Kläger in Ausübung seines Rechts auf Rückkehr zur Y-GmbH nicht für eine Weiterbeschäftigung bei laufendem Arbeitslohn, sondern für die Abfindung entschieden hat, stellt die von der T-GmbH geleistete Abfindungszahlung keine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen dar (unten b). Schließlich sprechen die sonstigen Umstände des Streitfalles ebenfalls gegen eine Anwendung des ermäßigten Steuertarifs (unten c).

    a) Die Zahlung der Abfindung beruht nicht auf dem Arbeitsvertrag zwischen der T-GmbH und dem Kläger. Rechtsgrundlage für die Zahlung der 86.002,76 € ist vielmehr der (...) Sozialplan. Hiernach stand Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis durch die T-GmbH als Arbeitgeberin beendet worden ist, eine Abfindung zu.

    Auch das Arbeitsverhältnis des Klägers ist von der T-GmbH zum 31.08.2021 gekündigt worden. Der Umstand, dass die Abfindungszahlung nicht in Erfüllung des Arbeitsvertrages, sondern auf einer anderen Rechtsgrundlage (Sozialplan) geleistet worden ist, steht der Anwendung der Fünftelregelung nicht entgegen.

    b) Durch die Kündigung zum 31.08.2021 ist zwar das Arbeitsverhältnis mit der T-GmbH (einseitig) durch die Arbeitgeberin, bei wirtschaftlicher Betrachtung jedoch weder der Einkünfteerzielungstatbestand noch das Dienstverhältnis beendet worden. Mit einer Beendigung des Einkünfteerzielungstatbestandes ist es nicht vereinbar, dass der Kläger nach Beendigung der Rechtsbeziehung zur alten Arbeitgeberin ein Wahlrecht darauf hatte, entweder auf Grundlage des bestehenden Arbeitsverhältnisses von einer neuen Arbeitgeberin lückenlos unter Anerkennung der bisherigen Beschäftigungsdauer bei Fortzahlung von Arbeitslohn in derselben Entgeltgruppe und - soweit möglich - am selben Standort weiterbeschäftigt zu werden oder von der neuen Arbeitgeberin eine (weitere) Abfindung zu erhalten.

    Aufgrund des am tt.mm.2021 geschlossenen Vertrages war ein auch über den 31.08.2021 hinaus bestehender und damit fortlaufender Einkünfteerzielungstatbestand unabhängig davon gegeben, dass der Kläger Einkünfte i.S. des § 19 EStG nunmehr nicht in Gestalt laufend gezahlten Arbeitslohns, sondern einer einmaligen (weiteren) Abfindungszahlung erhielt. Erst mit Aufhebung dieses Anschlussvertrages war der Einkünfteerzielungstatbestand beendet.

    aa) Der Kläger hatte aufgrund des bereits mit der Grundsatzvereinbarung (...) - und damit vor dem ersten Betriebsübergang (...) - begründeten "unbefristeten Rückkehrrechts" einen Anspruch auf Fortsetzung des ursprünglich mit der Y-GmbH im Jahre 1986 eingegangenen Arbeitsverhältnisses. Diese Grundsatzvereinbarung diente der "Absicherung der Arbeitnehmer des rechtlich verselbständigen Geschäftsbereichs AB" und damit der Vermeidung von Einnahmeverlusten.

    In das 1986 abgeschlossene Arbeitsverhältnis war arbeitgeberseitig aufgrund des Betriebsübergangs zum 01.08.2016 zunächst die AB-GmbH und aufgrund des weiteren Betriebsübergangs zum 01.10.2017 die AB-Holding-GmbH bzw. T-GmbH eingetreten. Es handelte sich jeweils um einen Vertragspartnerwechsel auf Arbeitgeberseite (vgl. hierzu etwa Kliemt/Teusch in: jurisPK-BGB, Aufl. 2023, § 613a Rz 63, m.w.N.).

    Das durch die betriebsbedingte Kündigung zum 31.08.2021 ausgelöste Rückkehrrecht zur Y-GmbH beruhte in Ermangelung eines Betriebsübergangs von der T-GmbH auf die Y-GmbH zwar nicht auf § 613a BGB, sondern auf den für den Kläger geltenden kollektivarbeitsrechtlichen Regelungen in der Grundsatzvereinbarung (...) und in der F-Vereinbarung (...). Die Y-GmbH hatte nach diesen Vereinbarungen nicht die Möglichkeit, die Geltendmachung des Rückkehrrechts und damit des Anspruchs auf Weiterbeschäftigung der von den Kündigungen betroffenen Beschäftigten zu verhindern.

    Hätte sich der Kläger (einseitig) für eine Weiterbeschäftigung entschieden, wäre diese auf Grundlage des bestehenden und seit 1986 ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses erfolgt. Nichts anderes ergibt sich aus dem (...) Schreiben vom 31.08.2021, welches die Y-GmbH an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer adressiert hat, die für eine Weiterbeschäftigung optiert haben.

    bb) Nach den konkret getroffenen Vereinbarungen - insbesondere nach den Regelungen in Abschnitt B Ziffer 7. der F-Vereinbarung - hätte der Kläger das mit der T-GmbH bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.08.2021 hinaus ohne Unterbrechung mit der Y-GmbH - der vormaligen Arbeitgeberin - im Wesentlichen unverändert fortsetzen können. Dies gilt auch für die im BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1195 [BFH 12.04.2000 - XI R 1/99] benannten Merkmale "durchgehender Vergütungstarif", "Anrechnung der Dienstzeiten" und "Entfallen einer Probezeit".

    Nach der genannten Regelung der F-Vereinbarung hatte der neue "Arbeitsplatz hinsichtlich der Entgeltgruppe und der Entlohnungsart auf Basis der jeweiligen tariflichen Rahmenbedingungen mindestens die gleichen Verdienstmöglichkeiten" zu bieten, wie der bisherige Arbeitsplatz. Etwa im Falle von Umschulungen war die Y-GmbH verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten.

    Es war dem Kläger und den anderen von den beiden Betriebsübergängen betroffenen Beschäftigten ausdrücklich zugesagt worden, dass nicht nur die bei der T-GmbH (vormals AB-Holding-GmbH), sondern auch die zuvor bei der AB-GmbH und bei der Y-GmbH selbst verbrachten Zeiten der Betriebszugehörigkeit voll angerechnet werden.

    Auch deshalb, weil das (vormalige) Arbeitsverhältnis mit der Y-GmbH mit der Rückkehr als ununterbrochen fortgesetzt gegolten hätte und kein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen worden wäre, wäre eine etwaige Probezeit, die bei erfolglosem Verkauf zu einem Verlust des Arbeitsplatzes führen kann, entfallen.

    Soweit nach dem Zweck des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG von einer Beendigung des Rechtsverhältnisses nicht gesprochen werden kann, wenn ein Arbeitsverhältnis lediglich formal mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 415 [BFH 10.10.2006 - XI B 118/05]), führt dies im Streitfall nicht dazu, dass das Rechtsverhältnis aufgrund der Kündigung beendet worden ist.

    Der Kläger konnte von der Y-GmbH verlangen, auf einem "geeigneten Arbeitsplatz" eingesetzt zu werden. Die Eignung des Arbeitsplatzes richtete sich insbesondere nach Kriterien Standort, Entgeltgruppe und Anforderungsprofil. Im Falle eines fehlenden geeigneten Arbeitsplatzes war die Y-GmbH verpflichtet, dem Kläger ein Umschulungsangebot zu machen.

    Nach der F-Vereinbarung waren für die Rückkehrerinnen und Rückkehrer Nachteile bei der der Entlohnung (Abschnitt B 7.) und beim sozialen Besitzstand (Abschnitt B 16.) ausgeschossen. Da nach der Rechtsprechung des BFH alle Umstände des Einzelfalles in den Blick zu nehmen sind (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1551), fallen vorliegend etwaige Veränderungen im Arbeitsbereich, welche bei einer tatsächlichen Wiederaufnahme des Beschäftigungsverhältnisses mit der Y-GmbH eingetreten wären, wegen ausgeschlossener Veränderungen zulasten des Klägers bei den Kriterien "Entlohnung" und "Wahrung des sozialen Besitzstandes" (insbesondere betriebliche Altersvorsorge) nicht bedeutend ins Gewicht.

    Zwar hat zur Überzeugung des erkennenden Senats der Umstand, dass sich der Kläger durch den Abschluss des Arbeits- und Aufhebungsvertrages (...) gegen eine Weiterbeschäftigung bei der Y-GmbH und für die Inanspruchnahme einer zweiten Abfindungszahlung entschieden hat, nicht die Beendigung des Einkünfteerzielungstatbestandes bereits zum 31.08.2021 zur Folge (dazu unten cc). Auf die der Ausübung des Wahlrechts zugrunde liegenden Erwägungen kommt es daher nicht an. Allerdings kann das Vorbringen des Klägers, es hätten ihm im Falle einer Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses eine Einstufung in eine niedrigere Entgeltgruppe, der Wegfall von Akkordzuschlägen und ein Einsatz an einem anderen Y-Standort gedroht, nicht als hinreichend substantiiert angesehen werden. Hierbei handelt es sich um wenig konkretisierte Sorgen bzw. Befürchtungen des Klägers, welche nicht durch ein tatsächlich von der Y-GmbH eingeholtes Angebot bestätigt werden. Aus der F-Vereinbarung (v.a. Abschnitt B. Ziffer 7.) geht eindeutig hervor, dass den berechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Falle der Rückkehr keine Nachteile entstehen dürfen. Jedenfalls hat die Y-GmbH (...) rd. die Hälfte der von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Standtort N weiterbeschäftigt. Nach dem Bericht in der Ausgabe (...) vom (...) sind am Y-Standort N weiterhin rd. (...) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

    cc) Bei wirtschaftlicher Betrachtung stellen der Arbeitsvertrag mit der T-GmbH, aufgrund dessen der Kläger bis zum 31.08.2021 Arbeitslohn bezogen hat, und der mit der Y-GmbH für den 01.09.2021 geschlossene Arbeits- und Aufhebungsvertrag, mit dem die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 168.861,67 € vereinbart worden ist, ein einheitliches Dienstverhältnis dar (unten (1)). Dieses Dienstverhältnis ist erst mit Aufhebung des mit der Y-GmbH geschlossenen neuen Arbeitsvertrages beendet worden (unten (2)).

    (1) Für die Einheitlichkeit des Dienstverhältnisses spricht, dass an der Begründung des Wahlrechts auf Rückkehr zur Y-GmbH oder auf Auszahlung einer Abfindung durch die Y-GmbH neben der Y-GmbH auch die T-GmbH beteiligt war.

    Das Wahlrecht beruht auf der F-Vereinbarung. Als Vertragspartei war an dieser Vereinbarung - neben der Y-GmbH, der AB-GmbH und den Arbeitnehmervertretungen - auch die T-GmbH unter ihrer damaligen Firma beteiligt. Die T-GmbH ist arbeitsrechtlich und steuerrechtlich mit der AB-Holding-GmbH identisch. Die AB-Holding-GmbH ist aufgrund des Gesellschafterbeschlusses (...) lediglich umfirmiert worden. Dies hatte ebenso wenig wie die Ende 2017 im Wege eines Share Deals erfolgte Veräußerung der Gesellschaftsanteile eine Änderung der Rechtspersönlichkeit zur Folge.

    Das mit der T-GmbH bestehende Dienstverhältnis kann mit der betriebsbedingten Kündigung wirtschaftlich auch deshalb nicht als beendet angesehen werden, weil bereits im Kündigungsschreiben (...) auf das Rückkehrrecht zur Y-GmbH hingewiesen worden ist. Innerhalb von drei Wochen sind der Kläger und die weiteren von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen und zugleich rückkehrberechtigten Beschäftigten mit Schreiben der Y-GmbH über Planungen für die Umsetzung des Rückkehrrechts informiert worden. Diese Unterrichtungen verklammern das von der T-GmbH zum 31.08.2021 gekündigte und das mit der Y-GmbH für den 01.09.2021 begründete Arbeitsverhältnis wirtschaftlich zu einem einheitlichen Dienstverhältnis. Gleiches gilt für den Umstand, dass ausweislich des Sozialplans (...) das Nichtbestehen eines Rückkehrrechts zur Y-GmbH zu einer höheren Abfindungszahlung durch die T-GmbH führte.

    Im Übrigen schlossen die Y-GmbH und der Kläger den Arbeitsvertrag und Aufhebungsvertrag für den 01.09.2021 bereits am tt.mm.2021 und damit vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der T-GmbH als Arbeitgeberin ab. Auch diese zeitliche Komponente spricht dafür, dass beide Verträge wirtschaftlich ein einheitliches Dienstverhältnis bilden.

    Die (zweite) Abfindungszahlung führt ebenso wie Lohnzahlungen aufgrund einer Weiterbeschäftigung durch die Y-GmbH zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG). Da der Vertrag vom tt.mm.2021 "in Umsetzung des Rückkehrrechts des Arbeitnehmers aus der F-Vereinbarung" geschlossen worden ist, besteht kein Grund, die Frage der Einheitlichkeit des Dienstverhältnisses bzw. des Fortbestehens des Einkünfteerzielungstatbestandes bei der Entscheidung für die (zweite) Abfindung anders zu beantworten als bei den tatsächlichen Rückkehrerinnen und Rückkehrern. Nach dem Vorbringen des Klägers selbst diente die Wahl für die Abfindung der Überbrückung des Zeitraums vom Wiedereintritt bis zur Rente, und dementsprechend sei die Höhe der Abfindung durchaus großzügig ausgestaltet worden. Das bedeutet, dass Einnahmeverluste nicht nur bei der Wahl der Weiterbeschäftigung, sondern auch einer Abfindungszahlung ausgeschlossen werden sollten.

    (2) Die Y-GmbH hatte aufgrund der F-Vereinbarung nicht die Möglichkeit, dem Kläger und den weiteren rückkehrberechtigten Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnisse von der T-GmbH gekündigt worden waren, jegliche Zahlungen nach dem 31.08.2021 zu verweigern. In Abhängigkeit von der Ausübung des Wahlrechts durch die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer war die Y-GmbH zur Zahlung laufenden Arbeitslohns oder - wie im Falle des Klägers - einer Abfindung verpflichtet. In den Abfindungsfällen war der Einkünfteerzielungstatbestand erst mit Aufhebung des als Grundlage der Abfindungszahlung für den 01.09.2021 begründeten Arbeitsvertrages beendet.

    c) Weder aus den in Bezug genommenen Entscheidungen des BFH noch dem Vorbringen der Beteiligten ergeben sich Umstände, welche die Annahme eines Einnahmeverlustes, der für die Anwendung des ermäßigten Steuertarifs erforderlich ist, rechtfertigen.

    aa) Eine unternehmensrechtliche oder steuerrechtliche Verflechtung zwischen dem alten und dem neuen Arbeitgeber ist für die Bejahung eines fortbestehenden Einkünfteerzielungstatbestandes und für die Verneinung eines Einnahmeverlustes (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) nicht erforderlich.

    (1) Die BFH-Urteile in BFH/NV 2000, 1195 [BFH 12.04.2000 - XI R 1/99] und in BFH/NV 2006, 1071 [BFH 13.12.2005 - XI R 8/05] sind auch zu § 3 Nr. 9 EStG a.F. ergangen. Nach dieser Vorschrift war für die (teilweise) Steuerfreiheit einer Abfindung "die Auflösung des Dienstverhältnisses" Voraussetzung. Dieses Merkmal enthält § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht. Hiernach kommt es darauf an, ob es sich bei der (Abfindungs-) Zahlung um die Gewährung einer Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen handelt.

    Auch für § 3 Nr. 9 EStG a.F. sah es der IX. Senat im BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 944 als ausreichend an, dass die beteiligten Unternehmen bzw. Arbeitgeber in einer "bewährten Geschäftsbeziehung" standen.

    (2) Als die T-GmbH Anfang 2021 dem Kläger die betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärte, waren die T-GmbH und die Y-GmbH unternehmensrechtlich oder steuerrechtlich nicht miteinander verflochten. Es kann dahinstehen, ob nach der Ausgliederung und rechtlichen Verselbständigung des Geschäftsbereichs AB und nach den zwei Betriebsübergängen eine "bewährte Geschäftsbeziehung" zwischen der T-GmbH und der Y-GmbH bestand. Ein Einnahmeverlust seitens des Klägers ist vorliegend deshalb nicht eingetreten, weil die Beteiligten - einschließlich der T-GmbH - die Rückkehrmöglichkeit zur Y-GmbH bzw. die Inanspruchnahme einer Abfindungszahlung als Fortsetzung eines einheitlichen Dienstverhältnisses ausgestaltet hatten (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1551) und der Einkünfteerzielungstatbestand daher mit der Kündigung nicht beendet worden ist.

    Bereits in der Grundsatzvereinbarung (...) ist geregelt worden, dass vor einem zweiten Betriebsübergang bzw. der Veräußerung der Gesellschaftsanteile der AB-Holding-GmbH zur "Absicherung der Arbeitnehmer" eine F-Vereinbarung getroffen werde. An der (...) getroffenen F-Vereinbarung und damit an deren "Ausgestaltung" war - entgegen dem Vorbringen der Kläger - auch die T-GmbH unter ihrer vorherigen Firma beteiligt.

    Die F-Vereinbarung war nur von der AB-Holding-GmbH bzw. der T-GmbH (...) nicht nur mitverhandelt worden, sondern hatte aufgrund des hierin geregelten Rückkehrrechts für die T-GmbH auch noch im Jahr 2021 rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen. Denn die Höhe der von ihr an die von den betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu zahlenden Abfindungen richtete sich auch danach, ob ein Rückkehrrecht zur Y-GmbH bestand oder nicht. Diese Verflechtung zwischen der von der T-GmbH zu leistenden Abfindungszahlung und der noch vor dem Share Deal getroffenen F-Vereinbarung kommt auch im Kündigungsschreiben (...) zum Ausdruck.

    bb) Die sozialpolitischen Erwägungen, die der (teilweisen) Steuerbefreiung einer Abfindungszahlung nach § 3 Nr. 9 EStG a.F. und der Tarifbegünstigung nach §§ 24, 34 Abs. 1 EStG zugrunde liegen, greifen im Streitfall nicht Platz.

    Durch diese Vorschriften sollen die Folgen eines Arbeitsplatzverlustes abgemildert werden (vgl. etwa BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 1071 [BFH 13.12.2005 - XI R 8/05]; vom 09.05.2007 - XI R 52/05, BFH/NV 2007, 1857). Zu diesen Folgen gehört die Gefahr, dass der Steuerpflichtige nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses etwa infolge einer betriebsbedingten Kündigung keine vergleichbare Anschlussbeschäftigung findet. Dieser Gefahr waren der Kläger und seine ebenfalls von den betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Kolleginnen und Kollegen aufgrund des Rückkehrrechts zur Y-GmbH nicht ausgesetzt. Hierdurch war ihnen eine Weiterbeschäftigung zu im Wesentlichen unveränderten Bedingungen "garantiert" (vgl. Abschnitt B 5. der F-Vereinbarung).

    cc) Für die Frage, ob die an den Kläger gezahlte Abfindung nach §§ 24, 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern ist, kommt es nicht darauf an, ob die Finanzverwaltung auf die an andere frühere Beschäftigte geleisteten Abfindungszahlungen die sog. Fünftelregelung angewendet hat.

    Zwar macht der Kläger zutreffend unter Bezugnahme auf die Kommentierung des § 85 AO von Seer in Tipke/Kruse (v.a. Rz 11 f.) - in der sich u.a. ein Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89 (BVerfGE 84, 239 ff.) zur Besteuerung privater Kapitalerträge befindet - geltend, dass die Steuergesetzgebung und die Steuerverwaltung an das Gebot der gleichmäßigen Besteuerung gebunden seien. Allerdings vermittelt Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis und gebietet keine "Gleichheit im Unrecht" (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 04.07.2012 - II R 38/10, BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782; BFH-Beschluss vom 22.09.2016 - IV R 35/13, BFHE 255, 239, BStBl II 2017, 116).

    Das bedeutet, dass eine möglicherweise unrechtmäßige Anwendung der Fünftelregelung auf die an andere frühere Beschäftigte der T-GmbH gezahlte Abfindung es nicht gebietet, auch die an den Kläger gezahlte Abfindung ermäßigt zu besteuern. Es kann deshalb dahinstehen, ob das FA oder andere Finanzämter tatsächlich nicht nur Abfindungen an Beschäftigte ohne Rückkehrrecht zur Y-GmbH, sondern auch Abfindungen an Beschäftigte - wie den Kläger - mit Rückkehrrecht begünstigt besteuert hat.

    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, § 34 Abs. 1 EStG