09.10.2024 · IWW-Abrufnummer 244177
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 24.07.2024 – 9 K 196/22
1. Die mit dem Corona-SteuerhilfeG vom 19. Juni 2020 (BGBl. I 2020, 1385) in § 3 Nr. 11a EStG eingeführte Steuerbefreiung ist rückwirkend, d.h. für ab dem 1. März 2020 gewährte Corona-Sonderzahlungen, anwendbar.
2. Eine ersatzweise anstelle von Urlaubsgeld oder einer Bonuszahlung aus Gründen der Steueroptimierung steuerfrei erbrachte Corona-Sonderzahlung stellt jedenfalls dann keine zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährte Leistung dar, wenn zeitgleich mit der als Corona-Sonderzahlung deklarierten Auszahlung ein Anspruch auf Urlaubsgeld bzw. eine Bonuszahlung begründet worden ist (im Streitfall: Ankündigung der Auszahlung von Urlaubsgeld bzw. Bonus verbunden mit dem Hinweis der Deklarierung als Corona-Sonderzahlung aus steuerlichen Gründen durch internen Aushang).
3. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG setzt u.a. voraus, dass der Arbeitgeber die Sonderzahlung auf Grund der Corona-Krise erbringt. Aus den Gesamtumständen muss erkennbar sein, dass die konkrete Leistung gewährt wird, um die beim Arbeitnehmer wegen der Corona-Pandemie entstandenen (Mehr-)Belastungen auszugleichen und abzumildern.
Die Klägerin betreibt mehrere Lebensmittelläden. In den Monaten April, Mai, Juni, Juli, November und Dezember des Jahres 2020 zahlte die Klägerin als "Sonderzahlung Corona" deklarierte Leistungen an ihre Arbeitnehmer aus. Die Sonderzahlungen kündigte sie insbesondere durch zwei intern ausgehängte Informationsschreiben vom 19. Mai 2020 wie folgt an:
Interne Info
"Sonderzahlungen"
Sehr geehrte Damen und Herren,
folgende Regelungen gelten es bei der Ausführung / Errechnung unserer Sonderzahlungen:
Unter guten wirtschaftlichen Voraussetzungen gibt es jährlich zwei einmalige Sonderzahlungen. Mitte des Jahres die Sonderzahlung / Urlaubsgeld und am Ende des Jahres die Sonderzahlung / Bonus.
Die Sonderzahlung / Urlaubsgeld wird in Höhe von 50% des Bruttogehaltes gezahlt. Im Geschäftsjahr 2020 maximal jedoch 1.328 €. Diese Zahlung erfolgt ohne Berücksichtigung von Krankheitszeiträumen. Die Zahlung erfolgt mit der Mai-, spätestens mit der Juni-Abrechnung. Voraussetzung ist, dass der/die Mitarbeiter/in spätestens im Januar des aktuellen Jahres eingestellt worden ist. Mitarbeiter/innen mit einer laufenden Befristung erhalten diese Zahlung anteilig.
Achtung!!! Geringfügig beschäftigte Mitarbeiter erhalten diese Zahlung erst als Sonderzahlung zum Jahresende. Mitarbeiter außerhalb der Lohnfortzahlung erhalten die Sonderzahlung / Urlaubsgeld nicht.
Die Sonderzahlung / Bonuszahlung zum Jahresende erfolgt mit der November- spätestens mit der Dezember-Abrechnung. Hier gilt folgende Regelung:
1.) - die Zahlung erfolgt ebenfalls in Höhe von 50% des Bruttogehaltes
2.) - die Planzahlen des Marktes, bzw. des Gesamtunternehmens sollten erreicht werden. Diese werden mit der Marktleitung besprochen und abgestimmt, da wir natürlich nur die von Ihnen beeinflussbaren Faktoren als Maßstab nehmen können
3.) - jeder Mitarbeiter des Marktes erhält diese Zahlung unter folgender Voraussetzung:
- Erfüllung Punkt 2 - 0 - 18 Tage Krankheit im Zeitraum von November des Vorjahres bis Oktober des aktuellen Geschäftsjahres volle Zahlung in Höhe 50% des Bruttogehaltes - 19 - 36 Tage Krankheit im Zeitraum von November des Vorjahres bis Oktober des aktuellen Geschäftsjahres 50% Zahlung in Höhe von 50% des Bruttogehaltes - über 36 Tage Krankheit im Zeitraum von November des Vorjahres bis Oktober des aktuellen Geschäftsjahres keine Zahlung - Der Eintritt in die Firma muss spätestens im Januar des aktuellen Geschäftsjahres erfolgt sein.
Beachten Sie bitte, dass die Sonderzahlungen auf freiwilliger Basis erfolgen und nicht verpflichtend sind. Siehe hier § 4 bzw. § 5 des Arbeitsvertrages. Sie können hieraus daher keine zukünftigen Ansprüche geltend machen.
Mit freundlichen Grüßen
- Verwaltung -
Interne Info
"Sonderregelung Urlaubsgeld 2020"
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch in diesem Jahr freuen wir uns, Ihnen eine Sonderzahlung / Urlaubsgeld auszahlen zu können.
Bitte beachten Sie in diesem Jahr folgende Besonderheit:
Durch die ungewöhnliche Corona-Zeit werden wir in diesem Jahr einen Teil des Urlaubsgeldes als Corona-Sonderzahlung ausweisen. Diese Corona-Sonderzahlung wird steuerfrei ausgezahlt, wodurch Sie eine höhere Netto-Auszahlung der Urlaubsgeldzahlung haben werden.
Auf der Abrechnung ausgewiesenes Urlaubsgeld zzgl. der Corona-Sonderzahlung ergibt die Gesamtsumme Urlaubsgeld.
Beachten Sie bitte, das die Sonderzahlungen auf freiwilliger Basis erfolgen und nicht verpflichtend sind. Siehe hier § 4 bzw. § 5 des Arbeitsvertrages. Sie können hieraus daher keine zukünftigen Ansprüche geltend machen.
Mit freundlichen Grüßen
- Verwaltung -
Einen Lohnsteuerabzug nahm die Klägerin in Bezug auf die erbrachten Corona-Sonderzahlungen nicht vor. In den Verdienstabrechnungen der Arbeitnehmer wies sie die Leistung als "Sonderzahlung Corona" aus.
Das zuständige Finanzamt nahm bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung vor. Die Prüferin kam zu dem Ergebnis, dass die Corona-Sonderzahlungen in den Auszahlungszeiträumen April, Juni, Juli und Dezember 2020 zu Recht steuerfrei erfolgt seien. Für die an die Mitarbeiter in den Monaten Mai und November 2020 ausgezahlten Sonderzahlungen lägen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG hingegen nicht vor. Im Prüfungsbericht führte sie aus, dass es am für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung erforderlichen Zusätzlichkeitserfordernis mangele. Nach ihrer Ansicht sei im Informationsschreiben vom 19. Mai 2020 ("Sonderregelung Urlaubsgeld") gegenüber den Mitarbeitern ausgeführt worden, dass ein Teil des Urlaubsgeldes bzw. der Bonuszahlung in eine Corona-Sonderzahlung umgewandelt werde, um im Ergebnis eine höhere Nettoauszahlung des Urlaubsgeldes bzw. der Bonuszahlung zu erreichen. Ferner sei darin erläutert worden, dass der Betrag der Corona-Sonderzahlung und der als Urlaubsgeld bzw. Bonus ausgewiesene Betrag die Gesamtsumme des Urlaubsgeldes bzw. Bonus bilde. Überdies sei weder aus dem Auszahlungszeitpunkt noch aus der Höhe der Zahlung ersichtlich, dass die Sonderzahlung für die besondere Arbeitssituation in der Coronazeit erfolgt sei. Die Höhe der Gesamtsumme sei mit den reinen Urlaubsgeldzahlungen der Vorjahre vergleichbar. Auch die Auszahlungszeitpunkte der Sonderzahlungen im Mai und November seien mit den Zahlungen von Urlaubsgeld und Boni in Vorjahren identisch. Die als Corona-Sonderzahlung in den Monaten Mai und November 2020 ausgewiesenen Zahlungen seien gemäß § 40 Abs. 1 EStG einvernehmlich mit einem Nettodurchschnittssteuersatz pauschal nachzuversteuern.
Der Beklagte erließ sodann einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2017 bis Dezember 2020. Zugleich wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Sie vertrat weiterhin die Rechtsauffassung, dass die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG in Bezug auf die von ihr in den Monaten Mai und November 2020 ausgezahlten Corona-Sonderzahlungen gegeben seien. Entgegen der Ansicht des Beklagten habe sie nicht einen Teil des Urlaubsgeldes in eine Corona-Sonderzahlung umgewandelt. Die von ihr im Informationsschreiben gewählte Formulierung sei auslegungsbedürftig. Nach § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sei dabei auf den wirklichen Willen und nicht auf den buchstäblichen Sinn des Ausdrucks abzustellen. Bei zwei Auslegungsmöglichkeiten, von denen nur eine rechtlich wirksam sei, sei im Zweifel die rechtlich wirksame Regelung gewollt. Zwar schließe die Formulierung im Informationsschreiben eine Umwandlung des Urlaubsgeldes nicht aus, naheliegender sei aber, dass neben dem im Jahr 2020 vergleichsweise geringer ausfallenden Urlaubsgeld eine einmalige Corona-Sonderzahlung gewährt werden sollte. Dies sei auch die einzig rechtlich wirksame Gestaltung. Denn eine (hälftige) Umwandlung des Urlaubsgeldes in eine Corona-Sonderzahlung würde voraussetzen, dass der Arbeitnehmer zunächst einen Rechtsanspruch auf das Urlaubsgeld in voller Höhe gehabt hätte und dieser nachträglich umgewandelt worden wäre. Die Arbeitnehmer der Klägerin hätten aber bereits keinen rechtlichen Anspruch auf das Urlaubsgeld weder dem Grunde noch der Höhe nach gehabt. In sämtlichen Arbeitsverträgen sei geregelt, dass etwaige Sonderzahlungen der Klägerin freiwillig erfolgten und auch durch wiederholte Zahlungen (betriebliche Übung) kein Anspruch auf künftige Leistungsgewährung entstehe. Zudem sei das Urlaubsgeld der Jahre 2017 bis 2019 jeweils in unterschiedlicher Höhe ausgezahlt worden. Gleiches gelte für die im November 2020 gewährte Bonuszahlung.
Der Beklagte teilte daraufhin mit, dass auch nach seiner Auffassung nach den Vereinbarungen in den Arbeitsverträgen kein arbeitsrechtlicher Anspruch auf Sonderleistungen wie Urlaubsgeld oder Boni bestanden habe. Gleichwohl fehle es den Leistungen im Mai 2020 und im November 2020 angesichts des in den Vorjahren regelmäßig im Mai ausgezahlten Urlaubsgeldes bzw. der im November erfolgten Bonuszahlungen an der Zusätzlichkeit. Es handele sich nicht um eine zusätzliche Corona-Unterstützungsleistung. Der Gesamtbetrag des Urlaubsgeldes sei nur aus Gründen der Steueroptimierung in Urlaubsgeld und Corona-Sonderzahlung aufgeteilt und umbenannt worden. Die Klägerin habe gegenüber ihren Mitarbeitern im Informationsschreiben nochmals klargestellt, dass sie unabhängig von dem vergleichsweise geringeren Urlaubsgeld wegen des Steuervorteils nicht schlechter gestellt seien. Dies gelte entsprechend für den im November ausgezahlten Bonus.
Die Klägerin führte sodann aus, dass nach ihrer Ansicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 EStG gegeben seien. Die Sonderzahlungen seien nicht auf den Arbeitslohn und mangels Rechtsanspruchs auch nicht auf das Urlaubsgeld und/oder Boni angerechnet worden. Der vereinbarte Arbeitslohn sei auch nicht zugunsten der Corona-Sonderzahlung herabgesetzt worden. Diese sei auch nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt worden. Eine automatische Erhöhung des Arbeitslohns bzw. des Urlaubsgeldes oder des Bonus nach Entfallen der Corona-Sonderzahlung sei ebenfalls nicht erfolgt. Entgegen der Auffassung des Beklagten lasse sich dem Informationsschreiben auch nicht entnehmen, dass die Arbeitnehmer die Gesamtsumme der Sonderzahlungen (Urlaubsgeld bzw. Bonus) von der Klägerin in derselben Höhe erhalten hätte, sofern es die Corona-Sonderzahlung nicht gegeben hätte.
Überdies habe sie die Entscheidung der Leistung einer Corona-Sonderzahlung zulässigerweise unabhängig von der Gewährung von Urlaubsgeld bzw. Boni getroffen. Diese getrennten Entscheidungen hätten sich nur im Ergebnis so ausgewirkt, dass sich für die Arbeitnehmer im Vergleich zu Vorjahren keine wirtschaftliche Schlechterstellung ergeben habe. Darauf habe die Klägerin mit dem Informationsschreiben hinweisen wollen.
Im Laufe des Einspruchsverfahrens stellte die Klägerin nach Aufforderung durch den Beklagten schriftlich einen Antrag auf Pauschalierung der Lohnsteuer gemäß § 40 Abs. 1 EStG nach Pauschsteuersätzen.
Den Einspruch wies der Beklagte sodann als unbegründet zurück. Der Beklagte vertrat weiterhin die Auffassung, dass die von der Klägerin im Mai und November 2020 als Corona-Sonderzahlung ausgezahlten Leistungen steuerpflichtig seien. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG seien nicht gegeben. Ergänzend führte er aus, dass insbesondere aus dem Informationsschreiben nicht hervorgehe, dass die Corona-Sonderzahlung an die Mitarbeiter zur Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise ausgezahlt worden seien. In diesem werde lediglich erläutert, dass die Auszahlung der Sonderzahlungen (Urlaubsgeld bzw. Bonus) im Jahr 2020 anders abgewickelt werde. Ziel der Klägerin sei es gewesen die Steuerlast der Sonderzahlung zu senken, um den Arbeitnehmern letztlich eine höhere Netto-Auszahlung zu verschaffen.
Die Klägerin hat daraufhin Klage beim Niedersächsischen Finanzgericht erhoben. Mit dieser verfolgt sie ihr Begehren weiter. Ergänzend führt sie aus, dass die Regelung des § 3 Nr. 11a EStG in Bezug auf das Zusätzlichkeitserfordernis mit der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 33 EStG vergleichbar und daher einheitlich auszulegen sei. Eine Anrechnung auf freiwillige Leistungen des Arbeitgebers sei nach der bisherigen Rechtslage zulässig (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 1. Oktober 2009 - VI R 41/07 -, BStBl II 10, 487; R 3.33 Abs. 5 Satz 3 LStR; Brandis/Heuermann/Ettlich, EStG, § 8, Rn. 251 f.; Thomas, DStR 21, 1974, 1975). Nach R 33 Abs. 5 Satz 3 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) liege eine zusätzliche Leistung vor, wenn sie unter Anrechnung auf eine andere freiwillige Sonderzahlung, z.B. freiwillig geleistetes Weihnachtsgeld, erbracht werde. Überdies seien die Erläuterungen im ausgehängten Informationsschreiben für die Frage der Anwendbarkeit der Steuerbefreiungsvorschrift irrelevant, da dieses schon keine rechtliche Substanz habe.
Nach ihrer Auffassung sei die Kennzeichnung der Leistung als Corona-Sonderzahlung in der Verdienstabrechnung der Arbeitnehmer für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG ausreichend. Es sei unerheblich, dass im selben Zeitraum neben der Sonderzahlung auf Grund der Corona-Krise noch weitere (regelmäßig in der Vergangenheit) gewährte Sonderzahlungen geleistet worden seien. Der Beklagte verkenne bei seiner Würdigung, dass sie ihren Mitarbeitern durchgehend, d.h. in den Monaten April, Mai, Juni, Juli, November und Dezember 2020 gleichbleibende Sonderzahlungen auf Grund der Corona-Krise gewährt habe.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2017 bis Dezember 2020 vom XX.XX.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom XX.XX.2022 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Ergänzend führt er aus, dass die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG nur für Leistungen gelte, die auf Grund der Corona-Krise, d.h. der durch diese verursachten Einschränkungen des persönlichen Lebens und des Wirtschaftslebens, gewährt würden (vgl. Frotscher/Geurts, EStG, § 3 Nr. 11a Rn. 7 f.). Die Leistungen müssten im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Corona-Krise stehen, also krisenbedingt erfolgt sein. Zudem müssten sie zur Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise aufgewendet worden sein (vgl. BMF FAQ Corona (Steuern) VI Rn. 1). Nach seiner Auffassung gehe aus der Formulierung des Informationsschreibens vom 19. Mai 2020, insbesondere der mehrfachen Verwendung des Wortes "Urlaubsgeld", eindeutig hervor, dass die Klägerin im Mai tatsächlich Urlaubsgeld als Sonderzahlung habe auszahlen wollen. Das Informationsschreiben sei klar und unmissverständlich und entgegen der Ansicht der Klägerin nicht auslegungsbedürftig. Für den im November ausgezahlten Bonus gelte dies entsprechend, da die Klägerin gleichermaßen vorgegangen sei. Das Informationsschreiben enthalte keinen Hinweis, dass die Corona-Sonderzahlung im November 2020 der Abmilderung der Belastungen durch die Corona-Krise habe dienen sollen. Angesichts des Hinweises im Informationsschreiben auf die geänderten Modalitäten bei der Auszahlung der Sonderzahlung (im Mai 2020) sei nicht davon auszugehen, dass die Gewährung der Sonderzahlung auf zwei getrennten Entscheidungen der Klägerin beruht habe.
Die Klägerin hat nach Aufforderung der Berichterstatterin ergänzend mitgeteilt, dass die Entscheidung über die Gewährung der Sonderzahlungen "Urlaubsgeld" und "Bonuszahlung" im April 2020 durch den Geschäftsführer und die Prokuristin getroffen worden seien. Sie habe im Jahr 2020 zwei Sonderzahlungen in Höhe von jeweils ca. 50 % eines Bruttomonatsgehaltes an die Mitarbeiter zahlen wollen. Diese hätten in einen Teil Corona-Sonderzahlung und in einen steuerpflichtigen Teil aufgeteilt werden sollen. Das Urlaubsgeld und die Boni seien grundsätzlich in Höhe von jeweils 25 % des jeweiligen Bruttomonatsgehalts gewährt worden. In die Berechnung des jeweiligen Bonus seien die Krankheitstage einbezogen worden. Im Ergebnis habe die Corona-Sonderzahlung (Mai und November) jeweils ca. ein Viertel des Bruttomonatsgehaltes betragen. Die Höhe sei vom Beschäftigungsgrad (Vollzeit/Teilzeit) und von der Höhe der monatlichen Grundvergütung abhängig gewesen. Im April 2020 sei eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von maximal 250 EUR an alle Arbeitnehmer ausgezahlt worden. Die Höhe der jeweiligen Leistung sei vom Beschäftigungsgrad abhängig gewesen. Die Corona-Sonderzahlungen seien an die Arbeitnehmer des Marktes im Mai und November 2020 und an die der Bäckerei im Juni und Dezember 2020 ausgezahlt worden. Der Betrag von 1.500 EUR sei nicht ausgeschöpft worden.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Der Senat hat in seiner Sitzung am 24. Juli 2024 ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Entscheidungsgründe
Der Senat legt das Begehren der Klägerin dahingehend aus, dass diese eine Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 Var. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)) gegen den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge vom XX.XX.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom XX.XX.2022 erhoben hat. Mit dieser möchte sie die Aufhebung der mit dem Nachforderungsbescheid festgesetzten Lohnsteuern und sonstigen Lohnsteuerabzugsbeträge erreichen. Einer Feststellungsklage bedarf es insoweit nicht. Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin wird durch die Anfechtungsklage hinreichend gewahrt (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG)). Angesichts der nach § 41 Abs. 2 FGO bestehenden Subsidiarität wäre die Feststellungsklage auch unzulässig.
Der Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2017 bis Dezember 2020 vom XX.XX.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom XX.XX.2022 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da dieser rechtmäßig ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Die von der Klägerin in den Monaten Mai 2020 und November 2020 an ihre Arbeitnehmer ausgezahlten und in den Verdienstabrechnungen jeweils als "Sonderzahlung Corona" bezeichneten Leistungen sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) steuerpflichtiger Arbeitslohn. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG sind nicht erfüllt.
Nach § 3 Nr. 11a EStG sind die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 1. März 2020 bis zum 31. März 2022 auf Grund der Corona-Krise an seine Arbeitnehmer in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährten Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500 EUR steuerfrei.
Diese Regelung wurde aus Gründen der Rechtssicherheit durch das Corona-Steuerhilfegesetz (Corona-SteuerhilfeG) vom 19. Juni 2020 nachträglich eingeführt (vgl. auch BT-Drs. 19/19601, S. 21, 33, BGBl I 2020, 1385). Die Vorschrift soll nach § 52 Abs. 1 EStG erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2020 anwendbar sein. Der Anwendungszeitraum der Steuerbefreiung wurde vom 31. Dezember 2020 durch das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) vom 21. Dezember 2020 bis zum 30. Juni 2021 (vgl. BGBl I 2020, 3096) sowie durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) vom 2. Juni 2021 bis zum 31. März 2022 verlängert (vgl. BGBl I 2021, 1259). § 3 Nr. 11a EStG ist lex specialis zu § 3 Nr. 11 EStG (vgl. Ross in Frotscher/Geurts, EStG, Stand 21. Juli 2021, § 3 Nr. 11a, Rz. 1; Seifert DStZ 2021, 115 (117); BMF-Schreiben vom 26. Oktober 2020 IV C 5 - S 2342/20/10012, BStBl I 2020, 1227).
Zuvor hatte das Bundesministerium der Finanzen das BMF-Schreiben vom 9. April 2020 (IV C 5 - S 2342/20/10009, BStBl. I 2020, 503) veröffentlicht, welches ausweislich der Überschrift zur Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise eine Steuerbefreiung für Arbeitnehmer vorsah. Nach diesem Schreiben konnten Arbeitgeber Beihilfen und Unterstützungen auf Grund der Corona-Krise bis zu einem Betrag von 1.500 EUR nach § 3 Nr. 11 EStG an ihre Arbeitnehmer steuerfrei in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewähren. Voraussetzung sei, dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werde. Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Betroffenheit durch die Corona-Krise sollte allgemein unterstellt werden können, dass ein die Beihilfe und Unterstützung rechtfertigender Anlass i.S.d. R 3.11 Abs. 2 Satz 1 LStR vorliege. Die in R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 LStR genannten Voraussetzungen bräuchten nicht erfüllt werden. Die steuerfreien Leistungen seien im Lohnkonto aufzuzeichnen. Wegen der Einführung des § 3 Nr. 11a EStG wurde das BMF-Schreiben durch das BMF-Schreiben vom 26. Oktober 2020 (IV C 5 - S 2342/20/10012, BStBl I 2020, 1227) ersetzt. Nach diesem sei für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung Voraussetzung, dass die Beihilfen und Unterstützungen zur Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise und zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet worden seien.
a) Die Beihilfen und Unterstützungen müssen dem Arbeitnehmer im Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 31. März 2022 gewährt worden sein. Angesichts des gesetzlichen Wortlauts müssen die Leistungen in diesem Zeitraum tatsächlich zugeflossen sein (vgl. auch Valta in Brandis/Heuermann, 171. EL März 2024, EStG, § 3 Nr. 11a, Rn. 8; von Beckerath in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, § 3, Rn. 29e).
b) Die Beihilfen und Unterstützungen müssen dem Arbeitnehmer in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährt worden sein.
aa) Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Sonderleistungen als Beihilfe oder Unterstützung gewährt haben.
(1) In Anlehnung an den Begriff der Beihilfe in § 3 Nr. 11 EStG muss es sich für Zwecke der Beihilfe i.S.d. § 3 Nr. 11a EStG um eine freiwillige, einseitige, unentgeltliche und uneigennützige Unterstützung ohne Gegenleistungscharakter für die erbrachte Arbeitsleistung handeln. Eine Beihilfe i.S.d. § 3 Nr. 11a EStG soll wegen dessen Zielrichtung aber auch anzunehmen sein, wenn die betreffende Leistung vertraglich vereinbart wurde (vgl. Levedag in BeckOK, EStG, Stand 15. März 2024, § 3 Nr. 11a, Rn. 23 f; von Beckerath in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, § 3, Rn. 29b).
(2) Unter dem Begriff der Unterstützung ist inhaltsgleich Hilfe oder Beihilfe zu verstehen. Eine individuelle Unterstützungsbedürftigkeit sollte angesichts der Entstehungsgeschichte und der Zweckrichtung des § 3 Nr. 11a EStG nicht erforderlich sein (vgl. Levedag in BeckOK, EStG, Stand 15. März 2024, § 3 Nr. 11a, Rn. 24; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, April 2022, § 3 Nr. 11a, Rn. 2; von Beckerath in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, § 3, Rn. 29b). Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Steuerbefreiung insbesondere Angehörige der Heil- und Pflegeberufe sowie Supermarktangestellte als Anerkennung ihrer Leistungen während der Corona-Pandemie zu begünstigen. Aus den Gesetzesmaterialien ist nicht ersichtlich, dass einzelne Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmergruppen von der Steuerbefreiung ausgeschlossen werden sollten. Eine abstrakte Betroffenheit der Arbeitnehmer durch die Corona-Pandemie soll daher genügen (vgl. Levedag in BeckOK, EStG, Stand 15. März 2024, § 3 Nr. 11a, Rn. 24; Ross in Frotscher/Geurts, EStG, Stand 21. Juli 2021, § 3 Nr. 11a, Rz. 8).
bb) Die Leistungen müssen in Form von Zuschüssen oder Sachbezügen gewährt werden.
Sachbezüge sind nach § 8 Abs. 2 EStG Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, April 2022, § 3 Nr. 11a, Rn. 2; von Beckerath in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, § 3, Rn. 29c). Unter den Begriff der Zuschüsse i.S.d. § 3 Nr. 11a EStG sind in Abgrenzung zu den Sachbezügen und in Anlehnung an die Regelung in § 3 Nr. 15 EStG zu Fahrtkostenzuschüssen des Arbeitgebers und in § 3 Nr. 28a EStG zu Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld zusätzlich zum Arbeitsentgelt gewährte Geldleistungen zu verstehen (vgl. auch BT-Drs. 19/19601, S. 37; Valta in Brandis/Heuermann, 171. EL März 2024, EStG, § 3 Nr. 11a, Rn. 5; von Beckerath in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, § 3, Rn. 29c; Levedag in Schmidt, 41. Aufl. 2022, EStG, § 3, Rn. 48).
c) Die Leistungen müssen nach § 3 Nr. 11a EStG zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden.
aa) Durch Urteile vom 1. August 2019 änderte der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung hinsichtlich des Zusätzlichkeitskriteriums (vgl. BFH, Urteile vom 1. August 2019 - VI R 32/18 -, BFHE 265, 513, BStBl II 2020, 106; vom 1. August 2019 - VI R 21/17 -, juris; vom 1. August 2019 - VI R 40/17 -, juris). Nach diesen Entscheidungen sollte nunmehr zusätzlicher Arbeitslohn vorliegen, wenn die Leistung verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Ohnehin geschuldeter Arbeitslohn sei derjenige Lohn, den der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erbringe. Es komme nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch habe. Freiwilligkeit und Zusätzlichkeit schließen einander nicht aus. Neben eine Zahlung, auf die ein verbindlicher Rechtsanspruch bestehe, könne eine weitere ebenfalls arbeitsrechtlich geschuldete Leistung hinzutreten.
Ein Lohnformenwechsel, d.h. die Umwandlung von Arbeitslohn in begünstigte Zusatzleistungen, sei nicht grundsätzlich begünstigungsschädlich. Es seien aber diejenigen Gehaltsumwandlungen auszuschließen, bei denen eine Anrechnung auf den unverändert bestehenden Lohnanspruch erfolge. So könne erreicht werden, dass die Steuerbefreiung allein ihrer Zweckbestimmung zugutekomme und Leistungen, die unter Anrechnung auf den vereinbarten Arbeitslohn oder durch Umwandlung (Umwidmung) des vereinbarten Arbeitslohns erbracht werden, nicht steuerfrei gestellt werden. In Anrechnungs-/ Verrechnungsfällen werde nicht "zusätzlich zum", sondern "ersatzweise an Stelle von" regelbesteuertem Arbeitslohn geleistet. Dem Arbeitgeber sei es damit verwehrt, einseitig, d.h. ohne Vertragsänderung, eine im Hinblick auf die vorhandenen Begünstigungstatbestände optimierte Berechnung der Lohnsteuer zu bewirken.
Das Zusätzlichkeitserfordernis sei auf den Zeitpunkt der Lohnzahlung zu beziehen.
bb) Durch BMF-Schreiben vom 5. Februar 2020 (IV C 5-S 2334/19/10017, BStBl I 2020, 222) hat die Finanzverwaltung die Voraussetzungen des Zusätzlichkeitskriteriums im Vorgriff auf eine entsprechende Gesetzesänderung abweichend von der BFH-Rechtsprechung neu gefasst. Demnach soll eine zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährte Leistung vorliegen, wenn die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet, der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt, die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht werde. Dies soll unabhängig davon gelten, ob der Arbeitslohn tarifgebunden ist. Laut BMF-Schreiben vom 5. Januar 2022 soll die Regelung in allen offenen Fällen der Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2019 anzuwenden sein (IV C 5 - S2334/19/10017, BStBl I 2022, 61).
cc) Mit dem JStG 2020 vom 21. Dezember 2020 (vgl. BT-Drs. 19/22850, S. 82; BR-Drs. 503/20, S. 85 f.) hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 8 Abs. 4 EStG eine nähere Definition des Zusätzlichkeitskriteriums eingeführt, welche für sämtliche Vorschriften des EStG gelten soll (vgl. BT-Drs. 19/22850, S. 83; BR-Drs. 503/20, S. 86). Laut Gesetzesbegründung soll durch die gesetzliche Neuregelung eine Gleichbehandlung tarifgebundener und nicht tarifgebundener Arbeitnehmer erreicht werden. Ferner soll die Möglichkeit einer steuerfreien Gehaltsumwandlung ausgeschlossen werden (vgl. BT-Drs. 19/22850, S. 82 f.; BT-Drs. 19/25160, S. 188; BR-Drs. 503/20, S. 85 f). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 8 Abs. 4 EStG für alle Leistungen gelten, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern nach dem 31. Dezember 2019 zuwendet (vgl. BT-Drs. 19/22850, S. 83; BT-Drs. 19/23551, S. 13; BR-Drs. 503/20, S. 86; so auch BMF-Schreiben vom 5. Januar 2022 IV C 5 - S2334/19/10017, BStBl I 2022, 61; kritisch Seer in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, § 8, Rn. 61).
dd) Gemäß § 8 Abs. 4 EStG werden Leistungen des Arbeitsgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn die Leistungen nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet, der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt, die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird. Unter diesen Voraussetzungen ist von einer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Leistung auch dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder auf Grund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage (wie Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Gesetz) einen Anspruch auf diese hat.
d) Die Leistungen müssen nach § 3 Nr. 11a EStG auf Grund der Corona-Krise gezahlt werden.
Soweit ersichtlich, wird das Merkmal der Gewährung der Leistung auf Grund der Corona-Krise nicht einheitlich ausgelegt.
aa) Das vom Bundesministerium der Finanzen am 9. April 2020 (IV C 5 - S 2342/20/10009, BStBl I 2020, 503) veröffentlichte Schreiben betraf die Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise für Arbeitnehmer (Steuerbefreiung für Beihilfen und Unterstützungen). In diesem war ausdrücklich bestimmt, dass der die Beihilfe und Unterstützung rechtfertigende Anlass im Sinne der R 3.11 Abs. 2 S. 1 LStR aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Betroffenheit durch die Corona-Krise allgemein unterstellt werden könne (so auch Hechtner, NWB 17/2020, 1248 (1256)). Die in R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 LStR genannten Voraussetzungen müssten nicht erfüllt werden.
bb) In den FAQ des Bundesministeriums der Finanzen (FAQ "Corona" (Steuern) Stand 21. März 2023 unter VI. Nr. 1, Nr. 3) wird vertreten, dass der Zweck der Sonderleistung darin bestehen müsse, die coronabedingten Folgen für den Arbeitnehmer abzumildern. Leistungen des Arbeitgebers, die nur anlässlich der Pandemie innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitraums geleistet würden oder erdiente Leistungen, die auf anderen Vereinbarungen beruhten, unterfielen demnach nicht der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG. Die Steuerbefreiung sei im Falle eines Gehaltsverzichts oder einer Gehaltsumwandlung ausgeschlossen (FAQ "Corona" (Steuern) Stand 21. März 2023 unter VI. Nr. 1, Nr. 3). Der Zusammenhang der Leistungen mit der Corona-Krise könne sich aus einzelvertraglichen Vereinbarungen, aus ähnlichen Vereinbarungen (z.B. Tarifvertrag, gesonderte Betriebsvereinbarungen) oder aus Erklärungen des Arbeitgebers (z.B. individuelle Lohnabrechnungen oder Überweisungsbelege, in denen die Corona-Sonderzahlungen als solche ausgewiesen sind) ergeben (FAQ "Corona" (Steuern) Stand 21. März 2023 unter VI. Nr. 18).
cc) Nach der, soweit ersichtlich, in der steuerrechtlichen Literatur überwiegend vertretenen Auffassung handelt es sich bei diesem Merkmal um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Demnach müssten für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG die Leistungen auf Grund der Corona-Krise gewährt werden. Diese müssten also geleistet werden, um die beim Arbeitnehmer durch die Corona-Krise verursachten Belastungen auszugleichen bzw. abzumildern. Erforderlich sei danach eine Zweckbestimmung der Leistungen. Der Bezug der Leistungen zur Corona-Pandemie könne beispielsweise durch die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen hergestellt werden (Levedag in BeckOK, EStG, Stand 15. März 2024, § 3 Nr. 11a, Rn. 7, 37; Ross in Frotscher/Geurts, EStG, Stand 21. Juli 2021, § 3 Nr. 11a, Rz. 7 f; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, April 2022, § 3 Nr. 11a, Rn. 2; von Beckerath in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, § 3, Rn. 29d; Levedag in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 3, Rn. 48). Eine Einschränkung auf bestimmte Berufsgruppen sei nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht vorgesehen. Es werde auch nicht vorausgesetzt, dass einzelne Arbeitnehmer konkrete Nachteile erlitten hätten bzw. besonderen Belastungen ausgesetzt gewesen seien (vgl. ArbG Bautzen, Urteil vom 17. März 2021 - 3 Ca 3145/20 -, juris; Levedag in BeckOK, EStG, Stand 15. März 2024, § 3 Nr. 11a, Rn. 7; von Beckerath in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, § 3, Rn. 29d; Haversath in Wagner, Lohnsteuer, 3. Edition 2024, F. Steuerfreiheit von Arbeitslohn, Rn. 77).
dd) Daneben wird in der steuerrechtlichen Literatur die Ansicht vertreten, dass das Merkmal "auf Grund der Corona-Krise" der gesetzlichen Erläuterung des Normzwecks diene und keine eigenständige Regelungswirkung habe. Demnach könne die Steuerbefreiung auch für zusätzliche Leistungen ohne konkreten sachlichen Bezug zur Corona-Krise in Betracht kommen (vgl. Valta in Brandis/Heuermann, EStG, 171. EL März 2024, § 3 Nr. 11a, Rn. 7; Hechtner, NWB 25/2020, 1826 (1830)).
e) Die Leistungen sind bis zu einem Betrag in Höhe von insgesamt 1.500 EUR steuerfrei (Freibetrag). Dieser Betrag soll in dem gesetzlich genannten Zeitraum pro Dienstverhältnis nur einmalig gelten (vgl. BT-Drs. 19/25160, S. 192; Levedag in BeckOK EStG, Stand 15. März 2024, § 3 Nr. 11a, Rn. 40; von Beckerath in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, § 3, Rn. 29h; Haversath in Wagner, Lohnsteuer, 3. Edition 2024, F. Steuerfreiheit von Arbeitslohn, Rn. 77). Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG kann im gesetzlich bestimmten Zeitraum mehrfach angewendet werden. Eine Aufteilung des Freibetrags ist möglich (vgl. auch FAQ "Corona" (Steuern) Stand 21. März 2023 unter VI. Nr. 4; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, April 2022, § 3 Nr. 11a, Rn. 2).
Die steuerfreien Leistungen sind nach den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 9. April 2020 sowie in § 4 Abs. 2 Nr. 4 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) im Lohnkonto aufzuzeichnen (vgl. auch Haversath in Wagner, Lohnsteuer, 3. Edition 2024, F. Steuerfreiheit von Arbeitslohn, Rn. 77). Der Zusammenhang der Leistungen mit der Corona-Krise ist durch geeignete Unterlagen nachzuweisen (vgl. auch FAQ "Corona" (Steuern) Stand 21. März 2023 unter VI. Nr. 18; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, April 2022, § 3 Nr. 11a, Rn. 2). Auf der Lohnsteuerbescheinigung sind diese Leistungen hingegen nicht auszuweisen (vgl. Seifert DStZ 2021, 115 (116)).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen hinsichtlich der von der Klägerin an ihre Arbeitnehmer als "Sonderzahlung Corona" bezeichneten Leistungen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG nicht vor.
a) Die mit dem Corona-SteuerhilfeG vom 19. Juni 2020 in § 3 Nr. 11a EStG eingeführte Steuerbefreiung für Corona-Sonderzahlungen ist dem Grunde nach auf die seitens der Klägerin im Mai 2020 und in November 2020 geleisteten Sonderzahlungen (rückwirkend) anwendbar.
Die Regelung soll nach § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2020 gelten (so auch Levedag in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 3, Rn. 48). Für eine Anwendung der Vorschrift für den Lohnzahlungszeitraum Mai 2020 spricht bereits deren Wortlaut. Denn die Steuerbefreiung bezieht sich ausdrücklich auf Leistungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer, die ab dem 1. März 2020 gewährt werden. Auch der Sinn und Zweck der Steuerbefreiung legt eine solche Auslegung nahe. Der Gesetzgeber wollte (freiwillige) Leistungen von Arbeitgebern, die diese zur Abmilderung der besonderen Belastungen der Arbeitnehmer durch die Corona-Pandemie gewähren, im Wege der Steuerfreistellung begünstigen. Es besteht somit schon zeitlich ein Zusammenhang mit den insbesondere durch den ersten Lockdown im März 2020 aufgrund des Coronavirus eingetretenen Folgen. Ausweislich der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber überdies im Interesse einer umfassenden Rechtssicherheit nachträglich, d.h. mit zeitlichem Versatz (zur Regelung im BMF-Schreiben vom 9. April 2020), eine eigenständige gesetzliche Regelung schaffen (vgl. BT-Drs. 19/19601, S. 33). Auch systematische Gründe sprechen für eine Anwendung der Steuerbefreiung im Lohnzahlungszeitraum Mai 2020. Denn Schuldner der Lohnsteuer ist der Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach § 38a Abs. 1 EStG handelt es sich um eine Jahressteuer, welche nach dem im Kalenderjahr bezogenen Arbeitslohn bemessen wird. Gemäß § 42b Abs. 1 EStG besteht die Möglichkeit bzw. Verpflichtung zur Durchführung eines Lohnsteuer-Jahresausgleich durch den Arbeitgeber.
b) Die Corona-Sonderzahlungen wurden auch im (nunmehr) nach § 3 Nr. 11a EStG maßgeblichen Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 31. März 2022 ausgezahlt. Die streitigen, als Corona-Sonderzahlung bezeichneten Leistungen zahlte die Klägerin im Mai 2020 sowie im November 2020 an ihre Arbeitnehmer aus.
c) Die von der Klägerin in den Monaten Mai 2020 und November 2020 jeweils geleistete "Sonderzahlung Corona" wurde als Beihilfe in Form eines Zuschusses gewährt.
aa) Die Leistungen im Mai 2020 und November 2020 stellen eine Beihilfe dar. Es ergaben sich für den Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Gegenleistungen für die seitens des Arbeitnehmers erbrachten Arbeitsleistungen darstellen sollten. Die Sonderzahlungen wurden nicht bereits im Arbeitsvertrag vereinbart (vgl. § 4 und § 5 des Arbeitsvertrags). Sie wurden in Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Arbeitgeberin im Jahr 2020 sowie der Betriebszugehörigkeit bzw. der Krankheitstage des jeweiligen Arbeitnehmers gewährt.
bb) Die Leistungen erfolgten in Form eines Zuschusses. Die Klägerin gewährte ihren Arbeitnehmern die Corona-Sonderzahlung als Geldleistung. Sie überwies diese jeweils zusammen mit dem Arbeitsentgelt für die Monate Mai 2020 und November 2020.
d) Die von der Klägerin in den Monaten Mai 2020 und November 2020 als Corona-Sonderzahlung bezeichneten Zahlungen stellen jedoch keine zusätzlich zum Arbeitslohn geschuldeten Leistungen dar.
aa) Im Ergebnis kann der Senat offenlassen, ob die mit dem JStG 2020 eingeführte Vorschrift des § 8 Abs. 4 EStG bereits für die im Streitfall vorliegenden Lohnzahlungszeiträume Mai 2020 und November 2020 anwendbar ist. Denn nach Überzeugung des Senats wurden die von der Klägerin in den Monaten Mai und November 2020 geleisteten "Corona-Sonderzahlungen" weder nach den von der Rechtsprechung zur vorherigen Rechtslage aufgestellten Voraussetzungen noch nach § 8 Abs. 4 EStG zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht.
Für eine Anwendung des § 8 Abs. 4 EStG in den Lohnzahlungszeiträumen Mai 2020 und November 2020 spricht aus Sicht des Senats der explizit geäußerte Wille des Gesetzgebers in seiner Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 19/22850, S. 83; BT-Drs. 19/23551, S. 13; BR-Drs. 503/20, S. 86). Nach dieser soll die Vorschrift für alle Leistungen des Arbeitsgebers gelten, die in einem nach dem 31. Dezember 2019 endenden Lohnzahlungszeitraum zugewendet werden. Überdies soll die Regelung gemäß § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2020 gelten.
bb) Die Voraussetzungen des Zusätzlichkeitskriteriums nach § 8 Abs. 4 EStG sind nicht erfüllt. Das Urlaubsgeld und die Bonuszahlung wurden aus Gründen der Steueroptimierung zumindest teilweise als steuerbegünstigte Corona-Sonderzahlung deklariert.
(1) Der einzelne Mitarbeiter hat jedenfalls durch das ausgehängte Informationsschreiben "Sonderzahlungen" vom 19. Mai 2020 einen Rechtsanspruch auf die Gewährung eines Urlaubsgeldes und einer Bonuszahlung erworben. Das Informationsschreiben "Sonderzahlungen" ist nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, dass die Klägerin an ihre Arbeitnehmer unter den genannten Bedingungen im Jahr 2020 ein Urlaubsgeld und eine Bonuszahlung in Höhe von jeweils 50 % des Bruttogehaltes, das Urlaubsgeld mit maximal 1.328 EUR, leistet. Die Klägerin schuldete ihren Arbeitnehmern damit im Jahr 2020 ein Urlaubsgeld und eine Bonuszahlung in der sich nach den Vorgaben des Informationsschreibens zu berechnenden Höhe.
(2) Der als Corona-Sonderzahlung bezeichnete Teilbetrag stellt keine zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährte Leistung dar. Denn mit dem Informationsschreiben "Sonderzahlungen" wurde ein Anspruch auf Urlaubsgeld und eine Bonuszahlung begründet, der durch die Klägerin lediglich teilweise unter der Bezeichnung "Corona-Sonderzahlung" ausgezahlt wurde. Über diese anderweitige Bezeichnung der Gehaltsbestandteile "Urlaub" setzte die Klägerin die Mitarbeiter durch das Informationsschreiben "Sonderregelung Urlaubsgeld 2020" in Kenntnis. So führte die Klägerin darin aus, dass ein Teil des Urlaubsgeldes als Corona-Sonderzahlung ausgewiesen werde. Diese werde steuerfrei geleistet. Die Mitarbeiter erhielten auf diese Weise eine höhere Netto-Auszahlung der Urlaubsgeldzahlung. Das auf der Abrechnung ausgewiesene Urlaubsgeld und die Corona-Sonderzahlung ergeben die Gesamtsumme Urlaubsgeld. Nach dem Vortrag der Klägerin wurde in Bezug auf die Bonuszahlung entsprechend verfahren. Die Klägerin setzte auf diese Weise den vertraglich geschuldeten Arbeitslohn (hier: Urlaubsgeld und Bonuszahlung) zugunsten der Sonderzahlung Corona teilweise herab (§ 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG).
cc) Auch unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs läge keine zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistung vor.
Zwar ist nach dieser ein Lohnformenwechsel in begünstigten Arbeitslohn nicht per se ausgeschlossen. Aber die reine Umwandlung des Gehalts verstößt auch nach vorheriger Rechtslage gegen das vom Gesetzgeber verfolgte Anrechnungsverbot (vgl. BT-Drs. 16/10189, S. 47; BT-Drs. 12/5764, S. 22). Vorliegend leistete die Klägerin die Corona-Sonderzahlung ersatzweise anstelle von Urlaubsgeld und Bonuszahlung, welche der Regelbesteuerung unterliegen. Die Steuerbefreiung wurde einseitig angewendet, um auf diese Weise einen steueroptimierten, höheren Nettobetrag auszahlen zu können. Der Senat konnte überdies auch nicht erkennen, dass die Klägerin ihren Mitarbeitern die Corona-Sonderzahlung zweckgebunden gewährte (siehe auch unter I. 2. e)). Der Zweck der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG, die Belastungen der Arbeitnehmer durch die Corona-Krise abzumildern, würde durch die Umwandlung des vereinbarten Arbeitslohns gerade nicht erreicht werden.
e) Nach Überzeugung des Senats zahlte die Klägerin die Sonderleistungen zudem nicht auf Grund der Corona-Krise an die Arbeitnehmer aus.
aa) Der Senat schließt sich der herrschenden Auffassung an, dass es sich um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal der Regelung in § 3 Nr. 11a EStG handelt und dieses nicht nur der Erläuterung des Normzwecks dient. Dafür sprechen aus Sicht des Senats neben dem klaren Wortlaut der Vorschrift ("auf Grund der Corona-Krise") der Sinn und Zweck der Steuerbefreiung sowie dessen Entstehungsgeschichte. Der Gesetzgeber führte die Regelung des § 3 Nr. 11a EStG mit dem Corona-SteuerhilfeG im Interesse einer umfassenden Rechtssicherheit ein. Ziel war es nach der Gesetzesbegründung die mit dem Erlass des BMF-Schreibens vom 9. April 2020 bestehenden Unsicherheiten (insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG und den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung nach § 85 Satz 1 der Abgabenordnung (AO)) zu beseitigen. Abweichend von der seitens der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben geschaffenen Regelung, welche den die Steuerbefreiung rechtfertigenden Anlass der Leistung aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Betroffenheit durch die Corona-Krise unterstellte, sieht die mit dem Corona-SteuerhilfeG in § 3 Nr. 11a EStG seitens des Gesetzgebers eingeführte Regelung zusätzlich die Formulierung "auf Grund der Corona-Krise" ausdrücklich vor. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber diesem Merkmal eine eigenständige Wirkung beimessen wollte und von einer pauschalen Annahme der Betroffenheit der Arbeitnehmer Abstand nahm. Zudem sollte die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG nach dem Willen des Gesetzgebers als Ausgleich für die durch die Corona-Pandemie bedingten persönlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen gewährt werden und die durch diese entstandenen zusätzlichen Belastungen abmildern. Auch dies legt eine einschränkende Auslegung der Steuerbefreiungsvorschrift nahe.
bb) Die Klägerin erbrachte die im Mai 2020 als Corona-Sonderzahlung gewährte Leistung nicht auf Grund der Corona-Krise. Aus den Gesamtumständen ergibt sich nicht, dass die Corona-Sonderzahlung im Mai 2020 zur Abmilderung der Belastungen der Arbeitnehmer durch die Corona-Pandemie geleistet wurde.
Zwar wird die Leistung in den Verdienstabrechnungen als "Sonderzahlung Corona" offen ausgewiesen und auf diese Weise ein Bezug zur Corona-Pandemie hergestellt. Die Gewährung der Leistung erfolgte im Mai 2020, d.h. zu einem Zeitpunkt, an dem der Coronavirus insbesondere durch die angeordneten Lockdowns starken Einfluss auf das öffentliche Leben in Deutschland hatte.
Aus den Äußerungen der Klägerin gegenüber ihren Mitarbeitern lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass die als Corona-Sonderzahlung deklarierte Leistung die bei den Arbeitnehmern durch die Corona-Pandemie verursachten (Arbeits-)Belastungen abmildern sollte. Aus dem Informationsschreiben vom 19. Mai 2020 geht vielmehr hervor, dass die Klägerin - wie in den Vorjahren - im Monat Mai tatsächlich Urlaubsgeld auszahlte.
Dafür spricht die in den Informationsschreiben verwendete Wortwahl. Die Sonderzahlung im Mai 2020 wird in den Schreiben ausschließlich als "Sonderzahlung / Urlaubsgeld" bezeichnet und als solche besonders hervorgehoben (Schriftart fett). Die Bezeichnung Corona-Sonderzahlung wird seitens des Arbeitgebers dagegen nicht verwendet. Überdies werden im Informationsschreiben "Sonderzahlungen" nur zwei Sonderzahlungen, d.h. Urlaubsgeld und Bonus, beschrieben. Dass es sich um Urlaubsgeld, eine Corona-Sonderzahlung im Monat Mai sowie einen Bonus und eine Corona-Sonderzahlung im Monat November 2020 handeln soll, wird dadurch nicht deutlich.
Aus den Erläuterungen im Informationsschreiben "Sonderzahlungen" lässt sich auch nicht entnehmen, dass Zweck der Sonderzahlung bzw. eines Teils der Leistung die Abmilderung der besonderen Belastungen der Arbeitnehmer wegen der Corona-Krise sein sollte. Es wird zunächst darauf hingewiesen, dass es unter guten wirtschaftlichen Voraussetzungen zwei einmalige Sonderzahlungen pro Jahr gebe. Die Klägerin macht damit deutlich, dass die Sonderzahlungen vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens (im Jahr der Gewährung der Leistung) abhängig sind. Die Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus werden nicht erwähnt. Ein Bezug der Sonderzahlungen zur Corona-Pandemie wird auf diese Weise nicht hergestellt. Nach dem eindeutigen Wortlaut sollen mit dem Informationsschreiben "Sonderzahlungen" nur die Regelungen zur Ausführung bzw. Errechnung der beiden Sonderzahlungen im Jahr 2020 beschrieben werden. Dass die Sonderzahlungen einem besonderen Zweck dienten, geht aus dem Aushang nicht hervor.
Auch die Berechnungsmethode bzw. die Auszahlungsmodalitäten lassen eine besondere Zweckbestimmung der Sonderzahlung "Urlaubsgeld" nicht erkennen. Die Gewährung der Sonderzahlung war allein von der Art der Beschäftigung sowie dem Zeitpunkt der Einstellung des Arbeitsnehmers abhängig. Nach den Ausführungen im Informationsschreiben sollte die Sonderzahlung Urlaubsgeld unabhängig von etwaigen Krankheitszeiträumen erfolgen. Voraussetzung sei, dass der Arbeitnehmer spätestens im Januar 2020 eingestellt worden sei. Befristet angestellte Mitarbeiter bekämen eine anteilige Auszahlung. An geringfügig Beschäftigte erfolge die Auszahlung erst zum Jahresende. Mitarbeiter, die sich außerhalb des Lohnfortzahlungszeitraums befänden, sollten die Sonderzahlung Urlaubsgeld nicht erhalten. Auch die Höhe der Leistung wurde grundsätzlich nach dem Bruttogehalt bemessen (50 %, maximal 1.328 EUR). Eine konkrete Leistung oder besondere Belastungen des einzelnen Arbeitnehmers während bzw. auf Grund der Corona-Krise (d.h. insbesondere in den Monaten März bis Mai 2020) setzte die Klägerin hingegen nicht voraus.
Aus der "internen Info Sonderregelung Urlaubsgeld 2020" wird eine Zweckbestimmung der Sonderzahlung nicht hinreichend deutlich. Die Klägerin erwähnt in diesem zwar, dass das Jahr 2020 wegen Corona ungewöhnlich sei und sie deswegen einen Teil des Urlaubsgeldes als Corona-Sonderzahlung ausweisen und steuerfrei auszahlen werde. Sie weist darauf hin, dass die Arbeitnehmer im Ergebnis eine höhere Netto-Auszahlung der Urlaubsgeldzahlung haben werden. Die Gesamtsumme Urlaubsgeld setze sich im Jahr 2020 aus dem in der Abrechnung als Urlaubsgeld ausgewiesenen Betrag sowie dem als Corona-Sonderzahlung bezeichneten Betrag zusammen. Nach dem klaren Wortlaut dieses Informationsschreibens zahlte die Klägerin aber dem Grunde nach ausschließlich Urlaubsgeld aus. Ein Teil der Sonderzahlung wurde nur wegen der für Corona-Sonderzahlung nach § 3 Nr. 11a EStG bestehenden Steuerbefreiungsmöglichkeit in eine Corona-Sonderzahlung umbenannt und als solche in der Verdienstabrechnung ausgewiesen. Das Wesen der Sonderzahlung blieb dabei aber unverändert. Zweck der Leistung war damit zumindest nicht die Abmilderung der den Arbeitnehmern auf Grund der Corona-Krise entstandenen Belastungen.
cc) Die Klägerin erbrachte auch die im November 2020 als Corona-Sonderzahlung ausgewiesene Bonuszahlung nach den Gesamtumständen nicht auf Grund der Corona-Krise.
Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG wäre bereits ausgeschlossen, wenn die Leistung vor dem 1. März 2020 vereinbart worden wäre. Dagegen spricht zumindest, dass für die Bonuszahlung 2020 im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2019 keine (anteilige) Rückstellung gebildet wurde.
Die Leistung wurde, nach Aussage der Klägerin entsprechend der Sonderzahlung im Mai 2020, in der Verdienstabrechnung für den Monat November 2020 bei den Arbeitnehmern offen als "Sonderzahlung Corona" ausgewiesen. Auf diese Weise wurde ein Zusammenhang zwischen der Bonuszahlung und der Corona-Pandemie hergestellt.
Die Leistungsgewährung erfolgte im November 2020, d.h. zu einem Zeitpunkt der Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus (zweiter Lockdown). Über die Gewährung einer Sonderzahlung (als "Bonuszahlung") im November 2020 wurden die Mitarbeiter aber bereits im Mai 2020 informiert. Zu diesem Zeitpunkt waren die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie und die damit verbundenen Belastungen der Arbeitnehmer im Verlauf des Jahres 2020 aber noch gar nicht absehbar. Ein weiteres Informationsschreiben, welches einen Zusammenhang der im November 2020 gewährten Sonderzahlung mit der Corona-Krise herstellen könnte, wurde an die Mitarbeiter nach Vortrag der Klägerin nicht ausgegeben.
Dass die Bonuszahlung der Abmilderung der besonderen Belastungen der Arbeitnehmer auf Grund der Corona-Krise diente, lässt sich den Äußerungen der Klägerin gegenüber ihren Mitarbeitern im Informationsschreiben auch nicht entnehmen. Nach der "Internen Info Sonderzahlungen" vom 19. Mai 2020 handelt es sich bei der im November 2020 ausgezahlten Leistung dem Grunde nach um eine reine Bonuszahlung.
Für eine solche Auslegung spricht die im Informationsschreiben verwendete Wortwahl. Die Sonderzahlung im November 2020 wird in diesem Schreiben ausschließlich als "Sonderzahlung / Bonus" bezeichnet. Der Begriff wird in diesem besonders hervorgehoben (Schriftart fett). Die Bezeichnung Corona-Sonderzahlung wird hingegen nicht verwendet. In dem Informationsschreiben werden zudem nur zwei Sonderzahlungen, d.h. Urlaubsgeld und Bonus, erwähnt. Dass die (einheitliche) Sonderzahlung im November tatsächlich aus einem Bonus und einer Corona-Sonderzahlung bestehen soll, ist nicht erkennbar.
Auch aus den besonderen Ausführungen zur "Sonderzahlung / Bonus" wird nicht deutlich, dass neben dem bereits in den Vorjahren als Sonderzahlung ausgezahlten Bonus eine weitere Sonderzahlung zur Abmilderung der besonderen Belastungen der Arbeitnehmer auf Grund der Corona-Krise erbracht werden soll. Im Informationsschreiben werden in erster Linie die Regelungen zur Ausführung bzw. Errechnung der Sonderzahlung Bonus im Jahr 2020 erläutert. Dass die Sonderzahlungen einem bestimmten Zweck dienen sollen, wird nicht klargestellt. Ein solcher lässt sich in Bezug auf die "Sonderzahlung / Bonus" auch nicht aus der Berechnung oder den Auszahlungsmodalitäten erkennen. Voraussetzung der Gewährung war zunächst das Erreichen der Planzahlen des Marktes bzw. des Gesamtunternehmens. Dieses Kriterium knüpft allein an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens an. Ein Bezug zur Corona-Krise lässt sich insoweit nicht herstellen. Auch darüber hinaus sah die Klägerin keine Kriterien vor, die darauf hindeuten, dass die Sonderzahlung die Abmilderung der Belastungen der Mitarbeiter auf Grund der Corona-Krise bezwecken sollte. Denn die Leistung war nur von der Art der Beschäftigung sowie dem Zeitpunkt der Einstellung (spätestens im Januar 2020) abhängig. Die Höhe der Sonderzahlung richtete sich grundsätzlich nach dem Bruttogehalt (50 %) und der Anzahl der Krankheitstage im Zeitraum vom November 2019 bis Oktober 2020. Besondere Belastungen des Arbeitnehmers durch die Auswirkungen der Corona-Krise (in den Monaten März bis Oktober 2020) setzte die Klägerin für die Gewährung der Sonderzahlung im November 2020 dagegen nicht voraus.
Nach Aktenlage wurden die Mitarbeiter der Klägerin ausschließlich durch das Informationsschreiben "Sonderzahlungen" vom 19. Mai 2020 über die im November 2020 gewährte Sonderzahlung informiert. Eine Klarstellung oder ein Hinweis, dass ein Teil der "Bonuszahlung" als "Corona-Sonderzahlung" bzw. nur wegen der Corona-Krise gewährt werde, erfolgte seitens der Klägerin insoweit nicht. Weitere Unterlagen, die die für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG erforderliche Zweckbestimmung der Sonderzahlung im November 2020 hinreichend darlegen könnten, wurden seitens der Klägerin nicht vorgelegt.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Revision war zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zuzulassen. Es ist, soweit ersichtlich, höchstrichterlich noch nicht entschieden, ab welchem Zeitpunkt die nachträglich mit dem Corona-SteuerhilfeG vom 19. Juni 2020 in § 3 Nr. 11a EStG eingeführte Steuerbefreiungsvorschrift anwendbar ist. Überdies ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob es sich bei dem Merkmal "auf Grund der Corona-Krise" im Rahmen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal oder um eine gesetzliche Erläuterung des Normzwecks handelt.