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  • 12.11.2024 · IWW-Abrufnummer 244697

    Finanzgericht Köln: Gerichtsbescheid vom 06.08.2024 – 13 K 1353/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Köln

     
    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

    1
    Tatbestand

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    Streitig ist, ob Aufwendungen für ein im September 2020 angeschafftes mobiles Raumluftreinigungsgerät als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.

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    Die verheirateten Kläger wurden im Jahr 1950 geboren. Der Kläger hatte eine Bypass-Operation am Herzen und litt im Streitjahr an einer Herzinsuffizienz, einer Niereninsuffizienz, einer Stoffwechselerkrankung sowie einer Arteriosklerose. Er war zu 60 % schwerbehindert. Die Klägerin hatte ein Mammakarzinom mit anschließender Operation. Ihr Immunsystem war stark geschwächt. Während der Corona-Pandemie schafften die Kläger sich daher am 23.09.2020 ein mobiles Raumluftreinigungsgerät mit Schallschutz zu einem Kaufpreis von ... Euro an (vgl. Bl. 52 GA).

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    Am 12.08.2022 reichten sie ihre Einkommensteuererklärung 2020 beim Beklagten ein. Darin machten sie unstreitige Krankheitskosten in Höhe von ... Euro und die Kosten für die Anschaffung des „Corona Virenfiltergeräts“ als außergewöhnliche Belastungen geltend.

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    Mit Bescheid vom 24.08.2022 wurden die Kläger zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und die Einkommensteuer in Höhe von ... Euro festgesetzt. Der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug ... Euro. Die Kosten für die Anschaffung des Raumluftreinigungsgeräts ließ der Beklagte nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zu, da die Aufwendungen nicht außergewöhnlich seien. In Zeiten der Corona-Pandemie könnten einer Vielzahl von Steuerpflichtigen Aufwendungen für Schutzmaßnahmen entstehen.

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    Dagegen legten die Kläger mit einem am 23.09.2022 eingegangenen Schriftsatz vom 20.09.2022 Einspruch ein. Die Nichtanerkennung der Kosten für den Virenfilter sei für sie nicht nachvollziehbar und angesichts ihrer Situation auch nicht gerechtfertigt. Durch das mit Beginn des Jahres 2020 plötzliche, massenhafte Auftreten des völlig neuen und bisher unbekannten Corona-Virus hätten sich die Lebensumstände vollständig verändert. Keiner habe eine genaue Aussage über die langfristige Entwicklung der Pandemie machen und kaum jemand habe belastbare Informationen über die Krankheitsgefährdung und über die Langzeitfolgen einer Erkrankung geben können. Es sei jedoch sicher erschienen, dass es sich um einen ganz gefährlichen und sehr ansteckenden Virus gehandelt habe und insbesondere ältere Personen und Personen mit Vorerkrankungen sowie mit einem weniger stark ausgebildeten Immunsystem besonders gefährdet seien. Die kurz nach Ausbrechen der Pandemie zu verzeichnenden Todesfälle und schweren Erkrankungen hätten die Befürchtungen bestätigt. Sie beide seien zum Pandemiebeginn 69 Jahre alt und schwer vorerkrankt gewesen. Eine Ansteckung hätte angesichts ihrer Vorerkrankungen mit Sicherheit zu einer schwerwiegenden und langdauernden Erkrankung, eventuell mit Todesfolge, geführt. Deshalb hätten sie sich schon im frühen Stadium der Pandemie Gedanken über die verschiedenen Schutzmöglichkeiten gemacht. Neben den allgemein üblichen Schutzmaßnahmen (Maske tragen, größere Menschenansammlungen vermeiden, Abstände einhalten etc.) hätten sie über Innenraumfilter recherchiert, da sie sich auch weiterhin u. a mit ihren Kindern und Enkelkindern hätten treffen und sich auch selbst vor eventuell von draußen in die Innenräume eingebrachten Viren hätten schützen wollen. Bei ihren Recherchen seien sie u. a. auf den …filter gestoßen, der ein entsprechendes Zertifikat (Prüfbericht gemäß EN 1822) auf Grundlage der Untersuchung der Universität der Bundeswehr München, Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik, habe aufweisen können. Bei näherer Betrachtung habe sich gezeigt, dass es sich um ein solides und sehr gutes Gerät gehandelt habe. Ihres Erachtens sei es die einzige Geräteart mit entsprechender Leistung und entsprechendem Virenschutz gewesen. Es sei kein Gerät „aus dem Baumarkt“, sondern eines mit wissenschaftlich belegter Funktion gewesen. Dieses Gerät hätten sie sehr oft eingesetzt und es werde auch weiterhin sehr oft eingesetzt. Sie gingen davon aus, dass sie das Gerät neben den zur Verfügung gestellten und von ihnen wahrgenommen Impfangeboten sowie den allgemein üblichen Schutzmaßnahmen weitestgehend vor einer Virenerkrankung geschützt habe. Die Anschaffung des Geräts habe in dieser für sie sehr außergewöhnlichen Situation der Lebensverhältnisse (Alter, erhebliche Vorerkrankungen etc.) eine notwendige, nicht voraussehbare und außergewöhnliche Maßnahme und finanzielle Belastung dargestellt, die sie vor Krankheit (und Tod) habe schützen können und weiterhin schützen werde und somit die Allgemeinheit vor hohen Kosten im Zusammenhang mit langfristigen Covid-Erkrankungen bewahre.

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    Der Einspruchsbegründung fügten die Kläger ein entsprechendes Zertifikat sowie eine Stellungnahme der Universität der Bundeswehr München (Version vom 05.08.2020) bei, worauf wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

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    Mit Schreiben vom 27.09.2022 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass ihrem Einspruch nicht entsprochen werden könne. Außergewöhnliche Belastungen lägen nur dann vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse erwüchsen. In Zeiten der Corona-Pandemie hätten einer Vielzahl von Steuerpflichtigen Aufwendungen für Schutzmaßnahmen entstehen können, so dass keine Außergewöhnlichkeit hinsichtlich dieser Kosten vorliege. Der Vortrag der Kläger, dass die Anschaffung eines wirkungsvollen Luftfilters zum Schutz ihrer Gesundheit und ihres Lebens erfolgt sei, sei zwar sehr gut nachvollziehbar. Aus denselben Gründen habe jedoch eine Vielzahl von Bürgern entsprechende Maßnahmen ergriffen. Dass die Kläger sich für einen technisch hervorragenden Hepa-Luftfilter entschieden hätten, der dementsprechend hohe Anschaffungskosten aufweise, beruhe auf persönlichen Gründen und finanziellen Möglichkeiten.

    9
    Die Kläger hielten ihren Einspruch aufrecht. Der Kläger wies mit Schreiben vom 16.10.2022 darauf hin, dass es für ihn als Hochrisikopatient (u. a. 60 % Schwerbeschädigung) zwingend notwendig sei, jegliches Gesundheitsrisiko zu vermeiden. Dazu legte er dem Beklagten eine Bestätigung seines Kardiologen vom 11.10.2022 vor. Darin wurde ihm, dem Kläger, bescheinigt, dass aufgrund der kardialen Vorerkrankung eine Risikokonstellation im Rahmen einer eventuell auftretenden Covid-Infektion vorliege. Daher „ist es und war es wünschenswert“, alle Vorsichtsmaßnahmen zur Risikominimierung zu ergreifen.

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    Mit Einspruchsentscheidung vom 05.07.2023 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Krankheitsbedingte Aufwendungen erwüchsen stets aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, soweit sie der Heilung dienten oder den Zweck verfolgten, die Krankheit erträglich zu machen. In diesem Sinne seien alle Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedürfe. Keine außergewöhnliche Belastung werde dagegen durch vorbeugende, der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahmen oder durch die mit einer Krankheit verbundenen Folgekosten begründet. Derartige, die Gesundheit allgemein fördernden Maßnahmen dienten nicht gezielt der Heilung oder Linderung von Krankheiten und fielen daher nicht unter den Begriff der Heilbehandlung in dem hier maßgeblichen Sinne. Steuerrechtlich rechneten sie zu den nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbaren Kosten der allgemeinen Lebensführung. Die Aufwendungen für die Anschaffung eines Virenfiltergeräts seien den Klägern nicht zwangsläufig erwachsen, da während der Corona-Pandemie eine Vielzahl von Steuerpflichtigen mit Vorerkrankungen hoch gefährdet gewesen sei und von einem Luftfiltergerät profitiert hätte. Die Anschaffung des Geräts gehöre zu den vorbeugenden, der Gesundheit allgemein dienenden Maßnahmen. Das Gerät diene nicht der Heilung oder dazu, eine Krankheit erträglicher zu machen. Die Anschaffung führe zu nicht abziehbaren Kosten der allgemeinen Lebensführung.

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    Dagegen haben die Kläger am 21.07.2023 Klage erhoben. Zur Begründung verweisen sie, wie bereits im Einspruchsverfahren, darauf, dass die Anschaffung des mobilen Raumluftreinigungsgeräts während der Hochphase der Corona-Pandemie notwendig erschienen sei, um sie als Hochrisiko-Patienten vor einer Infektion mit dem Corona-Virus und den nicht absehbaren, weiteren Folgen bestmöglich zu schützen. Die Aufwendungen hätten die Vermeidung einer Erkrankung an Covid bezweckt. Es habe sich letztlich um eine die Gesundheit erhaltende Maßnahme gehandelt. Das mobile Filtergerät habe dazu besonders geeignet erschienen.

    12
    Aufgrund ihrer Erkrankung und ihres Lebensalters seien sie einer besonders gefährdeten Risikogruppe zuzuordnen. Deshalb und aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen seien sie dazu gehalten gewesen, größere Aufwendungen in Form der Anschaffung des mobilen Filtergeräts erbringen zu müssen als die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse. Sie seien von den Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders betroffen gewesen. Aufgrund ihres Gesundheitszustandes seien sie nicht mit einer Vielzahl anderweitiger Steuerzahler zu vergleichen gewesen. Wegen ihres Lebensalters sowie der gesundheitlichen Einschränkungen und Vorerkrankungen seien sie ‒ im Gegensatz zu der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen ‒ zum Schutz der Gesundheit und Vermeidung weitergehender, gesundheitlich nachteiliger Folgen gehalten gewesen, die Filteranlage zu erwerben. Nur wegen der besonderen Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Umstands, dass zum damaligen Zeitpunkt Impfmöglichkeiten noch gar nicht vorhanden gewesen seien, hätten sie zum Schutz und zur Aufrechterhaltung der Gesundheit die außergewöhnlichen Aufwendungen für das Gerät tätigen müssen. Ohne die plötzlich aufgetretene Corona-Pandemie hätte das Gerät nicht angeschafft werden müssen und die Aufwendungen wären nicht entstanden. Die außergewöhnliche Belastung sei ihnen zwingend geboten erschienen, um so ihren Gesundheitszustand aufrechtzuerhalten.

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    Wenn der Beklagte im Klageverfahren auf den epidemiologischen Steckbrief des Robert-Koch-Instituts hinweise, so ergebe sich auch daraus, dass sie zu einer Risikogruppe für schwere Krankheitsverläufe bei der Corona-Pandemie gehört hätten. Die Auffassung des Beklagten, das Robert-Koch-Institut habe eine Vielzahl von Personen unter den Kreis der Risikogruppen für schwere Verläufe gefasst, sei ebenso fehlerhaft wie die Auffassung, dass die Aufwendungen allein aus diesem Grund das Merkmal „außergewöhnlich“ im Sinne des § 33 EStG nicht mehr erfüllten. Die Anzahl der vom Robert-Koch-Institut vom Kreis der Risikogruppen umfassten Bürger sei unerheblich. Das Robert-Koch-Institut habe konkrete Regeln für die Eingruppierung von Bürgern in die Risikogruppen aufgestellt. Davon seien sie, die Kläger, umfasst gewesen. Aufgrund der Zugehörigkeit zur Risikogruppe hätten sie dann außergewöhnliche Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG. Unerheblich sei insoweit die Anzahl der von der Risikogruppe umfassten Bürger. Die Filteranlage sei in besonderer Weise geeignet gewesen, die Risiken der Pandemie zu verringern bzw. zu minimieren.

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    Die Kläger beantragen sinngemäß,

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    den Einkommensteuerbescheid 2020 vom 24.08.2022 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 05.07.2023 mit der Maßgabe zu ändern, dass unter Berücksichtigung der zumutbaren Belastung die Kosten für die Anschaffung des mobilen Raumluftreinigungsgeräts in Höhe von ... Euro als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.

    16
    Der Beklagte beantragt,

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    die Klage abzuweisen.

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    Der Vortrag, es handle sich bei den Klägern um Angehörige einer besonders gefährdeten Risikogruppe, bringe keine neuen Aspekte hervor. Die Aufwendungen seien den Klägern nicht zwangsläufig entstanden, da während der Corona-Pandemie eine große Zahl von Steuerpflichtigen einem erhöhten Risiko durch eine mögliche Corona-Erkrankung ausgesetzt gewesen sein. Das Robert-Koch-Institut habe in seinem epidemiologischen Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19 unter „15. Risikogruppen für schwere Verläufe“ festgestellt, dass bei älteren Personen (ab etwa 50-60 Jahren), Männern, Rauchern, adipösen und stark adipösen Menschen, Schwangeren sowie Personen mit bestimmten Vorerkrankungen schwere Krankheitsverläufe häufiger beobachtet worden seien. Danach hätte eine Vielzahl von Steuerpflichtigen von einem Luftfiltergerät profitiert. Die Aufwendungen erfüllten nicht mehr das Merkmal „außergewöhnlich“ im Sinne des § 33 EStG. Ein solches Gerät anzuschaffen oder nicht, obliege letztlich dem jeweiligen Steuerpflichtigen selbst, weshalb die Aufwendungen dem Bereich der allgemeinen Lebensführung zugerechnet worden seien (§ 12 Nr. 1 EStG). Es werde darauf verwiesen, dass vorbeugende, der Gesundheit allgemein dienende Maßnahmen nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig seien.

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    Dass es sich um eine solche vorbeugende Maßnahme gehandelt habe, gehe auch aus der von den Klägern vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 11.10.2022 hervor, in der von „Vorsichtsmaßnahmen zur Risikominimierung“ gesprochen werde. Es sei nachvollziehbar und verständlich, dass Steuerpflichtige während einer Pandemie, in der sie zur Gruppe der durch eine Infektion gefährdeten Menschen gehörten, jede erdenkliche Vorsichtsmaßnahme träfen, um die eigene Gesundheit zu erhalten und wichtige Sozialkontakte ‒ im Fall der Kläger zu Kindern und Enkelkindern ‒ zu halten. Derartige Maßnahmen seien jedoch als außergewöhnliche Belastung nicht abziehbar, sondern gehörten zu den Kosten der privaten Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG).

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    Ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen scheide auch dann aus, wenn man mit den Klägern davon ausgehe, dass ihnen die Aufwendungen zwangsweise entstanden seien. Denn in diesem Fall müsse der gleiche Maßstab der „zwangsweisen Entstehung“ folgerichtig bei allen Steuerpflichtigen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe im gleichen Maße von der Anschaffung eines Virenfilters profitiert hätten, angelegt werden. Ginge man davon aus, dass diesen Steuerpflichtigen Aufwendungen wie die der Kläger zwangsweise entstanden wären, so wären selbigen nicht höhere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Denn in diesem Fall hätte jeder Steuerpflichtige gleicher Vermögensverhältnisse „zwangsweise“ einen solchen Virenfilter angeschafft. Es würde dann an der notwendigen Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen fehlen, denn dafür komme es nicht darauf an, ob die Aufwendungen für denjenigen, dem sie entstünden, außergewöhnlich seien, sondern darauf, dass sie in Bezug zur Vergleichsgruppe (vergleichbare Einkommensverhältnisse etc.) außergewöhnlich seien.

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    Entscheidungsgründe

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    Die Klage ist unbegründet.

    23
    Der Einkommensteuerbescheid vom 24.08.2022 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 05.07.2023 sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO ‒). Die Aufwendungen der Kläger für die Anschaffung des mobilen Raumluftreinigungsgeräts sind nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG abziehbar. Die Aufwendungen sind weder außergewöhnlich noch für die Kläger zwangsläufig.

    24
    1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastungen), so wird nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

    25
    a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen im Sinne der Legaldefinition in § 33 Abs. 1 EStG außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 10.08.2023 ‒ VI R 40/20, BFHE 281, 64, BStBl. II 2023, 1107 m. w. N.).

    26
    Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen liegen die streitbefangenen Aufwendungen für den Erwerb des Raumluftreinigungsgeräts nicht außerhalb des Üblichen. Ausschlaggebend ist für den Senat, dass die Corona-Pandemie mit ihren unstreitig einschneidenden Auswirkungen nahezu alle Steuerpflichtigen traf. Treffen jedoch größere oder globale Katastrophen die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen, so sind die dadurch veranlassten Aufwendungen nicht mehr außergewöhnlich. Die Vorschrift des § 33 Abs. 1 EStG ist demzufolge nicht anzuwenden, wenn die Aufwendungen durch elementare Ereignisse großen Ausmaßes und deren Folgen verursacht sind und nicht nur eine kleine Minderheit, sondern einen großen Kreis von Geschädigten betreffen, wie dies bei einer Pandemie der Fall ist (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 325. Lfg., § 33 EStG Anm. 30; Mellinghoff in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl. 2024, § 33 Rn. 23; Schmidt/Loschelder, EStG, 43. Aufl. 2024, § 33 Rn. 10; Fuhrmann in Korn, EStG, 152. Erg.-Lfg., § 33 Rn. 31; Lenfter in Lademann, EStG, 280. Erg.-Lfg., § 33 EStG Rn. 110; so bereits Kanzler, FR 1993, 691, 698 allerdings unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 16.10.1952 ‒ IV 376/51, BFHE 56, 773, BStBl. III 1952, 298; ablehnend zu Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für den Erwerb von Schutzmasken auch OFD Frankfurt am Main vom 23.06.2021, DStR 2021, 2410, sowie Unger in BeckOK EStG, 18. Ed., § 33 Rn. 326; Mader, B + P 2022, 40, 41).

    27
    Die Außergewöhnlichkeit kann auch nicht darauf gestützt werden, dass vergleichbare Aufwendungen wie z. B. für den Erwerb von Schutzmasken im Jahr 2019 praktisch niemand hatte und im Jahr 2020 alle davon betroffen waren (zutreffend Rüsch, FR 2021, 377; vgl. auch zum jeweiligen Veranlagungszeitraum als Vergleichszeitraum Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 325. Lfg., § 33 EStG Anm. 52). Damit sind derartige Aufwendungen aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen; sie rechnen vielmehr zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung.

    28
    Dies gilt nach Auffassung des Senats selbst dann, wenn, wie im Streitfall, die Kläger einer Risikogruppe angehören und bei ihnen eine unstreitig erhöhte Gefahr für einen schweren Verlauf einer Erkrankung an Covid-19 bestand. Der Beklagte hat in seiner Einspruchsentscheidung zu Recht darauf hingewiesen, dass während der Corona-Pandemie eine Vielzahl von Steuerpflichtigen mit Vorerkrankungen hoch gefährdet war.

    29
    b) Darüber hinaus sind die Aufwendungen nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG. Nach dieser Vorschrift erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

    30
    Der Senat kann bereits nicht feststellen, dass sich die Kläger unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Vorgabe den Aufwendungen nicht hätten entziehen können. Mit dem Wort „entziehen“ wird zum Ausdruck gebracht, dass es an einer Zwangsläufigkeit fehlt, wenn der Steuerpflichtige die Möglichkeit hatte, den Aufwendungen auszuweichen (vgl. BFH-Urteil vom 18.11.1997 ‒ VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl. II 1978, 147). Es bestand für die Kläger jedoch kein Zwang, sich ein Raumluftreinigungsgerät anzuschaffen. Nach ihrem eigenen Vortrag beruhte die Anschaffung des Geräts vielmehr maßgeblich auf ihrem ‒ menschlich nachvollziehbaren ‒ Wunsch, sich mit ihren Kindern und Enkelkindern treffen zu können. Dass die Aufwendungen deswegen im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG zwangsläufig waren, lässt sich damit bei objektiver Betrachtung jedenfalls nicht begründen, da die Kläger tatsächlich eine Entschließungsfreiheit hatten, die Aufwendungen vorzunehmen oder zu unterlassen (vgl. zu diesem Grundsatz auch BFH-Urteil vom 10.10.1996 ‒ III R 209/94, BFHE 182, 333, BStBl. II 1997, 491). Eine tatsächliche Zwangslage im Sinne fehlender Handlungsalternativen war trotz der Vorerkrankungen der Kläger schon deshalb nicht gegeben, da bekanntermaßen andere Familien auf persönliche Kontakte in geschlossenen Räumen gänzlich verzichtet haben. Dadurch hätten sie sich schon nach damaligem Erkenntnisstand, wie von ihnen im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, vor von draußen in die Innenräume eingebrachten Viren schützen können. Eine nur subjektive Annahme der Zwangsläufigkeit reicht hingegen nicht aus (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22.06.1979 ‒ VI R 43/76, BFHE 128, 230, BStBl. II 1979, 646; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 325. Lfg., § 33 EStG Anm. 177 unter Hinweis auf den Zweck der Steuerermäßigung, die Besteuerung nach der [objektiven] Leistungsfähigkeit im Bereich der Einkommensverwendung zu verwirklichen).

    31
    Vor diesem Hintergrund kann der Senat offen lassen, ob, trotz der Vorerkrankungen der Kläger, die zum Zeitpunkt des Erwerbs des Raumluftreinigungsgeräts im September 2020 bekannten und möglichen Schutzmaßnahmen, wie insbesondere die Einhaltung der sog. AHA-Regeln (Abstand halten, Hygieneregeln beachten, Alltagsmasken tragen) und dem damals möglichen Erwerb von FFP 2-Masken in Apotheken oder bei Anbietern im Internet, die für den Erwerb getätigten Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG überhaupt notwendig sowie angemessen und damit auch unter diesem Gesichtspunkt zwangsläufig waren.

    32
    c) Die Aufwendungen stellen auch keine Krankheitskosten dar, so dass ggf. auf die Prüfung der Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit verzichtet werden könnte.

    33
    Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Krankheitskosten nicht nur die Außergewöhnlichkeit unwiderleglich vermutet, sondern auch deren Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen unterstellt wird (vgl. z. B. Schmidt/Loschelder, EStG, 43. Aufl. 2024, § 33 Rn. 40 m. w. N. zur BFH-Rechtsprechung). Erforderlich ist jedoch, dass die Aufwendungen mit der Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 281, 64, BStBl. II 2023, 1107 m. w. N.; vgl. auch zum formalisierten Nachweis von Krankheitskosten auch § 33 Abs. 4 EStG i. V. m. § 64 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung). Damit werden im Sinne unmittelbarer Krankheitskosten insbesondere die Kosten für die eigentliche Heilbehandlung und eine krankheitsbedingte Unterbringung erfasst (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2013 ‒ VI R 20/12, BFHE 244, 285, BStBl. II 2014, 456 m. w. N.). Hingegen gehören mit einer Krankheit verbundene Folgekosten ebenso wie die Kosten für vorbeugende oder der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahmen, die nicht gezielt der Heilung oder Linderung von Krankheiten dienen, nach diesen Abgrenzungskriterien nicht zu den Krankheitskosten (vgl. BFH-Urteil vom 03.12.1998 ‒ III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl. II 1999, 227).

    34
    Unstreitig diente die Anschaffung des Raumluftreinigungsgeräts der Vermeidung einer Infektion mit dem Corona-Virus, so dass die entsprechenden Aufwendungen solche Kosten für eine vorbeugende Maßnahme darstellen und nicht zu den Krankheitskosten zählen.

    35
    d) Mit Blick auf die fehlende Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für die Anschaffung eines Raumluftreinigungsgeräts bedarf es schließlich keiner Entscheidung, ob darüber hinaus die sog. Gegenwertlehre dem Abzug der Anschaffungskosten entgegensteht (vgl. dazu z. B. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 325. Lfg., § 33 EStG Anm. 37 ff.; Baldauf in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, 171. Erg.-Lfg., § 33 Rn. 57 ff.).

    36
    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.