12.08.2008 · IWW-Abrufnummer 082525
Bundesministerium der Finanzen: Schreiben vom 08.11.1995 – IV B 3 – S 2255 – 22/95
Steuerbarkeit von Schadensersatzrenten
BMF
08.11.1995
IV B 3 - S 2255 - 22/95
Sitzung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder vom 13. bis 16. September 1994 (ESt V/95 - TOP 2 -)
Nach dem o. a. BFH-Urteil unterliegen Schadensersatzrenten nur in den Fällen der Einkommensteuer, in denen Ersatz für andere, bereits steuerbare Einkünfte geleistet wird. Danach sind Schadensersatzrenten zum Ausgleich vermehrter Bedürfnisse nach § 843 Abs. 1 2. Alt. BGB, die bei Verletzung höchstpersönlicher Güter im Bereich der privaten Vermögenssphäre geleistet werden (sog. Mehrbedarfsrenten), weder als Leibrenten noch als sonstige wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG steuerbar, obwohl sie ihrer äußeren Form nach wiederkehrende Leistungen sind.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze des o. a. BFH-Urteils auch auf die Zahlung von Schmerzensgeldrenten nach § 847 BGB anzuwenden. Ebenso wie die Mehrbedarfsrente ist die Schmerzensgeldrente Ersatz für den durch die Verletzung höchstpersönlicher Güter eingetretenen Schaden. Der Geschädigte soll durch das Schmerzensgeld in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten an Stelle derer zu verschaffen, deren Genuß ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde. Die Schmerzensgeldrente erhöht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers demnach ebensowenig wie die lediglich zum Ausgleich für verletzungsbedingt entstandene zusätzliche Bedürfnisse gezahlten Ersatzleistungen nach § 843 Abs. 1 2. Alt. BGB.
In den einzelnen Rentenleistungen einer Schmerzensgeldrente ist auch kein steuerpflichtiger Zinsanteil enthalten. Der Schmerzensgeldanspruch wird anders als der Anspruch auf Mehrbedarfsrente regelmäßig kapitalisiert. Wird die Schmerzensgeldleistung ausnahmsweise in Form einer Rente erbracht, sollen hierdurch insbesondere dauernde Nachteile ausgeglichen werden, deren zukünftige Entwicklung noch nicht absehbar ist. Treten künftig weitere, bisher noch nicht erkenn- und voraussehbare Leiden auf, ist eine Anpassung der Rente nach den konkreten Umständen des Einzelfalles möglich. Insoweit kann ebenso wie bei den Mehrbedarfsrenten i. S. des § 843 BGB jede einzelne Zahlung als Schadensersatzleistung angesehen werden.
Dagegen ist an der Auffassung festzuhalten, daß Schadensersatzrenten, die auf der Rechtsgrundlage der §§ 844 Abs. 2, 845 BGB für den Verlust von Unterhaltsansprüchen oder von gesetzlich geschuldeten Diensten gezahlt werden, mit ihrem vollen Betrag nach § 22 Nr. 1 Satz EStG zu besteuern sind (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1978 - BStBl 1979 II S. 133). Schadensersatzleistungen nach §§ 844 Abs. 2, 845 BGB erhöhen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers, da sie ausschließlich dazu dienen, die durch das Schadensereignis entfallene wirtschaftliche Absicherung des Empfängers wiederherzustellen. Es bleibt in diesen Fällen bei dem für Unterhaltsrenten in § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG bestimmten Korrespondenzprinzip, wonach wiederkehrende Bezüge beim Verpflichteten und beim Empfänger einheitlich zu beurteilen sind.
Diese Regelung ist in allen offenen Fällen anzuwenden.