24.05.2002 · IWW-Abrufnummer 020611
Bundesfinanzhof: Urteil vom 21.03.2002 – III R 42/00
1. Die Gewährung des Pflege-Pauschbetrages wird durch jegliche Art von Einnahmen der Pflegeperson im Zusammenhang mit der Pflege, sei es als --steuerfreie-- Pflegevergütung, sei es als Aufwendungsersatz, und unabhängig von deren Höhe ausgeschlossen.
2. Die Weiterleitung des Pflegegeldes an die Pflegeperson ist unschädlich, wenn die Pflegeperson die Mittel lediglich treuhänderisch verwaltet und deren tatsächliche Verwendung für den Pflegebedürftigen nachweist. Typische Unterhaltsaufwendungen dürfen insoweit nicht gegengerechnet werden.
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) lebt seit 1992 von ihrem Ehemann getrennt. Sie betreut und pflegt ihre am 4. Februar 1963 geborene, schwerbehinderte Tochter. Im Streitjahr 1997 betrug der Grad der Behinderung 100 v.H. mit den Merkzeichen "H", "G", "aG", "B" und "RF".
Seit dem 1. April 1995 stand der Tochter der Klägerin ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 800 DM in der Pflegestufe II zu.
Mit der Einkommensteuererklärung für 1997 beantragte die Klägerin u.a. die Gewährung des Pflege-Pauschbetrages wegen der Pflege ihrer Tochter. Nach dem Hinweis des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--), der Pauschbetrag sei nur noch ausnahmsweise in den Fällen zu gewähren, in denen für die familiäre Pflege kein Pflegegeld mehr geleistet werde, verzichtete die Klägerin fernmündlich (am 17. November 1998) auf den Ansatz des Pauschbetrages.
Mit ihrem gegen den entsprechend erlassenen Einkommensteuerbescheid für 1997 eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, das ihrer Tochter gewährte Pflegegeld stelle keine Einnahme für die Pflege ihrer Tochter dar. Sie erhalte es als Elternteil eines nicht geschäftsfähigen, pflegebedürftigen Kindes unmittelbar von der Pflegeversicherung und verwende es, um die notwendige Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung der Tochter zu sichern. Unter dem 28. Juni 1999 reichte sie ferner eine Aufstellung über Aufwendungen für sozialtherapeutische Gruppenreisen der Tochter f ür den Zeitraum vom 27. Dezember 1996 bis zum 13. Juni 1999 ein, davon für 1997 in Höhe von insgesamt 4 151 DM, die sie mit Hilfe des Pflegegeldes finanziert habe.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1132 veröffentlichtem Urteil der Klage statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 33b Abs. 6 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
Das von der Krankenkasse für die Tochter geleistete Pflegegeld sei an die Klägerin weitergeleitet worden. Die Klägerin habe, soweit sie mit dem Pflegegeld nicht die sozialtherapeutischen Gruppenreisen der Tochter finanziert habe, die konkrete Verwendung des Restbetrages nicht belegt.
Einnahmen i.S. des § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG seien alle Güter in Geld oder Geldeswert sowie ersparte Aufwendungen. "Dafür erhalten" bedeute, dass die Einnahmen der Pflegeperson im Zusammenhang mit selbst getätigten Aufwendungen für die zu pflegende Person oder direkt für die Pflege als solche zuflössen. Die nach dem Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I, 1014) geleisteten Pflegegelder fielen ebenfalls darunter, soweit sie an die Pflegeperson unmittelbar ausgezahlt oder an diese weitergeleitet werden würden. Die Klägerin habe --was das FG verkannt habe-- das Pflegegeld im Zusammenhang mit der Pflege erhalten. Sie habe --mangels gegenteiliger Feststellungen-- rechtlich frei darüber verfügen dürfen. Es sei ihr mithin zugeflossen, so dass dadurch grundsätzlich die den Pflege-Pauschbetrag rechtfertigende außergewöhnliche Belastung entfalle. Wie die Pflegeperson über die zugeführten geldwerten Güter verfüge, sei dann rechtlich neu zu würdigen.
§ 33b Abs. 6 Satz 1 EStG sei dahin gehend einschränkend auszulegen, dass eine anschließende Verwendung der Pflegegelder durch die Pflegeperson für die erforderliche Grundpflege oder hauswirtschaftliche Versorgung des Pflegebedürftigen unschädlich sei (Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- Bremen vom 28. Mai 1998, Betriebs-Berater --BB-- 1998, 1459). Die einschränkende Auslegung entspreche auch dem Sinn des § 37 Abs. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Danach solle der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld entsprechend dessen Umfang die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellen. Hierunter fielen die gesamten Aufwendungen für die sozialtherapeutischen Gruppenreisen nicht. Ob mit dem Restbetrag Aufwendungen für die o.g. Zwecke getätigt worden seien, lasse sich der Behauptung der Klägerin, sie habe das Pflegegeld für die Tochter verwendet, nicht entnehmen.
Das FG hätte die Klage mangels eines konkreten Nachweises, wie das gesamte Pflegegeld verwendet worden sei, abweisen müssen; denn entgegen der Ansicht des FG treffe die Klägerin die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Steuervergünstigung.
Das FG habe bei seiner Feststellung hinsichtlich der Verwendung des an die Klägerin weitergeleiteten Pflegegeldes überdies außer Acht gelassen, dass der Klägerin für die Tochter weitere Gelder zur Verfügung gestanden hätten. Das FG habe insoweit das Vorbringen der Klägerin in dem in Bezug genommenen Schriftsatz vom 13. Oktober 1999 nicht beachtet. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätte das FG nicht den Schluss ziehen können, der Restbetrag vom Pflegegeld sei für die Pflege ausgegeben worden; denn diese könne ebenso gut aus den anderen Geldquellen abgedeckt worden sein. Es hätte dann zwingend den Schluss ziehen müssen, hinsichtlich der tatsächlichen Verwendung des restlichen Pflegegeldes könne keine Aussage getroffen werden.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat den die Gewährung des Pflege-Pauschbetrages ausschließenden Tatbestand in § 33b Abs. 6 Satz 1 letzter Halbsatz EStG ("wenn die Pflegeperson dafür keine Einnahmen erhält") zu Unrecht verneint.
Das FG hat zudem sein Ergebnis aus einer unzutreffenden Verteilung der Beweislast gewonnen, indem es die Feststellungslast dem FA auferlegt hat. Die Regeln über die Beweislast knüpfen in ihren Wertungen an die jeweils anzuwendende Norm des sachlichen Rechts an und ergänzen sie. Die Verkennung der Beweislast stellt danach einen materiell-rechtlichen Fehler dar (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Oktober 1996 VIII B 42/96, BFH/NV 1997, 490, unter 3. a der Gründe, m.w.N.).
Der Senat kann nicht abschließend über die Klage entscheiden. Zwar hat die Klägerin weder im Verwaltungs- noch im anschließenden Klageverfahren die Verwendung des an sie im Streitjahr 1997 weitergeleiteten Pflegegeldes ausschließlich zugunsten ihrer behinderten, von ihr gepflegten Tochter nachgewiesen. Der Senat hat indes erstmals die rechtlichen Maßstäbe für die Auslegung und Anwendung des § 33b Abs. 6 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung entwickelt. Der Klägerin ist deshalb unter Berücksichtigung dieser nunmehr geklärten Maßstäbe Gelegenheit zu geben, ggf. die danach notwendigen Nachweise doch noch nachträglich zu erbringen.
1. Ein Steuerpflichtiger kann nach § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihm durch die Pflege einer nicht nur vorübergehend hilflosen Person i.S. des Satzes 2 entstehen, wenn er dafür keine Einnahmen erhält, anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG einen Pflege-Pauschbetrag in Höhe von 1 800 DM im Kalenderjahr geltend machen.
a) Nach Auffassung des Senats sind grundsätzlich sämtliche der Pflegeperson im Zusammenhang mit der Pflege zufließenden Einnahmen --sei es als Pflegevergütung, sei es als Ersatz für eigene Aufwendungen der Pflegeperson-- für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrages schädlich.
Der durch das Steuerreformgesetz 1990 (StRG) vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093) neu eingefügte § 33b Abs. 6 EStG verfolgt den Zweck, die häusliche Pflege zu stärken und die vielfältigen Belastungen, welche die persönliche Pflege eines Schwerpflegebedürftigen mit sich bringt, in angemessenem Rahmen steuerlich anzuerkennen. Der Pflege-Pauschbetrag soll für den pflegenden Steuerpflichtigen Erleichterungen schaffen. Im Hinblick auf die menschliche Belastung, welche die Pflegeperson auf sich nimmt, sollte auf Aufzeichnungen und Belege verzichtet werden (Begründung des StRG 1990 in der BTDrucks 11/2157, S. 151 f.; dazu Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 1992, 669; ferner BFH-Urteil vom 29. August 1996 III R 4/95, BFHE 181, 441, BStBl II 1997, 199).
Durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250) wurde in § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG der letzte Halbsatz angefügt, nach dem der pflegende Steuerpflichtige "dafür keine Einnahmen erhalten" darf. Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 13/1558, S. 157) soll der Pauschbetrag Aufwendungen abgelten, die bei Nachweis auch nach § 33 Abs. 1 EStG geltend gemacht werden könnten. Soweit die Pflegeperson für ihre Pflegeleistung und die damit verbundenen Aufwendungen Einnahmen erhalte, verbleibe keine Belastung, weshalb sie in diesem Falle den Pauschbetrag nicht ansetzen könne. Allerdings könne sie über die Einnahmen hinausgehende Aufwendungen insoweit nach § 33 EStG geltend machen. Damit hat der Gesetzgeber offenbar an eine Vorteilsanrechnung sowohl eines Aufwendungsersatzes als auch des Pflegegeldes gedacht (vgl. Kanzler, FR 1996, 189, 191).
Nach Auffassung des Senats kann es nicht entscheidend sein, ob mit den von der pflegebedürftigen Person überlassenen Mitteln von der Pflegeperson geleistete Dienste oder ihr entstandene Aufwendungen abgegolten werden sollen. Die Aufwendungen der Pflegeperson und damit verbundene außergewöhnliche Belastungen werden durch die überlassenen Mittel zumindest gemindert. Die zusätzliche Gewährung des Pflege-Pauschbetrages widerspräche dann aber seinem Sinn (so zutreffend Stoecker in EFG, Beilage 20/2000, S. 156).
b) Sowohl die überwiegend im Schrifttum vertretene Auffassung (von Oepen in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 33b Rz. 34; Glanegger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 33b Rz. 19 und 21; Stoecker in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 33b Rz. 28, 178 und 182; Fuhrmann in Korn, Einkommensteuergesetz, § 33b Rz. 17; Mellinghoff in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, § 33b Rz. 20; a.A. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Grüne Blätter, Vor § 33b EStG Anm. G 4, unter Hinweis auf die Gesetzessystematik; derselbe, FR 1996, 189, 191) als auch die Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 7. November 1996, BStBl I 1996, 1433) sowie das Schleswig-Holsteinische FG im Urteil vom 8. Dezember 1999 V 557/98 (EFG 2000, 1131, rkr.) teilen dieses Auslegungsverständnis.
c) Der Ausschlusstatbestand in § 33b Abs. 6 Satz 1 1. Halbsatz EStG greift lediglich dann nicht ein, wenn die Pflegeperson für die Pflege keinerlei Einnahmen erhält. Aus der Verwendung des Einleitungswortes im letzten Halbsatz "wenn" anstelle von "soweit" ist ein absolutes Abzugsverbot abzuleiten, d.h. die Höhe der Einnahmen ist für den Ausschluss des Pflege-Pauschbetrages insoweit unerheblich (ebenso von Oepen in Blümich, a.a.O., § 33b Rz. 84; Stoecker, a.a.O., Rz. 185; Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, a.a.O., Anm. G 4). Diese Einschränkung für die Inanspruchnahme des Pflege-Pauschbetrages ist jedenfalls deshalb hinnehmbar, weil tatsächlich verbleibende außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich nach § 33 EStG geltend gemacht werden können, wenn auch mit der materiell-rechtlichen Einschränkung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG und der formellen Erschwernis eines Nachweises konkreter Aufwendungen.
Danach ist es für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrages nur unschädlich, wenn das Pflegegeld verwendet wird, um ausschließlich Aufwendungen des Pflegebedürftigen zu ersetzen, wenn also Auslagen für den Gepflegten erstattet werden oder der Pflegeperson für die Begleichung von Aufwendungen der pflegebedürftigen Person vorab Mittel lediglich treuhänderisch zur Verfügung gestellt werden, die Pflegeperson das Pflegegeld also nicht zur persönlichen eigenen Verfügung erhält (so Glanegger, a.a.O., Rz. 19; Stoecker, a.a.O., Rz. 183; derselbe in EFG, Beilage 20/2000, S. 156; ferner Erlass des Hessischen Finanzministeriums vom 22. Juli 1997 S 2286 A-27-II B 22; Verfügung der OFD Düsseldorf vom 3. November 1997, Der Betrieb --DB-- 1997, 2574, und Verfügung der OFD Bremen vom 28. Mai 1998, BB 1998, 1459; weiter gehend OFD Nürnberg, § 33b EStG Karte 6.1 in der Lohnsteuer-Kartei, wonach grundsätzlich weiterhin von einer unentgeltlichen Familienpflege auszugehen sei).
2. Bei Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob der Klägerin der Pflege-Pauschbetrag für das Streitjahr 1997 zu gewähren ist.
a) Das FG hat die Möglichkeit, dass der Klägerin als Pflegeperson das von der gesetzlichen Pflegeversicherung an sie weitergeleitete, für die pflegebedürftige Tochter gewährte Pflegegeld --zumindest teilweise-- auch als eigene Einnahmen zur freien Verfügung erhalten hat, im Wesentlichen nur nach der Lebenserfahrung und zusätzlich wegen der dem FA auferlegten Beweislast ausgeschlossen. Das FG hat zum einen ausgeführt, nach der Lebenserfahrung erfordere die Pflege eines so schwerbehinderten Menschen bereits Aufwendungen in Höhe des gesetzlichen Pflegegeldes von 9 600 DM/Jahr, umso mehr als infolge der nachgewiesenen Aufwendungen für die sozialtherapeutischen Gruppenreisen nur noch ein Teilbetrag von 4 699 DM für die häusliche Pflege der Tochter verblieben sei. Die Erklärung der Klägerin, keine Einkünfte für die Pflege erhalten und das Pflegegeld ausschließlich für die Tochter verwendet zu haben sowie schon wegen der geringen eigenen Einkünfte der Tochter keine Rücklagen gebildet zu haben, hat das FG nicht in Zweifel gezogen; vor allem widerspräche die Annahme, nicht nachweisbar für die Tochter verwendete Pflegegelder hätten zur Deckung pflegebedingter Aufwendungen der Pflegeperson zur Verfügung gestanden, der Zweckbestimmung des Pflegegeldes, welches für den Bedarf des Pflegebedürftigen an Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung gewährt werde (vgl. § 4 Abs. 1, § 36 Abs. 1, § 37 Abs. 1 Nr. 2 PflegeVG). Systemgerecht werde dann der aus dem Pflegegeld nicht zu bestreitende Aufwand pauschal als außergewöhnliche Belastung über den Pflege-Pauschbetrag steuerlich ausgeglichen.
b) Dieser Begründung des FG folgt der Senat nicht. Dem Pflegebedürftigen wird entsprechend der in § 2 Abs. 1 SGB XI zum Ausdruck gekommenen Zielsetzung, ihn ein möglichst selbständiges und auch selbstbestimmtes Leben führen zu lassen, ein Wahlrecht eingeräumt zwischen Pflegesachleistung (vgl. § 36 SGB XI) und Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen (§ 37 SGB XI) oder auch einer Kombination aus beiden (§ 38 SGB XI; dazu Zugmaier, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1995, 872). Unter die in § 36 Abs. 2 SGB XI erfassten Pflegesachleistungen fallen die in § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI näher umschriebenen Verrichtungen der Grundpflege sowie die hauswirtschaftliche Versorgung nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI (zum Ganzen Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 4 -Pflegeversicherungsrecht-, § 13 Rz. 59 ff.; Jahn/Kulbe, SGB XI, § 14 Rz. 17 ff.; § 36 Rz. 17 ff.). Dabei handelt es sich ersichtlich in erster Linie um Dienstleistungen und allenfalls vereinzelt um Auslagenersatz. Wird somit das Pflegegeld an die Pflegeperson weitergeleitet, so liegt die Annahme nahe, dass zumindest ein Teilbetrag des Pflegegeldes der Pflegeperson als Verg ütung für die von ihr erbrachten Pflegeleistungen verbleibt. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Urteil vom 4. Juni 1992 5 C 82/88 (BVerwGE 90, 217, m.w.N.) zum Pflegegeld nach § 69 Abs. 2 Satz 2 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ausgeführt, es diene nicht nur dazu, vielfältige Aufwendungen ohne Einzelnachweis aufzufangen, sondern auch durch darüber hinausgehende Zuwendungen Dank für geleistete und die Erwartung künftiger Hilfe auszudrücken. Ebenso hat der Bundesgerichtshof (BGH) in den Urteilen vom 15. Oktober 1986 IV B ZR 78/85 (BGHZ 98, 353) und vom 24. April 1996 XII ZR 7/96 (BGHR, § 69 BSHG, Pflegegeld 1) das Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 SGB XI grundsätzlich mit dem durch die Versorgung des Pflegekindes nicht verbrauchten Teil der Pflegeperson für unterhaltsrechtliche Zwecke als eigenes Einkommen angerechnet.
Sowohl diese Zielsetzung als auch die unmittelbare Weiterleitung des Pflegegeldes an die Pflegeperson bedeuten indes --entgegen der vom Thüringer FG im Urteil vom 30. April 2001 III 312/00 (EFG 2001, 1283, Revision III R 18/01) vertretenen Auffassung-- nicht zwingend, dass das Pflegegeld der Pflegeperson ohne weiteres zur freien Verfügung zumindest auch für eigene Zwecke eingeräumt wäre. Insoweit besteht allerdings auch umgekehrt keine tatsächliche Vermutung für eine nur treuhänderische Verwaltung des weitergeleiteten Pflegegeldes. Vielmehr kommt es auch für die weitergeleiteten Beträge entscheidend darauf an, ob sie von der Pflegeperson lediglich treuhänderisch in Empfang genommen und wie sie tatsächlich verwendet werden. Werden die Pflegegelder ausschließlich für an sich vom Pflegebedürftigen selbst zu tätigende Aufwendungen eingesetzt, so fehlt es an Einnahmen der Pflegeperson für die Pflege.
Lediglich treuhänderisch weitergeleitete Pflegegelder fließen gemäß § 11 Abs. 1 EStG dem Pflegebedürftigen als "Treugeber", nicht aber der empfangenden Pflegeperson als Treuhänder zu (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 1986 IV R 125/83, BFHE 146, 59, BStBl II 1986, 404, betreffend Guthabenzinsen auf einem Notar-Anderkonto; zum Ganzen Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 39 AO 1977 Tz. 44).
Die Pflegeperson kann und muss für Zwecke der Gew ährung des Pflege-Pauschbetrages in Fällen eines weitergeleiteten Pflegegeldes nachweisen, wozu das Pflegegeld konkret verwendet worden ist und ggf. nachträglich noch eine Vermögenstrennung durchführen (ebenso Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG in EFG 2000, 1131, rkr., mit zust. Anm. von Stoecker, EFG Beilage 20/2000, S. 156).
Der Pauschbetrag kann ebenso wie andere Steuervergünstigungen nur in Anspruch genommen werden, wenn seine Voraussetzungen im Einzelfall nachgewiesen werden. Die Finanzbehörde wie auch das FG sind zwar verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (vgl. § 88 der Abgabenordnung --AO 1977--, sowie § 76 Abs. 1 FGO). Kann ein Sachverhalt, aus dem der Steuerpflichtige einen Vorteil herleiten will, im Prozess nicht hinreichend aufgeklärt werden, so ist ihm grundsätzlich der Nachteil der verbleibenden Ungewissheit anzulasten.
Nach ständiger Rechtsprechung trägt der Steuerpflichtige die objektive Beweislast für steuermindernde Tatsachen. Entscheidend ist, zu wessen Gunsten sich ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal im konkreten Fall auswirkt (grundlegend BFH-Urteile vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562; vom 14. Mai 1982 VI R 266/80, BFHE 136, 97, BStBl II 1982, 772). Die Anwendung dieser Beweislastregeln setzt allerdings voraus, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller zumutbarer Ermittlungsmöglichkeiten nicht oder nicht vollständig aufgeklärt werden kann (BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Sowohl eine nachvollziehbare Vermögenstrennung als auch ein ggf. vollständiger Nachweis der Mittelverwendung kann nicht der Finanzverwaltung aufgebürdet werden; denn insoweit handelt es sich ausschließlich um Umstände im Herrschafts- und Wissensbereich des Steuerpflichtigen (vgl. zum Gesichtspunkt der Beweisnähe BFH-Urteil vom 23 Mai 1989 X R 17/85, BFHE 157, 516, BStBl II 1989, 879, 881 a.E., m.w.N.; Tipke/Kruse, a.a.O., § 96 FGO Tz. 88, m.w.N.). Zudem widerspräche es der gerade in der Gesetzesfassung und der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Zielsetzung, den Pflege-Pauschbetrag nur noch unter engen Voraussetzungen zu gewähren und den Steuerpflichtigen grundsätzlich auf die allgemeine Steuerermäßigung nach § 33 EStG zu verweisen, wenn die Beweislast für den die Steuervergünstigung ausschließenden Tatbestand der Finanzbehörde auferlegt werden würde.
Entgegen der Auffassung des FA genügt es allerdings, die Verwendung allein des Pflegegeldes nachzuweisen. Es ist nicht erforderlich, etwaige sonstige Einnahmen des Pflegebedürftigen in diesen Verwendungsnachweis einzubeziehen. Umgekehrt dürfen typische Unterhaltsaufwendungen i.S. von § 33a Abs. 1 EStG (vgl. dazu BFH-Urteile vom 22. Juli 1988 III R 253/83, BFHE 154, 111, BStBl II 1988, 830, 831; vom 5. September 1980 VI R 75/80, BFHE 131, 475, BStBl II 1981, 31) dem Pflegegeld nicht gegengerechnet werden. Keine Bedenken bestehen gegen die Einbeziehung der Aufwendungen für die sozialtherapeutischen Gruppenreisen; sie dienen gerade der pflegerischen Betreuung und damit zugleich einer zumindest vorübergehenden Entlastung der Pflegeperson. Ebenso ist es unschädlich, wenn aus dem Pflegegeld Rücklagen für sp ätere Aufwendungen zugunsten des Pflegebedürftigen zur Deckung nicht typischen Unterhalts gebildet werden (gl.A. Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG in EFG 2000, 1131, rkr.).
3. Danach war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats die erforderlichen Feststellungen nachholen und ggf. nach den vom Senat ausgeführten Beweislastgrundsätzen zu erkennen haben.