Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 02.11.2010

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 20.04.2010 – 3 K 58/09

    Trinkgeld wird dem Arbeitnehmer „von Dritten (...) gegeben”, wenn der Arbeitnehmer an dem zugewendeten Geld eine originäre Berechtigung, i.d.R. (Mit-)Eigentum, erwirbt. Dagegen genügt es nicht, wenn das Eigentum an dem Geld auf den Arbeitgeber übergeht und dem Arbeitnehmer gegen diesen lediglich aufgrund des Arbeitsvertrages ein Auszahlungsanspruch zusteht.

    Können Gäste eines Stripteaselokals zu einem bestimmten Kurs Spielgeld erwerben, das sie den Tänzern zuwenden können, und kann dieses Spielgeld ausschließlich durch die Tänzer bei dem Lokalbetreiber und Arbeitgeber in Geld zurückgetauscht werden, und zwar zu einem Kurs, der unterhalb des Kurses liegt, zu dem die Gäste das Spielgeld erwerben, liegt in der Hingabe des Spielgeldes keine Zuwendung eines steuerfreien Trinkgeldes i.S. von § 3 Nr. 51 EStG. Die Arbeitnehmer erhalten von den Gästen selbst kein Geld, und der Auszahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber beruht allein auf dem Arbeitsvertrag (s. auch Urteil des FG Hamburg vom 30. März 2010, 6 K 87/09).


    Tatbestand

    A.

    Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Zahlungen als steuerfreie Trinkgelder.

    I.

    Die Klägerin war im Streitjahr als Tänzerin im Lokal „A” in der X-Straße in Hamburg angestellt. In dem Lokal befanden sich eine Bar, eine Bühne und zahlreiche Tische („tables”). Die Gäste, die dieses Lokal aufsuchten, erhielten bei Bezahlung des Eintrittsgeldes einen Spielgeldschein, einen sogenannten „A-Spielgeldschein”. Im Laufe des Besuches konnten sie an der Kasse oder beim Servicepersonal beliebig viele „A-Spielgeldscheine” zu einem bestimmten Preis erwerben. Wenn sie bei einem Tänzer oder einer Tänzerin für einen bestimmten zusätzlichen Betrag einen privaten „tabledance” buchten, führte der jeweilige Tänzer auf dem betreffenden Tisch eine Tanzdarbietung vor, bei der er oder sie sich vollständig entkleidete. Im Verlauf dieser Darbietung konnten die Gäste den Tänzern nach Belieben „A-Spielgeldscheine” zustecken. Hingegen konnten mit den „A-Spielgeldscheinen” keine Getränke o.Ä. erworben werden.

    Der Arbeitslohn der Klägerin setzte sich aus drei Bestandteilen zusammen: Neben einer Tagesgage in Höhe von Euro 75,00 erhielt sie eine Zahlung von Euro 10,00 für jeden „tabledance”. Darüber hinaus tauschten die Tänzer, so auch die Klägerin, die ihnen zugewendeten „A-Spielgeldscheine” später bei ihrer Arbeitgeberin, der „A” Betriebs GmbH & Co. KG, wieder gegen Geld ein. Die Gäste oder Dritte hatten dagegen keine Möglichkeit, die „A-Spielgeldscheine” gegen Geld zurück zu tauschen. Der Umtauschkurs änderte sich mehrfach und lag immer unterhalb des Kurses, zu dem die Gäste die „A-Spielgeldscheine” erwarben.

    II.

    In ihrer am 17. Januar 2005 beim Finanzamt Hamburg-1 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von Euro 8.890,00 brutto (nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrages noch Euro 7.846,00). Das Finanzamt Hamburg-1 folgte der Erklärung und setzte die Einkommensteuer durch Bescheid vom 04. Mai 2005 auf Euro 0 fest (Ermittlungsakten -ErmA- Bl. 63).

    Das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen (im Folgenden: Steuerfahndung) leitete durch Verfügung vom 14. April 2008 (ErmA Bl. 29) ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin ein. In dem Bericht über das wesentliche Ermittlungsergebnis vom 26. August 2008 (ErmA Bl. 67 ff.) stellte die Steuerfahndung fest, dass die Klägerin im Streitjahr Zahlungen in Höhe von insgesamt Euro 40.090,00 von ihrer Arbeitgeberin erhalten hatte. Hinsichtlich der zugesteckten „A-Spielgeldscheine” vertrat die Steuerfahndung aufgrund eines bei den Betreibern des A sichergestellten Flyers (ErmA Bl. 41) die Auffassung, die Gäste hätten dieses Spielgeld benötigt, um die „letzten Hüllen” der Tänzerinnen fallen zu sehen. Dem Kunden sei durch den Flyer der Eindruck vermittelt worden, er könne durch die Zuwendung des Spielgeldes Einfluss auf den Ablauf der Darbietung nehmen; der Kunde habe daher die entsprechende Leistung gekauft und der Tänzerin nicht etwa ein Trinkgeld gezahlt. Eine Trinkgeldzahlung sei nur hinsichtlich der - außerhalb des „A” wertlosen - „A-Spielgeldscheine” anzunehmen, die die Gäste einer Tänzerin unmittelbar vor dem Verlassen des Lokals zusteckten. Die Steuerfahndung schätzte diesen Betrag auf 10 % der insgesamt durch das „A” an die Klägerin in Euro ausgezahlten „A-Spielgeldscheine” von Euro 22.615,00, so dass ein nach Auffassung der Steuerfahndung steuerpflichtiger Arbeitslohn von Euro 37.828,50 verblieb. Auf den weiteren Inhalt des steuerlichen Berichtes wird Bezug genommen.

    Entsprechend dem Antrag der Steuerfahndung (ErmA Bl. 74 ff.) erließ das Amtsgericht Hamburg am 01. Oktober 2008 einen Strafbefehl, in dem es eine Geldstrafe von Euro 3.850,00 verhängte. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 11. Oktober 2008 (ErmA Bl. 87 f.) Einspruch ein.

    Der aufgrund eines Wohnsitzwechsels der Klägerin (vgl. Melderegisterauskunft, ErmA Bl. 17) inzwischen zuständige Beklagte folgte der Auffassung der Steuerfahndung und erließ am 29. Juli 2007 einen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem er einen Bruttoarbeitslohn von Euro 46.718,00 (nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrags Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von Euro 45.674,00) zugrunde legte und die Einkommensteuer auf Euro 11.655,00 festsetzte (ErmA Bl. 65).

    III.

    Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 16. August 2008 (Rechtsbehelfsakten -RbA- Bl. 2) Einspruch ein. Die durch die Gäste gezahlten „A-Spielgeldscheine” seien kein „Schwarzlohn”, sondern nach § 3 Nr. 51 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfreie Trinkgelder. Sie würden von den Gästen freiwillig für die tänzerische Darbietung gegeben. Auch sehe das Gesetz keine Beschränkung auf nur 10 % der ausgezahlten Beträge vor.

    Der Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 13. November 2008 (RbA Bl. 22) darauf hin, dass ein Trinkgeld ein dem Arbeitnehmer zusätzlich zu der dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung gezahlter „kleiner Geldbetrag” sei. Im Streitfall zahle der Gast die „A-Spielgeldscheine” aber, um „auch das letzte Stück Stoff” zum Fallen zu bringen (vgl. Flyer, ErmA Bl. 41), und damit für die Arbeitsleistung. Auch bestehe ein krasses Ungleichgewicht zwischen Festgehalt und angeblichem Trinkgeld.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 07. Januar 2009 (RbA Bl. 24) wies der Beklagte den Einspruch unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 13. November 2008 als unbegründet zurück.

    IV.

    Hiergegen richtet sich die am 08. Februar 2009 eingereichte Klage (Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 1 ff.).

    Am 19. April 2010 hat der Beklagte auf den gerichtlichen Hinweis vom 15. Januar 2010 (FGA Bl. 78 f.) hin einen Änderungsbescheid erlassen, in dem er die Einkünfte der Klägerin entsprechend den Ergebnissen der Steuerfahndung mit Euro 37.828,50 angesetzt und die Einkommensteuer auf Euro 8.124,00 festgesetzt hat (FGA Bl. 102 f).

    Die Klägerin trägt vor, die Einnahmen aus den „A-Spielgeldscheinen” seien zwar Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, aber nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfrei.

    Das in § 3 Nr. 51 EStG enthaltene Tatbestandsmerkmal der Freiwilligkeit bedeute lediglich, dass dem Arbeitnehmer kein Rechtsanspruch auf die Zahlung zustehe, und sei im Streitfall erfüllt. Die Gäste des „A” könnten die „A-Spielgeldscheine” freiwillig zu einem bestimmten Wechselkurs erwerben; einen Kaufzwang gebe es insoweit nicht, und zwar auch keinen „faktischen” Zwang. Auch stehe es den Gästen frei, ob und wie viele „A-Spielgeldscheine” sie einem Tänzer zukommen ließen.

    Die „A-Spielgeldscheine” würden den Tänzern anlässlich ihrer Arbeitsleistung zugewandt. Die Behauptung der Steuerfahndung, die Zuwendung beeinflusse die tänzerische Darbietung, sei unzutreffend. Der von der Steuerfahndung zitierte Flyer sei im „A” überhaupt nicht verteilt worden. Dies werde durch die Versicherungen an Eides Statt dreier Mitarbeiter des „A” (FGA Bl. 38 ff.) bestätigt. Die tänzerische Darbietung werde vielmehr anhand eines vorher festgelegten Ablaufs und innerhalb einer vorgegebenen Zeit von sieben Minuten erbracht. Die Tänzer seien gehalten, unabhängig von der Zahl der zugewendeten „A-Spielgeldscheine” sämtliche Kleidungsstücke abzulegen.

    Die Rechtsprechung des BFH zu den Zahlungen aus dem Spielbanktronc sei auf den Streitfall nicht übertragbar, da es hier kein der Regelung des § 11 Berliner Spielbankengesetz (SpBG) entsprechendes gesetzliches Trinkgeldannahmeverbot gebe. Der Weg des Zahlungsverkehrs mittels der „A-Spielgeldscheine” sei u.a. gewählt worden, um die Übergabe von Bargeld im Rahmen der tänzerischen Darbietung zu vermeiden. Da die „A-Spielgeldscheine” wieder in Geld zurück getauscht würden, könne es nicht auf die zivilrechtlichen Grundsätze zur Begründung von (Mit-) Eigentum an dem gezahlten Geld ankommen.

    Ferner erfolge die Übergabe der Trinkgelder entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung unmittelbar zwischen Gast und Tänzer. Der Auszahlungsmodus in Form des späteren Eintauschs von „A-Spielgeldscheinen” in Euro sei insoweit ohne Bedeutung.

    Schließlich seien die Zahlungen insgesamt als Trinkgeld zu qualifizieren. Für die Anerkennung lediglich eines Teilbetrages von 10 % gebe es keine Rechtsgrundlage. Der Einordnung als Trinkgeld stehe nicht entgegen, dass die Zahlungen einen erheblichen Teil der Einkünfte ausmachten.

    Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 29. Juli 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07. Januar 2009 und des Änderungsbescheides vom 19. April 2010 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf Euro 1.703,00 herabgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt vor, die Gäste steckten der Klägerin die „A-Spielgeldscheine” nicht erst nach der Tanzdarbietung zu, weil diese ihnen so gut gefallen habe. Vielmehr gingen die Gäste aufgrund des Flyers davon aus, dass sie den Ablauf der Tanzdarbietung durch das Zustecken der Spielgeldscheine beeinflussen könnten; gerade in dieser Interaktion liege für den Gast der besondere Reiz der Tanzdarbietung. Das Zustecken der „A-Spielgeldscheine” sei daher ein Entgelt für die Art und persönliche Note der Tanzdarbietung und kein Trinkgeld.

    Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (FGA Bl. 89 und 96 f.).

    Dem Gericht haben folgende Akten vorgelegen: Band I der Einkommensteuerakten (zur Steuernummer .../.../...) sowie Band I der Einkommensteuerakten, Band I der Umsatzsteuerakten, Band I der Gewerbesteuerakten und Band I der Rechtsbehelfsakten (zur Steuernummer .../.../...).

    Ferner hat das Gericht die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg zum Az. ...../08 beigezogen (Az. des Amtsgerichts Hamburg: ...../08).

    Gründe

    B.

    Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

    I.

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

    Der Einkommensteuerbescheid vom 19. April 2010, der gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die streitgegenständlichen Zahlungen zu Recht als steuerpflichtigen Arbeitslohn und nicht als steuerfreie Trinkgelder behandelt.

    Die Zahlungen, die die Klägerin bei dem Umtausch der ihr von den Gästen zugewandten „A-Spielgeldscheinen” in Euro von ihrer Arbeitgeberin erhalten hat, sind Arbeitslohn (1.), der nicht nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfrei ist (2.).

    Zum Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dies gilt auch für die Zuwendung eines Dritten, wenn diese ein Entgelt „für” eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 3. Mai 2007 VI R 37/05, BFHE 218, 122, BStBl II 2007, 712, m.w.N.).

    Die Zahlungen, die die Klägerin beim Eintausch der ihr von den Gästen zugewandten „A-Spielgeldscheinen” von ihrem Arbeitgeber erhielt, stellten sich für sie als Frucht ihrer Arbeit dar, weil sie sie im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Tanzdarbietung auf dem „table” erhielt.

    Die Zahlungen sind nicht nach § 3 Nr. 51 EStG in der seit 2002 geltenden Fassung (durch das Gesetz zur Steuerfreistellung von Arbeitnehmertrinkgeldern vom 08. August 2002, BGBl I 2002, 3111, BStBl I 2002, 818) steuerfrei. Danach sind Trinkgelder steuerfrei, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem für diese Arbeitsleistung zu zahlenden Betrag gegeben werden.

    Trinkgelder in diesem Sinne sind, dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend, dem dienstleistenden Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast gewährte zusätzliche Vergütungen. Es handelt sich um eine freiwillige und typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten als eine Art honorierende Anerkennung seiner dem Leistenden gegenüber erwiesenen Mühewaltung in der Form eines kleineren Geldgeschenks. Der Trinkgeldempfänger steht damit faktisch in einer Art doppelten Leistungsbeziehung und erhält korrespondierend dazu auch doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt seitens des Arbeitgebers und das Trinkgeld seitens des Kunden (BFH-Urteil vom 03. Mai 2007 VI R 37/05, BFHE 218, 122, BStBl II 2007, 712).

    Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 18. Dezember 2008 VI R 8/06, BFH/NV 2009, 382; VI R 49/06, BFHE 224, 103, BStBl II 2009, 830; Beschluss vom 22. April 2009 VI S 4/09, juris), der das Gericht folgt, setzt das Tatbestandsmerkmal „von Dritten (...) gegeben” voraus, dass der Arbeitnehmer das zugewandte Geld tatsächlich und rechtlich von dem Dritten erhält und nicht vom Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer muss an dem zugewendeten Geld eine originäre Berechtigung erwerben, in der Regel Eigentum oder Miteigentum. Es genügt nicht, wenn das Eigentum an dem Geld auf den Arbeitgeber übergeht und dem Arbeitnehmer gegen diesen lediglich aufgrund des Arbeitsvertrages ein Auszahlungsanspruch zusteht. Ausreichend ist dagegen eine sogenannte „Poolung” von Einnahmen, bei der das Trinkgeld aus Gründen der einfacheren oder gerechteren Verteilung in eine gemeinsame Kasse eingezahlt und anschließend aufgeteilt wird (z.B. im Friseur- oder Gaststättengewerbe). In diesen Fällen wird das Trinkgeld den Arbeitnehmern in ihrer Gesamtheit gegeben, die entweder unmittelbar Miteigentum daran erwerben oder denen gegen den Arbeitgeber ein originärer, d.h. vom Arbeitsvertrag unabhängiger, Anspruch auf Herausgabe des gesamten Inhalts der Trinkgeldkasse zusteht (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 VI R 49/06, BFHE 224, 103, BStBl II 2009, 820, mit Anmerkung Bergkemper, jurisPR-SteuerR 13/2009 Anm. 3).

    Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, dass die Klägerin kein Trinkgeld erhalten hat, und zwar weder durch den Erwerb der „A-Spielgeldscheine” durch die Gäste (a.) noch durch die Zuwendung der „A-Spielgeldscheine” während der Tanzvorführungen (b.). Auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit des § 3 Nr. 51 EStG kommt es daher nicht an (c.).

    a. Das Geld, das die Gäste für den Erwerb der „A-Spielgeldscheine” aufwandten, haben sie der Klägerin nicht „gegeben” i.S.d. § 3 Nr. 51 EStG. Die Klägerin erwarb hieran kein (Mit-) Eigentum, sondern das Eigentum an dem Geld ging unmittelbar auf die Arbeitgeberin über. Ebenso wenig liegt eine „Poolung” von Einnahmen vor. Weder wurde das Geld den Arbeitnehmern in ihrer Gesamtheit übereignet, noch stand ihnen ein Herausgabeanspruch bzgl. einer separat geführten Trinkgeldkasse im Ganzen zu. Die Arbeitgeberin vereinnahmte das Geld vielmehr selbst und konnte darüber frei verfügen.

    b. Ebenso wenig handelte es sich bei den „A-Spielgeldscheinen” um ein Geldgeschenk, das der Klägerin im dargelegten Sinn „gegeben” worden wäre.

    aa. Die Hingabe von Spielgeld ist schon deshalb nicht vom Trinkgeldbegriff umfasst, weil dieser sich, wie dargelegt, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur auf die Hingabe eines Geldgeschenks, also von Bargeld, bezieht.

    bb. Selbst wenn man die Werthaltigkeit des hingegebenen Gutes genügen ließe, führte dies zu keinem anderen Ergebnis.

    aaa. Denn die „A-Spielgeldscheine” verkörperten keinen Wert, der in das Vermögen der Klägerin übergegangen wäre. Anders als etwa bei Chips im Casino hatten die Gäste nicht die Möglichkeit, die „A-Spielgeldscheine” selbst in Geld zurück zu tauschen oder sie Dritten zum Umtausch zu geben. Die „A-Spielgeldscheine” waren keine Inhaberpapiere (i.S. von § 793 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 807 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-), in denen sich die Arbeitgeberin gegenüber dem jeweiligen Inhaber zu einer Zahlung verpflichtete.

    bbb. Aber auch unabhängig von der Frage der Verbriefung durch die „A-Spielgeldscheine” wandten die Gäste der Klägerin keinen - vom Arbeitsvertrag unabhängigen - Vermögenswert in der Form eines Zahlungsanspruchs gegen die Arbeitgeberin zu.

    Wegen der fehlenden Rücktauschmöglichkeit stand den Gästen gegenüber der Arbeitgeberin der Klägerin kein derartiger Anspruch zu, den sie der Klägerin hätten abtreten können.

    Auch ging die Arbeitgeberin gegenüber den Gästen nicht die Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten Betrages an die Klägerin ein. Offen bleiben kann daher, ob die Hingabe von Trinkgeld vorliegt, wenn der Gast das Geld dem Arbeitgeber gibt, aber die Hingabe mit der Auflage verbindet, einen bestimmten Teil davon an den Arbeitnehmer auszuzahlen. In derartigen Fällen - etwa bei einer Kreditkartenzahlung, bei der der Gast auf dem Beleg verfügt, dass ein bestimmter Betrag der Zahlung Trinkgeld sein soll - könnte ein Vertrag zugunsten Dritter zustande kommen (§ 328 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-), kraft dessen dem Arbeitnehmer ein originärer, vom Arbeitsvertrag unabhängiger Zahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber zustünde. Im Streitfall kam eine derartige Vereinbarung zwischen dem Gast und der Arbeitgeberin jedoch nicht zustande.

    ccc. Der Umstand, dass der Kurs, zu dem die Klägerin die „A-Spielgeldscheine” bei ihrer Arbeitgeberin zurücktauschen konnte, mehrfach wechselte und stets unterhalb des Kurses lag, zu dem die Gäste die „A-Spielgeldscheine” erwarben, verdeutlicht, dass die Gäste keinen Einfluss darauf hatten, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin von ihrer Arbeitgeberin aufgrund der eingereichten „A-Spielgeldscheine” eine Zahlung erhalten würde. Dies hing allein von der Arbeitgeberin und der zwischen ihr und der Klägerin getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarung ab. Die Arbeitgeberin behielt einen Teil des Erlöses für den Verkauf der „A-Spielgeldscheine” immer für sich; den anderen Teil erhielt die Klägerin rechtlich und tatsächlich von der Arbeitgeberin aufgrund des Arbeitsvertrages als eine Art erfolgsabhängigen Lohnbestandteil und nicht von dem jeweiligen Gast.

    ddd. Hätte die Arbeitgeberin jegliche Auszahlung an die Klägerin verweigert, hätte die Klägerin den Anspruch gegen die Arbeitgeberin demzufolge allein auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarung durchsetzen können. Dass die Gäste durch die Zuwendung der „A-Spielgeldscheine” in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzung dafür schufen, dass die Klägerin einen arbeitsvertraglichen Zahlungsanspruch gegen ihre Arbeitgeberin erwarb, genügt nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Übergabe der „A-Spielgeldscheine” deshalb nicht mit der Übergabe von Bargeld gleichgesetzt werden.

    cc. Der Einwand der Klägerin, dass es im Streitfall kein der Regelung in § 11 Abs. 1 und 2 SpBG vergleichbares gesetzliches Trinkgeldannahmeverbot gebe, führt zu keiner anderen Beurteilung. In seiner Rechtsprechung zum Spielbanktronc (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 VI R 8/06, BFH/NV 2009, 382) stellt der BFH nicht entscheidend darauf ab, ob ein Trinkgeldannahmeverbot besteht, sondern darauf, ob der Arbeitnehmer das Geldgeschenk tatsächlich und rechtlich von dem Gast (und nicht vom Arbeitgeber) erhält. Diese Voraussetzung kann auch aus anderen Gründen nicht vorliegen, etwa weil der Gast, wie im Streitfall, keinen Einfluss auf die spätere Zahlung durch die Arbeitgeberin hat.

    c. Da der Tatbestand des § 3 Nr. 51 EStG vorliegend nicht erfüllt ist, kann offen bleiben, ob die Steuerbefreiung von Trinkgeldern vor dem Hintergrund, dass vergleichbare Zahlungen an Selbständige steuerpflichtig sind, gegen das Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstößt (BFH VI R 43/95, BFHE 188, 65, BStBl II 1999, 361; s. auch BVerfG-Beschluss vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502; ebenso Bergkemper in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 3 Nr. 51 Rz. 1).

    II.

    Die Kostenentscheidung wird nach Zeitabschnitten getroffen (vgl. BFH-Urteil vom 02. August 1994 IX R 21/91, BFH/NV 1995, 203). Der Beklagte hat dem Klagebegehren durch Erlass des Änderungsbescheides vom 19. April 2010 in Höhe von 35 % abgeholfen und die Klägerin hat insoweit obsiegt (§ 136 Abs. 1 FGO). Die danach entstandenen Kosten hat die Klägerin vollständig zu tragen.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

    Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor. Die Voraussetzungen für die Annahme eines nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfreien Trinkgeldes sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt.

    VorschriftenEStG § 3 Nr. 51

    Lehrvideos

    Ausgewiesene Steuerexperten machen Sie alle 14 Tage mit einem aktuellen steuerlichen Thema vertraut.

    Mehr Videos