08.01.2010
Finanzgericht Nürnberg: Beschluss vom 13.03.2006 – VI 417/2005
Nach Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO ist die steuerliche Einstufung von sog. Kombinationskraftwagen nach den Begriffsbestimmungen für Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen des europäischen Gemeinschaftsrechts vorzunehmen, hier der Richtlinie 70/156/EWG vom 6. Februar 1970 in der Fassung der Richtlinie 2001/116/EG vom 20. Dezember 2001, welche die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge regelt und die spätestens seit dem 1. Juli 2002 von den Mitgliedsstaaten verbindlich anzuwenden ist.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Kraftfahrzeugsteuerbescheide vom 20.06., 01.08. und 15.09.2005.
Die vorgenannten Bescheide betreffen drei verschiedene Fahrzeuge des Antragstellers, die das Finanzamt sämtlich als Personenkraftwagen besteuert hat. Im einzelnen:
1. Der Bescheid vom 20.06.2005 betrifft das Fahrzeug Volkswagen T4 , einen VW-Transporter, der herstellerseitig mit verschiedenen Aufbauarten (Kastenwagen, Pritschen-wagen, Kombi) sowohl mit Lkw- als auch mit Pkw-Zulassung angeboten wird. Bei dem Fahrzeug des Antragstellers mit dem amtlichen Kennzeichen A handelt es um die Variante VW-Bus „Caravelle”, rundum verglast, mit Pkw-Zulassung. Aus dem Fahrzeugbrief ergeben sich die Haltereigenschaft des Antragstellers seit Mai 2000, die verkehrsrechtliche Fahrzeugart „ Pkw geschlossen”, verbunden mit der Schadstoffschlüsselnummer 27 (Ziffer 1, Stellen 5 und 6), und u.a. folgende weitere Daten: Erstzulassung 03.05.1999, Dieselmotor, Hubraum 2461 cm, zulässiges Gesamtgewicht 2810 kg, 8 Sitzplätze. Unter „Bemerkungen” (Ziffer 33) heißt es: „Fz ist techn. ein Kombinationskraftwagen.” Als EG-Typgenehmigung ist die Nr. e1*96/79*0067*05 angegeben.
Mit dem Bescheid vom 20.06.2005 änderte das Finanzamt - gestützt auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes -KraftStG- - die bisherige Besteuerung des Fahrzeugs als „sonstiges Fahrzeug”. Rückwirkend ab 01.05.2005 stufte es das Fahrzeug nunmehr als Pkw ein und besteuerte es dementsprechend nach Hubraum und Schadstoffausstoß. Die bisherige (Lkw-)Jahressteuer von 172,- € erhöhte sich dadurch um 229,- € auf 401,- € (16,05 € je angefangene 100 cm). Zur Begründung heißt es in dem Bescheid unter „Erläuterungen”:
„Die Besteuerungsgrundlagen für Ihr Fahrzeug haben sich infolge der Aufhebung des § 23 Abs. 6 a StVZO zum 01.05.2005 geändert. Die Besteuerung richtet sich ab diesem Stichtag ausschließlich nach objektiven Beschaffenheitskriterien, insbesondere nach Bauart, Einrichtung und äußerem Erscheinungsbild des Fahrzeugs. Bei hiernach vorrangig zur Personenbeförderung ausgelegten und gebauten Fahrzeugen (z. B. Geländewagen, Großraumlimousinen, Kleinbusse, Pick-ups) ist die Steuer nach dem Hubraum und den Schadstoffemissionen zu bemessen.”
2. Der Bescheid vom 01.08.2005 betrifft das Fahrzeug Land Rover „Discovery” , einen Geländewagen, den der Hersteller ausschließlich mit Pkw-Zulassung anbietet und im Internet (vgl. www.landrover.de, hier „Discovery”) aktuell wie folgt beschreibt: „3 Autos in einem: eine Limousine für Geschäftsreisen, ein flexibles Allzweckfahrzeug für Freunde und Familie, ein Allradfahrzeug für grenzenlosen Spaß am Wochenende.” Für das Fahrzeug des Antragstellers mit dem amtlichen Kennzeichen B ergeben sich aus Fahrzeugbrief und -schein die Haltereigenschaft des Antragstellers seit August 2000, die verkehrsrechtliche Fahrzeugart „ Pkw geschlossen”, verbunden mit der Schadstoffschlüsselnummer 24 (Ziffer 1, Stellen 5 und 6), und u.a. folgende weitere Daten: Erstzulassung 17.06.1998, Dieselmotor, Hubraum 2495 cm, zulässiges Gesamtgewicht 2810 kg, 5 Sitzplätze. Unter „Bemerkungen” (Ziffer 33) heißt es auch hier: „Fz ist techn. ein Kombinations-Kraftwagen. „Als EG-Typgenehmigung ist die Nr. e11*93/81*0044*01 angegeben.
Mit dem Bescheid vom 01.08.2005 änderte das Finanzamt nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG die bisherige Besteuerung des Fahrzeugs als „sonstiges Fahrzeug”. Rück-wirkend ab 01.05.2005 stufte es das Fahrzeug nunmehr als Pkw ein und besteuerte es dementsprechend nach Hubraum und Schadstoffausstoß (Steuersatz 33,29 € je angefangene 100 cm). Nach der im Bescheid unter „Erläuterung zur Tarifumstellung” ausgewiesenen Gegenüberstellung erhöhte sich die bisherige (Lkw-)Jahressteuer von 172,31 € um 659,69 € auf 832,- €. Zur Begründung findet sich in dem Bescheid unter „Erläuterungen” der gleiche Text wie im Falle des VW Transporters T4 (vgl. o. 1.).
Nach Abmeldung des Fahrzeugs am 06.09.2005 wurde die Steuerfestsetzung mit geändertem Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 15.09.2005 - sog. Abrechnungs- oder Endbescheid nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG - auf die Zeit bis zum 05.09.2005 beschränkt. Aus den Bescheiden vom 01.08. und 15.09.2005 ergibt sich für den Antragsteller (für die Zeit vom 01.05. bis zum 05.09.2005) eine Steuerfestsetzung auf der Basis Pkw in Höhe von (280,- + 11,- =) 291,- €, das sind 231,- € mehr als die nach dem zulässigen Gesamtgewicht berechnete Kraftfahrzeugsteuer von 60,- €.
[Berechnung: vom 01.05. bis 31.08.2005 (172,60 € x 123 Tage : 365 Tage =) 58,- € und für die Zeit 01.09. bis 05.09.2005 (172,60 € x 5 Tage : 365 Tage =) 2,- €]
3. Der Bescheid vom 15.09.2005 betrifft das Fahrzeug Mercedes „Sprinter” , der herstellerseitig - vergleichbar dem VW-Transporter - mit verschiedenen Aufbauarten (Kastenwagen, Pritschenwagen, Kombi/Personentransporter) sowohl mit Lkw- als auch mit Pkw-Zulassung angeboten wird. Bei dem Fahrzeug des Antragstellers mit dem amtlichen Kennzeichen C handelt es sich um die Pkw-Ausführung mit Seitenfenstern.
Aus dem Fahrzeugbrief ergeben sich die (Erst-)Haltereigenschaft des Antragstellers seit September 2005, die verkehrsrechtliche Fahrzeugart „ Pkw geschlossen”, verbunden mit der Schadstoffschlüsselnummer 51 (Ziffer 1, Stellen 5 und 6), und u.a. folgende weitere Daten: Erstzulassung 06.09.2005, Dieselmotor, Hubraum 2685 cm, zulässiges Gesamtgewicht 3200 kg, 8 Sitzplätze. Auch hier findet sich der Eintrag: „Fz. entspr. Kombilimousine”. Laut ausdrücklichem Vermerk liegt für das beschriebene Fahrzeug keine ABE/EG-Betriebserlaubnis vor.
Mit dem Bescheid vom 15.09.2005 besteuerte das Finanzamt das Fahrzeug des Antragstellers - entsprechend den verkehrsrechtlichen Daten - als Pkw nach dem Hubraum und setzte für die Zeit ab 06.09.2005 eine Jahressteuer in Höhe von 433,- € fest. Unter „Grundlagen der Festsetzung” finden sich in dem Bescheid u. a. folgende Angaben:
„Fahrzeugart Personenkraftwagen, Hubraum 2685 cm, entspricht 27 angefangene 100 cm, Antriebsart Diesel, Emissionsschlüssel 51, Steuersatz 16,05 EUR je angefangene 100 cm”
Wunschgemäß teilte das Finanzamt dem Antragsteller mit Erläuterungsschreiben vom 01.12.2005 mit, dass die Jahressteuer nach dem Gesamtgewicht für sein Fahrzeug C 185,00 € betragen würde, also um 248,- € günstiger wäre.
Der Antragsteller legte gegen alle drei Kraftfahrzeugsteuerbescheide weitgehend gleich-lautend „Widerspruch” ein. Darüber hat das Finanzamt bislang noch nicht entschieden. Die vom Antragsteller am 26.09.2005 bezüglich der Kraftfahrzeugsteuerbescheide zu den Fahrzeugen B und C und am 27.11.2005 bezüglich des Kraftfahrzeugsteuerbescheids zu dem Fahrzeug A beantragte Aussetzung der Vollziehung wurde vom Finanzamt mit Bescheiden vom 24.11. und 01.12.2005 abgelehnt.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 02.12. und 20.12. hat der Antragsteller sinngemäß beantragt , die Kraftfahrzeugsteuerbescheide vom 20.06., 01.08. und 15.09.2005 insoweit von der Vollziehung auszusetzen, als die festgesetzte (Hubraum-)Steuer höher ist als die (Lkw-)Steuer nach dem zulässigen Gesamtgewicht.
Zur Begründung haben die Vertreter des Antragstellers insbesondere ausgeführt, dass es sich bei allen drei Fahrzeugen um sog. Kombinationsfahrzeuge handele, die wahlweise zur Personen- und Güterbeförderung verwendet werden könnten. Von Anfang an habe der Antragsteller die Fahrzeuge lediglich zur gewerblichen Güterbeförderung genutzt. In dem Land Rover seien die ursprünglich vorhandenen hinteren Sitze ausgebaut und durch Regale und Staufächer ersetzt worden. Entsprechend der EU-Richtlinie 70/156/EWG handele es sich um Mehrzweckfahrzeuge. Nach dem Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 28.11.2005 6 V 3715/05 sei der Land Rover nach den geltenden EU-Richtlinien kein der Klasse M1 zugehöriger Personenkraftwagen.
Das Finanzamt hat die Ablehnung des Antrags beantragt .
Nach Aufhebung der Vorschrift § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung -StVZO- seien ab 01.05.2005 Großraum-Limousinen, Geländewagen und Kleinbusse mit bis zu 8 Sitzplätzen außer dem Fahrersitz, die nach ihren objektiven Beschaffenheitskriterien die Begriffsmerkmale für Personenkraftwagen erfüllten, auch dann als Personenkraftwagen nach Hubraum und Emissionsverhalten zu besteuern, wenn ihr zulässiges Gesamtgewicht mehr als 2.800 kg betrage. Dies sei bei den Fahrzeugen des Antragstellers der Fall.
Gründe
II.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Kraftfahrzeugsteuerbescheide vom 20.06., 01.08. und 1 5.09.2005 ist ohne Erfolg.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO- kann das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Hiervon ist im Streitfall nicht auszugehen.
Auch wenn das Gericht die Rechtsansicht der Behörde, die Besteuerung der Fahrzeuge des Antragstellers richte sich ab 01.05.2005 - nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO - nach den objektiven Beschaffenheitskriterien, insbesondere nach Bauart, Einrichtung und äußerem Erscheinungsbild des Fahrzeugs, nicht teilt, weil sie nicht nur dem allgemeinen Verfassungsgrundsatz des Vorrangs von Gesetzen, sondern auch - aufgrund der zwingen-den Anordnung des § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG - der Bindung an die verkehrsrechtlichen Vorschriften widerspricht (vgl. hierzu FG Köln, Beschluss vom 28. November 2005 6 V 3715/05, Juris-Dok.-Nr. STRE200571803), hat der Senat an der zutreffenden Besteuerung der streitgegenständlichen Fahrzeuge als Pkw im Ergebnis keinen Zweifel. Diese Pkw-Besteuerung ergibt sich aus den geltenden EU-Richtlinien.
1.1 Im Gegensatz zum früheren § 10 Abs. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1972 enthält das geltende Kraftfahrzeugsteuergesetzkeine eigenständige Bestimmung der Begriffe „Pkw” und „Lkw” . § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG verweist auf die „jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften”. Maßgebend für die Bestimmung eines Personenkraftwagens im Kraftfahrzeugsteuerrecht ist somit das Verkehrsrecht. In diesem Sinne hat der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung (vgl. u .a. BFH-Urteile vom 26. August 1997 VII R 60/97, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 183, 276, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1997, 744 und vom 1. August 2000 VII R 26/99, BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72 m.w.N.) bei der Abgrenzung zwischen Pkw und Lkw auf die (bis 30.04.2005 gültige) verkehrsrechtliche Vorschrift des § 23 Abs. 6a StVZO zurückgegriffen, nach der als Personenkraftwagen auch sog. Kombinationskraftwagen galten, nämlich „Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t ..., die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen und die außer dem Führersitz Plätze für nicht mehr als acht Personen haben”.
1.2 „Die Verbindlichkeit der verkehrsrechtlichen Vorschriften für das KraftStG darf nicht mit der Verbindlichkeit verkehrsbehördlicher Entscheidungen für die Finanzbehörden verwechselt oder gleichgesetzt werden” (Rüsken, Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Besteuerung von Klein-Lkws und Pkw-Kombis, Deutsches Autorecht -DAR- 1999, 100). Letztere, also die Anwendung der verkehrsrechtlichen Vorschriften durch die Verkehrsbehörden, sind für die Finanzämter nicht verbindlich (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, grundlegend das BFH-Urteil vom 30. September 1981 II R 56/78, BFHE 134, 367, BStBl II 1982, 82; weiterhin BFH-Urteile vom 29. April 1997 VII R 1/97, BFHE 183, 272, BStBl II 1997, 627 und vom 26. August 1997 VII R 60/97, BFHE 183, 276, BStBl II 1997, 744). Da die verkehrsbehördliche Zulassung als Pkw oder Lkw insoweit also keinen Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung -AO-darstellt - anders als in den vom Gesetz (§ 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KraftStG) ausdrücklich als „verbindlich” normierten Besteuerungsgrundlagen „technischer Art” -, ist die Finanzbehörde nach § 88 AO und § 6 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung -KraftStDV- berechtigt, eigenständig zu prüfen, ob die verkehrsrechtliche Einstufung durch die Zulassungsbehörde auch kraftfahrzeugsteuerrechtlich zutreffend ist.
Die verkehrsrechtliche Bestimmung des § 23 Abs. 6a StVZO wurde durch die 27. Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 2. November 2004 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I 2004, 2712) mit Wirkung ab 1. Mai 2005 aufgehoben. Zur Begründung heißt es in den Gesetzesmaterialien (BR-Drucksache 600/04):
„Der Regelungsinhalt des § 23 Abs. 6a StVZO ist nicht mit den in der Richtlinie 70/156/EWG vorgegebenen und von den Mitgliedsstaaten verbindlich anzuwendenden Begriffsbestimmungen für Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen für Fahrzeuge der Klasse M1 (Personenkraftwagen) vereinbar. ... Die Bestimmung soll daher aufgehoben werden.
Durch die Aufhebung dieses Absatzes werden die Vorschriften der StVZO an das EG-Recht, und zwar an die Richtlinie 70/156/EWG (ABl. EG 1970 Nr. L 42 S. 1) angepasst. Dieses sieht bei der Definition der Fahrzeugklassen eine Begrenzung der zulässigen Gesamtmasse für Kraftfahrzeuge der Klasse M1 (für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit höchstens acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz), zu denen auch die Mehrzweckfahrzeuge gehören, nicht vor. Nur wenn die in dieser Richtlinie im Anhang II Abschnitt C in Nr. 1 Personenkraftwagen (M1) unter AF - Mehrzweckfahrzeug beschriebenen besonderen Bedingungen erfüllt werden, gilt ein solches Fahrzeug nicht als Fahrzeug der Klasse M1.”
Entsprechend der vorstehenden Gesetzesbegründung ist nach Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO die steuerliche Einstufung der streitgegenständlichen Fahrzeuge nach den „von den Mitgliedsstaaten verbindlich anzuwendenden Begriffsbestimmungen für Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen” des europäischen Gemeinschaftsrechts vorzunehmen, hier der Richtlinie 70/156/EWG vom 6. Februar 1970 (Amtsblatt -ABl.-EG Nr. L 42/1 vom 23.02.1970) in der Fassung der Richtlinie 2001/1 16/EG vom 20. Dezember 2001 (ABl. EG Nr. L 18/1 vom 21 .01 .2002), welche die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge regelt und die spätestens seit dem 1. Juli 2002 von den Mitgliedsstaaten verbindlich anzuwenden ist (Art. 4 Abs. 1 RiLi 2001/1 16/EG). Die Umsetzung seitens des deutschen Gesetzgebers belegen auch die zahlreichen Bezugnahmen in der StVZO (z. B. § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1 Satz 7 Buchst. a, § 30 Abs. 4 Nr. 1) sowie der Gesetzentwurf des Bundesrates vom 21.12.2005 (BR-Drucksache 229/05) zur Änderung insbesondere des § 2 KraftStG, der ausdrücklich auf die Richtlinie als geltendes Recht Bezug nimmt. Nach dem neu einzufügenden Abs. 2a, hier Nr. 2, des Gesetzentwurfes gelten als Personenkraftwagen im Sinne des § 8 Nr. 1 auch „Mehrzweckfahrzeuge, entsprechend Aufbauart AF, die nach Anhang II C Nr. 1 der Richtlinie 70/156/EWG des Rates nicht als Fahrzeuge der Klasse M1 gelten”.
Nach geltendem Recht, nämlich der Richtlinie 70/156/EWG vom 6. Februar 1970 (a.a.O.) in der Fassung der Richtlinie 2001/1 16/EG vom 20. Dezember 2001 (a.a.O.) sind alle Fahrzeuge des Antragstellers Personenkraftwagen der Klasse M1 , d. h. „für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit höchstens acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz” (Anhang II A Nr. 1 der Richtlinie 2001/1 16/EG, ABl. EG Nr. L 18/1 vom 21 .01 .2002, S. 39). Dies gilt unabhängig davon, ob man von der Aufbauart AC = Kombilimousine oder der Aufbauart AF = Mehrzweckfahrzeug ausgeht und unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der Fahrzeuge. Denn auch nach dem Gemeinschaftsrecht ist entscheidend die objektive Beschaffenheit und nicht die subjektive Verwendung der Fahrzeuge.
4.1 Die Fahrzeuge der Klasse M1 werden im Anhang C der Richtlinie 2001/116/EG (ABl. EG Nr. L 18/1 vom 21.01.2002, S. 45) nach der Art des Aufbaus unterschieden in AA Limousine (ISO-Norm 3833-1977, Begriff Nr. 3.1.1.1), AB Schräghecklimousine, AC Kombilimousine (ISO-Norm 3833-1977, Begriff Nr. 3.1.1.4), AD Coupé (ISO-Norm 3833-1977, Begriff Nr. 3.1.1), AE Kabrio-Limousine (ISO-Norm 3833-1977, Begriff Nr. 3.1.1) und schließlich AF Mehrzweckfahrzeug, letzteres beschrieben als „andere als unter AA bis AE genannte Kraftfahrzeuge zur Beförderung von Fahrgästen und deren Gepäck oder von Gütern in einem einzigen Innenraum”. Ein solches (Mehrzweck-) Fahrzeug gilt jedoch dann nicht als Fahrzeug der Klasse M1, wenn es außer dem Fahrersitz nicht mehr als 6 Sitzplätze hat (wobei ein „Sitzplatz” als vorhanden gilt, wenn das Fahrzeug mit zugänglichen Sitzverankerungen ausgestattet ist) und wenn die Nutz-last des Fahrzeugs größer ist als die Personenlast, berechnet nach der Formel P - (M + N x 68) > N x 68 (P = technisch zulässige Gesamtmasse in kg, M = Masse in fahrbereitem Zustand in kg, N = Zahl der Sitzplätze außer dem Fahrersitz). Im Gegensatz zu den Fahrzeugen der Klasse M sind Fahrzeuge der Klasse N „für die Güterbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern”, die nach der jeweils zulässigen Gesamtmasse in die Klassen N1 (bis zu 3,5 Tonnen), N2 (von mehr als 3,5 Tonnen bis zu 12 Tonnen) und N3 (mehr als 12 Tonnen) eingeteilt werden. Nach der Art des Aufbaus werden hier unterschieden BA Lastkraftwagen, BB Van (Lastkraftwagen mit Kastenaufbau), BC Sattelzugmaschine und BD Straßenzugmaschine.
4.2 Nach dem EU-Gemeinschaftsrecht ergibt sich für die drei streitgegenständlichen Fahrzeuge des Antragstellers folgendes:
Der VW T4 „Caravelle” des Antragstellers ist ein Pkw (M1), unabhängig davon, ob man das Fahrzeug - entsprechend den zugehörigen Fahrzeugpapieren - als Kombinationskraftwagen (Aufbauart AC) oder - mit dem Antragsteller - als Mehrzweckfahrzeug (Aufbauart AF) ansieht. Denn auch im letzteren Fall ist schon aufgrund der im Fahrzeugbrief eingetragenen 8 Sitzplätze (einschl. Führerplatz, d. h. 7 Sitzplätze außer dem Fahrersitz) auszuschließen, dass das Fahrzeug nicht als Fahrzeug der Klasse M1 sondern als Fahrzeug der Klasse N gilt. Die EG-Klassifizierung als M1-Fahrzeug ergibt sich auch aus der im Fahrzeugbrief eingetragenen EG-Typgenehmigung Nr. e1*96/79*0067*05. Da für Lastkraftwagen bis heute nur eine nationale Typgenehmigung in Form der Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) und keine EG-Typgenehmigung möglich ist, weil es das EG-Typgenehmigungsverfahren seit 01.01.1996 bislang nur für Fahrzeuge der Klasse M1 (vgl. Richtlinie 70/156/EWG vom 6. Februar 1970, a.a.O., in der Fassung der Richtlinie 92/53/EWG vom 18. Juni 1992, ABl. EG Nr. L 225/1 vom 10.08.1992, hier „in Erwägung nachstehender Gründe”, S. 2 u. Art. 2 Abs. 3, S. 9) sowie für LoF-(land- oder forstwirtschaftliche) und zwei- und dreirädrige Fahrzeuge gibt, lässt allein das Vorhandensein der EG-Typgenehmigung den Ausschluss eines Fahrzeuges der Klasse N und den Rückschluss auf ein M1-Fahrzeug zu.
Der Land Rover „Discovery” des Antragstellers ist ein Pkw (M1). Er ist zwar - entsprechend der (weiten) Beschreibung des Mehrzweckfahrzeugs - ein Fahrzeug „zur Beförderung von Fahrgästen und deren Gepäck oder von Gütern in einem einzigen Innenraum” (vgl. FG Köln, Beschluss vom 28. November 2005 6 V 3715/05, Juris-Dok.-Nr. STRE200571803), allein dies macht ihn aber noch nicht zu einem AF Mehrzweckfahrzeug. Hinzutreten müsste die vorrangige Voraussetzung, dass er ein anderes als die unter AA bis AE genannten Kraftfahrzeuge ist, also insbesondere keine AC Kombilimousine. Eben diese vom Antragsteller nach-zuweisende Voraussetzung liegt nicht vor. Die zugehörigen Fahrzeugpapiere weisen das Fahrzeug eindeutig als Kombilimousine aus, die EG-Typgenehmigung Nr. e11*93/81*0044*01 verdeutlicht die europaweite Einstufung als M1-Fahrzeug (vgl. o.). Nach Kenntnis des Gerichts wird das aktuelle Modell „Discovery 3” des Herstellers in der Zulassungsbescheinigung Teil I (in der seit 01.10.2005 gültigen neuen Form) bezeichnet als Personenkraftwagen geschlossen, ergänzt mit der Bemerkung: AC = Kombilimousine.
Der Mercedes „Sprinter” des Antragstellers ist ein Pkw (M1). Das Fahrzeug ist in den zugehörigen Fahrzeugpapieren als „Kombilimousine” bezeichnet. Selbst wenn man - mit dem Antragsteller - von der Aufbauart AF Mehrzweckfahrzeug ausgehen würde, wäre - wie bei dem Fahrzeug VW T4 „Caravelle” (vgl. o.) - aufgrund der im Fahrzeugbrief eingetragenen 8 Sitzplätze (einschl. Führerplatz, d. h. 7 Sitzplätze außer dem Fahrersitz) auszuschließen, dass das Fahrzeug nicht als Fahrzeug der Klasse M1 sondern als Fahrzeug der Klasse N gilt.
4.3 Die Frage, inwieweit das Finanzgericht an die verkehrsbehördliche Klassifizierung der streitgegenständlichen Fahrzeuge gebunden ist, beantwortet der Senat dahingehend, dass er zum einen das geltende Gemeinschaftsrecht, hier die Richtlinie 70/156/EWG vom 6. Februar 1970 (a.a.O.) in der jeweils gültigen Fassung, nicht nur für sich selbst, sondern auch für Verkehrs- und Finanzbehörde als verbindlich ansieht, folglich von einer gesetzeskonformen Entscheidung der Verkehrsbehörde ausgeht. Zum anderen sieht der Senat für sich weder die Möglichkeit noch die Veranlassung, die verkehrsbehördliche Einstufung als Pkw in Frage zu stellen. Die Entscheidung darüber, ob ein Fahrzeug (nach der bei keinem Finanzamt oder Finanzgericht vorhandenen und in deutscher Übersetzung überhaupt nicht verfügbaren ISO-Norm 3833-1977) eine AC Kombi Limousine oder ein AF Mehrzweckfahrzeug ist, und ob letzteres gegebenenfalls aufgrund der Zahl der Sitzplätze und der Vergleichsberechnung Nutzlast/Personenlast kein Pkw der Klasse M1 sondern ein (anderes) nach dem zulässigen Gesamtgewicht zu besteuerndes Kraftfahrzeug der Klasse N ist, kann nicht der Finanzbehörde, in der Praxis dem zuständigen Kraftfahrzeugsteuer-Sachbearbeiter im mittleren Dienst, und in Konsequenz auch nicht dem Finanzgericht obliegen. Andernfalls wäre das Massenverfahren Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung, das nach § 5 Abs. 3 KraftStDV auf der Durchführung der Besteuerung auf der Grundlage elektronisch von der Zulassungsstelle übermittelter Daten beruht, dem Kollaps preis-gegeben. Die Kompetenz für diese Entscheidungen sieht der Senat allein bei der kraftfahrzeugsteuersachverständigen Verkehrsbehörde, an erster Stelle dem Kraftfahrt-Bundesamt. Praktikabel erscheint nur ein Verfahren, nach dem diese Entscheidung der Verkehrsbehörde als „Besteuerungsgrundlage technischer Art” nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG für das Finanzamt verbindlich ist.
Der Senat sieht auch keine Veranlassung - entgegen der erklärten Absicht des Gesetzgebers - die unter der Geltung des § 23 Abs. 6a StVZO geläufige „Traumkombination” (ein verkehrsrechtlich als Pkw eingestuftes Kombinationsfahrzeug wird dank seines zulässigen Gesamtgewichts von über 2,8 t als Lkw besteuert, vgl. hierzu FG Nürnberg, Urteil vom 3. August 2000 VI 23 /1999, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2000, 1203 <1209>) als „Steuersparmodell” (FG München, Urteil vom 24. Oktober 2001 4 K 4088/01, EFG 2002, 640) fortzusetzen. Hätte das Begehren des Antragstellers Erfolg, wäre aber genau dies die Konsequenz.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
IV.
Die Beschwerde wird zugelassen, da zum einen die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und zum anderen - im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des Finanzgerichts Köln (Beschluss vom 28. November 2005 6 V 3715/05, Juris-Dok.-Nr. STRE200571803) bezüglich des Fahrzeugs Land Rover - die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert (§§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO).
Anmerkung
Beschwerde eingelegt (BFH VII B 80/06)