08.01.2010
Finanzgericht Köln: Urteil vom 29.05.2002 – 14 K 1483/96
1. Für die Bildung einer Rückstellung muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der bilanzierende Steuerpflichtige wegen eines im wesentlichen vor dem Bilanzstichtag verwirklichten Tatbestandes in Anspruch genommen wird.
2. Der Grundsatz der Bilanzwahrheit erfordert, dass die Rückstellung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild von der Höhe des Aufwands geben muss, der abzusetzen sein wird. Dabei wird auf die Erfahrung, die der Steuerpflichtige in der Vergangenheit in seinem eigenen Betrieb gemacht hat, entscheidendes Gewicht gelegt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Höhe einer Pauschalrückstellung für Gewährleistungsverpflichtungen in den Streitjahren 1991 bis 1993.
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, die ein Bauunternehmen für den Hoch- und Tiefbau betreibt. An ihr sind als Komplimentärin die Fa. … GmbH und als Kommanditisten … und … beteiligt. Neben Bauleistungen erbringt die Klägerin auch Containerdienstleistungen.
Ein Großteil der von der Klägerin erbrachten Bauleistungen unterliegt den Gewährleistungsvorschriften des Werkvertragsrechts des bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB – bzw. der Verdingungsordnung für Bauleistungen – VOB –. Danach beträgt die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche bei Werkleistungen an Bauwerken zwei Jahre – nach VOB bzw. fünf Jahre – nach § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB. Insbesondere Großaufträge der Klägerin unterliegen regelmäßig der fünfjährigen Gewährleistungsfrist. Zur Absicherung möglicher Gewährleistungsansprüche wird üblicherweise bei Großaufträgen für die Dauer der Gewährleistungsfrist ein Sicherungseinbehalt von 5 % der Rechnungssumme vereinbart. Anstelle des Sicherungseinbehalts wird der Klägerin nachgelassen, eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft in Höhe von 5 % der Rechnungssumme vorzulegen. Die Bürgschaft ist dann vom Auftraggeber nach Ablauf der Gewährleistungsfrist zurückzugewähren, sofern sie nicht für Gewährleistungen in Anspruch genommen wurde.
Die Klägerin machte in den Streitjahren durchgängig von der Möglichkeit, den Sicherungseinbehalt durch Vorlage selbstschuldnerischer Bürgschaft abzuwenden, Gebrauch. Für die ihr gestellten Bankbürgschaften leistete sie den Banken wiederum durch Geldeinlagen oder auch auf andere Weise Sicherheit bzw. nahm Avalkredite in Anspruch. Der Bürgschaftsbestand betrug zum 31.12.1991 3.028.607,33 DM, zum 31.12.1992 5.203.293,00 DM und zum 31.12.1993 5.296.708,29 DM. Wegen weiterer Einzelheiten wird insoweit auf den Klägerschriftsatz vom 24.05.2002 sowie die hierzu eingereichten Anlagen K 10 bis K 12 Bezug genommen.
Die Klägerin wurde unstreitig in den Streitjahren, den Vorjahren und den Folgejahren aufgrund ihrer Gewährleistungsverpflichtungen in Anspruch genommen und erbrachte aufgrund dessen Gewährleistungen, deren genauer Umfang zwischen den Beteiligten streitig ist. Wegen der Einzelheiten wird auf den Klägerschriftsatz vom 30.07.2001 (Bl. 260, 365-367 d. A.) nebst der hierzu als Anlagen vorgelegten Aktenordner I – IV, den Klägerschriftsatz vom 24.05.2002 nebst der hierzu vorlegten Anlagen K 6 bis K 9, das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Köln vom 8.02.2000 8 K 3491/95 (S. 13 und 14 des Urteils) sowie auf den Beklagtenschriftsatz vom 5.10.2001 (Bl. 307 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin stellte die Bilanzen zum 31.12.1991 am 27.05.1993, zum 31.12.1992 am 25.05.1994 und zum 31.12.1993 am 22.12.1994 auf. In den Bilanzen bildete sie wie in den Vorjahren und Folgejahren Pauschalrückstellungen für Gewährleistungsverpflichtungen. Bei der Höhe der Rückstellungen orientierte sie sich nicht an den tatsächlich erfolgten Inanspruchnahmen auf Gewährleistung der Streitjahre und der Vorjahre. Im Streitjahr 1991 und in den Vorjahren bildete die Klägerin die Rückstellung in Höhe geschätzter glatter Beträge, die etwas mehr als 1 v. H. des Gesamtumsatzes entsprachen. In den Streitjahren 1992 und 1993 erhöhte die Klägerin die Rückstellung auf 5 % des durchschnittlichen angenommenen gewährleistungsbehafteten Umsatzes (= 60 % des Gesamtumsatzes) der letzten fünf Jahre.
Die Einzelheiten der Ermittlung der Rückstellung und der tatsächlichen Gewährleistungsfälle ergeben sich aus der nachfolgenden Übersicht:
Jahr | Gesamtumsatz | Gewährleistungsfälle | Gewährleistungsrückstellung | |||
DM | lt. KlägerDM | lt. BeklagterDM | lt. BilanzDM | in % vom Gesamtumsatzdie letzten 5 J. des jew. Jahres | ||
1987 | 105.591 | 105.591 | ||||
1988 | 131.675 | 131.675 | 800.000 | 1,08 | 4,55 | |
1989 | 54.575 | 54.575 | 900.000 | 1,17 | 4,76 | |
1990 | 7.950 | 4.200 | 1.000.000 | 1,14 | 4,45 | |
1991 | 30.000 | 30.000 | 1.100.000 | 1,12 | 4,41 | |
1992 | 147.284 174.930 | 101.984 | 3.381.000 | 3,00 | 11,76 | |
1993 | 147.284 174.930 | 101.984 | 3.853.000 | 3,00 | 11,57 | |
1994 | 147.284 185.564 | 101.984 | 4.667.000 | 2,87 | 8,75 | |
1995 | 147.285 640.570 | 101.985 | 4.744.000 | 2,57 | 10,76 | |
1996 | 161.258 570.055 | 84.721 | 4.524.000 | 2,15 | 8,89 | |
1997 | 346.366 | 314.731 | 2.784.000 | 1,25 | 6,77 | |
1998 | 505.123 | 261.317 | ||||
1999 | 513.889 | 261.318 | ||||
2000 | 90.556 | 61.717 | ||||
2001 | 55.410 | 55.410 | ||||
kursiv: Beträge auf der Grundlage des Schriftsatzes vom 24.5.2002 |
Soweit die Klägerin für die Gewährleistungsfälle der Jahre 1992 bis 1995 aus dem Projekt … einen einheitlichen Wert angegeben hat (549.441,16 DM), ist dieser und die hiervon abweichende Berechnung des Beklagten in der Übersicht gleichmäßig auf die vier Jahre verteilt. Bei dem Projekt …, das die gleichen Jahre betrifft, wurde der zunächst geltend gemachten Betrag von 39.696,06 DM ebenso verteilt. Entsprechend wurde verfahren, soweit die Klägerin für die Jahre 1995 und 1996 (…) sowie 1998 bis 2000 einzelne Gewährleistungsfälle jeweils zwei Jahren zugeordnet hat.
Den für 1992 bis 1995 erfaßten Gewährleistungsfällen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Bei dem Projekt … handelt es sich um den Auftrag zur Errichtung von 44 Einfamilienhäusern in mehreren Bauabschnitten. Die Schlußrechnungen wurden zwischen 1993 und 1995 erteilt. Die Klägerin stellte insgesamt fünf Bürgschaften über 531.466,40 DM. Erste Gewährleistungsansprüche in Form von Minderungen des Werklohns wurden 1995 in geringer Höhe geltend gemacht. Im wesentlichen erfolgte die Auseinandersetzung über Gewährleistungsansprüche in den Jahren 1997 bis 2001. Ausweislich der Aufstellung der Klägerin im Ordner III belaufen sich die bis 2001 angefallenen Gewährleistungen auf 323.020,15 DM. Hierin sind Beträge enthalten, die im Rahmen von 1998 und 1999 anhängig gewordenen Klage- und Widerklageverfahren beim Landgericht … bzgl. der Hauserwerber … geltend gemacht wurden. Hierzu gehören auch Anwaltsgebühren in Höhe von „ca. 70.000 DM” für den Rechtsanwalt … als Anwalt der Klägerin, ohne daß entsprechende Rechnungen hierzu vorlägen. Bezüglich des Gewährleistungsfalles … war ein Vergleichsvorschlag des Landgerichts über eine Zahlung der Klägerin über 55.000 DM unterbreitet worden, der der Klägerin aber zu hoch erschien (s. Schreiben des Rechtsanwalts … vom 24.01.2001, Seite 6 – Ordner III zum Schriftsatz vom 30.07.2001). Gesondert aufgeführt sind daneben Kosten von 23.221,01 (Gewährleistung …) und 22.000,00 DM (Vergleichssumme … – Zahlung 13.6.2001).
Mit Schriftsatz vom 24.5.2002 hat die Klägerin geltend gemacht, daß weitere Gewährleistungskosten in Höhe von 85.814,45 DM und 25.769,16 DM angefallen seien. In dem Betrag von 85.814,45 DM sind Anwaltsgebühren für den Rechtsanwalt … laut Rechnungen in Höhe von 11.038,01 DM enthalten. Weiter ist die Zahlung von 22.000,00 DM (Vergleichssumme … – Zahlung 13.6.2001) erfaßt. Weiter ist die Vergleichssumme … in Höhe von 28.585,59 DM enthalten, die am 16.8.2001 gezahlt wurde. Der Betrag von 25.769,16 DM setzt sich zusammen aus dem Betrag für die Gewährleistung … und zusätzlich 2.548,15 DM für den gegnerischen Rechtsanwalt zu erstattender Kosten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 7 zum Schriftsatz vom 24.05.2002 Bezug genommen.
Die Gewährleistungsfälle … betreffen in verschiedenen Bauabschnitten in den Jahren 1992 bis 1995 errichtete Doppelhäuser. Erste Gewährleistungsansprüche gegen die Klägerin wurden ab Mitte 1995 geltend gemacht. Der größte Teil der Gewährleistungen, aus denen sich die von der Klägerin angegebene Summe zusammensetzt, entfällt auf die Jahre 1997 bis 1999. Mit Schriftsatz vom 24.5.2002 hat die Klägerin vorgetragen, daß weitere Gewährleistungskosten von 56.842,81 DM (Gewährleistung …) und 10.633,78 DM (Gewährleistung …) entstanden seien, wobei für den Gewährleistungsfall … als Termin der Schlußrechnung der 29.3.1995 angegeben wird. Im Gewährleistungsfall … erging die Schlußrechnung 1994. Entsprechend erfolgte die Zuordnung in der obigen Übersicht.
Dem für 1995 und 1996 geltend gemachten Gewährleistungsfall … liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin errichtete im Auftrag der Fa. … schlüsselfertig 39 Studentenappartements in …. Verträge über die Bauleistungen liegen dem Gericht nicht vor. Nach der Abrechnung verklagte die Klägerin 1997 die Fa. … auf Werklohnzahlung (Langericht …, Aktenzeichen …). Die Fa. … wiederum hielt der Forderung Gewährleistungsansprüche entgegen, die die Klägerin im Schriftsatz vom 30.7.2001 (Bl. 260, 266 GA) mit 97.201,87 DM bezifferte. In seinem der Klägerin erteilten Bericht vom 13.02.1998 über einen Termin beim Landgericht … (Anlage Ordner III zum Schriftsatz vom 30.7.2001) teilte Rechtsanwalt … als Vertreter der Klägerin in dem Verfahren gegen die Fa. … u.a. folgendes mit:
„Unter Außerachtlassung der Mängel dürfte sich momentan folgende Forderung ergeben, die bis auf Fragen des ausgeführten Bodenbelags unstreitig ist:
Pauschalpreis | DM 2.880.000,00 |
zzgl… | |
ergibt | DM 2.933.416,60 |
abzgl. à conto Zahlung | DM 2.086.458,32 |
ergibt | DM 846.958,28 |
abzgl. 2 Appartements | DM 260.230,00 |
abzügl. … ( div. Positionen: Bodenarbeiten, Energiekosten, Avalzinsen etc.in Höhe von insges. 29.364,37 DM) | |
ergibt unstreitige Forderung | DM 557.363,91 |
…
Ich halte es ferner für erforderlich, den Subunternehmern den Streit zu verkünden und diese aufzufordern, die eventuell noch vorhandenen Mängel zu beseitigen. …”
Bezüglich des Abzugs für zwei Appartements ist handschriftlich vermerkt: „Kauf durch uns”. Weiter ergibt sich aus dem vorgelegten Schriftverkehr, daß die Fa. … sich weigerte, den Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % (147.144,73 DM) auszuzahlen, weil sie die ihr vorgelegte Bürgschaft der … Versicherung nicht akzeptierte (Schreiben des Rechtsanwalts … an die … Versicherung vom 13.02.1998 – Anlage Ordner III zum Schriftsatz vom 30.7.2001).
Die von der Klägerin dokumentierten Gewährleistungsfälle der Jahre 1997 bis 1998 betreffen ausnahmslos Aufträge, die erst nach 1994 abgeschlossen und abgerechnet wurden. Soweit Werkverträge beigefügt sind, was nicht vollständig der Fall ist, stammen diese ebenfalls ausnahmslos aus den Jahren nach 1994, ganz überwiegend aus den Jahren ab 1997.
Mit Schriftsatz vom 24.5.2002 macht die Klägerin unter Bezugnahme auf den Bericht des Rechtsanwalts … vom 13.02.1998 geltend, daß ihr aus dem Projekt … weitere Inanspruchnahmen in Höhe von 817.593,91 DM drohten. Diesen Betrag ermittelte die Klägerin, indem sie den Endbetrag der unstreitigen Forderung aus dem Bericht des Rechtsanwalts … in Höhe von 557.363,91 DM um den zuvor abgezogenen Betrag von 260.230,00 DM für zwei von ihr erworbene Appartements erhöhte.
Nach einer steuerlichen Betriebsprüfung für die Vorjahre berücksichtigte der Beklagte abweichend von den eingereichten Feststellungs- und Gewerbesteuererklärungen die Rückstellungen lediglich noch in Höhe von 0,5 % des jeweiligen jährlichen Gesamtumsatzes, nämlich zum 31.12.1991 in Höhe von 124.666,00 DM, zum 31.12.1992 in Höhe von 143.766,00 DM und zum 31.12.1993 in Höhe von 166.548,00 DM. In den Feststellungsbescheiden vom 7.06.1995 und den Gewerbesteuermeßbescheiden vom 3.07. bzw. 11.07.1995 erhöhte der Beklagte dementsprechend den Gewinn aus Gewerbebetrieb bzw. den Gewerbeertrag abweichend von den eingereichten Erklärungen.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit der Klage weiter. Sie macht geltend, die Bildung von Pauschalrückstellungen setze voraus, daß der Kaufmann aufgrund von Erfahrungen in der Vergangenheit oder aufgrund branchenmäßiger Erfahrungen und individueller Gestaltungen des Betriebs mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von Garantieleistungen rechnen müsse. Maßgeblich seien grundsätzlich die tatsächlichen Verhältnisse am Bilanzstichtag. Die übliche Geflogenheit des Sicherungseinbehalts von 5 % beweise, daß in der Praxis der Auftraggeber immer hinreichend abgesichert werden könne, wenn ein entsprechender Sicherheitseinbehalt erfolge. Diese langjährigen Erfahrungswerte spiegelten sich nicht ohne weiteres in den Pauschalrückstellungen wider, die in den „Berichte eines Steuererfahrungsaustausches Bauwirtschaft” mit 0,5 bis 0,75 % als Durchschnittswerte angegeben sind. Denn viele Unternehmen, insbesondere Großunternehmen, bildeten Einzelrückstellungen. Der Unternehmer dürfte die in ständiger Übung entstandenen Erfahrungssätze nicht ignorieren, da das Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB den Inhalt des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes in der Weise modifiziere, daß die nach Einschätzung fast aller Auftraggeber mögliche Inanspruchnahme zu beachten sei. Diese Notwendigkeit werde von der Rechtsprechung derzeit noch nicht beachtet und problematisiert. Hierzu verweist die Klägerin auch auf das Urteil des RFH in Reichssteuerblatt – RStBl – 1933, 1205, aus dem sich ergebe, daß bei der Bildung einer Rückstellung für Garantieverpflichtungen der Umstand zu berücksichtigen sei, daß der Bauunternehmer dem Auftraggeber Sicherheit geleistet habe.
Als Bemessungsgrundlage einer pauschalen Garantierückstellung sei nicht der Umsatz nur eines Jahres maßgeblich. Die Rückstellung müsse vielmehr die noch zu erwartende Belastung aus sämtlichen Umsätzen der gesamten Garantiezeit, also konkret einen Zeitraum von fünf Jahren umfassen und wiedergeben. Dem werde am ehesten eine Schätzung gerecht, die die Umsätze und Garantieleistungen im Garantiezeitraum umfasse (Hinweis auf BFH-Urteil in BStBl II 1983, 104 sowie im einzelnen zitierte Schrifttumsnachweise). Diese Methode habe die Klägerin im Streitfall angewandt, indem sie diese Umsätze saldiert und im Wege der Schätzung einen erheblichen Abschlag vorgenommen habe, um dem garantiebehafteten bzw. gewährleistungsbehafteten Umsatz zu ermitteln. Der Umsatz eines Jahres könne bei garantiebehafteten Geschäften bzw. bei gewährleistungsbehafteten Umsätzen mit einer Gewährleistungsdauer über einen Zeitraum von fünf Jahren naturgemäß nicht zu einer korrekten Bemessungsgrundlage führen. Ansonsten könne der Jahresabschluß nicht ein entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermitteln.
Selbst der „Steuererfahrungsaustausch”, auf den sich das FG Köln im Urteil vom 8.02.2000 8 K 3491/95 beziehe, ergebe unstreitig eine durchschnittliche Rückstellungsquote von 0,74 %. Bei Unternehmen sei eine Rückstellung in Höhe von 2 % üblich. Im Hochbau bei Großaufträgen und im Tiefbau seien Rückstellungsbeträge bis zu 5 % möglich, da die Risiken bei diesen Gewerken besonders seien. Die Klägerin habe in den Streitjahren 1991 und 1992 zu ca. 85 % und im Streitjahr 1993 zu ca. 90 % Hochbauarbeiten durchgeführt. Der jeweilige Rest des Umsatzes sei mit Tiefbauarbeiten erwirtschaftet worden. Die Klägerin habe in weit überwiegendem Umfang Großprojekte abgewickelt. Zur Stützung dieser Erfahrungswerte könne auch die Entwicklung der Gewährleistungsbelastung der Klägerin in den Folgejahren herangezogen werden, da die stark gestiegene Belastung anschaulich verdeutliche, daß sich nunmehr die gestiegenen Umsätze auswirkten und folglich die Vergangenheitswerte der Klägerin kein repräsentatives Bild der Gewährleistungsbelastungen der Streitjahre ergäben. Die Gewährleistungsansprüche der Folgejahre belegten auch, daß sich durch den Wiedervereinigungsboom eine neue Auftragsstruktur herausgebildet und die Klägerin mit einem stark erhöhten Risiko belastet habe.
Die Rechtsprechung habe bisher noch nicht entschieden, ob eine Gewinnrealisation überhaupt möglich sei, wenn für eine vorläufig realisierte Forderung im Wege eines Austausches dieser Betrag durch Sicherheitsleistung bei einem Kreditinstitut abgesichert werden müsse, um vom Auftraggeber eine Auszahlung des Werklohnes ohne Abzüge zu erhalten. Für die Aktivierungspflicht einer Forderung sei der Zeitpunkt der Rechnungserteilung im Grunde der Fälligkeit nicht maßgebend. Aufschiebend bedingte Forderungen würden bis zum Eintritt der Bedingung nicht realisiert und seien daher nicht zu aktivieren. Im Streitfall liege die Situation vor, daß der Bauunternehmer erst nach Ablauf von fünf Jahren seine Sicherheit vom Auftraggeber zurückerhalte und zwar nur dann, wenn der Auftraggeber die Bürgschaft nicht in Anspruch nehme. Dementsprechend sei vereinbart, daß die Forderung nur in dem Umfang bestehe, in dem der Auftraggeber keine Gewährleistungsansprüche – und zwar ohne Eingriffsmöglichkeit des Bauunternehmers – geltend mache. Die Forderung sei nur scheinbar realisiert. Sie stehe wegen der Vereinbarungen der Vertragsparteien und der Gewährung einer Austauschsicherheit, die den Unternehmer in der Liquidität belaste, folglich unter einer aufschiebenden Bedingung mit der Folge, daß eine Aktivierung zu unterbleiben habe. Überdies widerspreche die angenommene Gewinnrealisierung dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Nur in der Baubranche sei es üblich, scheinbar vereinbart und letztlich aufschiebend bedingte Forderungen durch Bankbürgschaften zu besichern, die faktisch über fünf Jahre hinweg die Liquidität belasteten. Darüber hinaus belaste diese Handhabung letztlich nur den unternehmerischen Mittelstand, da Baugroßkonzerne für ihre Bürgschaften keine Sicherheiten leisten müßten, da an ihnen Großbanken beteiligt seien. Weiter verweist die Klägerin darauf, daß ohne die Stellung der Bankbürgschaften die Forderungen in Höhe des dann zu gewährenden Sicherheitseinbehalts jedenfalls entsprechend der fünfjährigen Dauer bis zur Begleichung abzuzinsen seien. Auch dieser Umstand müsse bei der Ermittlung der Höhe der Pauschalrückstellung berücksichtigt werden.
Schließlich beruft sich die Klägerin auf ihre Rechtsausführungen im Verfahren 8 K 3491/95 und im anschließenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren und insofern wird auf den Tatbestand des Urteils des 8. Senats vom 8.02.2000, die Schriftsätze der Klägerin in diesem Verfahren und im Beschwerdeverfahren Bezug genommen.
Am 25.06.1997 ergingen geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermeßbetrag und am 02.07.1997 geänderte Feststellungsbescheide. Die Klägerin hat beantragt, diese Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Die Klägerin beantragt,
die Gewerbesteuermeßbescheide für 1991 bis 1993 vom 25.06.1997 dahingehend zu ändern, daß der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag für 1991 auf 13.017,00 DM, für 1992 auf 5.830,00 DM und für 1993 auf 52.460,00 DM herabgesetzt wird, sowie die Gewinnfeststellungsbescheide vom 2.06.1997 dahingehend zu ändern, daß der Gesamtgewinn für 1991 um 73.814,00 DM, für 1992 um 1.893.600,00 DM und für 1993 um 377.620,00 DM herabgesetzt wird,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält unter Bezugnahme auf das Urteil des 8. Senats vom 8.02.2000 und den BFH-Beschluß im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren daran fest, daß die berücksichtigte Pauschalrückstellung in Höhe von 0,5 % des Gesamtumsatzes nicht zu niedrig sei. Die von der Klägerin geltend gemachten tatsächlichen Gewährleistungsfälle seien der Höhe nach teilweise nicht belegt. Aus den vorgelegten Unterlagen sei teilweise nicht ersichtlich, daß es sich bei erbrachten Leistungen um Gewährleistungen handele. Teilweise fehle es an Nachweisen der geltend gemachten Aufwendungen. Bei den Aufwendungen für die Jahre 1992 bis 1995 für den Auftraggeber … seien Beträge von 118.500,00 DM und 62.700,00 DM doppelt erfaßt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf den Schriftsatz des Beklagten vom 5.10.2001 Bezug genommen. Aus den vorgelegten Unterlagen ergäbe sich eine Gewährleistungsquote im Verhältnis zu den gewährleistungsbehafteten Umsätzen nach der Aufstellung der Klägerin in Höhe von 0,42 % für 1992 bis 1995 und von 0,25 % für 1996. Erst ab 1997 übersteige die Quote 1 %. Da der Beklagte die Garantierückstellungen auf der Grundlage des höheren Gesamtumsatzes berücksichtigt habe, seien die Ansätze des Streitjahres auch unter Berücksichtigung der tatsächlich erbrachten Gewährleistungen zutreffend.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Voraussetzungen für die Bildung einer Pauschalrückstellung für Gewährleistungsverpflichtungen über 0,5 v. H. des jährlichen Gesamtumsatzes sind bei der Klägerin in den Streitjahren nicht erfüllt.
1. Nach den Gewinnermittlungsvorschriften der § 4 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 EStG i. V. m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung – GoB – sowie der 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.07.1978 aufgrund von Artikel 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über dem Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen ist die Bildung einer Rückstellung für potentielle Gewährleistungsverbindlichekeiten vorgeschrieben, die rechtlich vor dem Bilanzstichtag entstehen, deren Folgen sich aber erst nach diesem zeigen. Eine einheitliche Rückstellung für alle derartigen Risiken (Pauschalrückstellung) ist dann zu bilden, wenn eine Pauschalbewertung dieser Rückstellung das geeignete Mittel ist, um einen in tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild von der Höhe des Aufwands zu geben, der abzusetzen sein wird (EuGH-Urteil vom 14.09.1999 RsC-275/97, DStR 1999, 1645; ständige Rechtsprechung des BFH, zuletzt Urteil vom 30.04.1998 III R 40/95, BFH/NV 1998, 1217, 1218 m. w. N.). Für die Bildung der Rückstellung genügt es aber noch nicht, wenn das Bestehen oder Entstehen einer Verbindlichkeit oder der Inanspruchnahme lediglich als möglich erscheint. Vielmehr muß eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, daß der bilanzierende Steuerpflichtige wegen eines im wesentlichen vor dem Bilanzstichtag verwirklichten Tatbestandes in Anspruch genommen werden wird (BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 1217, 1218 m. w. N.).
Im Streitfall sind die Voraussetzungen für die Bildung einer Pauschalrückstellung zu Gewährleistungsverbindlichkeiten erfüllt, weil die Klägerin regelmäßig auf Gewährleistung aus ihren Werkleistungen in Anspruch genommen wird und insoweit keine Einzelrückstellungen gebildet hat. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
2. Obgleich für die Bildung von Pauschalrückstellungen wesenstypisch ist, daß solche Verbindlichkeiten erfaßt werden, die weder der Höhe nach noch bzgl. des Zeitpunkts der Inanspruchnahme zum betreffenden Bilanzstichtag feststehen, erfordert es der Grundsatz der Bilanzwahrheit, daß die Rückstellung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild von der Höhe des Aufwands geben muß, der abzusetzen sein wird (vgl. EuGH, a.a.O. Tz.33 und 40).
Da ein objektiver Maßstab für die Wahrscheinlichkeit und Höhe künftiger Garantieleistungen nur aus der Erfahrung gewonnen werden kann, legt die Rechtsprechung auf die Erfahrung, die der Steuerpflichtige in seinem eigenen Betrieb der Vergangenheit gemacht hat, entscheidendes Gewicht (BFH-Urteil vom 30.06.1983 IV R 41/81, BStBl II 1984, 263; vom 17.02.1993 X R 60/980, BStBl II 1993, 437; Urteil in BFH/NV 1998, 1217, 1218). Daneben können auch branchentypische oder allgmeine Erfahrungswerte Berücksichtigung finden.
3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Rückstellung in den Streitjahren mit 0,5 v.H. des Gesamtumsatzes der Klägerin nicht zu niedrig bemessen.
a) Ausgehend vom Vorbringen des Beklagten überschritte die Summe der Gewährleistungsverpflichtung der Streitjahre in keinem Streitjahr den Satz von 0,5 % des Gesamtumsatzes. Aber auch auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Klägerin liegt die Gewährleistungsquote der Streitjahre weit unter den gebildeten und begehrten Rückstellungen (zwischen 8,75% und 11,76 %), wie sich aus der beigefügten Übersicht ergibt.
Jahr | Klägervortrag | Beklagtenvortrag |
1987 | 0,74 | 0,74 |
1988 | 0,75 | 0,75 |
1989 | 0,29 | 0,29 |
1990 | 0,04 | 0,02 |
1991 | 0,12 | 0,12 |
1992 | 0,51 0,61 | 0,35 |
1993 | 0,44 0,53 | 0,31 |
1994 | 0,28 0,35 | 0,19 |
1995 | 0,33 1,45 | 0,23 |
1996 | 0,32 1,12 | 0,17 |
1997 | 0,84 | 0,76 |
kursiv: Berechnung auf der Grundlage des Schriftsatzes vom 24.5.2002 |
Indes treffen die nach dem Klägervorbringen für die Streitjahre 1992 und 1993 errechneten Quoten von 0,61 % bzw. 0,53 % nicht zu. Denn die von der Klägerin für die Jahre 1992 bis 1995 angesetzten Gewährleistungsfälle … sind, wie der Beklagte zu Recht einwendet, aufgrund einer Doppelerfassung von Beträgen in Höhe von 118.500,00 DM und 62.700,00 DM überhöht zugrundegelegt worden. Die Doppelerfassung beruht darauf, dass die Klägerin sowohl prozessuale Verpflichtungen in diesem Umfang als auch die darauf beruhenden Zahlungen gesondert und damit im Ergebnis den Vorgang zweimal erfaßt hat. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.05.2002 bezüglich der Gewährleistung … weitere Aufwendungen in Höhe von 110.583,61 DM geltend gemacht hat, ist auch dies zumindest im wesentlichen unzutreffend. Zusätzliche Zahlungen für den Rechtsanwalt … können nicht angesetzt werden, da insoweit bereits pauschal 70.000 DM ohne Nachweis erfaßt sind. Möglicherweise waren die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen tatsächlich sogar erheblich niedriger, wie die nunmehr vorgelegten Rechnungen über 11.038,01 DM nahelegen. Ebenfalls bereits erfaßt sind die Zahlungen aus den Vergleichssummen … von 22.000 DM und … von 28.585,59 DM. Von dem Gewährleistungsbetrag … waren in der mit dem Schriftsatz vom 30.07.2001 geltend gemachten Summe lediglich der Betrag für die Anwaltskosten in Höhe von 2.548,15 DM nicht enthalten. Demnach ergibt sich aus dem Gewährleistungsfall … ein zusätzlicher Betrag von maximal 27.645,90 (6.911,48 DM pro Jahr für 1992 bis 1995). Unter Berücksichtigung dieser Umstandes ergeben für die Jahre 1992 und 1993 Gewährleistungssummen von jeweils 108.896 DM und Quoten von 0,38 % (1992) bzw. 0,33 % (1993) zutreffend.
Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn die für die Jahre 1992 bis 1995 aufgeführten Gewährleistungsfälle von 368.241,00 DM zuzüglich 27.645,90 DM (…) bzw. 39.696,06 DM (…) bereits in vollem Umfang im Streitjahr 1992 oder 1993 zu berücksichtigen und nicht – wie in der Übersicht im Tatbestand dargestellt – gleichmäßig auf diese Jahre zu verteilen wären. Dies wäre dann anzunehmen, wenn die Grundlage dieser Gewährleistungsverpflichtungen bereits in den Streitjahren 1992 und 1993 gelegt und zu den Bilanzstichtagen bereits bekannt gewesen wäre, was jedoch nicht zutrifft. Aus den von der Kläger vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass es sich in verschiedenen Bauabschnitten abgewickelte Baumaßnahmen mehrerer Einfamilien- bzw. Doppelhäuser handelte. Ein Großteil der Arbeiten wurde erst nach den Streitjahren ausgeführt und abgerechnet. Auch die ersten Gewährleistungsansprüche wurden erst 1995 und damit nach den Zeitpunkten der Aufstellung der Bilanzen der Streitjahre geltend gemacht. Überwiegend erfolgte die Geltendmachung erst ab 1997. Diese Umstände sprechen eher dafür, diese Gewährleistungsfälle in den Streitjahren überhaupt nicht berücksichtigen und jedenfalls führt die gleichmäßige Verteilung der Gewährleistungsfälle auf die Jahre 1992 bis 1995 als der Jahre der Durchführung der Maßnahmen mangels anderer Anhaltspunkte nicht zu unzutreffend niedrigen Werten.
b) Der Klägerin ist allerdings einzuräumen, dass bei der maßgeblichen Berücksichtigung der betriebsinternen Erfahrungswerte nicht schematisch auf das jeweilige Verhältnis der Gewährleistungsfälle eines Jahres zu den Gesamtumsätzen des betreffenden Jahres abzustellen ist. Vielmehr sind die über einen längeren Zeitraum gesammelten Erfahrungswerte maßgeblich. Nur auf diese Weise wird sichergestellt, dass einerseits nicht besonders günstige Umstände eines Jahres, andererseits nicht abweichend ungünstige Ergebnisse eines Jahres zu einer Verzerrung der Bewertung und damit zu einem unzutreffenden Ausweis des Jahresergebnisses führen (vgl. BFH-Urteil vom 7.12.1982 IV R 39/80, BStBl II 1983, 104). Dementsprechend ist es nach Ansicht des Senats nicht zu beanstanden, wenn jeweils die Ergebnisse der vergangenen 5 Jahre einbezogen werden. Aber auch insoweit ergibt sich keine Quote der Gewährleistungsfälle von mehr als 0,5 % der Gesamtumsätze der betreffenden 5 Jahre, die aus der nachfolgend unter c) dargestellten Übersicht zu ersehen ist.
c) Es kann dahin gestellt bleiben, ob auch die Dauer der üblichen Gewährleistungsfrist in der Weise zu berücksichtigen ist, dass ex post die Entwicklung der Folgejahre einbezogen wird, die aufgrund der Verfahrensdauer zwischenzeitlich weitgehend bekannt ist. Dagegen spricht, dass es sich insoweit nicht um eine Änderung der Verhältnisse handelt, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu anderen Werten führen müßte. Denn die überwiegend 5-jährige Gewährleistungsfrist war auch schon für die Vorjahre der Streitjahre maßgeblich und ist damit in die aus den Vorjahren gewonnenen Erfahrungswerte eingeflossen.
Im Ergebnis kann dies jedoch dahin stehen, weil sich auch unter Berücksichtigung der 5-jährigen Gewährleistungsfrist, die ausgehend vom letzten Streitjahr 1993 spätestens zum 31.12.1998 ablief, keine 0,5 % übersteigende Gewährleistungsquote ergibt, wie aus der nachfolgenden Übersicht zu ersehen ist. Dabei wurden grundsätzlich die von der Klägerin selbst angesetzten Werte zugrundegelegt. Abweichend davon wurden nicht angesetzt die Doppelerfassungen bei dem Projekt … (s. o. 3 a) sowie der mit Schriftsatz vom 24.05.2002 bezüglich des Gewährleistungsfalls … zusätzlich geltend gemachte Gewährleistungsbetrag von 817.593,91 DM. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich nicht, daß der Klägerin durch die Fa. … in dieser Höhe auf Gewährleistung in Anspruch genommen wurde. Insbesondere geht dies nicht aus dem Bericht des Rechtsanwalts … vom 13.02.1998 und dem einzelnen vorgelegten Prozeßschriftsatz hervor. Aus den Unterlagen ergibt sich indes, daß die Fa. … die gewährte Bürgschaft nicht als Sicherheit akzeptierte, was nicht zu einer Rückstellung berechtigt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der von der Klägerin geforderte Betrag nur deshalb (noch) nicht von der Fa. … gezahlt wurde, um ein Druckmittel bezüglich durchzuführender Nachbesserungsarbeiten zu behalten.
Im Rahmen der Ermittlung der Quote wurde der bisher nicht mitgeteilte Gesamtumsatz des Jahres 1998 in Anlehnung an das Vorjahresergebnis mit 41 Mio DM geschätzt.
Jahre | Gesamtumsatz in DM | Summe Gewährleistungsfälle | |
DM | % des Gesamtumsatzes | ||
1987 – 1991 | 98.152.014 | 329.791 | 0,34 |
1988 – 1992 | 112.691.479 | 333.096 | 0,30 |
1989 – 1993 | 128.402.550 | 380.505 | 0,30 |
1987 – 1997 | 340.654.460 | 1.340.631 | 0,39 |
1987 – 1998 | ca. 390.000.000 | 1.845.754 | 0,47 |
Evtl. höhere Gewährleistungssummen der Jahre ab 1998 sind schon im Hinblick auf den Ablauf der Gewährleistungsfrist für die die Beurteilung nicht heranzuziehen. Überdies beruhen diese Gewährleistungsfälle auf Bauvorhaben, die erst nach der Aufstellung der Bilanzen für die Streitjahre vertraglich vereinbart bzw. zumindest durchgeführt wurden. Ferner ist der Gesamtumsatz dieser Jahre auch von der Klägerin nicht mitgeteilt worden, so dass auch die Gewährleistungsquote nicht bekannt ist.
Schließlich ist bei den ermittelten Quoten nicht berücksichtigt, daß die Klägerin die Gewährleistung teilweise auf Subunternehmer abwälzen konnte. Insoweit ist die tatsächliche Gewährleistungsquote niedriger als die in der Übersicht wiedergegebene.
d) Soweit in einzelnen Jahren des Zeitraums 1987 bis 1997 bzw. 1998 die Gewährleistungsquote 0,5 % übersteigt, nämlich in den Jahren 1987, 1988 und 1997, möglicherweise auch 1998, ist dies unerheblich, weil diese Jahren jedenfalls – wie sich aus der Übersicht unter c) ergibt – für die Streitjahre nicht repräsentativ sind.
e) Zu Unrecht meint die Klägerin, die von ihr geltend gemachten wesentlich höheren Rückstellungen seien aufgrund der den Auftraggeber insbesondere bei Großaufträgen für die Dauer von 5 Jahren gewährten Bürgschaften zur Abwendung der Sicherungseinbehalte von 5 % der Rechnungssumme gerechtfertigt. Die 5 %ige Sicherheit begründet indes weder einen betriebstypischen noch einen branchentypischen Erfahrungswert für die tatsächliche Inanspruchnahme auf Gewährleistung. Die Sicherungsleistung erfolgt ausschließlich im Interesse des Auftraggebers. Sie soll die aus Sicht des Auftraggebers im Einzelfall mögliche Gewährleistung vollständig oder zumindest teilweise absichern. Weiter dient die Sicherheit auch als Druckmittel, um Gewährleistungsansprüche, insbesondere solche auf Nachbesserungsarbeiten, durchsetzen zu können. Der Umfang der Sicherheitsleistungen spiegelt damit keineswegs die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme in entsprechendem Umfang der Summe aller Fälle wieder. Nach ständiger Rechtsprechung ist nur die tatsächlich zu erwartende Inanspruchnahme, nicht jedoch die vom Auftraggeber für möglich gehaltene Inanspruchnahme maßgebend (so ausdrücklich auch BFH-Beschluss vom 24.08.2000 VIII B 42/00 in der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil für die Vorjahre). Die Klägerin, die an ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung festhält, hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die die ständige Rechtsprechung als unrichtig erscheinen lassen könnten. Vielmehr belegen die von der Klägerin selbst dokumentierten Gewährleistungsfälle und die darauf gewonnen betriebsinternen Erfahrungswerte, dass die von ihr auf der Grundlage der Sicherungseinbehalte bewerteten Gewährleistungsrückstellung in grober Weise dem Grundsatz der Bilanzwahrheit wiederspricht, in dem er den tatsächlich erzielten Gewinn zum überwiegenden Teil nicht aufdeckt.
Die Sicherungsleistungen können auch deshalb das tatsächliche rechtliche Risiko der Inanspruchnahme nicht wiederspiegeln, weil, wie auch die vorgelegten Unterlagen, z.B. im Fall …, zeigen, die Klägerin einen Teil der gegen sie geltend gemachten Gewährleistungsansprüche auf Subunternehmer abwälzen kann. Nach den von der Klägerin geschilderten Gepflogenheiten waren auch diese verpflichtet, der Klägerin entsprechende Sicherheiten zu leisten oder Sicherungseinbehalte hinzunehmen.
Aus dem von der Klägerin herangezogenen Urteil des RFH vom 18.08.1933 (VI A 736/33, RStBl 1933, 1205) läßt sich nichts Gegenteiliges herleiten. In dem Urteil wird lediglich entschieden, dass eine Sicherheitsleistung des Bauunternehmers für Garantie- bzw. Haftungsansprüche dafür spricht, dass der Bauunternehmer dem Grunde nach zur Bildung einer Pauschalrückstellung berechtigt ist. Zur Höhe der Rückstellung trifft das Gericht indess keine Aussage. Vielmehr wurde insoweit der Rechtsstreit an das Finanzgericht zurückübertragen zur Überprüfung der Rückstellung der Höhe nach unter Berücksichtigung des maßgeblichen Inhalts der Bauverträge und der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist auch die Aufnahme von Avalkrediten zur Ablösung von Gewährleistungspflichten (Sicherheitseinbehalten) kein Umstand, der eine Rückstellung unabhängig von einer konkret drohenden Inanspruchnahme auf Gewährleistung zuläßt (BFH-Urteil vom 12.12.1991 IV R 28/91, BStBl II 1992, 600).
f) Entgegen der Ansicht der Klägerin war die Rückstellung nicht im Hinblick auf die fünfjährige Gewährleistungsdauer in Höhe des Fünffachen des durchschnittlichen jährlichen Gewährleistungsbetrages anzusetzen. Ein solche Handhabung widerspräche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung. Bilanzzeitraum ist das Kalenderjahr. Die Pauschalrückstellung soll und darf nur den – künftigen – Aufwand für Gewährleistungen erfassen, der erfahrungsgemäß in einem Bilanzzeitraum zu erwarten ist. Bei der Ermittlung des Erfahrungswerts sind naturgemäß solche Gewährleistungen zu erfaßt, die zu jedem beliebigen Zeitraum der Gewährleistungsfrist, also während des gesamten Fünfjahreszeitraums, geltend gemacht werden. Die zeitliche Zuordnung zum Bilanzierungsjahr schließt es aber aus, den erfahrungsgemäß über die Dauer von fünf Jahren entstehenden Aufwand in einem Jahr zu berücksichtigen.
Aus dem BFH-Urteil in BStBl II 1983, 104, ergibt sich nichts anderes. Vielmehr folgt aus dem Urteil lediglich, daß die Dauer des Gewährleistungsfrist in der Weise zu berücksichtigen ist, daß ein entsprechend langer Erfahrungszeitraum zu betrachten und aus den gesamten Gewährleistungsfällen mit ausnahme der Sonderfälle, für die eine Einzelrückstellung zu bilden ist, dieses Zeitraums ein Durchschnittswert zu ermitteln ist. Dieser Wertung ist der Senat in der Ermittlung der Durchschnittswerte (s. Übersicht unter c) gefolgt.
g) Zu Unrecht beruft die Klägerin sich auch auf Branchenerfahrungen, die ihrer Ansicht nach eine höhere Rückstellung rechtfertigen könnten. Dies ist schon deshalb unerheblich, weil den Branchenerfahrungen nur dann Gewicht zukäme, wenn keine aussagefähigen betriebsinternen Erfahrungswerte vorlägen. Über dies können abweichende Branchenerfahrungswerte nicht festgestellt werden. Nach dem „Steuer-Erfahrungsaustausch Bauwirtschaft” wurden bei über 100 befragten Betrieben der Bauwirtschaft Pauschalrückstellungen in der Größenordnung zwischen 0,5 v.H. und 0,75 v.H. gebildet. Der für die Klägerin berücksichtigte Wert von 0,5 % liegt damit noch im Rahmen der üblichen Spanne. Soweit die Klägerin sich auf höhere in der Kommentarliteratur genannte Werte bezieht, lassen die zitierten Fundstellen einen Beleg dafür vermissen, wie die Werte ermittelt wurden.
4. Der Senat bejaht auch die Frage, dass die von der Klägerin erzielten Gewinne auch insoweit zu realisieren waren, als noch die Gefahr der Inanspruchnahme der Sicherungsbürgschaften für Gewährleistungsansprüche bestand. Entgegen der Ansicht der Klägerin sieht der Senat insoweit keine Parallele zur Behandlung von unter aufschiebenden Bedingungen stehenden Forderungen. Die Gewinnrealisierung folgt schon daraus, dass die jeweiligen Zahlungen bei der Klägerin eingegangen sind und damit deren Geld- bzw. Kontenbestände erhöht haben. Dem Risiko der Inanspruchnahme auf Gewährleistung ist im Rahmen der Gewinnermittlung allein und hinreichend durch die Bildung einer Rückstellung Rechnung zu tragen, die nur bei und im Umfang tatsächlich drohender Inanspruchnahme statthaft ist (vgl. a. BFH-Urteil in BStBl II 1992, 600).
Unerheblich ist schließlich, ob im Falle eines Sicherungseinbehalts die gegenüberstehende Restwerklohnforderung nur abgezinst zu aktivieren wäre. Denn ein derartiger Sachverhalt wurde im Streitfall nicht realisiert und kann deshalb auch der Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden.
5. Der Senat vermag auch keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG zu erkennen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es zutrifft, dass die Praxis mit Sicherungseinbehalts bzw. der Sicherungsleistung für Gewährleistungsansprüche mittelständige Unternehmen gegenüber Großunternehmen benachteiligt. Denn eine solche Benachteiligung wäre lediglich wettbewerbsrechtlicher Natur und würde unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht dazu zwingen, mittelständigen Unternehmen eine Steuersubvention zu gewähren.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
7. Die Revision war nicht zuzulassen. Keiner der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO ist erfüllt. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne der Nr. 1 der Vorschrift. Denn die Frage des Bewertungsmaßstabs für Pauschalrückstellungen für Gewährleistungsverpflichtungen ist durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. BFH-Beschluss vom 24.08.2000 VIII B 42/00).