08.01.2010
Finanzgericht München: Urteil vom 02.07.2003 – 4 K 4759/00
1. Bei der Bedarfsbewertung für ein bebautes Grundstück ist der Mindestwert für unbebaute Grundstücks auch dann anzusetzen, wenn das Grundstück in einem Sanierungsgebiet liegt, das Gebäude dem Denkmalschutz unterliegt und nach einem vom Kläger vorgelegten Gutachten der Wert des Grund und Bodens zwar über dem vom FA als Mindestwert angesetzten Grund- und Bodenwert liegt, der Verkehrswert des gesamten Grundstücks aber aufgrund eines erheblichen Reparaturstaus an dem sanierungsbedürftigen Gebäude nach dem Gutachten bei null Euro liegen soll, dieser rechnerische Negativwert für das in guter Innenstadtlage belegene Gebäude aber nicht nachvollziehbar ist.
2. Zur Ermittlung des Bodenrichtwerts in einem Sanierungsgebiet.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
wegen
Einheitswert des Grundvermögens
hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Finanzgerichts Gretz des Richters am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht sowie der ehrenamtlichen … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02. Juli 2003
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Ermittlung der Höhe des sog. Bedarfswertes für das Grundstück … in … auf den 16.04.1998.
Die Klägerin ist alleinige Erbin nach Herrn … (verstorben am 16.04.1998), der Eigentümer des bebauten Grundstücks in … war. Im Grundbuch ist dieser Grundbesitz unter der Flurstücksnummer 16783 für die Gemarkung H. mit 710 m²vorgetragen. Bei dem 1888 errichteten Vorder- und Rückgebäude handelt es sich um Gebäude mit mehr als zwei Wohnungen.
Auf Anforderung des für die Erbschaft-/Schenkungsteuer zuständigen Finanzamts erließ der Beklagte (Finanzamt –FA–) mit Bescheid vom 07.12.1999 eine gesonderte Feststellung des Grundstückswerts zum 16.04.1998. Dabei stufte es das Grundstück als bebaut ein und stellte den Grundstückswert anhand des Mindestwerts auf 1.943.000 DM fest. Zurechnungsträger war die Klägerin zu 1/1. Grundlagen der Wertermittlung bildeten die Grundstücksfläche (710 m²) sowie der um 20 % reduzierte Bodenwert in Höhe von 3.422 DM/m². Dieser Bodenwert wurde so ermittelt, dass vom Bodenrichtwert zum 01.01.1996 (4.300 DM/m²) bei einer Geschossflächenzahl (GFZ) von 2,50 auf die tatsächliche GFZ 1,99 (ermittelt aus der Nutzfläche × 120 % geteilt durch die Grundstücksfläche: 1.182 m² × 120 % = 1.418 m²: 710 m² = 1,99) herunter gerechnet wurde. Die Umrechnung erfolgte linear, nach mündlicher Mitteilung des Gutachterausschusses der ….
Der mit Hilfe des Ertragswertverfahrens berechnete, geringere Ertragswert blieb unberücksichtigt. Mit dem Einspruch (Schreiben vom 14.12.1999 Bl. 13 f FA-Akte) wurde geltend gemacht, dass die Jahresrohmiete lediglich 103.977 DM betrage und das aufgrund des Denkmalschutzes, des Reparaturstaus ein Abschlag in Höhe von 40 % vorzunehmen sei. Gleichzeitig müsse der Bodenrichtwert vor der Sanierung angesetzt werden. Maßgeblich sei bei der Wertermittlung die Feststellung des gemeinen Werts.
Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16.10.2000 als unbegründet zurück (Bl. 60 f FA-Akte), Der Mindestwert errechne sich regelmäßig aus der Grundstücksfläche und dem auf 80 % ermäßigten Bodenrichtwert auf den 01.01.1996 (gleichlautende Ländererlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 28.05.1997 (BStBl Teil I Seite 592)). Ein anderer Bodenrichtwert sei nicht anzusetzen, auch wenn sich die Verhältnisse (hier durch die Aufnahme in das Sanierungsgebiet) änderten. Nur durch ein Wertermittlungsgutachten, den Grund und Boden allein ohne Gebäude betreffend, könne von diesem Wert abgewichen werden. Abschläge die sich aus dem Erbschaftsteuergesetz ergeben, seien nicht durch das Lagefinanzamt, sondern durch das Veranlagungsfinanzamt zu bestimmen. Die Grundbesitzwertermittlung richte sich nur nach dem Bewertungsgesetz.
Mit der Klage (Schreiben vom 23.10. und 07.12.2000 sowie 30.07.2002, Bl. 1, 10 f und 18 FG-Akte) beantragt die Klägerin sinngemäß, den Grundstückswert mit 0,– DM anzusetzen. Der nach § 145 Abs. 3 S. 3 BewG anzusetzende gemeine Wert werde von den zu erwartenden Erträgen bestimmt, die für die nächsten 14 Jahre unter keinen Umständen positiv sein würden. Auch die Mindestwertberechnung des Finanzamts sei zu korrigieren. Wegen der Lage im Sanierungsgebiet (Abschlag 40 v. H.) und des Ensembleschutzes (Abschlag 40. v. H.) könne höchstens ein Ansatz von 1.238.000,– DM verbleiben.
Mit Schreiben vom 30.07.2002 legte die Klägerin ein Gutachten des freien Sachverständigen … vom 17.05.2002 auf den Wertermittlungsstichtag 16.04.1998 vor, das zu einem Verkehrswert von 1,– Euro kommt (Bl. 33 des Gutachtens). Der Objektwert sei belastet durch den hohen Reparaturstau, die fehlende Planungsfreiheit und fehlende Stellplatzmöglichkeiten, so dass eine Ertragswertermittlung wie eine Gebäudewertermittlung keine brauchbaren Ergebnisse bringe.
Eine Wertermittlung nach dem Indexwert 1913 führt nach Tz. 7.5. des Gutachtens zu einem Wert von 0,– EUR (Bl. 32 des Gutachtens).
Das Finanzamt beantragt die Klage abzuweisen (Schreiben vom 11.11.2002, Bl. 19 f FG-Akte). Das Gutachten, das nicht von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen stamme, komme zu keinen nachvollziehbaren Ergebnis.
So stelle sich die Frage, ob eine Wertminderung durch Alter, interpoliert für nachlässigen Unterhalt, neben einem gesonderten Abzug von Reparaturstaukosten in Höhe von 2.598.000 DM zulässig sei (Seite 32 des Gutachtens).
Der Gutachter habe in seiner Verkehrswertermittlung auch keinerlei Fundstellen und Rechtsgrundlagen aus den o.g. Vorschriften zitiert.
Außerdem sei im Ergebnis ein Verkehrswert von 0 DM für ein Grundstück in dieser Lage trotz der geltend gemachten Reparaturstaukosten nicht nachvollziehbar.
Vor dem Senat hat am 02.07.2003 mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 146 Abs. 6 BewG darf der für ein bebautes Grundstück nach den Absätzen 2–5 der Vorschrift anzusetzende Wert nicht geringer sein, als der Wert, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück nach § 145 Abs. 3 BewG zu bewerten wäre.
Das Finanzamt hat den Mindestwert (§ 145 Abs. 3 BewG) im Streitfall korrekt ermittelt. Es hat dabei den Bodenrichtwert durch Interpolation der tatsächlichen Geschossflächenzahl angeglichen und damit der geringeren baulichen Ausnutzungsmöglichkeit wegen der Denkmaleigenschaft des aufstehenden Gebäudes Rechnung getragen. Weitere Beeinträchtigung wären im Übrigen im Mindestwertverfahren durch den Abschlag von 20 v. H. nach § 145 Abs. 3 BewG mit abgegolten. Auch die Lage in einem Sanierungsgebiet (seit 1977) kann keinen weiteren Abschlag vom Bodenrichtwert rechtfertigen. Nach der dem Gericht bekannten Praxis des Gutachterausschusses wirkt sich die Lage in einem Sanierungsgebiet wertmäßig nach Durchführung der Sanierungsmaßnahmen allenfalls werterhöhend auf den Bodenrichtwert aus. Im Streitfall wurde für das Gebiet in dem das streitbefangene Grundstück belegen ist (Sanierungsgebiet) ein Bodenrichtwert von 4.300 DM (vor Sanierung) auf den 01.01.1996 festgestellt.
Demgegenüber ist das von der Klägerin vorgelegte Gutachten weder geeignet einen niedrigeren gemeinen Wert (Verkehrswert) des bebauten Grundstücks gem. § 146 Abs. 7 BewG noch einen niedrigeren gemeinen Wert des unbebauten Grundstücks gem. § 146 Abs. 6 i.V.m. § 145 Abs. 3 S. 3 BewG nachzuweisen.
Das Gutachten geht hinsichtlich des Verkehrswertes des unbebauten Grundstücks zum einen von einem falschen Ausgangswert aus, da maßgeblicher Stichtag der 14.06.1998 ist, so dass zumindest eine Interpolation zwischen dem Bodenrichtwert von 4.300,– DM je m² zum 01.01.1996 und 3.890,– DM je m² zum 31.12.2000 geboten wäre. Im Übrigen kommt der Gutachter selbst zu einem über dem vom Finanzamt angesetzten Mindestwert (1.943.000,– DM) liegenden Wert des Grund und Bodens (2.273.760,– DM).
Soweit der Gutachter zu dem Schluss kommt, der Verkehrswert des bebauten Grundstücks habe aufgrund des Reparaturstaus einen rechnerischen Negativwert, für Verkehrswertzwecke jedoch einen Wert von 1,– EUR, vermag dies der Senat nicht nachzuvollziehen.
Die Gegenrechnung der Sanierungskosten gegen den auch vom Gutachter festgestellten Bodenwert ist nicht schlüssig. Ein vorhandener Reparaturstau hat grundsätzlich nur Einfluss auf den Gebäudewert nicht aber auf den Bodenwert.
Auch bei einer Entkernung unter Erhaltung der denkmalgeschützten Bauteile hätte ein Käufer die Baukosten zu tragen, ohne dass deshalb der Bodenwert wesentlich beeinträchtigt wäre. Im Übrigen erscheint es jeglicher Lebenserfahrung widersprechend, dass das Streitbefangene Grundstück in guter … Innenstadtlage im freien Geschäftsverkehr nur für 1,– EUR zu veräußern wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.