08.01.2010
Finanzgericht München: Urteil vom 23.11.2006 – 14 K 3616/03
1. Ein Antrag auf Nacherhebung bzw. auf Absehen von dieser ist nicht zulässig, ebenso wie ein Erstattungsantrag nach Art. 236 ZK neben und nach fristgerecht erhobenem Einspruch.
2. An größeren Zollbehörden kann bei nur sporadischen Abfertigungsvorgängen eines Beteiligten grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass sich eine gleichbleibende Zollabfertigungspraxis aufgrund mehrfacher früherer Überprüfung der Rückwarenberechtigung gebildet hätte, die einen Irrtum der Zollbehörde i.S. von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK belegen würde.
3. Bei erfahrenen Zollbeteiligten kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie die gesetzlichen Vorschriften der Rückwarenregelung und der Regelung des passiven Veredelungsverkehrs verstehen und unterscheiden können.
4. Die Zurücksendung schadhafter Geräte im Rahmen der Garantie eröffnet keine Erstattungsmöglichkeit für zurückgewiesene Waren nach Art. 238 ZK.
5. Zum Abgabenerlass nach Art. 239 ZK.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 3. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht … und der Richter am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung vom 23. November 2006
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Nacherhebung und der Ablehnung von Erstattungsanträgen.
Anlässlich einer Außenprüfung (Prüfbeginn: 10. Januar 2002) wurden folgende Feststellungen getroffen:
Die Klägerin meldete in dem hier str. Zeitraum vom 25. August 1999 bis 29. Oktober 2001 in folgenden str. 11 Fällen Receiver als Rückwaren jeweils unter dem Verfahrenscode 4010 an, die vom Hersteller kostenlos repariert bzw. als kostenloser Ersatz geliefert worden seien:
1 FS 2416 vom 25. August 1999 645 Receiver aus Taiwan,
1 F 6344 vom 6. April 2000 341 Receiver aus Taiwan,
1 F 14418 vom 2. August 2000 438 Receiver aus Hongkong,
1 F 19375 vom 10. Oktober 2000 569 Receiver aus Taiwan,
1 F 24679 vom 20. Dezember 2000 624 Receiver aus Korea,
1 F 25449 vom 5. Januar 2001 584 Receiver aus Hongkong,
1 F 3543 vom 1. März 2001 1.016 Receiver aus Hongkong,
1 F 5278 vom 16. März 2001 375 Receiver aus Taiwan,
1 F 10692 vom 7. Juni 2001 896 Receiver aus Hongkong,
1 F 12454 vom 29. Juni 2001 647 Receiver aus Korea und
1 F 19498 vom 29. Oktober 2001 583 Receiver aus Taiwan.
Zu dem Zollbescheid des HZA Bremerhaven ZA Containerterminal vom 15. März 1999 (Registriernr. 4340), der nicht Gegenstand der Klage ist, meldete die Klägerin laut Rechnung der HWA aus Hongkong 114 Receiver SSR5101D als Ersatzlieferungen mit einem Preis von jeweils nur 1 US-$ zum freien Verkehr an. Die Vergleichspreise betrugen 24.40 US-$.
Bei der Einfuhr mit 1 F 16598 vom 15. September 1999 meldete die Klägerin nur 3.500 Receiver aus Taiwan zur Überführung in den freien Verkehr an. Die weiteren mitgelieferten 138 Receiver-Ersatzlieferungen des Typs SSR5102 sowie die Musterlieferungen von je 17 Stück der Modelle SSR5102 und SSR5105 wurden nicht zur Abfertigung angemeldet.
Bei der Einfuhr mit 1 F 19494 vom 25. Oktober 1999 meldete die Klägerin die als „repariert” gelieferten 1.014 Receiver als „Ersatzteile für Receiver” der Codenr. 8529 9081 100 mit einem Zollwert von 1.324,58 DM aus Taiwan unter dem Verfahren 4000 (ohne Rückwarenerklärung) an.
Bei der Einfuhr vom 6. April 2000 enthielt die Rückwarenerklärung keine Angaben über die Wiedereinfuhr der Waren; als Entgelt für die Behandlung im Ausland wurden 27.328,31 DM angegeben. Der Zollbefund lautet „o.B.”.
Für die Einfuhr F 10692 vom 7. Juni 2001 wurde in der Rückwarenerklärung angegeben „Ware wurde in Hongkong kostenlos repariert”. Der Zollbefund enthält zur Rückwareneigenschaft keinen Vermerk, sondern nur „Ursprungsland Hongkong (s. Ausfuhranmeldung).
In der Rückwarenerklärung zu 1 F 12454 vom 29. Juni 2001 wurde angegeben „Ware wurde in Korea kostenfrei repapiert”. Der Zollbefund lautet „o.B.”.
Bei den Einfuhren 1 F 14418 vom 2. August 2000, 1 F 19375 vom 10. Oktober 2000, 1 F 24679 vom 20. Dezember 2000, 1 F 25449 vom 5. Januar 2001, 1 F 3543 vom 1. März 2001, 1 F 5278 vom 16. März 2001 und 1 F 19498 vom 29. Oktober 2001 lautete der Zollbefund „nach Prüfung des vorgelegten Schriftverkehrs die Rückwareneigenschaft gem. Art. 185 ZK, Art. 844 ff ZKDVO und § 1 Abs. 2a EUStBV” bzw. „Rückwareneigenschaft gem. Art. 185 ZK und § 1 Abs. 2a EUStBV” „anerkannt” bzw. „Abgabenfrei gem. Art. 185 ZK, Art. 844 ff. ZKDVO und § 1 Abs. 2a EUStBV” bzw. „Rückwareneigenschaft nachgewiesen; abgabenfrei gem. Art. 185 ZK und § 1 Abs. 2a EUStBV”. Die Rückwarenerklärung lautete: „Ware war defekt und wurde vom Absender in Hongkong repariert” bzw. „Ware war defekt und wurde repariert” bzw. „Ware wurde durch Absender kostenlos repariert” bzw. „kostenlose Ersatzlieferung für defekte Ware” bzw. „Waren wurden kostenlos repariert” bzw. „Ware defekt”.
Lediglich zu den Einfuhren 1 F 6344 vom 6. April 2000, 1 F 19375 vom 10. Oktober 2000, 1 F 24679 vom 20. Dezember 2000, 1 F 3543 vom 1. März 2001, 1 F 12454 vom 29. Juni 2001, 1 F 19498 vom 29. Oktober 2001 hatte die Klägerin Ausfuhranmeldungen vorgelegt. Diese waren im Rahmen des der Klägerin bewilligten Anschreibeverfahrens bei der Warenausfuhr vorabgestempelt und enthielten u.a. folgende Angaben der Klägerin „kostenlose Reparaturrücksendung” und den Verfahrenscode 1000.
Für die o.a. Einfuhren (mit Ausnahme des Zollbescheids des HZA Bremerhaven – ZA Containerterminal vom 15. März 1999) forderte das HZA von der Klägerin mit Einfuhrabgabenbescheid vom 30. Juli 2002 gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK Zoll in Höhe von 35.826,85 EUR und Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) in Höhe von 34.980,24 EUR, insgesamt 70.807, 09 EUR nach. Die Entscheidung über den dagegen eingelegten Einspruch vom 5. August 2002 wurde zurückgestellt, bis über die Anträge der Klägerin vom 8. November 2002, ihr den Zoll nach Art. 236/220 ZK, Art. 239 ZK und 238 ZK zu erstatten, entschieden ist. Das HZA lehnte mit Bescheiden jeweils vom 20. August 2003 die drei Anträge ab.
Mit Ihrer Sprungklage vom 2. September 2003 gegen diese drei Bescheide vom 20. August 2003, zu der das HZA mit Schriftsatz vom 29. September 2003, eingegangen am 8. Oktober 2003, die Zustimmung erteilte (die Klageschrift hatte das HZA am 9. September 2003 empfangen), macht die Klägerin im Wesentlichen Folgendes geltend:
Die Abgaben hätten nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK nicht nacherhoben werden dürfen. Seit den erstmaligen Wiedereinfuhren von Receivern nach kostenloser Ausbesserung im Herstellerland im Jahre 1996, deren Zollbelege die Klägerin vorlegte, habe die Klägerin alle maßgebenden Merkmale und Umstände der Einfuhr richtig angemeldet, aber aus Unkenntnis eine Zollbefreiung als Rückwaren beantragt. Dem seien die Zollstellen gefolgt, obgleich aus den Angaben der Klägerin und den vorgelegten Nachweisen eindeutig ersichtlich gewesen sei, dass die Voraussetzungen für eine Zollbefreiung als Rückware gefehlt hätten. Auch bei den str. Einfuhren hätten die Zollstellen die Voraussetzungen für die Zollbefreiung als Rückware sehr genau geprüft, wie es auch die Dienstanweisungen vorschreiben würden. Die Zollstellen hätten neben der Ausfuhranmeldung die Vorlage der Korrespondenz mit der Herstellerfirma zum Nachweis der Nämlichkeit und des Grundes der Rücknahme verlangt. Die Ausfuhranmeldungen hätten den Hinweis „kostenlose Reparaturrücksendung” enthalten. Wegen eines Verkaufs der Klägerin an die V-AG und dem damit verbundenen Personalaustausches seien aus der Versagung der Rückwareneigenschaft in den Zollbescheiden vom 14. Februar 2001 und 28. März 2001 keine Konsequenzen gezogen worden. Die Zollbehörden hätten auch in der Folgezeit die Rückwareneigenschaft anerkannt.
Da die Klägerin in den Jahren 1988 bis 1992 nur einfache Zubehörartikel aus Fernostländern eingeführt habe, habe sie zuvor keine Kenntnisse über das spezielle Zollabwicklungs-know-how bei Rücksendungen aufgrund von Qualitätsproblemen besessen. Erst mit dem Beginn des Geschäftes mit Receivern im Jahre 1996 sei das Einfuhrvolumen der Klägerin sprunghaft gestiegen. Für die Abwicklung der umfangreichen Rücksendungen defekter Geräte zur Ausbesserung habe die Klägerin zollrechtliches Neuland betreten und mit der Zollbefreiung für Rückwaren das geeignete Verfahren gefunden geglaubt, das von der Zollverwaltung geprüft und für richtig befunden worden sei.
Eine besondere Schadenskorrespondenz mit den Herstellern existiere nicht; die Verpflichtungen zur Rücknahme und Reparatur ergäbe sich aus den Verträgen mit den Herstellern. Auf die Einhaltung der Garantiefrist hätten sich die Hersteller nicht berufen. Die Klägerin halte es für ausgeschlossen, dass anstelle der defekten Geräte Ersatzwaren geliefert worden seien. Während die Klägerin bei dem passiven Veredelungsverkehr in der tschechischen Republik aus Rohmaterialien und Halbfertigerzeugnissen Fertigprodukte habe herstellen lassen, handele es sich vorliegend um Gewährleistungsfälle, für die ein Veredelungsverfahren nicht gerade naheliegend sei. Es sei daher bei der Ausfuhr die Kennziffer 1000 für eine endgültige Ausfuhr und bei der Wiedereinfuhr die Kennziffer 4010 für Rückwaren gewählt worden. Für den Zollbeamten hätte es klar sein müssen, dass der Vermerk „Ausfuhr zur Reparatur” zur Kennziffer 1000 ebensowenig passt wie der Vermerk „kostenlose Reparatur” zur Kennziffer 4010.
Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 30. Juli 2002 hinsichtlich des darin nacherhobenen Zolls aufzuheben, hilfsweise 35.826,85 EUR Zoll zu erstatten.
Das Hauptzollamt beantragt
Klageabweisung
und bezieht sich auf seine Ausführungen in den ablehnenden Bescheiden. Selbst wenn in der Mehrzahl von Einfuhren ein aktiver Irrtum der Zollstelle zu bejahen sei, sei dieser für die Klägerin erkennbar gewesen. Sie sei regelmäßig im Einfuhr- und Ausfuhrgeschäft tätig. Bei der Rückwarenregelung handele es sich um eine einfache und eindeutige Regelung. Der Klägerin sei durch anderweitig bewilligte Verfahren der passiven Veredelung die zollrechtliche Abwicklung von Bearbeitungsvorgängen im Drittland bekannt.
Die vorabgestempelten Ausfuhranmeldung habe die Klägerin ohne zollamtliche Kontrolle bzw. Prüfung eigenverantwortlich ausgefüllt und mit dem Verfahrenscode 1000 versehen. Auch bei der Ausfuhranmeldung im Jahre 1996 habe keine Prüfung der Zollstelle stattgefunden. Aufgrund der vorgelegten Original-Ausfuhranmeldungen mit dem Verfahrenscode 1000 sei der abfertigenden Zollstelle die Rückwareneigenschaft als nachgewiesen erschienen. Bei der erstmaligen Abfertigung sei die Zollstelle durch die von der Klägerin unzutreffend angemeldeten Verfahrenscodes über zollrechtlich bedeutsame Merkmale und Umstände getäuscht worden mit der Folge, dass die Geräte als Rückwaren abgabenfrei belassen worden seien. Ein Vertrauen daraus könne die Klägerin nicht ableiten.
Bezüglich des Antrags nach Art. 238 ZK obliege es der Klägerin zu bestimmen, welcher zollrechtlichen Abwicklung die Waren zugeführt würden. Die 12-Monatsfrist des Art. 238 sei nicht eingehalten. Gründe für eine Fristverlängerung seien nicht ersichtlich.
Bezüglich des Antrags nach Art. 239 ZK habe die Klägerin die erforderliche Sorgfaltspflicht verletzt. Es läge ausschließlich in Verantwortungsbereich der Klägerin, sich über das auf ihren Fall anzuwendende Gemeinschaftsrecht zu informieren. Ein begründeter Ausnahmefall liege nicht vor.
Mit Beweisbeschluss vom 13. November 2006 wurde die Vernehmung von Herrn B und Frau V als Zeugen angeordnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung und die Beweisaufnahme vom 23. November 2006 hingewiesen.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Das Hauptzollamt hat zu Recht die Anträge der Klägerin, ihr Zoll nach Art. 236/220 ZK bzw. Art. 238 ZK bzw. Art. 239 ZK zu erstatten, abgelehnt.
1. Antrag nach Art. 236/220 ZK
Die Erstattung von Abgaben nach Art. 220 ZK kann nicht beantragt werden. Es handelt sich hierbei um eine Nacherhebungsvorschrift, die ein Antragsverfahren nicht vorsieht.
Für einen Antrag auf Erstattung von Abgaben nach Art. 236 ZK besteht neben einem bereits vorher fristgerecht eingelegten Einspruch kein Rechtsschutzbedürfnis.
Die Klägerin begehrt mit ihren Anträgen in Wirklichkeit den Rechtsschutz, den sie in vollem Umfang bereits auf Grund des eingelegten Einspruchs genießt.
Sowohl der Antrag als auch die Entscheidung darüber sind daher – dazu haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ihr Einverständnis erklärt – umzudeuten auf
Überprüfung des angefochtenen Nacherhebungsbescheids im Rahmen des eingelegten Einspruchs. Bei dem Ablehnungsbescheid handelt es sich um die Entscheidung über den Einspruch der Klägerin.
Es besteht kein Streit darüber, dass der im str. Bescheid vom 30. Juli 2002 festgesetzte Zoll dem Grund nach und rechnerisch zutreffend festgesetzt ist. Es handelt sich bei diesem Zollbetrag um den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag im Sinne von Art. 236 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 220 Abs. 1 ZK. Streitig ist lediglich, ob der Nacherhebung Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK entgegensteht.
Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung des Zolls, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat. Um von einer Nacherhebung absehen zu können, müssen diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen.
a) Irrtum der Zollbehörden
Auf einen Irrtum der Zollbehörden ist die Nichterhebung von Abgaben zurückzuführen, wenn die zuständige Behörde der Abgabenfestsetzung eine unzutreffende Tatsachen- oder Rechtsbeurteilung zugrunde gelegt hat. Durch diese Vorschrift soll das berechtigte Vertrauen des Abgabenschuldners in die Richtigkeit aller Gesichtspunkte geschützt werden, die bei der ursprünglichen Entscheidung darüber, ob Zoll festgesetzt wird oder nicht, Berücksichtigung gefunden haben. Daraus ergibt sich, dass das Vertrauen des Abgabenschuldners nur dann schutzwürdig ist, wenn es gerade die zuständigen Behörden waren, die die Grundlage für das Vertrauen geschaffen haben.
Danach liegt in all den Fällen, in denen die abfertigenden Zollstellen eine Prüfung der Rückwareneigenschaft, z. B. Zollbefunde mit „o.B.”, der Warenbeschaffenheit, z.B. Warenmenge, und des Zollwerts nicht vorgenommen haben, grundsätzlich ein Irrtum der Zollbehörden im Sinne von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK nicht vor.
Es handelt sich um die Einfuhren 1 F 16598 vom 15. September 1999, 1 F 19494 vom 25. Oktober 1999, 1 F 6344 vom 4. April 2000, 1 F 10692 vom 7. Juni 2001 und 1 F 12454 vom 29. Juni 2001.
Soweit die Nacherhebung zu diesen Belegen die ursprünglich ohne Überprüfung anerkannte Rückwareneigenschaft betrifft, liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die ursprüngliche Anerkennung dennoch auf einen Irrtum der Zollbehörden zurückzuführen sei. Dies wäre der Fall, wenn eine frühere Außenprüfung die Rückwareneigenschaft geprüft und anerkannt hätte, eine entsprechende bindende Auskunft einer Zollbehörde vorläge oder sich eine langjährige Amtspraxis hinsichtlich der Einfuhren der Klägerin gebildet hätte. Für Letzteres hat auch die Beweisaufnahme keine Hinweise geliefert. Die Klägerin ließ sich bei der Zollabfertigung durch eine Spedition vertreten. Angesichts der Vielzahl von Zollbeamten, die in der Einfuhrabfertigung beim ZA Nürnberg eingesetzt sind, und den sehr sporadischen Abfertigungsvorgängen der Klägerin haben sich keine Anhaltspunkte für eine gleichbleibende Zollabfertigungspraxis aufgrund mehrfacher früherer Überprüfung der Rückwarenberechtigung ergeben.
b) Erkennbarkeit des Irrtums
Von der Nacherhebung kann nicht abgesehen werden, wenn der Abgabenschuldner die Möglichkeit hatte, den Fehler der Zollbehörde bei der Abgabenfestsetzung zu erkennen und ihm zuzumuten war, diese Möglichkeit zu nutzen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Abgabenschuldner den Irrtum der Zollbehörde tatsächlich erkannt hat. Die durch die VO Nr. 2700/2000 mit Wirkung vom 19. Dezember 2000 erfolgte Änderung der Vorschrift durch Einfügung des Wortes „vernünftigerweise” führt zu keiner materiellen Änderung; vielmehr wird klargestellt, dass die in Art. 202 Abs. 3, 203 Abs. 3 und 220 Abs. 2 ZK verwendeten Begriffe gleichartig auszulegen sind (vgl. Schwarz-Wockenfoth, Zollrecht, 3. Auflage, Anm. 95a zu Art. 220 ZK).
Die Kenntnis der Gesetze wird im Allgemeinen von jedem Zollbeteiligten erwartet. Ausnahmen können u.a. für Zollbeteiligte gelten, die Waren nur gelegentlich einführen und deren gewöhnliche Tätigkeit nicht auf die Einfuhr von Waren oder dieser Warenart gerichtet ist oder wenn es sich um ein kleines Unternehmen handelt, das nur auf Anraten der zuständigen Zollbehörde die Zollvergünstigung in Anspruch genommen hat. Lässt sich der Einführer für die Abwicklung der Abfertigung vertreten, kommt es für die Erkennbarkeit auf den höheren Kenntnisstand der Spedition an, der dem Abgabenpflichtigen zuzurechnen ist. Die Erkennbarkeit des Irrtums der Zollbehörden hängt dabei davon ab, ob die zollrechtliche Regelung verwirrend und komplex oder ob sie einfach und klar geregelt ist.
Die Klägerin ließ sich bei den Abfertigungen durch eine renommierte Spedition vertreten. Aber auch die Klägerin selbst ist ein größeres Unternehmen, das – wie die Beweisaufnahme ergeben hat – zollrechtliche Erfahrung im grenzüberschreitenden Warenverkehr sowohl in der Warenein- und -ausfuhr als auch mit den besonderen Zollverkehren besitzt. Sie hat u.a. im maßgebenden Zeitraum die Zollvergünstigungen einer passiven Veredelung in Anspruch genommen. Ein derartiger Zollverkehr wäre auch für die str. Einfuhrfälle zu beantragen gewesen.
Die Zollvorschriften über die Rückwarenregelung sind weder komplex noch schwierig. Art. 186 Satz 1 ZK bestimmt unmissverständlich, dass die Zollbefreiung als Rückware nur gewährt wird, wenn die Ware sich bei der Wiederausfuhr im gleichen Zustand wie bei der Ausfuhr befindet. Was unter dem Begriff „gleicher Zustand” zu verstehen ist, wird in Art. 846 ZK-DVO verdeutlicht.
Die Klägerin hat – wie der Zeuge B aussagte – im Zeitpunkt, als Zollstellen die Abfertigung als Rückware abgelehnt haben und die Klägerin die Waren zum freien Verkehr unter Entrichtung der vollen Abgabensätze abfertigte (1 F 3471 vom 14. Februar 2001 und 1 F 5830 vom 28.3.2001), erkannt, dass die von ihr gewählte zollrechtliche Abwicklung der schadhaften Geräte unzutreffend war. Gleichwohl hat die Klägerin die Beanstandungen unter Entrichtung der Abgaben hingenommen (14 K 3619/03) und in der Folgezeit daneben weiterhin die Abfertigung der schadhaften Geräte als Rückwaren beantragt. Der Zeuge sagte hierzu aus, dass ihm diese späteren Einfuhren „durchgerutscht” seien.
Davon sind betroffen die Einfuhren 1 F 3543 vom 1. März 2001, 1 F 5278 vom 16. März 2001, 1 F 10692 vom 7. Juni 2001, 1F 12454 vom 29. Juni 2001 sowie 1 F 19498 vom 29. Oktober 2001.
Auch in den restlichen Einfuhrfällen hätte die Klägerin aufgrund ihrer Erfahrung die einfache gesetzliche Regelung überblicken und den Irrtum der Zollstelle erkennen können. Die bei der Klägerin verantwortlichen Personen waren im Zollrecht geschult. Hilfestellung der Zollstellen bei der zollrechtlichen Abwicklung der schadhaften Geräte haben sie nicht in Anspruch genommen. Auch wenn das Verfahren, das von der Klägerin gewählt worden war, in der Folgezeit so eingespielt war, dass die Sachbearbeiter der Klägerin die Rechtmäßigkeit des Verfahrens nicht mehr erneut überprüft haben, ändert dies nichts daran, dass diese bei einem Blick in die zollrechtlichen Vorschriften hätten erkennen müssen, dass das von ihnen gewählte Verfahren unzutreffend ist. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Zollstellen – außer dass sie dem von der Klägerin erzeugten Irrtum erlegen sind, was unter Buchst. d) ausgeführt wird – keinen Vertrauenstatbestand für die von der Klägerin geübten Praxis gesetzt.
c) Gutgläubigkeit
Es bestehen keine Anhaltspunkte, zumindest vor dem 14. Februar 2001, dass die Klägerin bei den jeweiligen Abfertigungen den Irrtum der Zollbehörden erkannt hätte.
d) Beachtung aller geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung
Der Zollbeteiligte hat alle für die Zollbehandlung maßgebenden Tatsachen und Unterlagen anzumelden und vorzulegen. Grundsätzlich trifft ihn die Verantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben in der Zollanmeldung.
Die Klägerin hat für die Ausfuhr der str. Waren das unzutreffende Verfahren 1000 gewählt und in der Ausfuhranmeldung, die sie zum Teil bei der Wiedereinfuhr mit vorlegte, eigenverantwortlich eingetragen. Bei der Einfuhr wählte sie das (unzutreffende) Verfahren 4010. Unter teilweiser Vorlage der Ausfuhranmeldung hat die Klägerin den Einfuhrzollstellen mit diesen angemeldeten Verfahrencodes angezeigt, dass die ursprünglich gelieferten Geräte als schadhafte wieder eingeführt werden. Diesen solchermaßen erzeugten Irrtum der Zollstelle verstärkte die Klägerin dadurch, dass sie in der Einfuhrzollanmeldung als Ursprungsland „Deutschland” eintrug und in der Rückwarenerklärung das Feld für „Behandlungen im Ausland” nicht ausfüllte bzw. strich.
Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Prüfungen der Rückwarenerklärungen, soweit sie von der Einfuhrzollstellen erfolgten, unter der irrigen Annahme stattgefunden haben, dass die str. Geräte als schadhafte wieder an die Klägerin zurückgeliefert werden. Dies gilt auch für die Fälle, in denen die Klägerin als Grund der Wiedereinfuhr „kostenlose Reparatur” oder gar „kostenlos repariert in Korea” angegeben hatte. Da eine Korrespondenz über die Schadenregulierung nicht abgefallen war, konnte diese auch nicht – wie in den Zollbefunden angegeben – Gegenstand der Prüfung der Rückwareneigenschaft gewesen sein.
Ein Zollbeteiligter, der aufgrund seiner eigenen missverständlichen Angaben bei den abfertigenden Zollstellen einen Irrtum erregt und dadurch eine Zollvergünstigung erlangt hat, kann sich nicht auf den Vertrauenstatbestand berufen, dass er der Auffassung gewesen sei, die Zollstellen hätten den wirklichen Sachverhalt erkennen und beurteilen können.
2. Antrag nach Art. 238 ZK
Nach Art. 238 ZK kann die ursprüngliche Verzollung von Einfuhrwaren rückgängig gemacht werden, wenn die Waren im Zeitpunkt der Zollanmeldung schadhaft waren oder nicht den Vertragsbedingungen entsprochen haben. Voraussetzung für eine Erstattung nach Art. 238 ZK ist jedoch, dass die Waren im Zollgebiet nicht verwendet oder gebraucht worden sind, es sei denn, dass erst nach Beginn der Verwendung oder des Gebrauchs festgestellt werden konnte, dass sie schadhaft sind oder den Vertragsbedingungen nicht entsprechen. Der Warenmangel kann u.U. erst später, z.B. bei der Benutzung durch den Endabnehmer, aufgedeckt werden. Nach Kenntnis des Mangels ist es erforderlich, dass die schadhaften Geräte dem Verkäufer gegenüber zurückgewiesen werden.
Die Klägerin hat weder die schadhaften Geräte dem Verkäufer gegenüber zurückgewiesen noch hat sie nachgewiesen, dass diese im Zeitpunkt der Einfuhrabfertigung bereits schadhaft waren.
Die Zurückweisung von schadhaften Waren mit der Folge der Rückgängigmachung der Einfuhrabfertigung entspricht schuldrechtlich dem Rücktritt vom Kaufvertrag oder zumindest dem Verlangen auf Ersatzlieferung. Nach den von der Klägerin vorgelegten Lieferverträgen sowie nach ihren eigenen Einlassungen konnte sie und hat sie von keinen dieser schuldrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Vielmehr war die Klägerin vertraglich verpflichtet, auf eigene Kosten schadhafte Geräte zu sammeln und zur Reparatur an den Verkäufer zurückzusenden. Diese Art der Mängelrüge und -beseitigung erfolgte daher nicht im Wege der Zurückweisung von Waren, sondern im Wege der Ausbesserung. Für diese Abwicklung ist das Verfahren der passiven Veredelung im Form des Ausbesserungsverfahrens vorgesehen und nicht das Erstattungsverfahren nach Art. 238 ZK.
Für die zur Reparatur zurückgesandten Waren ist – trotz Aufforderung durch das Gericht – nicht nachgewiesen worden, dass diese im Zeitpunkt der Einfuhr bereits schadhaft waren. Die str. Waren wurden vielmehr – entsprechend den „Additional Agreements” – im Rahmen der Garantieleistung vom Verkäufer repariert. Garantieleistungen für defekte Geräte sind grundsätzlich nicht von Art. 238 ZK erfasst. Denn diese Leistungen werden dafür gewährt, dass innerhalb der Garantiezeit das Gerät aufgrund des Gebrauchs einen Schaden erleidet. Bei diesem Schaden muss es sich nicht um einen Schaden handeln, der bereits im Zeitpunkt der Einfuhr versteckt oder nicht versteckt vorhanden war. Die Art der Abwicklung der Klägerin spricht dafür, dass es sich um typische Garantierleistungen gehandelt hat. Dafür spricht neben den diesbezüglichen Vertragsbestimmungen auch der Umstand, dass die Geräte bereits lange im Gebrauch standen und die Garantiezeit von einem Jahr, auf deren Einhaltung – nach Angaben der Klägerin – die Hersteller nicht bestanden haben, mitunter erheblich überschritten war.
Im Übrigen hat die Klägerin nicht dargelegt und angegeben, welche Einfuhrlieferungen von ihrem Erstattungsantrag betroffen sind. Da die Garantieleistungen über einen größeren Zeitraum als ein Jahr gewährt wurden und die Nämlichkeit der Geräte nicht festgehalten wurde, können die zurückgesandten Geräte einer bestimmten Einfuhr nicht zugeordnet werden.
Im Übrigen sind die weiteren Voraussetzungen nach Art. 238 ZK, nämlich die zollamtliche überwachte Ausfuhr und die Antragsfrist nicht eingehalten. Die Klägerin hat die Ausfuhr der reparaturbedürftigen Geräte nicht zollamtlich überwachen lassen, sondern diese mit vorabgestempelten Ausfuhranmeldungen ohne Angabe der Gerätenummern ausgeführt.
Hinzukommt, dass die Klägerin die Antragsfrist des Art. 238 Abs. 4 ZK, eine Ausschlussfrist, nicht eingehalten hat.
3. Antrag nach Art. 239 ZK
Gemäß Art. 239 ZK können Einfuhrabgaben erstattet bzw. erlassen werden, wenn dies in Art. 900 ff. ZK-DVO vorgesehen ist oder sich aus den Umständen ergibt, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.
Da in der ZK-DVO der vorliegende Fall nicht geregelt ist, ist die zweite Alternative zu prüfen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn im Lichte des an der Billigkeit ausgerichteten Regelungszwecks des Art. 239 ZK Umstände festgestellt werden, aufgrund deren sich die Klägerin in einer Lage befinden kann, die gegenüber derjenigen anderer Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, außergewöhnlich ist. Die Billigkeitsklausel soll dann Anwendung finden, wenn es angesichts des Verhältnisses zwischen Wirtschaftsteilnehmer und Verwaltung unbillig wäre, den Wirtschaftsteilnehmer einen Schaden tragen zu lassen, den er bei rechtem Gang der Dinge nicht erlitten hätte (vgl. EuGH Rs. C-253/99 vom 27. September 2001, EuGHE 2001 I-6493; Rs. C-222/01 vom 29. April 2004, EuGHE 2004 I-4683).
Zur Beurteilung, ob offensichtliche Fahrlässigkeit im Sinne von Art. 239 ZK und Art. 905 ZK-DVO vorliegt, müssen insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründen, sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers berücksichtigt werden (vgl. EG Rs. T-26/03 vom 27. September 2005, Schwarz-Wockenfoth, a.a.O. E 2460).
Die Klägerin befand sich in keiner außergewöhnlichen Lage, die mit der anderer Wirtschaftsteilnehmer nicht vergleichbar gewesen wäre. Die Gründe, die zur Nacherhebung des str. Zolls geführt haben, hat die Klägerin durch die Wahl des unzutreffenden Zollverfahrens und durch die – wie oben ausgeführt – irreführenden Angaben in den Zollanmeldungen selbst gesetzt.
Im Übrigen ist der Klägerin grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Sie hätte als erfahrene Zollbeteiligte, die noch dazu von einer bekannten Spedition vertreten war, leicht erkennen können, dass die Ausbesserung von reparaturbedürftigen Geräten im Ausland zollrechtlich im Verfahren der passive Veredelung, die die Rückwarenvorschriften ausschließt, abzuwickeln war. Die Zeugin hat hierzu ausgesagt, dass sie keine Probleme in der von der Klägerin praktizierten Zollabwicklung gesehen und auch von keiner Seite Rat eingeholt habe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.