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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 25.11.2003 – 11 K 240/00

    1. Die Abgabenbefreiungen nach der Zollbefreiungsverordnung und der Einreise-Freimengen-Verordnung für aus dem Drittland eingeführte Waren wurden vom Gesetzgeber lediglich als Ausnahmetatbestände ausgestaltet. Der Nachweis dafür, dass die Voraussetzungen für eine Abgabenbefreiung vorgelegen haben (hier: Das Vorliegen privater Zwecke für das Verbringen der aus Tschechien eingeführten Zigaretten) obliegt dem Steuerpflichtigen.

    2. Es spricht für ein Verbringen zu gewerblichen Zwecken, wenn der Steuerpflichtige im Inland mit sieben Stangen unversteuerter Zigaretten in einer Tüte aufgegriffen wird, die er nach Zeugenaussagen von Passanten in einer Gaststätte für 30 DM je Stange verkaufen wollte.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    wegen Eingangsabgaben

    hat der 11. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 25. November 2003 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Richter am Finanzgericht Richterin am Finanzgericht ehrenamtliche Richter

    für Recht erkannt:

    I. Die Klage wird abgewiesen.

    II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    III. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist die Erhebung von Einfuhrabgaben für sieben Stangen Zigaretten der Marke X.

    Am 11. September 1996 teilte ein Passant gegen 17:40 Uhr einer Fußstreife des Polizeireviers S mit, dass eine ältere, männliche Person versuche, in Gaststätten Zigaretten in Stangen zu verkaufen. Der Mann habe die Zigaretten in einer Einkaufstüte mit und trage eine helle Schirmmütze.

    Wenig später wurde der Kläger durch die Polizeistreife mit einer Tüte mit 7 Stangen unverzollter und unversteuerter Zigaretten im Stadtgebiet von S aufgegriffen. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Klägers wurden weitere drei Stangen und neun Päckchen Zigaretten (unverzollt und unversteuert) aufgefunden und sichergestellt. Der Kläger gab in diesem Zusammenhang an, bei verschiedenen Aufenthalten in Tschechien jeweils eine Stange Zigaretten gekauft und nach Deutschland verbracht zu haben.

    Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen wurde die zur fraglichen Zeit in der Gaststätte „Z” in S anwesende Bedienung als Zeugin vernommen. Sie sagte aus, der Kläger habe versucht, in dem Lokal Zigaretten der Marke X für 30,– DM pro Stange zu verkaufen.

    Das beklagte Hauptzollamt (HZA) erließ daraufhin am 18. November 1997 einen Steuerbescheid für zehn Stangen Zigaretten der Marke „X” und neun Päckchen Zigaretten der Marke „Y”. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 3. Dezember 1997 Einspruch ein. Nach Überprüfung der Rechtslage erließ das HZA am 4. November 1998 einen Steueränderungsbescheid, mit dem es nur noch für die am 11. September 1996 mitgeführten sieben Stangen Zigaretten Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 352,26 DM (88,70 DM Zoll, 203,– DM Tabaksteuer und 60,56 DM Einfuhrumsatzsteuer) festsetzte. Anschließend wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 24. August 2000 den Einspruch als unbegründet zurück.

    Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage vom 12. September 2000.

    Er trägt vor, das beklagte HZA habe ihn zu Unrecht beschuldigt, in einer Gaststätte in S Zigaretten angeboten oder verkauft zu haben.

    Er beantragt sinngemäß,

    den Steuerbescheid vom 4. November 1998 in Form der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2000 ersatzlos aufzuheben.

    Das beklagte HZA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es trägt im Wesentlichen vor, Waren dürften im Rahmen der Reisefreimenge nur dann abgabenfrei eingeführt werden, wenn sie ausschließlich zum persönlichen Ge- oder Verbrauch verwendet würden. Bei einer Verwendung zu anderen Zwecken müsse dies zuvor der zuständigen Zollstelle angezeigt werden. Die als Reisemitbringsel aus Tschechien in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeführten sieben Stangen Zigaretten seien zunächst abgabenfrei gewesen. Mit der Absicht des Klägers, diese Zigaretten zu verkaufen, sei der ursprüngliche Verwendungszweck jedoch entfallen. Der neue Verwendungszweck habe dem HZA angezeigt werden müssen. Diese Anzeigepflichten habe der Kläger verletzt mit der Folge, dass die Einfuhrabgabenschuld in dem Moment in seiner Person entstanden sei, als er sich entschloss, die Zigaretten zu verkaufen.

    Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen des Polizeireviers S und des Zollfahndungsamtes S stehe zweifelsfrei fest, dass der Kläger am 11. September 1996 versucht habe, in einer Gaststätte in S die streitbefangenen sieben Stangen Zigaretten an Gäste zu verkaufen. Dieser Verkaufsversuch sei von Frau S beobachtet und bestätigt worden. Auf das Protokoll ihrer Vernehmung vom 21. Oktober 1996 nimmt das beklagte HZA Bezug.

    Gründe

    I.

    Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

    Mit Verbringen der Zigaretten in das Gebiet der Europäischen Gemeinschaften ist eine Abgabenschuld entstanden (Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – Zollkodex – ZK– – i.V.m. Art. 234 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zum Zollkodex – Zollkodex-Durchführungsverordnung – ZK-DVO–, § 21 S. 1 des Tabaksteuergesetzes – TabStG – und § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes – UStG –).

    Die Zigaretten waren nicht von den Abgaben befreit. Zwar hat der Kläger nach seinen unwidersprochenen Angaben die Zigaretten bei verschiedenen Reisen in Mengen von jeweils lediglich einer Stange (200 Stück) aus Tschechien nach Deutschland verbracht, so dass die Mengenbegrenzung für die private Einfuhr von Zigaretten nicht überschritten wurde, doch lagen die Voraussetzungen für eine Abgabenbefreiung nicht vor.

    1.) Die Befreiung von den Zöllen richtet sich nach Art. 45 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (Zollbefreiungsverordnung – ZollbefrVO –). Die Befreiung von der Tabaksteuer und der Einfuhrumsatzsteuer richtet sich gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 der 1996 geltenden Einfuhr-Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung vom 3. August 1993 (E-VerbrStBV) bzw. § 1 Abs. 1 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung 1993 vom 11. August 1992 (EUStBV) nach der Einreise-Freimengen-Verordnung vom 3. Dezember 1974 (EF-VO).

    Die Befreiung von den Einfuhrabgaben setzt sowohl nach der ZollbefrVO als auch nach der EF-VO voraus, dass die Waren zum persönlichen Verbrauch oder Gebrauch eingeführt werden.

    a) Nach den Bestimmungen der Art. 45 Abs. 1, 46 und 47 ZollbefrVO sind aus einem Drittland eingeführte Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden im Rahmen einzeln aufgeführter Mengen- oder Wertgrenzen – bei Zigaretten 200 Stück – von den Abgaben befreit, sofern es sich um Einfuhren ohne kommerziellen Charakter handelt. Als Einfuhren ohne kommerziellen Charakter gelten Einfuhren, die gelegentlich erfolgen und sich ausschließlich aus Waren zusammen setzen, die zum persönlichen Ge- oder Verbrauch von Reisenden oder den Angehörigen ihres Haushalts oder als Geschenk bestimmt sind. Dabei dürfen diese Waren weder ihrer Art noch ihrer Menge nach zu der Besorgnis Anlass geben, dass die Einfuhr aus geschäftlichen Gründen erfolgt (Art. 45 Abs. 2 b ZollbefrVO).

    b) Gemäß § 2 Abs. 1 EF-VO sind Waren, die Reisende gelegentlich und ausschließlich zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch, für ihren Haushalt oder als Geschenk in ihrem persönlichen Gepäck einführen (Reisemitbringsel), im Rahmen einzeln aufgeführter Wertgrenzen – für Zigaretten ebenfalls 200 Stück – frei von Einfuhrabgaben. Auch nach dieser Vorschrift dürfen die Waren weder ihrer Beschaffenheit noch ihrer Menge nach zu der Besorgnis Anlass geben, dass die Einfuhr aus geschäftlichen Gründen erfolgt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EF-VO).

    2.) Sowohl die ZollbefrVO als auch die EF-VO gehen von einer grundsätzlichen Abgabenentstehung aus; die Abgabenbefreiungen wurden vom Gesetzgeber lediglich als Ausnahmetatbestände ausgestaltet. Dabei obliegt es dem Kläger, den Nachweis zu erbringen, dass die Vorraussetzungen für eine Befreiung von den Abgaben vorliegen.

    a) Mangels einer expliziten Regelung sind die allgemein im Steuerrecht geltenden Grundsätze über die Beweislastverteilung anzuwenden. Danach trägt der Steuergläubiger (HZA) die objektive Beweislast für die steuerbegründenden und -erhöhenden Tatsachen, der Steuerpflichtige für die steuerentlastenden oder -mindernden Tatsachen, die den Steueranspruch aufheben oder einschränken, sowie für Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen und Steuervergünstigungen (Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 96 FGO, Rz. 83 mit weiteren Nachweisen). Demnach obliegt der Nachweis für das Verbringen zu privaten Zwecken dem Kläger. Der Zweck des Verbringens liegt zudem in der Einflußsphäre des Klägers. Ein Nachweis darüber kann daher – wenn überhaupt – nur von ihm geführt werden.

    b) Die im Rahmen des privaten Verbringens aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft abweichende Regelung ändert nichts an diesem Ergebnis.

    In Art. 9 der Richtlinie 92/12 (EWG) des Rates über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren vom 25. Februar 1992 (Systemrichtlinie) hat der europäische Verordnungsgeber eine Regelung zur Bestimmung des Zweckes, dem das Verbringen der Ware dienen soll, getroffen. In Abs. 2 der Vorschrift heißt es: „Bei der Feststellung, ob die … Waren zu gewerblichen Zwecken bestimmt sind, haben die Mitgliedstaaten unter anderem folgende Kriterien zu berücksichtigen: …” (Es folgt eine entsprechende Auflistung wie die handelsrechtliche Stellung und Gründe des Besitzers für den Besitz der Waren oder die Beschaffenheit der Waren). Darüber hinaus hat es der Verordnungsgeber den Mitgliedstaaten überlassen, Richtmengen festzulegen, deren Überschreiten als Anhaltspunkt für ein Verbringen zu gewerblichen Zwecken dienen kann.

    Aus der Formulierung „Bei der Feststellung … haben die Mitglied Staaten … zu berücksichtigen …” folgt, dass der Verordnungsgeber von einer Feststellung durch die nationalen Behörden – und damit einer entsprechenden Beweislast – ausgeht. Dementsprechend hat der nationale Gesetzgeber beim Verbringen aus einem Mitgliedstaat in § 22 b der Verordnung zur Durchführung des Tabaksteuergesetzes (Tabaksteuer-Durchführungsverordnung – TabStV –) eine widerlegliche Vermutung für ein Verbringen zu gewerblichen Zwecken bei Überschreiten der Richtmengen geschaffen.

    c) Für das Verbringen im Reiseverkehr aus Drittstaaten fehlt eine entsprechende Regelung. Es bleibt daher bei den allgemeinen Grundsätzen zur Beweislast. Diese spiegeln sich auch in der Formulierung der Dienstvorschrift Z 0808 der Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung (VSF) zur EF-VO und Art. 45 bis 49 der ZollbefrVO wider. Dort heißt es in Abs. 14:

    „Die Besorgnis, dass die Einfuhr aus geschäftlichen Gründen erfolgt, wird nur dann gegeben sein, wenn die Abgabenfreiheit ganz oder zum großen Teil durch ein und dieselbe Warenart, die in unüblich großen Mengen im Ausland eingekauft worden ist, ausgenutzt werden soll. Es kommt dabei allein auf den objektiven Tatbestand an. Die Waren sind also auch dann von der Abgabenfreiheit ausgeschlossen, wenn der Reisende behauptet, sie seien für seinen Haushalt bestimmt, dies aber nicht einwandfrei nachweisen kann. …”

    3.) In der Regel ist es dem Reisenden nicht möglich, den Nachweis des Verbringens zu privaten Zwecken zu führen. Die Zollverwaltung geht daher in der Praxis entsprechend der für Zigaretten aus dem freien Verkehr der Mitgliedstaaten geltenden Vermutung beim Verbringen von Zigaretten aus einem Drittland im Rahmen der in Art. 46 ZollbefrVO festgelegten Mengenbeschränkungen, von privatem Verbringen aus, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Waren zu gewerblichen Zwecken verbracht wurden (vgl. Abs. 14 der Dienstanweisung in VSF Z 0808 am Ende: „… Bei der Anwendung dieser Bestimmung ist jedoch nicht kleinlich zu verfahren.”) Vorliegend sind jedoch Anhaltspunkte für das private Verbringen gegeben.

    Schon die Tatsache, dass der Kläger mit einer Einkaufstüte mit sieben Stangen unverzollter und unversteuerter Zigaretten in der Fußgängerzone aufgegriffen wurde, spricht für ein Verbringen zu gewerblichen Zwecken. Eine einleuchtende Begründung, warum er die Zigaretten dabei hatte, vermochte der Kläger nicht abzugeben.

    Hinzu kommt die Mitteilung des Passanten, dass ein Mann, den er näher beschrieb, versuche, in Gaststätten Stangen Zigaretten zu verkaufen. Der anschließend aufgegriffene Kläger entsprach genau der Beschreibung des Passanten. Die Verkaufsabsicht stritt er dem Bericht der aufgreifenden Polizeibeamten nach auch gar nicht ab, sondern erwiderte nur, er könne seine privaten Sachen wohl verkaufen (Blatt 31 der Verwaltungsakten).

    Bestätigt wird der Vorgang durch die Aussage der im Verwaltungsverfahren als Zeugin vernommenen Mitarbeiterin der Gaststätte „Z”. Ausweislich des Vernehmungsprotokolls (Blatt 43 der Akte) hatte sie ausgesagt, der Kläger habe versucht, die Zigaretten im „Z” für 30,– DM pro Stange zu verkaufen.

    Der Kläger hat die Aussage der Zeugin nicht widerlegt und auch sonst den privaten Zweck der Zigaretteneinfuhren nicht nachgewiesen. Er kann daher keine Zollbefreiung für die aus der Tschechischen Republik verbrachten Zigaretten beanspruchen. Die Abgaben waren gemäß Art. 220 ZK festzusetzen.

    4.) Die Entscheidung ergeht aufgrund § 94 a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

    II.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1 und 143 Abs. 1 FGO.

    III.

    Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

    VorschriftenEWGV 2913/92 Art. 220, ZK Art. 220, EWGV 918/83 Art. 45 Abs. 1, EWGV 918/83 Art. 46, EWGV 918/83 Art. 47, EF-VO § 2 Abs. 1

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