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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Berlin: Urteil vom 03.05.2005 – 2 K 2194/02

    Datenkabel nebst Zubehör sind als bewegliche Wirtschaftsgüter anzusehen, wenn sie durch die Verbindung mit dem Gebäude nicht dessen wesentliche Bestandteile nach §§ 93, 94 Abs. 2 BGB geworden sind.


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten im Rahmen der Festsetzung der Investitionszulage 1998 um die Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von 95 083,98 DM (= 48 615,67 €) für Datenkabel und Zubehör zur Vernetzung einer im Jahr 1998 angeschafften EDV-Anlage.

    Die Klägerin betreibt im früheren Westteil von Berlin in der Rechtsform einer GmbH ein Unternehmen, das die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von Leuchten aller Art sowie anderer licht- und elektrotechnischer Erzeugnisse zum Gegenstand hat. Sie erwarb im Jahr 1998 von der Firma xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx eine EDV-Anlage nebst Kabeln und Zubehör zur Vernetzung im Wert von - nach Abzug von 3 % Skonto - insgesamt 241 222,74 DM netto (= 123 335,23 €). Die auf Datenkabel und Zubehör entfallenden Kosten betragen ausgehend von der Rechnung der Firma xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx vom 4. Mai 1998 (Summe der Positionen 2, 4, 6, 8, 10 und anteilig 12) insgesamt 98 024,73 DM netto, nach Abzug von 3 % Skonto 95 083,98 DM netto (= 48 615,67 €).

    EDV-Anlage wird im sog. „Werk 1” der Klägerin in der eingesetzt. Der Gebäudekomplex besteht aus einem Verwaltungsgebäude, das sich in Keller-, Erd-, 1. und 2. Obergeschoss gliedert und um eine ebenerdige Montagehalle zur Fertigung verlängert wird. Die zu der EDV-Anlage gehörenden Verteiler bestehen aus Verteilerschränken mit Glastüren, in denen sich aktive und inaktive Komponenten befinden. Die einzelnen Verteiler wurden auf den jeweiligen Geschossen aufgestellt. Die EDV-Anlage dient zur Verbindung des sich im Keller befindlichen Servers mit den eingesetzten Endgeräten, zu denen sowohl Personalcomputer als auch Arbeitsstationen als reine Ausgabeeinheiten gehören. Die Datenkabel sind in der Fertigungshalle auf Putz in Rundrohren, im Keller des Verwaltungsgebäudes in Trassen aus Metall oder unter der Decke sowie im übrigen Verwaltungsbereich zum Teil neu, zum Teil in vorhandenen Kabelkanälen über Zwischendecken, hinter Rigipswänden oder in Fensterkanälen verlegt worden.

    Die Klägerin beantragte für das Streitjahr 1998 eine Investitionszulage in Höhe von 10 v.H. nach dem Investitionszulagengesetz -InvZulG- 1996 für Investitionen mit einer Bemessungsgrundlage von insgesamt 739 522,00 DM. Darin enthalten sind die Aufwendungen für die EDV-Anlage mit den dazu gehörigen Datenkabeln und Zubehör zur Vernetzung der Anlage. Am 21. September 1999 wurde bei der Klägerin eine Investitionszulagen-Sonderprüfung durchgeführt, in deren Rahmen der Prüfer zu dem Ergebnis gelangte, dass die auf oder unter Putz verlegten Kabel zu den wesentlichen Gebäudebestandteilen gehörten, die zur Herstellung des Gebäudes - auch im Zuge des Umbaus - eingefügt seien. Nach heutiger allgemeiner Verkehrsauffassung sei ein Geschäftsgebäude ohne derartige Vorrichtungen nicht als fertiggestellt anzusehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht vom 24. September 1999 (insbesondere Teilziffer -Tz.- 7) Bezug genommen (Bl. 6-7 Streitakte -StrA-). Der Beklagte folgte insoweit den Feststellungen des Prüfers und versagte mit Bescheid vom 18. Oktober 1999 die beantragte Zulage für die Datenkabel. Die Investitionszulage wurde auf 63 987,00 DM festgesetzt.

    Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch machte die Klägerin geltend, dass es sich bei den verlegten Datenkabeln nicht um wesentliche Bestandteile des Gebäudes handle, sondern diese bewegliche Wirtschaftsgüter darstellten, für die eine Investitionszulage zu gewähren sei. Es handle sich bei den Datenkabeln nicht um wesentliche Bestandteile gemäß § 93 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-, da sie aus den Führungsschienen oder Elektroschächten entfernt werden könnten, ohne dass die Kabel oder das Gebäude zerstört oder in ihrem bzw. seinem Wesen verändert würden. Zu den wesentlichen Bestandteilen von Gebäuden gehörten nach § 94 Abs. 2 BGB Gegenstände, die zur Herstellung des Gebäudes eingefügt worden seien. Dies erfordere, dass durch den eingefügten Gegenstand das Gebäude seinem Zweck zugänglich gemacht werde. Jedoch erscheine das Gebäude nach allgemeiner Verkehrsauffassung ohne die Datenkabel nicht als unvollständig, da diese ausschließlich zur Vernetzung der EDV-Anlage notwendig seien. Auch sei die Verkabelung nicht in dem Maße dem Gebäude angepasst worden, dass von einer Einheit ausgegangen werden könne. Vielmehr sei die Verkabelung nach den betrieblichen Bedürfnissen, insbesondere den Standorten der EDV-Einheiten vorgenommen worden.

    Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 30. April 2002 als unbegründet zurück, da die Datenkabel zu den wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes gehörten und somit nicht investitionszulagenbegünstigt seien. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Datenkabel vom Gebäude getrennt werden könnten, ohne dieses zu zerstören, und diese daher keine wesentlichen Gebäudebestandteile im Sinne des § 93 BGB darstellten und es bei der Beurteilung des Sachverhalts darauf ankomme, ob nach der allgemeinen Verkehrsanschauung das Gebäude ohne die Verkabelung als nicht fertig erscheine (§ 94 BGB). Die Beurteilung nach der Verkehrsanschauung erfolge nach dem Wesen, dem Zweck und der Beschaffenheit des konkreten Gebäudes. Die Verkehrsanschauung unterliege hierbei ständigem Wechsel und sei insbesondere unter den allgemeinen Bedingungen der modernen Kommunikation sowie des wirtschaftlichen Wettbewerbsdrucks veränderlich. Es handle sich daher um eine Frage der Feststellung, die nur nach der Lage des Einzelfalls entschieden werden könne. Die Klägerin berufe sich daher ohne Erfolg auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 25. November 1999 (III R 77/97, BFHE 190, 552, BStBl II 2002, 233), da der Senat nur den Fall eines alten, im Beitrittsgebiet gelegenen Betriebsgebäudes im Streitjahr 1990 entschieden habe. Für diesen Einzelfall habe er es unter dem Gesichtspunkt des auf die neuen Bundesländer beschränkten Förderungszwecks für vertretbar gehalten, dass Datenkabel zur Vernetzung einer EDV-Anlage in Betriebsgebäuden zum damaligen Zeitpunkt nicht zum typischen Standard gehört hätten. Eine konkrete Entscheidung, ob nach der heutigen Verkehrsauffassung (also 1998) derartige Datenkabel zum typischen Standard gewerblich genutzter Gebäude gehörten und ihr Fehlen solchen Gebäuden ein negatives Gepräge gebe, nehme der BFH nicht vor. Er weise aber auf die stetige Veränderlichkeit der Verkehrsanschauung hin und merke an, dass bei den alten Bundesländern eine möglicherweise andere abweichend von der regional auf die neuen Bundesländer begrenzten Verkehrsanschauung anzunehmen sei.

    Beim vorliegenden Sachverhalt handle es sich um ein Gebäude im ehemaligen Westteil von Berlin und das Streitjahr 1998. Da es unstreitig sei, dass zum einen die technischen Standards im ehemaligen Westteil von Berlin höher gewesen seien als im ehemaligen Ostteil von Berlin und zum anderen die technischen Standards gerade im Kommunikationsbereich im Vergleich von 1990 zu 1998 im erheblichen Umfang gestiegen seien, könne nach der Verkehrsanschauung für diesen Einzelfall davon ausgegangen werden, dass die Vernetzung des Gebäudes zum Betrieb einer EDV-Anlage zu den typischen Standards gehört habe. Ein Fehlen der Datenkabel gebe dem Geschäftsgebäude ein negatives Gepräge und es erscheine als nicht fertiggestellt.

    Wegen der weiteren Einzelheiten zu den Ausführungen des Beklagten wird auf die Gründe der Einspruchsentscheidung vom 30. April 2002 Bezug genommen (Bl. 8-11 StrA).

    Im Rahmen des Klageverfahrens macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die Datenkabel als bewegliche Wirtschaftsgüter anzusehen und damit die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 InvZulG 1996 erfüllt seien. Die Datenkabel seien durch die lose Art der Verlegung nicht nach § 93 BGB wesentlicher Bestandteil der Gebäude in der xxxxxxxxxxxxxxxxxx geworden. Sie seien auch nicht gemäß § 94 Abs. 2 BGB wesentlicher Bestandteil der Gebäude geworden.

    Zu den wesentlichen Gebäudebestandteilen gehörten gemäß § 94 Abs. 2 BGB alle zur Herstellung eines Gebäudes eingefügten Sachen, d.h. alle Gegenstände, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung noch nicht fertiggestellt sei.

    Bei der Bestimmung der Verkehrsauffassung seien folgende Überlegungen zu berücksichtigen: Zuerst könne die Fertigstellung eines Gebäudes nicht per se voraussetzen, dass das Gebäude für den beabsichtigten Zweck schon in jeder Hinsicht nutzbar sei, denn sonst würden alle Einrichtungsgegenstände wesentliche Bestandteile sein. Darüber hinaus solle die Abgrenzung der wesentlichen Bestandteile nach § 94 Abs. 2 BGB der Schaffung sicherer Rechtsverhältnisse im Grundstücksverkehr dienen. Der Rechtsverkehr solle Vertrauensschutz dahingehend genießen, dass nur die zur Zweckerreichung eingefügten Sachen dieselbe Rechtslage aufwiesen wie der Baukörper selbst, sie also dessen wesentliche Bestandteile geworden seien.

    Soweit der BFH mit Urteil vom 25. November 1999 (III R 77/97, BFHE 190, 552, BStBl II 2002, 233) entschieden habe, dass Datenkabel zur Vernetzung einer EDV-Anlage in Bürogebäuden der neuen Bundesländer im Jahr 1990 nicht zum typischen Standard gehört hätten, habe er diese Entscheidung nur deshalb treffen können, weil das Fehlen einer entsprechenden Verkehrsanschauung gemäß § 291 Zivilprozessordnung -ZPO- i.V.m. § 155 Finanzgerichtsordnung -FGO- offenkundig gewesen sei. Konkret festzustellen sei deshalb, ob gerade im Jahr 1998 eine derartige Verkehrsanschauung bestanden habe, dass Datenkabel als zum konkreten Gebäude - hier Verwaltungs- und Fertigungsgebäude - gehörend anzusehen gewesen seien. Nach Ansicht der Klägerin habe es keine im allgemeinen Rechtsverkehr anerkannte Anschauung gegeben und gebe es diese auch nicht, dass solche Gebäude mit Datenkabeln versehen sein müssten. Eine solche Anschauung könne allenfalls für die dazu erforderlichen Kabelkanäle bzw. -systeme, Führungsschienen oder Rohre angenommen werden.

    Auf dem Gewerbeimmobilienmarkt würden auch derzeit noch fast ausschließlich (Büro) flächen ohne bereits installiertes Datenkabelnetz angeboten, wie eine Kurzrecherche im Internet vom 24. Mai 2002 und 10. Juli 2002 ergeben habe. Dies vor allem deshalb, weil der Bedarf künftiger Mieter hinsichtlich Nutzfläche und technischer Ausstattung stark vom Unternehmensgegenstand abhängig und für den Vermieter deshalb schwer vorhersehbar sei. Zum typischen Standard könne eine komplette Verkabelung - im Gegensatz zu vorbereiteten Kanalsystemen, Leerverrohrung oder Hohlräumen in Fensterbänken bzw. hinter Trockenbauwänden oder Zwischendecken - nicht zählen. Wenn am Markt mit Datenkabelnetz ausgestattete Räume jedoch nicht erwartet würden, könne das Fehlen von Datenkabeln dem Gebäude kein negatives Gepräge geben, und die Datenkabel seien nicht als wesentliche Bestandteile des Gebäudes anzusehen.

    Allein der Umstand, dass EDV-Anlagen nebst Datenkabelnetz zur Verbindung einer Zentraleinheit mit Endgeräten in Verwaltungs- oder Fertigungsgebäuden allgemein zur Anwendung kämen, lasse nicht den Schluss zu, dass diese Gebäude erst dadurch ihrem Nutzungszweck zugänglich gemacht werden könnten. Die Nutzbarkeit der Gebäude könne auch ohne den Einsatz einer - das Datenkabelnetz erfordernden - Zentraleinheit durch einzelne Endgeräte erreicht werden. Das Vorhandensein des Datenkabelnetzes könne deshalb dem Gebäude keine besondere Eigenart geben. Im Gegensatz zu Telefon- oder Stromkabeln, die durchaus vom allgemeinen Verkehr in den betreffenden Gebäuden erwartet würden und aufgrund einer veränderlichen Verkehrsanschauung mittlerweile zum typischen Standard zu zählen seien, könne dies nicht in gleicher Weise für Datenkabel gelten. Die Datenkabel seien im vorliegenden Fall auch nicht besonders an das Gebäude angepasst. Sie folgten zwar weitgehend den räumlichen Verhältnissen, seien jedoch veränderlich.

    Der Beklagte habe bisher nur pauschal behauptet, dass das streitgegenständliche Gebäude ohne Datenkabelnetze nicht fertig sei. Der Vergleich der „westlichen Verhältnisse” mit denen der neuen Bundesländer könne jedoch nicht zu einer Konkretisierung der festzustellenden Verkehrsanschauung führen. Die Klägerin habe bisher im Hinblick auf den Streitwert aus Kostengründen darauf verzichtet, die Beauftragung eines Sachverständigen anzuregen. Sie habe vielmehr versucht, mit der durchgeführten Internet-Kurzrecherche exemplarisch zu belegen, dass auch heute noch überwiegend Gewerbeflächen ohne installiertes Kabelnetz angeboten würden. Damit könne auf den üblicherweise bestehenden Ausstattungsgrad geschlossen werden, von dem der allgemeine Verkehr ausgehe. Dies solle auch die Verhältnisse in 1998 übertragbar sein.

    Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Klägerin wird insbesondere auf die Schriftsätze vom 10. Juli 2002 nebst Anlagen (Bl. 23-50 StrA), vom 30. August 2002 (Bl. 55-56 StrA) und vom 27. April 2005 (Bl. 72 StrA) Bezug genommen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid über eine Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz 1996 für das Kalenderjahr 1998 vom 18. Oktober 1999 in Form der Einspruchsentscheidung vom 30. April 2002 dahingehend zu ändern, dass die Investitionszulage auf 37 577,91 € (= 73 496,00 DM) festgesetzt wird,

    sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hat an der bereits im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung festgehalten, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Investitionszulage nicht vorlägen, da das Fehlen der Datenkabel dem Geschäftsgebäude ein negatives Gepräge gebe und es als nicht fertiggestellt erscheine, so dass die Datenkabel wesentliche Gebäudebestandteile im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB darstellten.

    Ergänzend zu den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 30. April 2002 hat er darauf hingewiesen, dass der BFH schon mit Urteil vom 8. Februar 1996 (III R 126/93, BStBl II 1996, 542) ausgeführt habe, dass in den neuen Bundesländern eine andere Verkehrsanschauung über die technischen Standards herrsche und keine „westlichen” Maßstäbe angewandt werden dürften. Zwar könne es bei der Anwendung eines bundesweiten Investitionszulagengesetzes grundsätzlich nicht auf regional unterschiedliche, sondern nur auf die bundeseinheitlich geltende Verkehrsanschauung ankommen. Da es sich bei der Investitionszulage aber nicht um eine bundesweite Förderung, sondern abgesehen von der Einbeziehung des früheren Westteils von Berlin, um eine Fördermaßnahme in den neuen Bundesländern handle, halte der Senat die unterschiedliche Behandlung für vertretbar. Er führe weiter aus, dass die in der ehemaligen DDR vorherrschende Verkehrsauffassung, die sich auf der Grundlage des dort üblichen technischen Standards herausgebildet hätte, nach der Herstellung der deutschen Einheit nur noch für eine Übergangszeit fortbestanden hätte und sich immer mehr der in den alten Bundesländern geltenden Verkehrsanschauung annähere.

    Wegen der weiteren Ausführungen des Beklagten wird auf seine Schriftsätze vom 19. August 2002 (Bl. 52-54 StrA) und vom 23. September 2002 (Bl. 58 StrA) Bezug genommen.

    Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung ein Band der vom Beklagten geführten Akten zur Investitionszulage 1998 - Steuernummer xxxxxxxx - vorgelegen.

    Gründe

    Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Investitionszulagenbescheid 1998 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da der Beklagte die begehrte Investitionszulage für Datenkabel und Zubehör zur Vernetzung der im Jahr 1998 angeschafften EDV-Anlage zu Unrecht nicht gewährt hat (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

    Bei den Datenkabeln nebst Zubehör handelt es sich um zulagefähige bewegliche Wirtschaftsgüter.

    Nach § 2 Satz 1 InvZulG 1996 wird - bei Vorliegen weiterer, hier nicht streitiger Voraussetzungen - eine Investitionszulage für die Anschaffung und Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gewährt.

    Der Begriff des beweglichen Wirtschaftsgutes wird im InvZulG 1996 - wie auch in anderen Fördergesetzen - nicht eigenständig erläutert, sondern bestimmt sich in Anlehnung an das Einkommensteuerrecht, das eine Abgrenzung der beweglichen von den unbeweglichen Wirtschaftsgütern auf der Grundlage des bürgerlichen Rechts über die wesentlichen Gebäudebestandteile und Scheinbestandteile (§§ 93 ff. BGB) und des Bewertungsrechts vornimmt (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 2000 III R 26/99, BFHE 193, 199, BStBl II 2001, 137 m.w.N.).

    Die Datenkabel nebst Zubehör sind daher als bewegliche Wirtschaftsgüter anzusehen, wenn sie durch die Verbindung mit dem Gebäude nicht dessen wesentliche Bestandteile nach §§ 93, 94 Abs. 2 BGB geworden sind. Um zulagenbegünstigte bewegliche Wirtschaftsgüter handelt es sich - neben beweglichen Sachen (§ 90 BGB) und Tieren (§ 90a BGB) - danach auch, wenn entweder die Voraussetzungen für Scheinbestandteile im Sinne von § 95 Abs. 2 BGB gegeben sind oder zwar zivilrechtlich wesentliche Gebäudebestandteile vorliegen, diese aber als Betriebsvorrichtungen im Sinne von § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes -BewG- zu beurteilen sind (BFH-Urteil vom 25. November 1999 III R 77/97, BFHE 190, 552, BStBl II 2002, 233).

    Im Streitfall sind die EDV-Kabel nebst Zubehör nicht wesentliche Bestandteile des Betriebsgebäudes der Klägerin nach § 93 BGB geworden.

    Wesentliche Bestandteile im Sinne des § 93 BGB sind Bestandteile einer Sache, die von einander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen, hat der Beklagte in der Einspruchsentscheidung zwar offen gelassen, doch ist nach den Angaben der Klägerin davon auszugehen, dass die Kabel nebst Zubehör von dem Betriebsgebäude getrennt werden könnten, ohne dass sie bzw. das Gebäude zerstört oder in ihrem Wesen geändert würden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16. Juni 1977 III R 76/75, BFHE 122, 385, BStBl II 1977, 590). Die in § 93 BGB genannten negativen Voraussetzungen liegen dann nicht vor, wenn der eine oder der andere Bestandteil verbundener Sachen nach der Trennung noch in der bisherigen Art, sei es auch erst in Verbindung mit einer neuen Sache, wirtschaftlich genutzt werden kann. Dabei schaden verhältnismäßig geringfügige Wertminderungen infolge der Trennung nicht. Anders kann es liegen, wenn der eine oder andere Bestandteil nach der Trennung nur noch Schrottwert besitzt (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1999 III R 77/97, BFHE 190, 552, BStBl II 2002, 233 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs -BGH-).

    Die von der Klägerin verwendeten Datenkabel „KAT 5” und „KAT 6” sind nach ihren - vom Beklagten auch nicht bestrittenen - Angaben in der Fertigungshalle auf Putz in Rundrohren, im Keller des Verwaltungsgebäudes in Trassen aus Metall oder unter der Decke sowie im übrigen Verwaltungsbereich zum Teil neu, zum Teil in vorhandenen Kabelkanälen über Zwischendecken, hinter Rigipswänden oder in Fensterkanälen verlegt worden. Die Klägerin hat insoweit ausdrücklich auf die „lose Art der Verlegung” hingewiesen. Sie hat darüber hinaus mit Schriftsatz vom 27. April 2005 mitgeteilt, dass nach Auskunft des zuständigen den Enden gelöst und herausgezogen werden könne, die Kabel mithin an anderer Stelle wieder funktionstüchtig einsetzbar sein würden. Hiervon ausgehend ist eine Entfernung der Datenkabel ohne Beschädigung und eine anderweitige wirtschaftlich sinnvolle Verwendung durchaus möglich. Dabei entwertet allein der Umstand, dass die Kabel ggf. in der Länge den konkreten Raumverhältnissen entsprechend zugeschnitten worden sind, nicht ihre wirtschaftlich sinnvolle Weiterverwendung, etwa durch den Einsatz von Verbindungssteckern (so BFH-Urteil vom 25. November 1999 III R 77/97, BFHE 190, 552, BStBl II 2002, 233).

    So hat die Klägerin die Datenverkabelung später tatsächlich zum Teil verändert und sie neueren betrieblichen Bedürfnissen angepasst. xxxxxxxxxxxxxx hat hierzu in der mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert, dass anlässlich von Umstrukturierungen im Lager- und Produktionsbereich die dort vorhandene Verkabelung inzwischen anderweitig verlegt worden sei. Im Bürobereich sei außerdem ein Verteilerschrank versetzt worden. Dies bestätigt ausdrücklich, dass eine Trennung der Datenkabel vom Betriebsgebäude ihre weitere sinnvolle wirtschaftliche Verwendung nicht beeinträchtigen konnte.

    Die Datenkabel nebst Zubehör sind nach Überzeugung des Gerichts auch kein wesentlicher Bestandteil des Betriebsgebäudes nach § 94 Abs. 2 BGB geworden.

    Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören gemäß § 94 Abs. 2 BGB alle zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. Zur Herstellung eingefügt sind alle Teile, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung noch nicht fertiggestellt ist. Eine solche Fertigstellung setzt nicht voraus, dass das Gebäude für den beabsichtigten Zweck schon in jeder Hinsicht nutzbar ist. Maßgebend ist insoweit die Fertigstellung bzw. das „Fertigsein” des Bauwerks (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 1990 III R 100/89, BFH/NV 1991, 772).

    Zur Herstellung eines Gebäudes eingefügt sind danach in erster Linie die Baumaterialien. Für Gegenstände, die der Ausstattung oder Einrichtung eines Bauwerks dienen, gilt dasselbe nur dann, wenn nach der Verkehrsanschauung erst deren Einfügung dem Gebäude eine besondere Eigenart, ein bestimmtes Gepräge gibt oder wenn sie dem Baukörper besonders angepasst sind und deswegen mit ihm eine Einheit bilden (BFH-Urteil vom 31. Juli 1997 III R 247/94, BFH/NV 1998, 215 mit Verweis auf das BGH-Urteil vom 25. Mai 1984 V ZR 149/83, NJW 1984, 2277). Die Beurteilung nach der Verkehrsanschauung erfolgt nach dem Wesen, dem Zweck und der Beschaffenheit des konkreten Gebäudes (BFH-Urteil vom 16. Juni 1977 III R 76/75, BFHE 122, 385, BStBl II 1977, 590, unter Ziff. 5. a der Gründe). Es handelt sich demgemäß im wesentlichen um eine Frage der Feststellung, die nur nach Lage des Einzelfalles entschieden werden kann (vgl. BGH-Urteil vom 9. Januar 1992 IX ZR 277/90, NJW 1992, 1162 m.w.N.).

    Für die Entscheidung im Streitfall kam es daher maßgebend darauf an, ob nach der im Streitjahr 1998 bestehenden Verkehrsauffassung Datenkabel nebst Zubehör zur Vernetzung einer EDV-Anlage in Betriebsgebäuden zum typischen Standard derartig gewerblich genutzter Gebäude gehörten und ihr Fehlen solchen Gebäuden ein negatives Gepräge gab (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1999 III R 77/97, BFHE 190, 552, BStBl II 2002, 233).

    Der Beklagte hat insoweit - in Abgrenzung zu dem BFH-Urteil vom 25. November 1999, in dem es um ein altes, im Beitrittsgebiet gelegenes Betriebsgebäude im Streitjahr 1990 ging - lediglich darauf verwiesen, dass in den alten Bundesländern aufgrund des höheren technischen Standards eine von den neuen Bundesländern abweichende Verkehrsanschauung gelte und die technischen Standards gerade im Kommunikationsbereich im Vergleich von 1990 zu 1998 in erheblichem Umfang gestiegen seien. Konkrete Feststellungen zur Verkehrsanschauung im Hinblick auf die Ausstattung von Betriebsgebäuden mit Datenkabeln hat er jedoch nicht getroffen, so dass seine Auffassung letztlich auf Vermutungen basiert.

    Das Gericht hatte daher eigene Feststellungen zu treffen. Dabei vermochte es jedoch im Ergebnis keine Verkehrsanschauung festzustellen, nach der Datenkabel nebst Zubehör zur Vernetzung einer EDV-Anlage bereits im Jahr 1998 zum typischen Standard derart gewerblich genutzter Gebäude gehört hätten.

    Die Klägerin hatte hierzu bereits mit Schriftsatz vom 10. Juli 2002 auf das Ergebnis einer Kurzrecherche im Internet verwiesen und entsprechende Ausdrucke vorgelegt, die darauf hindeuteten, dass eine komplette Verkabelung - im Gegensatz zu vorbereiteten Kabelsystemen, Leerverrohrung oder Hohlräumen in Fensterbänken, Decken oder Böden - noch im Jahr 2002 nicht zum typischen Standard solcher Gebäude zählten. Um aus eigener Anschauung einen Überblick über die gegenwärtig auf dem Gewerbeimmobilienmarkt angebotenen Büroflächen zu erhalten, hat das Gericht daher am 18. April 2005 exemplarisch für die Städte Berlin, München, Frankfurt am Main und Hamburg eine Recherche im Internet unter der Adresse „www.immobilienscout24.de” durchgeführt, bei der mit folgenden Kriterien gesucht wurde: „Büroetage/Bürohaus/Bürozentrum/Büro- und Lagergebäude/Gewerbezentrum” mit einer Fläche von 150 - 10 000 m. Als weiteres Suchkriterium konnte darüber hinaus „DV-Verkabelung vorhanden” eingegeben werden.

    Die Recherche erbrachte folgendes Ergebnis:

    Angebote insgesamtDarin enthalten: Angebote mit „DV-Verkabelung vorhanden”
    Berlin735226
    München322140
    Frankfurt a.M.257142
    Hamburg26199


    Ein Vergleich der verschiedenen Angebote zeigt mithin, dass - mit Ausnahme des Standorts Frankfurt am Main - von den derzeit auf dem Markt befindlichen Büroimmobilien nicht einmal die Hälfte jeweils bereits mit DV-Verkabelung angeboten wird.

    Bei Durchsicht der im Internet verfügbaren Angebote zeigt sich darüber hinaus ein sehr unterschiedliches Bild. So wurde bei den Angeboten mit vorhandener DV-Verkabelung teilweise ganz konkret darauf hingewiesen, welche Art der Verkabelung im Gebäude bereits vorhanden ist (z.B. „CAT5-Datennetz auf neuestem Stand”, „Hohlraumboden inkl. Kat 6-Netzwerk”, „EDV-Netzwerk Cat. 7”), zum Teil wurde jedoch auch nur allgemein auf eine „innovative IT-/TK-Infrastruktur” oder auf das Vorhandensein einer DV-Verkabelung hingewiesen. Bei den Angeboten, die nicht das Suchkriterium „mit vorhandener DV-Verkabelung” erfüllen, wird zwar teilweise nur sehr wenig zur Ausstattung insgesamt ausgesagt, häufig wird aber auch insbesondere auf das Vorhandensein von Kabelschächten, Hohlraumböden, Brüstungskanälen für EDV oder Fensterbankkabelkanäle für EDV hingewiesen. Darüber hinaus ist bei einigen größeren Bürokomplexen ersichtlich, dass nur teilweise eine DV-Verkabelung vorhanden ist (z.B. in einem von mehreren Stockwerken), mithin selbst bei einer umfangreichen Sanierung in den letzten Jahren nicht unbedingt das gesamte Gebäude verkabelt wurde. Dies erscheint dem Gericht vor dem Hintergrund, dass der Bedarf zukünftiger Mieter hinsichtlich Nutzfläche und technischer Ausstattung der Gebäude tatsächlich stark vom Unternehmensgegenstand abhängig sein dürfte - worauf auch die Klägerin besonders hingewiesen hat -, auch nachvollziehbar.

    Insgesamt ist daher festzustellen, dass die Ausstattung mit Datenkabeln nebst Zubehör zur Vernetzung einer EDV-Anlage - anders als das Vorhandensein der für die Verkabelung erforderlichen Kabelkanäle, Rohrsysteme oder Hohlraumdecken bzw. -böden - nach wie vor nicht zum „typischen Standard” einer Büroimmobilie gehört. Diese Feststellung, die sich auf das Jahr 2005 und vier verschiedene Standorte einschließlich Berlin bezieht, muss entsprechend erst recht für das Jahr 1998 gelten, da der technische Fortschritt der letzten Jahre eher auf für eine Weiterentwicklung auf diesem Gebiet schließen lässt.

    Nach alledem hat der Beklagte die begehrte Investitionszulage zu Unrecht nicht gewährt.

    Einzelne Teile der Verkabelung sind auch nicht als geringwertige Wirtschaftsgüter -GWG-gemäß § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1996 von der Förderung ausgeschlossen. GWG sind gemäß § 6 Abs. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung solche, die einer selbstständigen Nutzung fähig sind und deren Anschaffungskosten/Herstellungskosten, vermindert um den darin enthaltenen Vorsteuerbetrag, den Betrag von 800,00 DM nicht übersteigen. Kabel, die als Verlängerung oder Verbindung der Peripheriegeräte einer EDV-Anlage mit der Zentraleinheit genutzt werden, sind zwar selbstständig bewertungsfähig, jedoch nicht selbstständig nutzungsfähig und daher keine geringwertigen Wirtschaftsgüter (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1999, III R 77/97, BFHE 190, 552, BStBl II 2002, 233 m.w.N.). Gleiches gilt für das für die Verkabelung benötigte Zubehör.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

    Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgen aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 FGO (Finanzgericht Berlin, Urteil vom 26. Oktober 2004 7 K 7088/03, EFG 2005, 411 a.E.).

    VorschriftenInvZulG § 2 Satz 1, BGB § 93, BGB § 94 Abs. 2

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