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  • 15.06.2011

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 19.11.2010 – 14 K 2520/10 E

    1) Ein Treppenlift ist ein medizinisches Hilfsmittel im weiteren Sinne.

    2) Die medizinische Notwendigkeit der Anschaffung eines Treppenlifts ist grundsätzlich durch ein vorher erstelltes amtsärztliches oder vertrauensärztliches Gutachten nachzuweisen; darüber hinaus kann eine die Anschaffung indizierende Bewegungs- und Gehunfähigkeit auch durch Vorlage eines Schwerbehindertenausweises mit entsprechenden Merkzeichen nachgewiesen werden.

    3) Ausnahmsweise kann zum Nachweis der Zwangsläufigkeit die Vorlage eines Attests des behandelnden Arztes genügen, wenn das zeitnah erstellte Attest des behandelnden Arztes die Gründe für die Zwangsläufigkeit einer konkreten Maßnahme umfassend und überprüfbar darlegt.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 14. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter …

    auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 19. November 2010 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Streitig ist die Anerkennung von Aufwendungen für den Einbau eines Treppenliftes als außergewöhnliche Belastung im Streitjahr 2005.

    Die Klägerin ist die Alleinerbin ihres am 14. Juni 2007 verstorbenen Ehemannes X. S., mit dem sie im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde.

    Ende des Jahres 2005 ließen sich die Klägerin und ihr am 18. November 1914 geborener, zwischenzeitlich verstorbener Ehemann von der U. GmbH einen Treppenlift in ihr selbst genutztes Einfamilienhaus einbauen. Ausweislich einer Rechnung vom 19. Dezember 2005 ergaben sich hierfür Kosten in Höhe von 18.664,45 EUR. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie die Aufwendungen für den Einbau des Treppenliftes als außergewöhnliche Belastung geltend. Hierzu legten sie dem Beklagten mit Schreiben vom 10. Oktober 2006 ein am 5. Oktober 2006 ausgestelltes ärztliches Attest des Internisten und Hausarztes E. P., in L., vor, in dem dieser ausführt:

    „Seit 9/05 besteht bei o.g. [X. S.] eine weitgehende Einschränkung der Gehfähigkeit. Das Zurücklegen kurzer Strecken ist ohne Hilfsmittel (Rollator oder Rollstuhl) nicht möglich. Mit Hilfsmitteln sind Gehversuche für den Patienten mit starken Schmerzen verbunden. Treppensteigen ist ihm unmöglich.

    Die Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind gegeben.”

    Mit Bescheid vom 31. Oktober 2006 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 5.638,00 EUR fest. Dabei berücksichtigte er die Aufwendungen für den Einbau des Treppenliftes nicht. Zudem legte er der Besteuerung sowohl bei der Klägerin als auch bei ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann Rentenbezüge in Höhe von je 7.655,00 EUR zugrunde, obwohl in der eingereichten Steuererklärung derartige Bezüge nur für die Klägerin erklärt worden waren.

    Mit ihrem Einspruch vom 30. November 2006 wandten sich die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann sowohl gegen die doppelte Erfassung der Rentenbezüge als auch die Nichtberücksichtigung der für den Treppenlift geltend gemachten Aufwendungen. Hierauf teilte der Beklagte mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 mit, dass der Einspruch lediglich insoweit begründet sei, als die Rentenbezüge der Klägerin versehentlich doppelt erfasst worden seien. In diesem Punkt sei dem Einspruch zu entsprechen, im Übrigen müsse der Einspruch allerdings ohne Erfolg bleiben. Er – der Beklagte – könne daher dem Antrag nur teilweise entsprechen und den angefochtenen Bescheid nur hinsichtlich der doppelt erfassten Renteneinkünfte ändern. Er forderte die Klägerin und ihren zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann auf, mitzuteilen, ob sie mit der von ihm vorgeschlagenen Änderung einverstanden seien und den Einspruch „insoweit” einschränkten.

    Mit Schreiben vom 10. Januar 2007 teilten die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann auf einem von dem Beklagten hierfür zur Verfügung gestellten Vordruck mit, sie seien mit der von dem Beklagten vorgeschlagenen Änderung einverstanden und schränkten ihren Einspruch „entsprechend” ein.

    Daraufhin erließ der Beklagte am 24. Januar 2007 einen gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid, mit dem er die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 4.630,00 EUR herabsetzte. Die Kosten für den Einbau des Treppenliftes berücksichtigte er weiterhin nicht. Einen Hinweis, dass damit der Einspruch vom 30. November 2006 erledigt sei, enthält der Bescheid nicht.

    Sodann wiesen die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann mit Schreiben vom 23. Februar 2007 darauf hin, dass über ihren Einspruch vom 30. November 2006 noch nicht abschließend entschieden worden sei, da der Bescheid vom 24. Januar 2007 lediglich eine Teilabhilfe darstelle. Sie hätten ihr Einspruchsbegehren nicht hinsichtlich der Anerkennung der Aufwendungen für den Treppenlift zurückgenommen. In den Erläuterungen des Änderungsbescheids werde auf diesen Umstand aber nicht hingewiesen.

    Zugleich legten sie daher „vorsorglich” gegen den Bescheid vom 24. Januar 2007 Einspruch ein und wiederholten einen schon früher gestellten Antrag, gem. § 364a AO, eine Erörterung des Sach- und Streitstandes durchzuführen. Zudem überreichten sie mit Schreiben vom 21. Mai 2007 ein am 9. Mai 2007 ausgestelltes Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin H. S., in L., in dem dieser ausführt:

    „Wir haben die Praxis, in der Herr X. S. behandelt wird, seit 09.01.2006 übernommen. Ich selber arbeite als Hospitant sei Oktober 2005 hier mit. Zu diesem Zeitpunkt war Herr X. S. bis auf wenige Schritte bettlägerig. Die zur weitgehenden Gehunfähigkeit und Treppengangunfähigkeit führende Erkrankung ist in der Stellungnahme von Q. T., N.-Straße in C. beschrieben.

    Somit ist nach Aktenlage eine Gehunfähigkeit für Treppensteigen über mehrere Stufen hinaus ab Sommer 2005 belegt, aus eigener Erkenntnis ab Oktober 2005 sicher.”

    Mit einer auf den 22. August 2007 datierten und am 10. September 2007 versandten Einspruchsentscheidung wies der Beklagte den am 23. Februar 2007 gegen den Bescheid vom 24. Januar 2007 eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Er adressierte die Einspruchsentscheidung sowohl an die Klägerin als auch an ihren zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Ehemann.

    Die Klägerin hat daraufhin – für sich selbst und zugleich als Rechtsnachfolgerin ihres zwischenzeitlich verstorbenen Ehemannes – mit Schreiben vom 12. Oktober 2007 Klage erhoben, mit der sie sich ausdrücklich sowohl gegen den Bescheid vom 31. Oktober 2006 als auch gegen die Einspruchsentscheidung vom 22. August 2007 wandte. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 14 K 4310/07 E geführt. Nach einem Hinweis des in diesem Verfahren zuständigen Berichterstatters hat der Beklagte mit Bescheid vom 7. Juni 2010 die an den zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann der Klägerin gerichtete Einspruchsentscheidung aufgehoben. Außerdem hat er mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2010 den Einspruch der Klägerin vom 30. November 2006, den diese zugleich als Gesamtrechtsnachfolgerin ihres zwischenzeitlich verstorbenen Ehemannes gegen den Bescheid vom 31. Oktober 2006 in der Fassung des Bescheids vom 24. Januar 2007 erhoben hatte, als unbegründet zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung hat er an die Klägerin, zugleich als Gesamtrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemanns, gerichtet. Zur Erläuterung hat er ausgeführt, er gehe nunmehr ebenfalls davon aus, dass durch den Bescheid vom 24. Januar 2007 das Einspruchsverfahren nicht vollständig erledigt worden sei.

    Daraufhin haben die Beteiligten den unter dem Aktenzeichen 14 K 4310/07 E geführten Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

    Mit ihrer am 9. Juli 2010 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin – zugleich als Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Ehemannes – gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 31. Oktober 2006 in der Fassung vom 24. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2010.

    Zur Begründung trägt sie vor, der Beklagte sei seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen und habe daher verfahrensfehlerhaft gehandelt. Er hätte sich im Rahmen des Einspruchsverfahrens vor Ort persönlich ein Bild machen können und müssen. Außerdem hätte er – wie beantragt – Herrn H. S. als Zeugen anhören müssen.

    Auch in der Sache sei die Klage begründet. Der Einbau des Treppenliftes im Herbst des Jahres 2005 sei eine zwangsläufige krankheits- und behinderungsbedingte Aufwendung gewesen. Dieser sei notwendig gewesen, weil ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann – zum damaligen Zeitpunkt über 90 Jahre alt – schon vor der Anschaffung weitgehend gehunfähig und insbesondere treppengangunfähig gewesen sei.

    Ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann sei vor der Anschaffung des Treppenlifts in ständiger ärztlicher Behandlung von Herrn H. S. gewesen. Aus dessen Attest vom 9. Mai 2007 ergebe sich die schon vor dem Einbau bestehende Treppengangunfähigkeit. Zudem sei Herr H. S. ein sachverständiger Zeuge für die medizinische Notwendigkeit der Anschaffung des Treppenliftes. Er könne bestätigen, dass bereits im Herbst 2005 die Treppengangunfähigkeit ihres inzwischen verstorbenen Ehemannes offensichtlich gewesen sei.

    Der Umstand, dass laut Mitteilung des Versorgungsamtes für ihren inzwischen verstorbenen Ehemann lediglich ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt worden sei und ein Merkzeichen „G” bzw. „aG” fehle, stehe der Anerkennung nicht entgegen. Aus sachverständiger Sicht wäre eine positive Entscheidung eines entsprechenden Antrages ihres Ehemannes durch das Versorgungsamt zu erwarten gewesen. Dieser habe allein aufgrund seines Alters davon abgesehen, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

    Sie – die Klägerin – habe darauf vertraut, dass in Anbetracht der gesundheitlichen Situation ihres Ehemannes und der vorliegenden Atteste weitere Nachweise entbehrlich seien. Die Notwendigkeit des Nachweises durch ein amtsärztliches Attest sei ihr nicht bekannt gewesen.

    Außerdem habe in den Entscheidungen des Bundesfinanzhofes, in denen dieser ein vor dem Einbau ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten verlangt habe, jeweils nicht ausgeschlossen werden können, dass die Aufwendungen aufgrund „reiner Bequemlichkeit” getätigt worden seien. Um einen solchen Fall handle es sich vorliegend jedoch gerade nicht. Vielmehr müsse bei der Würdigung aller Umstände insbesondere das Alter ihres inzwischen verstorbenen Ehemannes zum Zeitpunkt des Einbaus des Treppenliftes berücksichtigt werden. So habe der Bundesfinanzhof bereits anerkannt, dass bei der Begleitung einer über 80-jährigen Person zu einem Kuraufenthalt nicht von einer eigenen Erholung der Begleitperson auszugehen sei, so dass eine medizinische Begutachtung nicht erforderlich sei (BFH Urteil vom 13. März 1964 VI 231/63 U, BStBl. III 1964, 331; BFH Urteil vom 14. Februar 1980 VI R 218/77, BStBl. II 1980, 295). Auch im Streitfall könne aufgrund der Lebenserfahrung und damit ohne ärztliches Attest festgestellt werden, dass die Anschaffung des Treppenliftes zwangsläufig gewesen sei.

    Jedenfalls aber sei mit Blick auf das hohe Alter, die anerkannte Behinderung, eine langjährige Rentenzahlung durch das Versorgungsamt und die durch die schriftliche Aussage des behandelnden Arztes bestätigte Gehunfähigkeit ihres inzwischen verstorbenen Ehemannes die Einholung eines amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens vor Anschaffung des Treppenliftes entbehrlich gewesen.

    Zudem sei das vom Bundesfinanzhof teilweise formulierte Erfordernis eines vor Anschaffung eines medizinischen Hilfsmittels eingeholten bzw. ausgestellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens systematisch und inhaltlich nicht nachvollziehbar. Es verkenne die grundsätzliche Gleichwertigkeit sämtlicher angebotener Beweismittel und verletze damit das Recht auf Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens gem. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG). Zudem lasse eine entsprechende Handhabung in der Praxis die Regelung des § 33 EStG „leerlaufen”.

    Die Klägerin beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 24. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2010 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der streitigen außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 18.664,00 EUR auf 256,00 EUR festzusetzen,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Auffassung, Treppenlifte seien medizinische Hilfsmittel im weiteren Sinne, da sie auch von gesunden Personen aus Gründen der Steigerung des Lebensstandards – insbesondere im hohen Alter – angeschafft würden. Zur steuerlichen Berücksichtigung der Anschaffungskosten sei ein vor dem Einbau ausgestelltes amtsoder vertrauensärztliches Gutachten erforderlich, wenn kein unmittelbarer Zusammenhang mit einer Krankheit oder Behinderung bestehe, welcher durch einen entsprechenden Schwerbehindertenausweis nachgewiesen werde. Die Klägerin habe jedoch keinen der genannten Nachweise erbracht.

    Da ein nach dem Einbau des Treppenliftes ausgestelltes Attest nicht anzuerkennen sei, komme auch nicht ersatzweise die Vernehmung des das Attest austellenden Arztes als Zeugen in Betracht.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Akten des Verfahrens 14 K 4310/07 E sowie die hinzugezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 24. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

    In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob eine Rechtsverletzung deshalb zu verneinen ist, weil die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann ihr ursprüngliches Klagebegehren mit Schreiben vom 10. Januar 2007 wirksam auf die Frage der doppelten Erfassung der Rentenbezüge beschränkt hatten. Denn auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, hat der Beklagte die Aufwendungen für den Einbau des Treppenliftes zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anerkannt. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Aufwendungen zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG entstanden sind.

    Gem. § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH Urteil vom 15. März 2007 III R 28/08, BFH/NV 2007, 1841).

    Gem. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG entstehen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

    Zwar werden Aufwendungen für bestimmte medizinische Hilfsmittel wie etwa Brillen, Hörgeräte oder Rollstühle – sog. medizinische Hilfsmittel im engeren Sinne – typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es einer nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen weiteren Prüfung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach bedürfte (z. B. BFH Beschluss vom 14. Dezember 2007 III B 178/06, BFH/NV 2008, 561). Jedoch sind bei anderen medizinischen Hilfsmitteln, die ihrer Art nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern mitunter auch von Gesunden angeschafft werden, um ihre Gesundheit zu erhalten, ihr Wohlbefinden zu steigern oder ihre Freizeit sinnvoll und erfüllt zu gestalten, strenge Anforderungen an die Beurteilung der medizinischen Indikation und damit der Zwangsläufigkeit i. S. d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG zu stellen (vgl. BFH Urteil vom 14. Oktober 1997 III R 27/97, BFH/NV 1998, 571).

    Bei einem solchen medizinischen Hilfsmittel im weiteren Sinne ist die medizinische Notwendigkeit der Anschaffung grundsätzlich durch ein vorher erstelltes amtsärztliches oder vertrauensärztliches Gutachten – also ein von einer öffentlich-rechtlichen Institution erstelltes Gutachten – nachzuweisen (z. B. BFH Beschluss vom 14. Dezember 2007 III B 178/06, BFH/NV 2008, 561; BFH Urteil vom 14. Oktober 1997 III R 27/97, BFH/NV 1998, 571).

    Darüber hinaus kann eine die Anschaffung eines Treppenliftes indizierende Bewegungs- oder Gehunfähigkeit auch durch Vorlage eines Schwerbehindertenausweises mit entsprechenden Merkzeichen nachgewiesen werden (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 4. Dezember 2003 VI 361/2002, EFG 2004, 735).

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze genügen die von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen der behandelnden Ärzte nicht, um die Zwangsläufigkeit der Anschaffung des Treppenliftes nachzuweisen.

    Der Senat ist der Auffassung, dass der Treppenlift als medizinisches Hilfsmittel im weiteren Sinne anzusehen ist. Er wird durchaus auch von gesunden Menschen zur Steigerung des Lebensstandards bzw. Erleichterung der Erledigung häuslicher Verrichtungen angeschafft. Dies gilt insbesondere für Personen im hohen Alter, die einen solchen Lift als Mobilitätshilfe nutzen, ohne allerdings zwingend auf ihn angewiesen zu sein (vgl. auch BFH Beschluss vom 27. Dezember 2006 III B 107/06, BFH/NV 2007, 701; FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27. Februar 2008 3 K 160/07, juris; FG Nürnberg, Urteil vom 4. Dezember 2003 VI 361/2002, EFG 2004, 735). Außerdem war der Lift auch durch die Klägerin nutzbar.

    Im Streitfall kann dahinstehen, ob es zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit eines vor Anschaffung des Treppenliftes erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bedurft oder ob auch ein nachträglich erstelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten genügt hätte. Denn die Klägerin hat kein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten vorgelegt.

    Sie hat vielmehr lediglich Bescheinigungen der behandelnden Ärzte ihres Ehemannes, der Herren E. P. und H. S., eingereicht. Diese genügen nach Auffassung des Senates allerdings nicht zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit – und damit der Zwangsläufigkeit – der Anschaffung des Treppenliftes.

    Dies ergibt sich zum einen bereits aus dem konkreten Inhalt der Bescheinigungen, die den Grund der attestierten Geh- bzw. Treppengangunfähigkeit nicht darlegen. Bereits hieraus folgt, dass den Bescheinigungen nur begrenzte Aussagekraft zukommt.

    Hinzu kommt aber auch, dass der Stellungnahme eines behandelnden Arztes nach Auffassung des Gerichts nicht oder zumindest nicht ohne Weiteres der gleiche Beweiswert zukommt wie einem amts- bzw. vertrauensärztlichen Gutachten, das als eine Unvoreingenommenheit verbürgende sachverständige Stellungnahme zu qualifizieren ist (vgl. auch BFH Urteil vom 14. Oktober 1997 III R 27/97, BFH/NV 1998, 571). Der behandelnde Arzt ist demgegenüber aufgrund der zu seinem Patienten bestehenden persönlichen Beziehung nicht in gleicher Weise unvoreingenommen wie ein Amts- oder Vertrauensarzt. Seine Stellungnahme vermag die Begutachtung durch einen Amts- oder Vertrauensarzt daher nicht oder zumindest nicht ohne Weiteres zu ersetzen.

    Der Senat teilt die Auffassung der Klägerin, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes eine unzulässige, im Gesetz nicht vorgesehene Beschränkung bzw. Ungleichbehandlung gleichwertiger Beweismittel festschreibe, nicht. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes verstößt nicht gegen die gesetzlichen Regelungen der §§ 81 ff., 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO) oder gegen Art. 20 Abs. 3 GG.

    Dies gilt zum einen, weil es nach der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus zutreffend ist, dass die zwischen behandelndem Arzt und Patient bestehende persönliche Beziehung Einfluss auf den Inhalt eines ärztlichen Attestes haben kann. Zum anderen versteht der Senat die Rechtsprechung auch nicht dahin, dass damit ein ausnahmslos geltender Grundsatz statuiert werden soll. Vielmehr ist der Senat der Auffassung, dass es – auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – im Einzelfall ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann, von diesem Grundsatz Ausnahmen zuzulassen, d. h. zum Nachweis der Zwangsläufigkeit einer Maßnahme die Vorlage eines Attestes des behandelnden Arztes genügen zu lassen. Allerdings ist eine solche Ausnahme nur dann gerechtfertigt, wenn ein zeitnah erstellte Attest des behandelnden Arztes selbst die Gründe für die Zwangsläufigkeit einer konkreten Maßnahme umfassend und überprüfbar darlegt. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn das Attest auf der Grundlage objektiver Befunddaten jedenfalls für sachverständige Dritte nachvollziehbar und überprüfbar die Zwangsläufigkeit der streitigen Maßnahme dartut.

    Hieran aber fehlt es im Streitfall. Die Bescheinigungen der behandelnden Ärzte lassen nicht erkennen, aufgrund welcher konkreten, objektiven Befunde die Anschaffung des Treppenliftes zwangsläufig war. Sie beschreiben weder die konkreten körperlichen Einschränkungen des Ehemannes der Klägerin, noch deren medizinischen Ursachen. Letztlich ist das in den Bescheinigungen niederlegte Ergebnis der „weitgehenden Gehund Treppengangunfähigkeit” für einen Dritten nicht verifizierbar.

    Aus diesen Erwägungen folgt auch, dass der Senat keine Veranlassung hatte, Herrn H. S. als sachverständigen Zeugen zu vernehmen. Hierin sieht der Senat – anders als die Klägerin – keine Verletzung des Rechts auf Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens gem. Art. 20 Abs. 3 GG.

    Der Senat kann auch nicht erkennen, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an den Nachweis der Zwangsläufigkeit in der Praxis dazu führen, dass die Regelung des § 33 EStG leer liefe. Vielmehr ist die Anwendung eines strengen Maßstabes für den Bereich der medizinischen Hilfsmittel im weiteren Sinn – und nur um diesen geht es hier – sachgerecht und geboten. Hier ist die Abgrenzung zwischen zwangsläufigen Anschaffungen und Anschaffungen, die aus Gründen der Praktikabilität, der Verbesserung des Lebensstandards oder aus sonstigen Motiven getätigt werden, regelmäßig schwierig.

    Darüber hinaus hat die Klägerin die Geh- und Treppengangunfähigkeit ihres verstorbenen Ehemannes auch nicht durch Vorlage eines Schwerbehindertenausweises mit entsprechenden Merkzeichen nachgewiesen.

    Die Klägerin kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann ohne Weiteres einen entsprechenden Ausweis hätte erhalten können. Denn die Möglichkeit, einen solchen Ausweis erhalten zu können, ersetzt nicht den notwendigen Nachweis der Geh- bzw. Treppengangunfähigkeit durch Vorlage eines entsprechenden Ausweises.

    Gleiches gilt auch in Bezug auf die von dem inzwischen verstorbenen Ehemann der Klägerin vom Versorgungsamt bezogene Rente.

    Auch der Hinweis der Klägerin, dass sich die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen bereits aufgrund des Alters ihres zwischenzeitlich verstorbenen Ehemanns im Zeitpunkt des Einbaus des Treppenlifts ergebe, führt nicht zum Erfolg der Klage, und zwar auch unter Einbeziehung der von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen des Bundesfinanzhofes (BFH Urteil vom 13. März 1964 VI 231/63 U, BStBl III 1964, 331, und vom 14. Februar 1980 VI R 218/77, BStBl II 1980, 295). Zum einen betreffen die genannten Entscheidungen, die im Zusammenhang mit Kuraufenthalten ergangen sind, mit dem Streitfall nicht vergleichbare Sachverhalte. Zum anderen lässt sich diesen nicht entnehmen, dass allein schon aufgrund des Alters einer Person auf weitere Nachweise zur Zwangsläufigkeit von Aufwendungen verzichtet werden kann. Dies ist aus Sicht des Senates zudem weder geboten noch sachgerecht.

    Im Streitfall ergeben sich auch im Rahmen einer Gesamtschau keine Umstände, die es (ausnahmsweise) als geboten erscheinen lassen, auf den Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch ein amts- bzw. vertrauensärztliches Attest zu verzichten. Ein solcher Verzicht kommt zwar grundsätzlich in Betracht, wenn Aufwendungen so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass auch die Erlangung eines Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund tritt (vgl. BFH Urteil vom 22. Oktober 2009, VI R 7/09, BStBl 2010, 280). Jedoch fehlt es im Streitfall an einer solchen Situation. Der Senat kann nicht feststellen, dass die Einschränkungen der Gehfähigkeit des inzwischen verstorbenen Ehemannes der Klägerin von Art und Schwere mit den offenkundigen Einschränkungen z. B. aufgrund einer

    Querschnittlähmung vergleichbar waren.

    Schließlich ist der angefochtene Bescheid entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil er verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Eine Verpflichtung des Beklagten, sich vor Erlass der Einspruchsentscheidung ein persönliches Bild vor Ort zu machen bzw. Herrn H. S. als Zeugen zu hören, bestand – wie oben dargelegt – nicht.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung.

    VorschriftenEStG § 33