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  • 24.08.2011 · IWW-Abrufnummer 112731

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 16.03.2011 – 8 K 1123/10

    Wird am Tag vor Abschluss des Kaufvertrages über den Erwerb von noch zu errichtenden Eigentumswohnungen vereinbart, dass mit Abschluss der Grundstückskaufverträge ein Anspruch auf Zahlung einer Provision besteht, deren Zahlung zur Kaufpreisminderung und innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss der Kaufverträge tatsächlich erfolgt, mindert die Provisionszahlung gem. § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die Grunderwerbsteuer.


    Sächsisches FG v. 16.03.2011

    8 K 1123/10

    Tatbestand
    Streitig ist die Bemessungsgrundlage für die Festsetzung von Grunderwerbsteuer auf den Kauf dreier Eigentumswohnungen.

    Die Klägerin erwarb von der M. GmbH als Bauträger insgesamt 3 noch zu errichtende Eigentumswohnungen. Die Kaufverträge wurden am 18.08.2009 in notarieller Form geschlossen (vgl. Auszug aus UR-Nr. A) des Notars R. in E., Bl. 1 ff. der Grundsteuerakte des Beklagten). In § 3 der Kaufverträge ist ein Kaufpreis von 131.298,23 EUR, 364.283,41 EUR und 201.718,27 EUR bestimmt. Die Auflassung wurde gemäß § 13 des Kaufvertrages erklärt und zur Sicherung des Übereignungsanspruchs die Eintragung einer Vormerkung gemäß § 12 des Kaufvertrages bewilligt. In § 17 ist bestimmt, dass der Käufer die Grunderwerbsteuer übernimmt. Schon am 17.08.2009 hatten die Vertragsparteien schriftlich „aus Anlass dieses Erwerbsvorgangs” vereinbart, dass die Klägerin mit dem formgültigen Abschluss der Wohnungseigentumskaufverträge gegenüber dem Verkäufer „einen Anspruch auf Zahlung einer Provision in Höhe von 63.999,91 EUR” erwerbe. Weiter heißt es: „Diese Provision stellt aufgrund der fehlenden Gegenleistung des Käufers an den Verkäufer wirtschaftlich eine Kaufpreisminderung in Form einer sog. Eigenprovision dar (vgl. BFH-Urt. Vom 16.03.2004, Az. IX R 46/03).” (vgl. Bl. 20 der Grundsteuerakten des Beklagten).

    Die Klägerin zahlte die notariell beurkundeten Kaufpreise vollständig vertragsgemäß nach Baufortschritt im Zeitraum von Oktober 2009 bis Mai 2010. Die Auszahlung der „Eigenprovision” an die Klägerin erfolgte in zwei Raten von November 2009 bis Februar 2010, wobei der jeweilige Betrag für die Wohnungen 1), 4) sowie gemeinsam 2) und 3) nach dem Anteil der Einzelkaufpreise am Gesamtkaufpreis bemessen wurde. Die Klägerin erbrachte keine weitere Leistung neben der Kaufpreiszahlung. Sie wurde am 31.08.2010 als Eigentümerin in die Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher eingetragen. Der Beklagte setzte mit den angegriffenen Bescheiden vom 13.10.2009 die Grunderwerbsteuer nach den notariell beurkundeten Kaufpreisen fest. Die Klägerin teilte hierauf die Vereinbarung über die Provisionszahlung dem Beklagten mit Schreiben vom 19.10.2009 mit (Bl. 19 ff. der Grundsteuerakten des Beklagten) und beantragte die Änderung der Steuerbescheide wegen entsprechender Herabsetzung der Bemessungsgrundlage. Der Beklagte behandelte den Antrag als Einspruch gegen die Grundsteuerbescheide und wies diese mit Einspruchsentscheidung vom 28.06.2010 (Bl. 47 der Einkommensteuerakten des Beklagten) zurück.

    Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe die Steuer gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG wegen der tatsächlich erfolgten Minderung des Kaufpreises um insgesamt 63.991,91 EUR nach dem im Ergebnis geleisteten Kaufpreis zu bemessen. Der Veräußerer habe bei der Kaufpreisbestimmung das Preisgefüge im Verhältnis zu seinen sonst durch Fremdvermittlung vertriebenen Immobilien nicht verletzen wollen. Deshalb sei die Kaufpreisherabsetzung separat vereinbart und vollzogen und nicht in die notariellen Kaufvertragstexte eingearbeitet worden.

    Die Klägerin beantragt,

    die Grunderwerbsteuerbescheide des Beklagten vom 13.10.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.06.2010 dergestalt zu ändern, dass die insgesamt auf alle die Erwerbe in Summe gezahlte Provision die Bemessungsgrundlage um 63.991,91 EUR mindert.

    Der Beklagte beantragt

    Klageabweisung.

    Er hält die notariell beurkundete Kaufpreishöhe als Gegenleistung des Käufers für die zutreffende Bemessungsgrundlage. Hätten die Vertragsparteien tatsächlich von Anfang an einen geringeren als den jeweils notariell beurkundeten Kaufpreis vereinbaren wollen, so habe es ihnen freigestanden, dies auch in ihren notariell beurkundeten Willenserklärungen zum Ausdruck zu bringen. Eine nachträgliche Kaufpreisminderung liege hier nicht vor. Dass der Verkäufer neben der Übereignung des Grundstückes noch weitere Leistungen an den Käufer erbringe, sei für die Bemessung des Wertes der Gegenleistung des Käufers ohne Belang. Denn der notariell vereinbarte Kaufpreis sei auch gezahlt worden. Auf das wirtschaftliche Ergebnis, dass der gezahlte Kaufpreis dem Verkäufer nicht in voller Höhe verbleibe, komme es nicht an.

    Zu den Einzelheiten wird ergänzend auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten und die beigezogenen Grunderwerbsteuerakten und die Rechtsbehelfsakte des Beklagten Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe
    I. Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffene Bescheidlage ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Denn der Beklagte hat die Grunderwerbsteuer entgegen §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG festgesetzt, weil er die nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises zu Unrecht nicht berücksichtigt hat.

    1. Maßgebend für die Entstehung und Festsetzung der Grunderwerbsteuer ist danach die vereinbarte Gegenleistung des Käufers und nicht der Wert der Leistung des Verkäufers. Allerdings sind innerhalb von zwei Jahren stattfindende Herabsetzungen der Gegenleistung auf Antrag zu berücksichtigen. So liegt der Fall hier.

    a) Denn der unbestrittene Vortrag der Klägerin hinsichtlich der vom Verkäufer beabsichtigten Aufrechterhaltung des Preisgefüges wie der Wortlaut der „Verpflichtungserklärung” selbst sprechen zwar dafür, dass der durch die Klägerin aus den Kaufverträgen geschuldete Kaufpreis tatsächlich der notariell beurkundete Betrag sein sollte.

    b) Dieser wirksam vereinbarte Kaufpreis wurde nachträglich jedoch durch die gesonderte schriftliche Vereinbarung der „Eigenprovision” herabgesetzt, § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG.

    aa) Denn es liegt eine Vereinbarung vom 17.08.2009 zwischen den Vertragsparteien vor, die ausdrücklich eine Minderung des Kaufpreises und damit eine Herabsetzung der Gegenleistung für das Grundstück beinhaltet. Diese ist ungeachtet der Frage, ob sie mangels gesetzlicher Form nach §§ 125 S. 1, 311 b Abs. 1 S. 1 BGB zunächst formnichtig war, jedenfalls durch die Auflassung und Eintragung der Klägerin im Grundbuch geheilt.

    bb) Die Herabsetzung fand auch innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Grunderwerbsteuer statt. Dem steht nicht entgegen, dass die Minderung schon vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages vereinbart wurde. Denn jedenfalls sollte nach dem klaren Wortlaut der „Verpflichtungserklärung” vom 17.08.2009 der Provisionsanspruch als Minderung des geschuldeten Kaufpreises erst durch Abschluss des notariellen Kaufvertrages und damit nach wirksamer Begründung der dort vereinbarten Kaufpreiszahlungsverpflichtung entstehen. Bereits mit dem Abschluss des Kaufvertrages aber entstand gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die Steuer. Denn für einen Ausnahmefall späterer Entstehung nach § 14 GrEStG gibt es keine Anhaltspunkte.

    cc) Die Argumentation des Beklagten geht zwar ebenfalls von dem zutreffenden Gedanken aus, dass allein die Gegenleistung des Käufers und nicht die Leistung des Verkäufers oder dessen Nebenleistungen die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gemäß §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 GrErwStG darstellen. Auch das weitere Argument, die Vereinbarung vom 17.08.2009 stehe gesondert neben dem notariell beurkundeten Kaufvertrag, trifft zu. Allerdings übersieht der Beklagte hierbei, dass § 16 Abs. 3 GrErwStG gerade diesen Fall einer vom ursprünglichen Kaufvertrag gesonderten Änderung des Kaufpreises regelt und anordnet, dass in solchem Fall die Steuer niedriger festzusetzen ist. Warum die Vertragsparteien eine solche Regelung gewählt haben, ist dabei unerheblich (vgl. Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Auflage 2005, § 16 Rn. 65 m. w. N.).

    Das von dem Beklagten zitierte Urteil BFH/NV 1997, 613 stützt die Argumentation des Beklagten nicht, sondern betrifft eine grundsätzlich andere Fallkonstellation.

    c) Die Herabsetzung des Kaufpreises hat auch i. S. des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG stattgefunden. Denn der Klägerin sind die „Eigenprovisionszahlungen” des Bauträgers in Höhe von insgesamt 63.999,91 EUR tatsächlich zugeflossen (vgl. Abschrift Kontenübersicht vom 10.02.2011 Bl. 77 d. A.) und haben ihren Anschaffungsaufwand gemindert.

    2. Ein anderes Ergebnis ergäbe sich auch nicht, wenn die Vertragsparteien der Grundstückskaufverträge von Anfang an abweichend vom Wortlaut der notariellen Vertragsurkunden tatsächlich einen von vornherein um insgesamt 63.991,91 EUR niedrigeren Kaufpreis vereinbaren wollten. Denn in diesem Fall wären die notariell beurkundeten Kaufverträge von Anfang an nichtig, § 117 Abs. 1 BGB, so dass der dort vereinbarte Kaufpreis der Besteuerung ebenfalls nicht zugrunde gelegt werden dürfte, § 41 Abs. 2 AO.

    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    RechtsgebietGrEStGVorschriftenGrEStG § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG § 8 Abs. 1 GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1