24.01.2012 · IWW-Abrufnummer 114265
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 27.10.2011 – 3 K 1849/09
1. Ein Arbeitszimmer ist wegen seiner räumlichen Nähe zum Wohnbereich keine Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG.
2. Die geänderte Rechtsprechung des BFH zu § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 EStG, wonach ein Arbeitnehmer nur eine „regelmäßigen Arbeitsstätte” haben kann, ist nach Art. 3 Abs. 1 GG auf den Betriebsstättenbegriff des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG zu übertragen.
3. Als Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG ist danach nur ein Ort anzusehen, an dem sich der ortsgebundene Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit des Gewerbetreibenden, Landwirts oder Selbstständigen befindet.
4. Fahrtkosten eines selbstständigen Lehrers zu ständig wechselnden Bildungseinrichtungen sind in voller Höhe und nicht nur in Höhe der Entfernungspauschalen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
5. Die Zahl der Auftraggeber ist bei Gewinneinkünften kein Kriterium für den ortsgebundenen Mitelpunkt der betrieblichen Tätigkeit.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 27. Oktober 2011 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richter …
für Recht erkannt:
1. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 16. September 2011 werden dahin gehend geändert, dass Kraftfahrzeugkosten in Höhe von xx.xxx,xx DM für 2001, xx.xxx,xx EUR für 2002 und xx.xxx,xx EUR für 2003 als weitere abziehbare Betriebsausgaben des Klägers berücksichtigt werden. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird auf den Beklagten übertragen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigen zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Klägerin ist Lehrerin an einer Schule in (H). Der Kläger war in den Streitjahren (2001 bis 2003) als Personalberater tätig. Seine Tätigkeit bestand vor allem in der Übernahme von vorbereitenden Tätigkeiten bei der Auswahl von qualifizierten Bewerbern für die jeweiligen Auftraggeber. Diese Tätigkeit übt der Kläger von einer Betriebstätte im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in (F), … straße xx, aus. Im 2. Obergeschoss des Hauses befindet sich auch die gemeinschaftliche Ehewohnung der Kläger. Eine weitere Wohnung im 1. Obergeschoss steht leer.
Neben der Tätigkeit als Personalberater war der Kläger in den Streitjahren außerdem als Dozent bzw. Prüfer an verschiedenen Bildungseinrichtungen, und zwar in (L), (V), (A) und F. Die Tätigkeit in V übt der Kläger seit etwa 1982 aus, zunächst bei der Berufsakademie (– BA –; jetzt: Duale Hochschule – DH –), seit 1882/1983 auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK). Seit Ende der 1980er Jahre ist er bei der BA bzw. DH in L tätig. Die Dozententätigkeit bei der Hochschule in A, einer Fernhochschule mit Präsenzseminaren, übte der Kläger von 2001 bis 2006 aus. In F übt der Kläger im Wesentlichen eine Prüfungstätigkeit aus.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen für 2001 vom 13. September 2002, für 2002 vom 12. September 2003 und für 2003 vom 2. November 2004 behandelten die Kläger – ohne gesonderten Ausweis in der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) – im Rahmen der Kraftfahrzeugkosten folgende Fahrtkosten des Klägers nach L, V, A und F als Reisekosten mit den tatsächlichen Kosten:
Einrichtung | 2001/ Fahrten | 2001/km | 2002/ Fahrten | 2002/km | 2003/ Fahrten | 2003/km |
BA L | ||||||
IHK V | ||||||
IHK F | ||||||
Hochschule A | ||||||
Summe/km: | ||||||
Kosten/km: | ||||||
In DM/EUR: |
Nach Durchführung einer – im Dezember 2005 begonnen – Außenprüfung (Prüfungsbericht vom 13. März 2007) vertrat die Prüferin – in Übereinstimmung mit den nicht veröffentlichten (n.v.) Senatsurteilen vom 31. August 1989 III K 432/86 (Bl. 67 ff. GA III K 432/86), vom 3. Dezember 1992 3 K 180/89 (Bl. 59 ff. GA 3 K 180/89) sowie den als Urteile wirkenden Gerichtsbescheiden des Einzelrichters vom 17. November 1998 3 K 163/95 (n.v.; Bl. 52 ff. GA 3 K 163/95) und 3 K 187/95 (n.v.; Bl. 44 ff. GA 3 K 187/95) – die Auffassung, bei den Fahrten handele es sich um Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßigen Betriebsstätten i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, und zwar selbst dann, wenn die Betriebsstätte in der … straße xx in F auch für die Unterrichtstätigkeit genutzt werde. Dies hatte der Kläger in den Finanzgerichtsverfahren wegen Einkommensteuer 1996 (als Urteil wirkender Gerichtsbescheid des Senats vom 12. April 2000 3 K 83/98, Bl. 57 ff. GA 3 K 87/98, n.v.), Einkommensteuer 1998 (Urteil der Einzelrichterin vom 6. September 2004 3 K 204/01, Bl. 129 ff. GA 3 K 204/01. n.v.), Einkommensteuer 1999 (Urteil der Einzelrichterin vom 9. September 2004 – richtig wohl: 6. September 2004 – 3 K 367/01, Bl. 128 ff. GA 3 K 367/01, n.v.) und Einkommensteuer 2000 (Urteil der Einzelrichterin vom 6. September 2004 3 K 97/03, Bl. 133 ff. GA 3 K 97/03, n.v.) akzeptiert.
Die Pr üferin versagte deshalb in Tz. 13.10 des Prüfungsberichts den Abzug der o.g., von den Klägern erklärten tatsächlichen Kosten zum ganz überwiegenden Teil; lediglich für die Fahrtkosten nach F in den Jahren 2002 und 2003 (24 km bzw. 40 km) sah sie von einer Kürzung ab. Die Fahrtkostenerstattungen sah die Prüferin in Tz. 13.7 des Berichts als nach § 3 Nr. 13 EStG steuerfreie Einnahmen des Klägers an, weshalb der Betriebsausgabenabzug in Höhe der Entfernungspauschale für die Fahrten nach L, V und F entsprechend zu versagen sei. Sie setzte deshalb in Tz. 13.10 des Berichts nur die Entfernungspauschale für die Fahrten nach A an.
Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) folgte der Auffassung der Prüferin in den nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheiden für 2001 bis 2003 vom 2. August 2007. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
Mit ihrem Einspruch verfolgten die Kläger neben diversen weiteren Streitpunkten u.a. ihr Begehren im Hinblick auf die Fahrten nach L, V, A und F weiter. Es handle sich bei der Betriebsstätte in F um ein „außerhäusliches” Arbeitszimmer, dies werde vom FA nicht bestritten. Der Kläger sei neben seiner Tätigkeit als Unternehmens- und Personalberater als Dozent oder Prüfer in verschiedenen Bildungseinrichtungen tätig. Mit Ausnahme der Einrichtung in F befänden sich diese Bildungseinrichtungen nicht mehr im Einzugsbereich oder Umland von F. Bezüglich der Fahrten zwischen der … straße in F und den verschiedenen Bildungsstätten handle es sich um Fahrten zwischen mehreren Betriebsstätten. Für den Abzug der Aufwendungen sei unbeachtlich, dass sich sein Büro („außerhäusliches Arbeitszimmer”) und die Wohnung im selben Gebäude befänden. Von einer regelm äßigen Arbeitsstätte sei auszugehen, wenn der Steuerpflichtige regelmäßig in der Woche mindestens 20 % seiner Arbeitszeit oder durchschnittlich im Kalenderjahr an einem Arbeitstag je Arbeitswoche an diesem Ort tätig werde. Da der Kläger an verschiedenen Ausbildungsstätten tätig sei, müssten diese Voraussetzungen für jede einzelne Ausbildungsstätte gegeben sein. Dies sei nicht der Fall. Bereits aus diesem Grund lägen keine Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte vor.
Gegen die Annahme von Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte spreche außerdem die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach die Aufwendungen eines Unternehmers für Fahrten zwischen verschiedenen Betriebsstätten in vollem Umfang als Betriebsausgaben abgezogen werden könnten, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn sich – wie hier – eine der Betriebsstätten am Wohnsitz des Unternehmers befinde. Die Fahrten zu den Bildungseinrichtungen würden grundsätzlich von der Betriebsstätte in F aus angetreten. Der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass der Kläger vor dem Beginn eines Arbeitstages in sein Büro im Erdgeschoss gehe, um dort die E-Mails abzurufen, Telefonate zu tätigen, Termine zu koordinieren, eingegangene Post und Faxe durchzusehen und weitere vorbereitende Maßnahmen zu tätigen, bevor er für seine Dozententätigkeit das Haus verlasse.
Im Laufe des Einspruchsverfahrens führte der Berichterstatter im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (3 V 742/08) mit den Beteiligten eine erste Erörterung des Sach- und Streitstands durch. Auf die Niederschrift vom 4. September 2008 3 V 742/08, 14 V 794/08 (Bl. 123 ff. GA 3 V 742/08) wird Bezug genommen.
Im Laufe des Einspruchsverfahrens änderte das FA die angefochtenen Einkommensteuerbescheide wegen nicht mehr streitiger Punkte; die Änderungsbescheide wurden zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens.
Im hier noch streitigen Punkt wies das FA allerdings den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 24. März 2009 als unbegründet zurück: Zweck der § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sei es, die von Verfassungs wegen gebotene Gleichstellung der Gewinnermittler zu den Beziehern von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BStBl II 1970, 140) zu gewährleisten. Unterlägen bei vergleichbaren Arbeitnehmern mit eigenen Arbeitsräumen Fahrtkosten dem begrenzten Abzug, so könne für den Gewinnermittler nichts anderes gelten. Da angestellte Lehrkräfte ihre Aufwendungen für Fahrten vom häuslichen Arbeitszimmer zur Schulungsstätte nicht unbegrenzt absetzen könnten, müsse dies auch für den Kläger als selbständigen Dozenten gelten. Nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 8. November 1974 VI R 69/72, BFHE 114, 92, BStBl II 1975, 177) führten Arbeitnehmer, die in Erfüllung mehrerer Arbeitsverträge an verschiedenen Orten tätig seien, unterschiedslos Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG durch. Dabei sei es unerheblich, ob der Arbeitnehmer die einzelnen Dienststellen unmittelbar nacheinander oder von seiner Wohnung aus anfahre. Die Tätigkeit des Klägers als Personalberater sei für die Beurteilung der Fahrten zu den Bildungseinrichtungen nicht heranzuziehen; denn hierbei handele es sich um eine zweite selbständige Tätigkeit mit einem eigenständigen Betriebsbereich. Fahrten zwischen zwei selbständigen Betrieben bzw. zwei selbständigen Tätigkeitsbereichen seien nur begrenzt abzugsfähig. Ohne Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, dass das Büro des Klägers als „außerhäusliches Arbeitszimmer” anzusehen sei. Die in ständiger Rechtsprechung des BFH befürworteten Grundsätze zur Auslegung des Begriffs der „Betriebsstätte” im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG würden durch die neuere Rechtsprechung des BFH zum Arbeitszimmerbegriff nicht tangiert (BFH-Urteil vom 13. November 2002 VI R 164/00, BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350; BFH-Beschluss vom 18.05.2005 X B 42/04, juris).
Mit ihrer Klage haben die Kläger zunächst ihr Begehren in diesem und in einigen anderen Streitpunkten weiterverfolgt. Nach einer weiteren Bereinigung des Streitstoffs im Erörterungstermin vom 23. August 2011 (Niederschrift Bl. 186 ff. GA 3 K 1849/09) hat das FA die angefochtenen Einkommensteuerbescheide nochmals geändert; die Änderungsbescheide wurden nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens.
Zum einzig verbliebenen Streitpunkt bringen die Kläger vor, bei den Büroräumen im Erdgeschoss des Hauses der Kläger handele es sich um eine Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, so dass Fahrten zwischen Betriebsstätten vorlägen. Außerdem seien die Schulungsstätten keine Betriebsstätten des Klägers, weil er diese nicht zu 20% seiner Arbeitszeit oder an einem Tag in der Woche aufsuche, die Verträge mit den Bildungsstätten befristet seien und der Kläger die Schulungsstätten wechsele. Auf Hinweis des Gerichts ergänzten die Kläger, sie könnten nicht durch Umzug die Wegekosten minimieren, was nach der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH gegen die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte spreche.
Nach dem Erörterungstermin wiesen die Kläger darauf hin, dass nach der geänderten Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 9. Juni 2011 VI R 55/10, vom BFH zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2011, 1764) ein Arbeitnehmer nur eine regelmäßige Arbeitsstätte haben könne. Die müsse – worauf das FA im Grundsatz selbst zutreffend hingewiesen habe – aus Gründen der Gleichbehandlung auf Selbständige übertragen werden. Selbständige könnten nur eine regelmäßige Betriebsstätte haben, sonst drohe ihnen eine verfassungswidrige Schlechterstellung gegenüber Arbeitnehmern. Die regelmäßige Betriebsstätte des Klägers sei in der … straße xx in F.
Zuletzt hat der Klägervertreter in einem Telefonat vom 25. Oktober 2011 den Klageantrag dahin gehend eingeschränkt, dass die im Schreiben vom 2. September 2009, Seite 3, genannten Beträge an Mehr-Betriebsausgaben um die in Tz. 13.7 des Prüfungsberichts aufgeführten steuerfreien Fahrtkostenerstattungen zu kürzen seien.
Die Kläger beantragen danach sinngemäß nur noch, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 16. September 2011 dahin gehend zu ändern, dass weitere Kraftfahrzeugkosten in Höhe von xx.xxx,xx DM für 2001, xx.xxx,xx EUR für 2002 und xx.xxx,xx EUR für 2003 als abziehbare Betriebsausgaben des Klägers berücksichtigt werden und die Einkommensteuer entsprechend neu festgesetzt wird.
Das FA beantragt sinngemäß, die Klage abzuweisen.
Es verteidigt im verbliebenen Streitpunkt seine in der Einspruchsentscheidung niedergelegte Auffassung. Die fortentwickelte Rechtsprechung des VI. Senats des BFH zur regelmäßigen Arbeitsstätte habe nach Auffassung der Finanzverwaltung (z.B. BMF -Schreiben vom 21. Dezember 2009, BStBl I 2010, 21) keine Auswirkung auf den Streitfall. Der Kläger unterliege keinem Direktionsrecht eines Arbeitgebers und könne frei entscheiden, welche Verträge mit Bildungseinrichtungen er eingehe und welche nicht. Die Büroräume im Erdgeschoss seien keine Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, weil die Kläger das Haus alleine nutzten. Das Büro sei deshalb – wie bei einem Einfamilienhaus – in die private Sphäre eingebunden. Die Bildungseinrichtungen seien hingegen Betriebsstätten des Klägers. Ein häufiger Wechsel schließe nach der Rechtsprechung des BFH die Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht aus.
Mit Schreiben vom 16. September 2011 (FA), 10. Oktober 2011 (Kläger) und 18. Oktober 2011 (FA auf Frage des Gerichts klarstellend wegen des weiteren Vortrags der Kläger) haben beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Dem Senat lagen vor: 2 Bände Gerichtsakten, 1 Rechtsbehelfsakte, 1 Einkommensteuerakte, 1 Betriebsprüfungsakte, 2 Bände Handakten der Prüferin, 1 Einheitswertakte. Die Gerichtsakten der Verfahren III K 432/86, 3 K 180/89, 3 K 163/95, 3 K 187/95, 3 K 87/98, 3 K 204/01, 3 K 367/01, 3 K 97/03 und 3 V 742/08 waren beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in ihrem verbliebenen Streitpunkt begründet. Bei den Fahrten des Klägers von F nach L, V, A und F handelt es sich nicht um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätten. Soweit der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 31. August 1989 III K 432/86 (Bl. 67 ff. GA III K 432/86), vom 3. Dezember 1992 3 K 180/89 (Bl. 59 ff. GA 3 K 180/89) sowie in den als Urteile wirkenden Gerichtsbescheiden des Einzelrichters vom 17. November 1998 3 K 163/95 (Bl. 52 ff. GA 3 K 163/95) und 3 K 187/95 (Bl. 44 ff. GA 3 K 187/95) den gegenteiligen Standpunkt vertreten hat, hält er hieran – im Lichte der geänderten BFH-Rechtsprechung zu Fahrten von Arbeitnehmern zwischen Wohnung und Arbeitsstätte – nicht länger fest.
I. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG dürfen u.a. Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte, soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist, den Gewinn nicht mindern. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG entsprechend anzuwenden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung durften in den Streitjahren 2001 bis 2003 zur Abgeltung von Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,36 EUR (für 2001: 0,70 DM) für die ersten zehn Kilometer und 0,40 EUR (für 2001: 0,80 DM) für jeden weiteren Kilometer ansetzen, höchstens jedoch 5.112 Euro (für 2001: 10.000 DM) im Kalenderjahr. Ein höherer Betrag als 5.112 Euro (für 2001: 10.000 DM) war nur anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzte.
Die Beschränkung der Abgeltungswirkung auf Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und „regelmäßiger” Arbeitsstätte enthielt der Gesetzestext in den Streitjahren noch nicht.
1. Den Begriff der Betriebsstätte definiert § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht. Die Rechtsprechung des BFH hat den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nach dem Zweck der Norm, die Gleichbehandlung zwischen Beziehern von Gewinneinkünften und Arbeitnehmern sicherzustellen, gegenüber dem Betriebsstättenbegriff in § 12 AO weiter gefasst und entschieden, dass Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG jeder Ort ist, an dem berufliche oder gewerbliche Leistungen erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen. Eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit oder eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ist – anders als bei § 12 AO – nicht erforderlich (z.B. BFH-Urteile vom 19. September 1990 X R 110/88, BFHE 162, 82, BStBl II 1991, 208; vom 13. Juli 1989 IV R 55/88, BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23; vom 19. September 1990 X R 44/89, BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97; vom 27. Oktober 1993 I R 99/92, BFH/NV 1994, 701, betreffend Dozent). Auch ein durch die Art der Tätigkeit bedingter häufiger Wechsel der Einsatzstelle schließt nicht aus, dass die jeweilige Beschäftigungsstelle eine Betriebsstätte des Unternehmers i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist (z.B. BFH-Beschluss vom 31. Mai 2001 IV B 141/00, BFH/NV 2001, 1375, betreffend Unternehmensberater).
2. Daneben hat der BFH – beginnend mit dem BFH-Urteil vom 15. Juli 1986 VIII R 134/83 (BFHE 147, 169, BStBl II 1986, 744, dort für einen räumlich nicht getrennten Bereich des Gebäudes) – den Anwendungsbereich der Abzugsbeschränkung auf Fälle ausgeweitet, in denen sich eine Betriebsstätte i.S. des § 12 AO und die Wohnung des Steuerpflichtigen in räumlicher Nähe befinden: Räumlichkeiten, die nur einen Teil des Wohnhauses des Steuerpflichtigen bilden, werden ungeachtet ihrer beruflichen oder betrieblichen Nutzung nicht als Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG qualifiziert (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 31. Juli 1996, XI R 5/95, BFH/NV 1997, 279; vom 16. Februar 1994 XI R 52/91, BFHE 174, 65, BStBl II 1994, 468; vom 21. März 1995 XI R 93/94, BFH/NV 1995, 875; vom 22. April 1998 XI R 59/97, BFH/NV 1998, 1216; vom 19. August 1998 XI R 90/96, BFH/NV 1999, 41, betreffend Anbau; vom 25. November 1999 IV R 44/99, BFH/NV 2000, 699; in BFH/NV 1994, 701, betreffend Büro im Erdgeschoss; BFH-Beschlüsse vom 26. Juni 2007 V B 197/05, BFH/NV 2007, 1897, betreffend Dachgeschosswohnung; vom 28. Juni 2006 IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243, zu Büro im Obergeschoss und Werkstatt im Keller; vom 18. Mai 2005 X B 42/04, juris; vom 1. März 2004 X B 151/02, BFH/NV 2004, 951; vom 28. Oktober 1998 IV B 21/98, BFH/NV 1999, 609, zu einem Bürotrakt im Souterrain; vom 26. Mai 1992 IV B 96/91, BFH/NV 1992, 661; vom 8. Dezember 1994 IV B 34/94, BFH/NV 1995, 595; vom 16. Dezember 1998 IV B 42/98, BFH/NV 1999, 615). Der Charakter einer Fahrt als Fahrt zwischen Wohnung und Betriebsstätte ändert sich nach der zitierten Rechtsprechung des BFH selbst dann nicht, wenn in dem häuslichen Büro in räumlicher Nähe zur Wohnung familienfremde Arbeitskräfte angestellt sind, Kunden oder Mandanten empfangen werden oder sogar der größte Teil des Umsatzes von dort aus getätigt wird.
II. Nach diesen Grundsätzen, die das FA im Rahmen der Einspruchsentscheidung – in Übereinstimmung mit den Entscheidungen des Senats zu früheren Veranlagungszeiträumen – an sich zutreffend angewendet hat, wäre die Klage abzuweisen.
1. Der Senat pflichtet dem FA darin bei, dass es sich nach bisheriger Rechtsprechung bei den Unterrichts- und Prüfungsräumen in den Bildungseinrichtungen um Betriebsstätten des Klägers im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG handelte, in denen der Kläger die für Dozenten- und Prüfertätigkeit prägende Tätigkeit verrichtet hat. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine früheren Entscheidungen, die den Beteiligten jeweils zugestellt wurden. Auf den Umstand, dass sich diese an verschiedenen Orten befunden haben, kommt es dabei ebenso wenig an wie auf den Umstand, dass die Verträge des Klägers jeweils befristet waren; denn der Kläger suchte diese Stätten teilweise seit vielen Jahren immer wieder auf.
2. Weiter geht der erkennende Senat in Übereinstimmung mit seinen früheren Urteilen, auf die er auch diesbezüglich zur Vermeidung von Wiederholungen nochmals verweist, weiterhin davon aus, dass das Büro des Klägers im Erdgeschoss – nicht anders als z.B. eine Dachgeschosswohnung (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1897) oder ein 130 qm großer Bürotrakt im Souterrain (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 609) – wegen seiner räumlichen Nähe zum Wohnbereich nicht als eine Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG anzusehen ist. Das Büro ist zwar gegenüber dem Treppenhaus des Wohnhauses der Kläger abgegrenzt; jedoch existiert eine gemeinsame Hauseingangstür und ein gemeinsames Treppenhaus, durch das sowohl Büro als auch Wohnung und Garten zu erreichen sind. Das Büro ist Teil des Wohnhauses der Kläger.
Ohne Erfolg berufen sich die Kläger darauf, dass das 1. Obergeschoss leer stehe; dies spricht vielmehr sogar für die räumliche Nähe zum Wohnbereich, weil auch der Leerstand eine private Nutzung außerhalb der Einkünfteerzielung ist.
Dass es sich bei den Büroräumen im Erdgeschoss um ein „außerhäusliches” Arbeitszimmer des Klägers handelt, ist nach der Rechtsprechung des BFH wegen des unterschiedlichen Zecks der Regelungen (z.B. BFH-Urteil vom 13. November 2002 VI R 164/00, BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350) ebenfalls nicht von Belang. Selbst wenn der Kläger – was der Senat für glaubhaft hält – regelmäßig vor und nach der Fahrt sein Büro
im Erdgeschoss aufgesucht haben sollte, blieb er dabei in dem o.g. häuslichen Bereich, so dass die Fahrten nicht als ein rein „innerbetriebliches” Ereignis angesehen werden können (vgl. BFH-Urteil in BFHE 155, 353, BStBl II 1989, 421).
3. Bei den Betriebsstätten handelte es sich auch nicht um ständig wechselnde Betriebsstätten im Sinne der Rechtsprechung des BFH (vgl. dazu BFH-Urteile vom 5. November 1987 IV R 180/85, BFHE 151, 413, BStBl II 1988, 334; in BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97; vom 18. September 1991 XI R 34/90, BFHE 165, 411, BStBl II 1992, 90); denn der Kläger suchte in den Streitjahren die gleichen drei Betriebsstätten immer wieder auf; die Betriebsstätte in F liegt im Einzugsbereich und hat deshalb außer Betracht zu bleiben.
III. Allerdings folgt der erkennende Senat der unter I.1. wiedergegebenen Rechtsprechung des BFH aus Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und übrigen Steuerpflichtigen nicht länger.
1. Prägend für die unter I.1. zitierte Ausweitung des Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG durch den BFH war der vom BVerfG (BVerfG-Beschluss vom 2.Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140) betonte Grundsatz, § 4 Abs. 5 Satz 3 EStG in der damals geltend Fassung diene dazu, die nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Gleichstellung der übrigen Steuerpflichtigen mit Arbeitnehmern zu erreichen. Dies sei bei der Auslegung des § 4 Abs. 5 EStG allgemein zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 31. Mai 1978 I R 69/76, BFHE 125, 381, BStBl II 1978, 564). Dieses Gleichbehandlungsgebot findet letztlich auch seinen Niederschlag im Gesetzestext dadurch, dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG insgesamt, und nicht nur § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 ff. EStG, entsprechend anzuwenden ist. Die Besteuerung im Bereich der Gewinneinkünfte soll „entsprechend” der Besteuerung bei Arbeitnehmern erfolgen. Deshalb prägt auch die Rechtsprechung des BFH zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG die Beurteilung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG in gewisser Weise vor.
2. Im Streitfall hat sich die Rechtsprechung des BFH zur Besteuerung von Fahrten zwischen Wohnung und „regelmäßiger” Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG in neuester Zeit in entscheidungserheblicher Weise zugunsten der Steuerpflichtigen geändert: Der VI. Senat des BFH (grundlegend BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1764; vom 9. Juni 2011 VI R 36/10, DStR 2011, 1654, und vom gleichen Tag VI R
58/09, DStR 2011, 1655) geht nunmehr davon aus, dass ein Arbeitnehmer nur eine regelmäßige Arbeitsstätte haben könne. Sei der Arbeitnehmer in mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers tätig, seien die Umstände des Einzelfalls zu würdigen und der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit zu bestimmen. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, welcher Tätigkeitsstätte der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugeordnet worden ist, welche Tätigkeit er an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat und welches konkrete Gewicht dieser Tätigkeit zukommt. Der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers könne nur an einem Ort liegen. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG stelle sich nur insoweit als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip dar. Übe der Arbeitnehmer hingegen an mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers seinen Beruf aus, sei es ihm regelmäßig nicht möglich, die anfallenden Wegekosten gering zu halten. Denn die unter Umständen nicht verlässlich vorhersehbare Notwendigkeit, verschiedene Tätigkeitsstätten aufsuchen zu müssen, erlaube es dem Arbeitnehmer nicht, sich immer auf die gleichen Wege einzustellen. In einem solchen Fall lasse sich die Einschränkung der Steuererheblichkeit von Wegekosten durch die Entfernungspauschale nicht rechtfertigen.
3. Gemessen daran ist davon auszugehen, dass eine Einschränkung der Steuererheblichkeit von Wegekosten als Ausprägung des objektiven Nettoprinzips auch bei den Beziehern anderer Einkünfte nur hinsichtlich einer Tätigkeitsstätte bzw. Betriebsstätte gerechtfertigt ist; sonst käme es zu verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlungen: So wären zur Überzeugung des Senats nach der neueren Rechtsprechung des BFH (insbesondere BFH-Urteil in DStR 2011, 1654) z.B. bei der Klägerin als Realschullehrerin, wäre sie nicht nur in H, sondern daneben auch an anderen Schulen tätig, die Fahrten zu den übrigen Schulen mit den tatsächlichen Kosten und nicht lediglich mit der Entfernungspauschale einkünftemindernd zu berücksichtigen. Für den Kläger würde nur deshalb anderes gelten, weil er selbständiger Dozent bzw. Prüfer ist. Der Senat vermag vor diesem Hintergrund der unter I.1. dargestellten Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG dahin gehend, dass bisher jeder Ort als Betriebsstätte gilt, an dem berufliche oder gewerbliche Leistungen erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen, nicht länger zu folgen. Vielmehr ist – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH – als „Betriebsstätte” i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nur noch ein Ort anzusehen, an dem sich der ortsgebundene Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit des Gewerbetreibenden, Landwirts oder Selbständigen befindet.
4. Nur klarstellend weist der Senat darauf hin, dass er demgegenüber der unter I.2. zitierten Rechtsprechung weiter folgt: Auch der der Arbeitnehmer, der vor der Fahrt zu seiner – nun nur noch einzigen – regelmäßigen Arbeitsstätte sein – und sei es auch außerhäusliches – Arbeitszimmer in räumlicher Nähe zur Wohnung aufsucht, kann nämlich aus Sicht des Senats für diese Fahrt nur die Entfernungspauschale ansetzen.
5. Gemessen daran sind die Fahrtkosten des Klägers zu den Bildungseinrichtungen abziehbare Betriebsausgaben. Aufgrund der vergleichsweise geringen und in etwa gleich hohen Zahl der Fahrten nach L, V und A verfügt der Kläger über gar keine Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG. Die Betriebsstätte in der … straße xx in F bleibt aufgrund der räumlichen Nähe zur ehelichen Wohnung weiterhin außer Betracht. Über die Höhe der zu berücksichtigenden Betriebsausgaben besteht nach einer weiteren Einschränkung des Klagebegehrens durch die Kläger kein Streit mehr.
6. Auf den Umstand, dass es sich um Bildungsstätten verschiedener Auftraggeber handelt, kommt es aus Sicht des Senats nicht an. Denn abgesehen davon, dass offen ist, ob ein Arbeitnehmer, der bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt ist, nach den Grundsätzen der neuen Rechtsprechung des VI. Senats des BFH ebenfalls nur noch über eine einzige regelmäßige Arbeitsstätte verfügen soll, was dem Senat zumindest als mögliche Auslegung der Rechtsgrundsätze des VI. Senats des BFH erscheint, ist die Zahl der Auftraggeber bei Gewinneinkünften kein Kriterium für den ortsgebundenen Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit. Betriebe können über Hunderte oder Tausende von Auftraggebern verfügen, ohne dass dies eine entsprechende Vervielfachung der Zahl der „regelmäßigen Betriebsstätten” zur Folge hätte.
7. Auch der Umstand, dass der Gesetzestext des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nach den Streitjahren geändert wurde, ist nicht von Bedeutung; denn die Rechtsprechungsänderung betrifft ebenfalls bereits die frühere und nicht nur die aktuelle Gesetzeslage.
8. Der Senat überträgt die Berechnung der nach Maßgabe der Entscheidungsgründe festzusetzenden Einkommensteuer gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO auf das FA.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 FGO.
1. Aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung folgt, dass der erkennende Senat für alle im Laufe des Verfahrens angefallenen Kosten, das heißt auch für die im Laufe des Verfahrens erledigten Teile, eine einheitliche Quote zu bilden hat.
2. Hierbei ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Kläger ihr Klagebegehren im Laufe des Klageverfahrens mehrfach eingeschränkt und sich teilweise freiwillig in die Rolle des unterliegenden Beteiligten begeben haben. Außerdem ist weiter § 137 FGO zu berücksichtigen: Das FA hat der Klage im Erörterungstermin vom 23. August 2011 hinsichtlich weiterer Schuldzinsen abgeholfen, nachdem die Kläger erst im Klageverfahren weitere Nachweise vorgelegt haben. Zuletzt bezieht der Senat den Umstand, dass das FA zwar nach § 2 des Gerichtskostengesetzes von Gerichtskosten befreit ist, aber wegen § 139 Abs. 2 FGO auch die erheblichen außergerichtlichen Kosten des FA hinsichtlich der zu Lasten der Kläger erledigten Teile nicht erstattungsfähig sind, in seine Kostenentscheidung mit ein. Nach den im Tatbestand geschilderten Gesamtumständen der Streitsache und der Prozessgeschichte ist es vorliegend ausnahmsweise gerechtfertigt, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.
V. Die Revision war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da der erkennende Senat von der unter I.1. zitierten Rechtsprechung der für die Besteuerung der Landwirte, Gewerbetreibenden und Selbständigen zuständigen Ertragsteuersenate des BFH abweicht, indem er die geänderte Rechtsprechung des VI. Senats des BFH zu Arbeitnehmern auf die Gewinneinkünfte überträgt. Der erkennende Senat hält außerdem die Rechtsfrage, ob und welche Folgen die Rechtsprechungsänderung des BFH im Bereich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte hat, für grundsätzlich bedeutsam; höchstrichterliche Rechtsprechung dazu existiert noch nicht. Zuletzt bedarf es der Zulassung der Revision im Hinblick auf die (nach Angaben der juris-Datenbank) durch BFH-Beschluss vom 1.7.2010, VIII B 269/09 (n.v.) vom BFH zugelassene Revision VIII R 33/10 (Vorinstanz: Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 18. November 2009 3 K 266/08, juris, zu Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte bei einem Seelotsen).
VI. Die Entscheidung zur Hinzuziehung folgt aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
VII. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung durch Urteil.