24.01.2012 · IWW-Abrufnummer 120512
Finanzgericht Münster: Urteil vom 25.11.2011 – 4 K 597/10 Ki
Ein polnischer Staatsangehöriger, der Mitglied der römisch-katholischen Kirche ist, in Deutschland als selbständiger Fliesenleger Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt und in Deutschland einen Wohnsitz unterhält, ist auch dann in Deutschland kirchensteuerpflichtig, wenn sein polnischer Heimatwohnsitz weiter Lebensmittelpunkt bleibt.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Senat in der Besetzung: Präsident des Finanzgerichts Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richterin … Ehrenamtlicher Richter … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 25.11.2011 für Recht erkannt:
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte (Bekl.) vom Kläger (Kl.) für das Streitjahr 2008 Kirchensteuer erheben durfte.
Der Kl. wurde in Polen geboren und erhielt dort die römisch-katholische Taufe. Er unterhält eine Wohnung in B-Stadt/Deutschland und erzielt dort als Fliesenleger Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Mit Bescheid vom 22.6.2009 setzte das Finanzamt B-Stadt/Deutschland gegenüber dem Kl. Kirchensteuer für 2008 in H öhe von 17,64 EUR fest. In der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es u.a.: „… Gegen die Festsetzung der Kirchensteuer ist ebenfalls der Einspruch gegeben. Der Einspruch ist insoweit bei dem zuständigen
(erz-)bischöflichen Generalvikariat schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären …”
Am 27.7.2009 legte der Kl. gegen den Kirchensteuerbescheid beim Finanzamt B-Stadt/Deutschland Einspruch ein. Da er Mitglied der polnischen römisch-katholischen Kirche sei, sei die deutsche römisch-katholische Kirche nicht Gläubigerin der Kirchensteuer.
Das Finanzamt B-Stadt/Deutschland leitete den Einspruch am 12.1.2010 an den Bekl. weiter. Dieser wies ihn mit Einspruchsentscheidung vom 14.1.2010 als unbegründet zurück. In der römisch-katholischen Kirche gebe es nach Can. 96 des Codex des kanonischen Rechts (CIC) nur eine universelle Zugehörigkeit. Eine Zugehörigkeit nach einzelnen Nationalitäten existiere nicht. Die Pflicht zur Zahlung der römisch-katholischen Kirchensteuer ergebe sich für den Kl. aus § 3 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (KiStG NW), da er getauft sei, seinen Wohnsitz in B-Stadt/Deutschland habe und über Einkommen verfüge.
Mit der bei Gericht am 17.2.2010 eingereichten Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Er ist der Ansicht, dass trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 KiStG NW die Festsetzung von Kirchensteuer ihm gegenüber rechtswidrig sei. Nach Can. 87 CIC sei er Mitglied der polnisch römisch-katholischen Kirche. Eine Möglichkeit, aus dieser Mitgliedschaft auszutreten, bestehe nach (derzeitigem) polnischem Recht nicht. Damit könne er das als Merkmal des Freiheitsrechts aus Art. 9 des Grundgesetzes (GG) bestehende Recht zum Austritt aus der römisch-katholischen Kirche nach polnischem Recht nicht in Anspruch nehmen. Der Bekl. sei nicht berechtigt, den Kl. ohne dessen Willen der Kirchengewalt der deutschen römisch-katholischen Kirche bzw. dem Bistum allein aufgrund dessen Wohnsitzname in seinem Zuständigkeitsbereich zu unterwerfen.
Zudem verfüge der Kl. über einen weiteren Wohnsitz in Polen. Dort befinde sich neben seiner weit überwiegenden Habe auch seine Familie. Er habe lediglich für die Ausübung einer Beschäftigung in Deutschland einen inländischen Wohnsitz begründet. Erkennbarer Lebensmittelpunkt sei jedoch sein polnischer Heimatwohnsitz. Der Kl. unterliege daher auch nur dem katholischen Kirchenrecht in Polen. Bei dem von ihm im Inland innegehaltenen Wohnsitz handele es sich im Sinne des Kirchenrechts um einen Nebenwohnsitz i. S. v. Can. 102 § 2. Unter Berücksichtigung von Can. 104, wonach Eheleute einen gemeinsamen Wohnsitz oder Nebenwohnsitz haben sollen, müsse dies auch im vorliegenden Fall Berücksichtigung finden. Der Kl. verfüge nach diesem Verständnis im Inland nur über einen unerheblichen Nebenwohnsitz, so dass er nicht über einen zusätzlichen Hauptwohnsitz verfügen könne.
Auch im Bereich der evangelischen Landeskirche werde mit dem Umzug eines Mitgliedes dessen Mitgliedschaft in der Kirche des bisherigen Wohnsitzes beendet und allenfalls in der Kirche am neuen Wohnsitz neu begründet. Weiterhin liege zwischen der deutschen römisch-katholischen Kirche einerseits und der polnischen römischkatholischen Kirche andererseits keine (erforderliche) Bekenntnisidentität vor, weswegen eine Zuordnung des Kl. als Mitglied der deutschen römisch-katholischen Kirche bereits aus diesem Grunde ausscheide.
Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vortrages wird auf die Schriftsätze vom 12.4.2010 und vom 14.6.2010 verwiesen.
Der Kl. beantragt (Bl. 1 GA),
den Kirchensteuerbescheid des Finanzamtes B-Stadt/Deutschland vom 22.6.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung der Bekl. vom 14.1.2010 aufzuheben.
Der Bekl. beantragt (Bl. 29 GA),
die Klage abzuweisen.
Er ergänzt die in der Einspruchsentscheidung angeführten Erwägungen dahingehend, dass die Ansicht des Kl., er sei wegen der Geburt in Polen nur Mitglied der römischkatholischen Kirche in Polen, auf einer Betrachtung beruhe, die in der evangelischen Kirche vorherrsche, nicht aber in der römisch-katholischen. Die Mitgliedschaft zur römisch-katholischen Kirche bestimme sich allein nach deren Regelungen, die der Staat als verbindlich anerkenne. Die römisch-katholische Kirche verstehe sich als weltweite Bekenntnisgemeinschaft, der eine Aufteilung in einander ausschließende nationale Einzelkirchen fremd sei. Alle durch die Taufe oder Konversion in die katholische Kirche aufgenommenen Gläubigen seien Glieder dieser einen weltweiten römisch-katholischen Kirche in der Einheit des einen und gleichen Bekenntnisses. Die einzelnen katholischen Diözesen seien lediglich territoriale Zusammenfassungen. Es handele sich aber immer um die Mitgliedschaft in der einen römisch-katholischen Kirche, die innerhalb einer konkreten territorialen Umschreibung (Diözese oder Bistum) verwirklicht werde. Nach dem Kirchenrecht komme es ausschließlich auf den aktuellen Wohnsitz an, die Herkunft des Gl äubigen spiele keine Rolle. Der Kl. könne sich der Verpflichtung aus § 3 Abs. 1 KiStG NW nur durch Kirchenaustritt entziehen.
Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Bekl. wird auf die Schriftsätze vom 29.4.2010, 8.7.2010 und vom 8.3.2011 verwiesen. Die den Streitfall betreffenden Verwaltungsvorgänge wurden beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet gemäß § 94a Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung, auch wenn die Beteiligten sich hiermit nicht ausdrücklich einverstanden erklärt haben. Der Streitwert der Klage übersteigt den Wert von 500,– EUR nicht.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Kirchensteuerbescheid für 2008 vom 22.6.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.1.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Bescheid ist nicht durch verspätete Einspruchseinlegung in Bestandskraft erwachsen und gilt nicht bereits aus diesem Grunde als rechtm äßig. Trotz der erst am 12.1.2010 erfolgten Weiterleitung an die zuständige Behörde ist der Einspruch fristgerecht erhoben worden. Die Einspruchseinlegung bei einer unzuständigen Behörde ist gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 KiStG NW i. V. m. § 357 Abs. 2 Satz 4 der Abgabenordnung (AO) unschädlich, wenn der Einspruch vor Ablauf der Einspruchsfrist der zuständigen Behörde übermittelt worden ist. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 KiStG NW i. V. m. § 15 Abs. 2 Satz 1 der Kirchensteuerordnung des betroffenen Bistums (KiStO des betroffenen Bistums) wäre der Einspruch beim Bekl. und nicht beim Finanzamt B-Stadt/Deutschland einzulegen gewesen. Wegen dieser Sonderregelungen greift § 357 Abs. 2 Satz 1 AO, wonach der Einspruch bei der Behörde einzulegen ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat, im Streitfall nicht ein.
Die Weiterleitung erfolgte jedoch fristgerecht, weil sich die Einspruchsfrist mangels ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung auf ein Jahr verlängert hat (§ 14 Abs. 2 Satz 2 KiStG NW i. V. m. § 356 Abs. 1 und Abs. 2 AO). Gemäß § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist bei einem schriftlichen Verwaltungsakt für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist. Zwar ist für die Angabe des Sitzes die Angabe der postalischen Anschrift nicht erforderlich. Jedoch muss jedenfalls der geographische Ort der Einlegungsbehörde angegeben sein (BFH v. 20.2.1976 VI R 150/73, BStBl. II 1976, 477). Eine vergleichbare Angabe fehlt in der vorliegenden Rechtsbehelfsbelehrung. Die Angabe, der Einspruch gegen die Festsetzung der Kirchensteuer sei bei dem „zuständigen” (erz-)bischöflichen Generalvikariat einzulegen, entspricht diesen Anforderungen nicht, da überhaupt kein räumlicher Bezug ersichtlich ist. Diese Information vermag dem Steuerpflichtigen nicht zu verhelfen, fristgerecht seinen Rechtsbehelf bei der zuständigen Behörde einzureichen.
Die Kirchensteuer ist jedoch zu Recht vom Kl. erhoben worden, da dieser Steuerschuldner derselben ist. Die römisch-katholische Kirche ist als öffentlich-rechtliche Körperschaft und anerkannte Religionsgemeinschaft gemäß Art. 140 des GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) berechtigt, Steuern nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen zu erheben.
Der Kl. ist gemäß § 3 Abs. 1 KiStG NW und § 5 KiStO des betroffenen Bistums kirchensteuerpflichtig. Hiernach sind kirchensteuerpflichtig alle Angehörigen der römischkatholischen Kirche, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der §§ 8, 9 AO im Land Nordrhein-Westfalen bzw. im Gebiet des betroffenen Bistums haben. Der Kl. ist Angehöriger der römisch-katholischen Kirche, auch wenn er die Taufe in die römisch-katholische Kirche in Polen erhielt, und hat seinen Wohnsitz im Geltungsbereich des KiStG NW sowie der KiStO des betroffenen Bistums.
Die Frage der Mitgliedschaft zur römisch-katholischen Kirche bestimmt sich nach innerkirchlichem Recht (vgl. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV). Aufgrund der staatlichen Neutralitätspflicht ist es dem Staat verwehrt, die Frage der mitgliedschaftlichen Zugehörigkeit selbst zu regeln. Der Staat erkennt diese kirchenrechtlichen Mitgliedschaftsregelungen innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes auch für den staatlichen Rechtsbereich als verbindlich an (BVerfG v. 31.3.1971 1 BvR 744/67, BVerfGE 30, 415).
Die Eingliederung in die römisch-katholische Kirche erfolgt durch die Taufe oder durch Konversion. Die römisch-katholische Kirche versteht sich als die unter päpstlicher Oberhoheit geeinte weltweite bekenntnisgleiche Gemeinschaft aller römisch-katholisch getauften oder konvertierten Gläubigen (vgl. BVerwG-Urteil vom 23.9.2010 7 C 22/09, NVwZ-RR 2011, 90). Sie ist eine weltweite Bekenntnisgemeinschaft, die eine Aufteilung der Zugehörigkeit in einander ausschließende nationale Einzelkirchen mit voneinander abweichendem Bekenntnis nicht kennt. Nach römisch-katholischer Auffassung fallen die Zugehörigkeit zur Gesamtkirche und die Einordnung in eine Teilkirche notwendig zusammen (Engelhard, Die Kirchensteuer in den neuen Bundesländern, 1991, S. 36). Die einmal in der Weltkirche begründete Mitgliedschaft wird durch den Wohnsitzwechsel nicht berührt. Der Betroffene wird lediglich einer Organisationshoheit der weltumspannenden Kirche zugeordnet, also den Diözesen, die in die formale Stellung eines Steuergläubigers eintreten (vgl. Engelhardt, Die Kirchensteuer in den neuen Bundesländern, 1991, S. 36). Es kommt für die Zuordnung zu den Diözesen ausschließlich auf den Wohnsitz des Gläubigen an und nicht auf seine Herkunft. Dementsprechend entsteht die Kirchensteuerpflicht ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit. Bei einem Wohnsitzwechsel in einen anderen Staat bedarf es keines erneuten Mitgliedschaftserwerbs; die im Ausland erworbene Mitgliedschaft bleibt erhalten.
Der vom Kl. angeführte Vergleich zur evangelischen Kirche kommt nicht zum Tragen. Denn in diesem Verständnis unterscheidet sich die römisch-katholische Kirche von der evangelischen Kirche insoweit, als die evangelische Kirche einzelne Landeskirchen kennt, die ein gewisses Maß an Autonomie haben und sich zum Teil auch konfessionell voneinander unterscheiden. Das Recht der evangelischen Landeskirchen in Deutschland sieht beim Umzug eines Mitgliedes zwischen ihnen nicht nur die Beendigung der Mitgliedschaft in der Kirche des bisherigen, sondern auch ihren Erwerb in der Kirche des neuen Wohnsitzes vor (Engelhardt, Die Kirchensteuer in den neuen Bundesländern, 1991, S. 35).
Der Kl. hat seinen Wohnsitz im Bezirk des betroffenen Bistums. Nach § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Auf die Staatsangehörigkeit kommt es hierbei nicht an. Dass der Kl. nach seinem Vortrag im Inland lediglich einen „Nebenwohnsitz” inne habe, ist nicht von Belang. Es sind vielmehr auch mehrfache Wohnsitze eines Steuerpflichtigen im In- und Ausland möglich (BFH-Urteile vom 28.1.2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917 und vom 19.3.1997, I R 69/96, BStBl II 1997, 447). Ein etwaiger Hauptwohnsitz ist im Vergleich zu einem Nebenwohnsitz steuerlich gleichwertig (BFH-Urteil vom 24.1.2001 I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402). Schließlich muss sich auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht am Wohnort befinden (BFH-Urteil vom 19.3.1997, I R 69/96, BStBl II 1997, 447).
Zwar hat der Ehegatte seinen Wohnsitz grundsätzlich dort, wo seine Familie ständig wohnt (Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Auflage 2009, § 8 AO Rn. 15). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn ein Ehegatte im Inland berufsbedingt einen neuen Wohnsitz nimmt. Der Kl. hat in B-Stadt/Deutschland einen eigenständigen Wohnsitz, auch wenn er seinen Lebensmittelpunkt wegen der Familie noch in Polen sieht. Die von ihm genutzte Wohnung steht ihm nach Belieben tatsächlich und jederzeit zur Nutzung zur Verfügung. Der Kl. hat nicht vorgetragen, die Wohnung in B-Stadt/Deutschland nur vorübergehend innehaben zu wollen. Aufgrund der dargelegten Umstände ist vielmehr davon auszugehen, dass er dauerhaft in B-Stadt/Deutschland seiner Tätigkeit als Fliesenleger auch in Zukunft nachgehen wird. Dementsprechend wurde er bislang von den Finanzbehörden als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, wogegen er sich nicht zur Wehr gesetzt hat. Zudem gesteht der Kl. selbst ausdrücklich zu, zur Ausübung seiner Beschäftigung in Deutschland einen inländischen Wohnsitz begründet zu haben.
Dass Can. 104, wie der Kl. ausführt, davon ausgeht, dass Ehegatten nach dem Kirchenrecht grundsätzlich nur einen gemeinsamen Wohnsitz haben sollen, ist vorliegend nicht von Bedeutung. Denn die Beurteilung, ob der Kl. der Kirchensteuerpflicht unterliegt, richtet sich alleine nach dem KiStG NW sowie der KiStO des betroffenen Bistums, die ausdrücklich auf die Regelungen §§ 8, 9 AO abstellen. Nur die Mitgliedschaft zur römisch-katholischen Kirche bestimmt sich nach dem innerkirchlichen Recht, nicht jedoch die Bestimmung des Wohnsitzbegriffs. Im Übrigen geht auch aus Can. 104 hervor, dass Ehegatten jeweils einen eigenen Wohnsitz innehaben können.
Für die Beurteilung ist es weiterhin unerheblich, dass dem Kl. in Polen keine Möglichkeit zum Kirchenaustritt geboten wird. Jedenfalls in Deutschland hat der Kl. nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich von der Kirchensteuerpflicht gemäß den Regelungen des Gesetzes zur Regelung des Austritts aus Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften des öffentlichen Rechts (KiAustrG NW) befreien zu lassen, obwohl ihm dies möglich und zumutbar war. Nach § 3 Abs. 2 KiStG NW bzw. § 6 Nr. 3 KiStO des betroffenen Bistums endet die Kirchensteuerpflicht bei einem nach Maßgabe der geltenden staatlichen Vorschriften erklärten Kirchenaustritt mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Erklärung des Kirchenaustritts wirksam geworden ist. Infolge des Austritts entfallen die Voraussetzungen für die Kirchensteuererhebung.
Diese Austrittserklärung gewährleistet der Staat zur effektiven Verwirklichung des Rechts auf negative Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG. Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass der Einzelne sich jederzeit von der kirchlichen Mitgliedschaft mit Wirkung für das staatliche Recht durch Austritt zurückziehen kann (BVerfG-Beschluss vom 8.2.1977 1 BvR 2237/73, BVerfGE 44, 37; BVerwG-Urteil vom 21.5.2003 9 C 12/02, BVerwGE 118, 201). Als Folge wird der Austretende auf staatlicher Ebene nicht mehr als Mitglied der Religionsgemeinschaft angesehen. Zur Kirchensteuer als einer mit staatlicher Hilfe zu erhebenden Abgabe kann der Austretende dann jedenfalls nicht mehr herangezogen werden. Dass nach § 6 KiAustrG NW ggf. für den Austritt Gebühren anfallen können, ist vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als verfassungsgemäß erachtet worden (BVerfG-Beschluss vom 2.7.2008 1 BvR 3006/07, HFR 2008, 1068).
Da der Kl. in Deutschland Steuerschuldner der Kirchensteuer ist, kommt es auf eine Austrittsmöglichkeit in Polen nicht an. Maßgeblich ist vorliegend, dass der deutsche Gesetzgeber zur Gewährleistung der negativen Vereinigungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG den Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines Kirchenaustritts ermöglicht. Dieser Verpflichtung ist der nordrhein-westfälische Gesetzgeber mit Erlass des KiAustrG NW in verfassungsgemäßer Weise nachgekommen. Auch der Kl. hätte dieses vom deutschen Verfassungsgesetzgeber gewährte Grundrecht für sich in Anspruch nehmen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.