26.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121484
Finanzgericht München: Urteil vom 24.11.2011 – 11 K 1167/11
1. Befinden sich im Pfarrbüro eines Pfarrhauses mehrere Räumlichkeiten, in denen der Pfarrer sich einen Arbeitsplatz zur Erledigung der von ihm durchzuführenden Verwaltungsarbeiten bzw. seelsorgerischen Arbeiten einrichten könnte, so ist davon auszugehen, dass ihm ein „anderer” Arbeitsplatz” i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG zur Verfügung steht und dass somit ein Werbungskostenabzug für das in seiner Wohnung im Pfarrhaus befindliche Arbeitszimmer ausgeschlossen ist.
2. Ein „anderer Arbeitsplatz” ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist; weitere Anforderungen an seine Beschaffenheit sind nicht zu stellen. So ist ein objektiv geeigneter Arbeitsplatz vorhanden, wenn es möglich erscheint, dass der Steuerpflichtige an seiner Arbeitsstätte die geforderten Aufgaben erfüllen kann, auch wenn dies an einem anderen Platz leichter, besser und angenehmer durchführbar sein sollte.
3. Die Unterhaltung und Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers ist dann erforderlich, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für bestimmte, vom Arbeitnehmer zu erbringende, abgrenzbare Tätigkeiten überhaupt keinen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Dabei sind objektive Kriterien maßgebend, das subjektive Empfinden des Arbeitnehmers über die Annehmbarkeit des Arbeitsplatzes ist dabei unbeachtlich. Insbesondere Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers begründet sind, wie z. B. persönliche Arbeitsweise, Ansichten und Vorlieben, Gesundheitszustand, familiäre Situation, sind unerheblich.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat das Finanzgericht München, 11. Senat, durch die Richterin am Finanzgericht … als Einzelrichterin ohne mündliche Verhandlung am 24. November 2011
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen das Finanzamt zu 1/3, der Kläger zu 2/3.
Gründe
I.
Der Kläger war für das Streitjahr zur Einkommensteuer zu veranlagen. Er erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sowie solche aus Vermietung und Verpachtung. Bis 30. August 2007 war der Kläger als Pfarrer in der Gemeinde B., ab 01. September 2007 in W. tätig.
In seiner Steuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger u.a. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von insgesamt 1.454 EUR geltend. Dabei ermittelte er einen Betrag in Höhe von 819 EUR für das Arbeitszimmer in B. sowie einen Betrag in Höhe von 635 EUR für das Arbeitszimmer in Waldkirchen. Zusätzlich beantragte er die Berücksichtigung von Aufwendungen für die Ausstattung des Arbeitszimmers in Höhe von 1.120 EUR.
Der Beklagte (Finanzamt) setzte mit Bescheid vom 20. Mai 2008 die Einkommensteuer 2007 auf 4.008 EUR fest. Dabei berücksichtigte das Finanzamt die geltend gemachten Aufwendungen für die Arbeitszimmer nicht. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach der geltenden Rechtslage nicht hätten berücksichtigt werden können, weil das jeweilige Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit des Klägers dargestellt habe.
Der hiergegen erhobene Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2009).
Die vorliegende Klage begründete der Kläger zunächst sinngemäß dahingehend, dass – entgegen der Auffassung des Finanzamts in der Einspruchsentscheidung – das jeweilige Arbeitszimmer den Mittelpunkt seiner betrieblichen und beruflichen Betätigung darstelle.
Nachdem gemäß § 52 Abs. 2 Satz 9 EStG die gesetzliche Regelung, welche dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 06. Juli 2010 Rechnung getragen hat, erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2007 mit der Folge anzuwenden ist, dass eine beschränkte Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 EUR in den Fällen in Betracht kommt, in denen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, wurde der Kläger mit Aufklärungsanordnung vom 26. April 2011 auf die Gesetzeslage und das Erfordernis entsprechender Nachweise hingewiesen.
Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2011 erklärte sich der Kläger mit der Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 1.250 EUR bezüglich der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer einverstanden.
Er erklärte, ihm stünde im Pfarrhaus in W. kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Im Rahmen der Pfarrerhofrenovierung 2007 sei das sog. Amtszimmer nicht mitrenoviert worden.
Dieses Zimmer sei nie als Amtszimmer genutzt worden und wegen Baumängeln (34 Jahre ohne Renovierung – Feuchte, Stockflecken, Schimmel, Putz fällt von der Decke usw.) nicht nutzbar. Es diene der Ablage für die anfallenden Dinge (Fotokopierpapier, Gewänder, liturgische Bücher + Geräte, usw.), da hierfür kein anderer Raum zur Verfügung stünde. Es sei nicht nachvollziehbar, warum eine entsprechende Bestätigung des Ordinariats nicht ausgestellt werde. Im sog. Amtszimmer bestehe eine Gesundheitsgefährdung. Er – der Kläger – werde seine Gesundheit nicht aufs Spiel setzen, er leide an chronischem Asthma bronchiale. Er habe keine Notwendigkeit einer Renovierung der Räume im Erdgeschoss gesehen, da ihm in seiner Wohnung im 1. Obergeschoss des Pfarrhofs ein neu renoviertes Arbeitszimmer zur Verfügung stehe. Das zusätzlich vorhandene Pfarrbüro stünde zur Gänze den beiden Sekretärinnen zur Verfügung.
Auf die Schriftsätze des Klägers sowie die eingereichten Bestätigungen des Bischöflichen Ordinariats P. vom 24. Mai 2007 und 10. Mai 2011, den Grundrissplan des gesamten Pfarrhofs sowie das ärztliche Attest vom 18. Oktober 2011 wird ergänzend verwiesen. Mit Änderungsbescheid vom 24. Oktober 2011 wurde die Einkommensteuer 2007 auf 3.766 EUR herabgesetzt. Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers in B. in Höhe von 819 EUR. Dieser Bescheid wurde gemäß § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Bescheides vom 24. Oktober 2011 die Einkommensteuer 2007 neu festzusetzen und dabei weitere Werbungskosten in Höhe von 431 EUR (1.250 EUR – 819 EUR) zu berücksichtigen.
Das Finanzamt beantragt
Klageabweisung
Zur Begründung führt das Finanzamt aus, es sei nicht eindeutig nachgewiesen, dass dem Kläger kein anderer Arbeitsplatz in W. zur Verfügung stünde. Das bischöfliche Ordinariat habe nicht bestätigt, dass das Amtszimmer tatsächlich nicht als Arbeitsplatz nutzbar sei. Das Zimmer werde tatsächlich zur Aufbewahrung von Gegenständen genutzt. Die Unmöglichkeit der Nutzung als Arbeitsplatz sei nicht erwiesen.
Den glaubhaften Ausführungen des Klägers zufolge sei eine Renovierung des Amtszimmers erforderlich, darauf sei jedoch nicht abzustellen. Maßgebend sei, ob tatsächlich kein Arbeitszimmer im Pfarrbüro zur Nutzung zur Verfügung gestanden habe.
Auf den Akteninhalt und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend verwiesen.
Mit gerichtlichem Beschluss vom 26. April 2011 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 FGO).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II.
Soweit sich die Klage nunmehr gegen den Änderungsbescheid vom 24. Oktober 2011 richtet, ist sie unbegründet.
Zu Recht hat das Finanzamt keine weiteren Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in W. als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit des Klägers berücksichtigt.
Der Einkommensbesteuerung liegt das sog. Nettoprinzip zu Grunde, nach dem nur das Nettoeinkommen, dh. die Erwerbseinnahmen abzüglich der Erwerbsaufwendungen und der existenzsichernden Aufwendungen, besteuert wird. Steuerliche Abzugsverbote sind am ehesten dort zulässig, wo die Erwerbsaufwendungen die Kosten der allgemeinen Lebensführung im Sinn des § 12 EStG berühren und deshalb zur Klarstellung wie zur Vereinfachung in einem unwiderlegbaren Regeltatbestand erfasst werden. Dadurch können zugleich Ermittlungen im Privatbereich eingegrenzt werden.
Ein steuerliches Abzugsverbot ergibt sich seit dem Veranlagungszeitraum 1996 aus § 9 Abs. 5 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 1 EStG. Danach dürfen bei einem Arbeitnehmer die Kosten für ein „häusliches Arbeitszimmer” sowie für dessen Ausstattung die Bemessungsgrundlage grundsätzlich nicht mindern. Nur ausnahmsweise sind Aufwendungen eines Arbeitnehmers für sein häusliches Arbeitszimmer bis zu einem Höchstbetrag von 1.250 EUR als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 9 Abs. 5 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3, 1. Halbsatz EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung). Wegen des Regel-/Ausnahmecharakters dieser Vorschriften ist bei der Prüfung, ob ein „anderer Arbeitsplatz” zur Verfügung steht, ein strenger Maßstab anzulegen. Den Regelungen in § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 1 und 2 EStG liegt die Überlegung des Gesetzgebers zu Grunde, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann steuerlich abziehbar sein sollen, wenn ein solches für die Erwerbstätigkeit erforderlich ist.
Erforderlich ist die Unterhaltung und Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für bestimmte, vom Arbeitnehmer zu erbringende, abgrenzbare Tätigkeiten oder überhaupt keinen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Dabei sind objektive Kriterien maßgebend, das subjektive Empfinden des Arbeitnehmers über die Annehmbarkeit des Arbeitsplatzes ist dabei unbeachtlich. Insbesondere Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers begründet sind, wie z. B. persönliche Arbeitsweise, Ansichten und Vorlieben, Gesundheitszustand, familiäre Situation, sind unerheblich (ebenso: Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.10.2001 5 K 2934/99, EFG 2002, 388, m.w.N.).
Ein „anderer Arbeitsplatz” im Sinne der Abzugsbeschränkung ist daher grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist; weitere Anforderungen an seine Beschaffenheit sind nicht zu stellen. Der andere Arbeitsplatz steht nur dann für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit nicht zur Verfügung, wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nicht nutzen kann. Diese Beurteilung ist anhand der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen (BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BStBl II 2005, 488, m.w.N.). So ist ein objektiv geeignete Arbeitsplatz vorhanden, wenn es möglich erscheint, dass der Steuerpflichtige an seiner Arbeitsstätte die geforderten Aufgaben erfüllen kann, auch wenn dies an einem anderen Platz leichter, besser und angenehmer durchführbar sein sollte (vgl. Finanzgericht München, Urteil vom 22. Januar 2002 6 K 3603/01, juris). Auf die Entscheidung des Steuerpflichtigen, bestimmte Arbeiten vorzugsweise am häuslichen Arbeitsplatz erledigen zu wollen, kommt es nicht an (BFH-Beschluss vom 05. März 2008 VI B 95/07, BFH/NV 2008, 956).
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall liegen die Voraussetzungen für die beschränkte Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers in W. im Streitjahr nicht vor.
Dem Kläger steht nach Ansicht des Gerichts für die von ihm durchzuführenden Verwaltungsund seelsorgerischen Arbeiten im Pfarrhof ein Arbeitsplatz zur Verfügung. Er kann über die Nutzung der einzelnen Räume entscheiden und hätte somit die Möglichkeit, ein Zimmer für sich zu reservieren, das er allein als Arbeitszimmer nutzen kann. So befinden sich im Erdgeschoss des Pfarrhofs ausweislich des Grundrissplans neben WC und Teeküche das Pfarrbüro (ca. 27 m²), in welchen die Sekretärinnen teils halbtags, teils den ganzen Tag über tätig sind, ein Registraturraum (ca. 12 m²), das als Abstellraum genutzte sog. Amtszimmer (ca. 35 m²), ein Konferenzraum (ca. 35 m²) sowie ein Archiv (ca. 28 m²). In dieser Situation ist der Kläger offensichtlich der einzige entgeltlich beschäftigte Mitarbeiter, der über kein Arbeitszimmer verfügt. Es ist kein Grund erkennbar, weshalb nicht einer der vorhandenen Räume entweder für die Sekretärinnen oder aber für den Kläger selbst – sofern dies nicht bereits möglich ist – ggf. durch Umstrukturierung hätte als Arbeitsplatz nutzbar gemacht werden können. Dabei musste dies nicht zwingend das sog. Amtszimmer sein, zumal beispielsweise angesichts der Benutzung des Pfarrbüros durch die Sekretärinnen offensichtlich nicht alle Räume unbenutzbar waren. Wenn der Kläger zu Gunsten der übrigen Mitarbeiter oder aus anderen Gründen darauf verzichtete, einen Raum im Erdgeschoss als Arbeitszimmer zu nutzen oder sich einzurichten, so ändert dies nichts daran, dass ihm ein „anderer Arbeitsplatz” im Sinne von § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG zur Verfügung stand.
Schließlich verhilft auch der Hinweis des Klägers, er habe keine Notwendigkeit einer Renovierung gesehen, da ihm ein neu renoviertes Arbeitszimmer im 1. Obergeschoss zur Verfügung steht, der Klage nicht zum Erfolg. Denn allein die tatsächliche berufliche Nutzung des „häuslichen Arbeitszimmers” führt nicht zur Abzugsfähigkeit der damit zusammenh ängenden Aufwendungen.
Begehrt ein Steuerpflichtiger den Abzug von Werbungskosten, so trägt er die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Tatsachen, die den Abzug der Werbungskosten dem Grunde und der Höhe nach begründen. Diesem Erfordernis hat der Kläger im Streitfall nicht genügt. Er hat sich trotz Aufforderung nicht zu Einrichtung und Nutzung der übrigen Räumlichkeiten geäußert, sondern stets nur die Nutzbarkeit des sog. Amtszimmers verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
Dabei war zu berücksichtigen, dass dem Klagebegehren durch Änderungsbescheid vom 24. Oktober 2011 bereits teilweise entsprochen wurde.