24.08.2012
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 31.05.2011 – 10 K 10202/09
1. Lassen die Bekleidungsvorschriften einer Fluggesellschaften einer Stewardess hinsichtlich der Schuhe und der Strumpfhosen die Auswahl zwischen mehreren Farbtönen und -nuancen, verschiedenen Glattleder-/Strumpfqualitäten, verschiedenen Schuh-/Strumpfformen und sind die Kleidungsstücke ohne weiteres als private Kleidung verwendbar, scheidet eine Abzugsfähigkeit der Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch dann aus, wenn eine private Verwendung nicht erfolgt.
2. Dies gilt auch für die Kosten, die in Zusammenhang mit dem Erwerb eines – auch auf privaten Reisen nutzbaren – Koffers entstanden sind.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 10. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 31. Mai 2011 durch die Richterin am Finanzgericht … als Einzelrichterin für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand:
Die Klägerin ist als Flugbegleiterin nichtselbständig tätig. Mit dem Einkommensteuerbescheid vom 11. Mai 2009 ließ der Beklagte u.a. Aufwendungen für Uniformschuhe in Höhe von 267,26 EUR; Uniformstrumpfhosen in Höhe von 56,20 EUR sowie Koffer und Kofferersatz in Höhe von 485.68 EUR unberücksichtigt. Uniformschuhe und Strumpfhosen stellten keine typische Berufsbekleidung dar. Aufwendungen für Koffer seien auch beim fliegenden Personal keine Werbungskosten. Der Beklagte wies den Einspruch insoweit mit Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2009 als unbegründet zurück.
Die Klägerin macht geltend, ihre berufliche Tätigkeit bestehe überwiegend aus Reisen. Dabei müsse sie sowohl Uniformkleidung als auch private Kleidung mitführen. Wegen der starken Belastung und regelmäßig auftretender Beschädigungen habe sie nicht nur besonders stabile Koffer, sondern die einer Firma angeschafft, die kostenlos oder gegen geringe Beteiligung Ersatz gewähre. Im Übrigen habe der Arbeitgeber das äußere Erscheinungsbild bis ins Kleinste geregelt. So seien zur Uniform klassische dunkelblau/schwarze Glattlederschuhe zu tragen. Halbschuhe mit Schnürsenkel sind nur zur Hose gestattet. Derartige Schuhe entsprächen nicht den modischen Vorstellungen der jungen Frauen. Zudem seien die Schuhe starker Verschmutzung durch Kerosin und Beschädigung in den engen Gängen des Flugzeugs ausgesetzt. Ein Tragen im Freizeitbereich sei daher unwahrscheinlich. Auch die Beschaffenheit und Farbe der zur Uniform zu tragenden Strumpfhosen sei vorgeschrieben. Diese entsprächen in Farbe und Material auch nicht dem, was „Frau” sonst trage. Zudem sei das Tragen von Strumpfhosen aus flugmedizinischen Gründen vorgeschrieben. Die geltend gemachten Aufwendungen beträfen im Wesentlichen in Orthopädiegeschäften erworbene Stützstrumpfhosen, für die ein Eigenanteil in Höhe von 5 EUR zu zahlen gewesen sei. Auch die Strumpfhosen unterlägen einem starken berufsbedingten Verschleiß. Die Bekleidungsvorschriften seien so strikt, dass die gesamte zu tragende Bekleidung als Berufsbekleidung zu werten sei. Weiter verweist die Klägerin auf das Sitzungsprotokoll des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 8. März 2006 im Verfahren 7 K 23/05 (Inaugenscheinnahme der Uniformgegenstände) sowie die Betriebsvereinbarung Dienstbekleidung. Ziel sei die besondere Beanspruchung an Schuhen und Strumpfhosen durch die berufliche Tätigkeit berücksichtigt zu wissen. Das habe das FG Niedersachsen in einem vergleichbaren Fall getan.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2009 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 809,14 EUR berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Gründe der Einspruchsentscheidung sowie die Anweisung des Senats für Finanzen Berlin vom 16. Februar 2009. Danach bestehe keine Möglichkeit der Stattgabe. Im Übrigen ließen die Bekleidungsvorschriften hinsichtlich der Farbauswahl und auch der Schuhe durchaus Wahlmöglichkeiten zu. Die Art des Schuhwerkes und auch die Möglichkeiten der Farbgestaltung entsprächen durchaus einer üblichen Grundausstattung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid für 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs.1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die streitigen Aufwendungen für Schuhe, Strumpfhosen sowie Koffer sind Kosten der privaten Lebensführung und wegen des Aufteilungs- und Abzugsverbots des § 12 Einkommensteuergesetz nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin absetzbar.
Aufwendungen für Kleidung können als typische Kosten der privaten Lebensführung grundsätzlich weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abgezogen werden, es sei denn es handelt sich um typische Berufsbekleidung (§ 9 Abs.1 Satz 3 Nr. 6 Einkommensteuergesetz – EStG –). Dies gilt selbst dann, wenn die Kleidungsstücke nahezu ausschließlich bei der Berufsausübung gebraucht werden. Nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 19. Oktober 1970 (GrS 2/70, BStBl. II 1971, 17, bestätigt im Beschluss vom 27. November 1978 GrS 8/77, BStBl II. 1979, 213) verbietet § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich die Aufteilung von Aufwendungen für die private Lebensführung und damit den Abzug eines beruflich bedingten Teils als Werbungskosten, es sei denn, dass objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen und der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Aus Gründen steuerlicher Gerechtigkeit soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung von beruflichen und privaten Erwägungen Aufwendungen für die Lebensführung nur deshalb zum Teil in einen einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen Beruf haben, der ihnen dies ermöglicht, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müssen. Auch außergewöhnlich hohe Aufwendungen für bürgerliche Kleidung können grundsätzlich nicht zum Abzug als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zugelassen werden (BFH, Urteil vom 6. Juli 1989, IV R 91-92/87, BStBl. II 1990, 49).
Bei der Ausübung des Berufs getragene bürgerliche Bekleidung ist keine Berufsbekleidung. Das Tragen von Bekleidung ist typischer Weise dem Bereich der Lebensführung zuzuordnen. Die Ausgaben hierfür sind also, auch soweit die Bekleidung bei der Ausübung des Berufs getragen wird, gemischt und damit grundsätzlich nicht aufteilbare Aufwendungen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Kleidung ausschließlich bei der Arbeit getragen wird. Da das Bekleidetsein auch ein Bedürfnis der Lebensführung bei der Ausübung der Arbeit ist, spielen Vorgaben des Arbeitgebers und das Wechseln der Kleidung nach der Arbeit insoweit keine Rolle (BFH, Beschluss vom 16. August 1994 I B 5/94, BFH/NV 1995, 207 – dort weiße Bekleidung eines Masseurs, weiter BFH, Urteil vom 6. Dezember 1990, BStbl II 1991, 348 – zur steuerlichen Abzugsfähigkeit weißer Hemden, Socken und Hosen eines Arztes).
Liegt die Benutzung eines Kleidungsstücks als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen – allgemein und nicht bezogen auf den jeweiligen individuellen Geschmack – so sind die Aufwendungen für diese Kleidung wegen des Abzugsverbots des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ebenso wenig als Werbungskosten absetzbar wie die für jede andere bürgerliche Kleidung, die überwiegend oder auch so gut wie ausschließlich im Beruf getragen wird (vgl. FG München, Urteil vom 14. Dezember 1993 2 K 847/89 – juris – zu den Schuhen einer Krankenschwester).
Geschlossene Glattlederschuhe und Strumpfhosen eignen sich gleichermaßen als privat wie als beruflich getragene bürgerliche Kleidung. Diesen Kleidungsstücken fehlt jeglicher Uniformcharakter. Es handelt sich daher nicht um Berufsbekleidung im steuerlichen Sinne. Die Bekleidungsvorschriften lassen der Klägerin auch einen Spielraum (mehrere Farbtöne und -nuancen, verschiedene Glattleder-/Strumpfqualitäten, verschiedene Schuh/Strumpfformen innerhalb des vorgegebenen Rahmens). Da diese Kleidungsstücke ohne die Dienstuniform weder als Uniformbestandteile erscheinen noch sonst berufsspezifische Eigenschaften aufweisen, sind sie ohne weiteres als private Kleidung verwendbar. Ob die Klägerin diese Kleidungsstücke tatsächlich auch privat verwendet, ist nach Sinn und Zweck des Aufteilungsverbots nicht entscheidungserheblich. Entsprechend lehnt die Rechtsprechung die Anerkennung derartiger Aufwendungen als Werbungskosten auch ab (vgl. Urteile FG Rheinland-Pfalz vom 2. Juli 1987 3 K 217/86 – Strümpfe, Schuhe, Strumpfhosen einer Stewardess und FG München vom 15. Januar 1992 1 K 1277/90 – Schuhe einer Stewardess, jeweils in Juris). Es gibt zudem eine Reihe von anderen Berufsgruppen (z.B. Rechtsanwälte, Bankangestellte und Versicherungsvertreter), bei denen eine konservative Kleidung (Anzug, Kostüm etc.) erwartet werden oder üblich sind. Auch deren Kleidung ist ohne weiteres privat einsetzbar und es kommt nicht darauf an, ob der Berufsangehörige in seiner Freizeit zum Beispiel eher dem klassisch-konservativen, dem sportlich-legeren oder dem extravaganten Modestil zugeneigt ist (FG München, Urteil vom 15. April 2005, 15 K 4973/04 in Juris).
Das Gericht schließt sich diesen Erwägungen an. Dem vorgelegten Sitzungsprotokoll einer Verhandlung vor dem FG Niedersachsen sind keine überzeugenden Überlegungen für die dort getroffene Einigung über die pauschale Berücksichtigung von Aufwendungen für Strumpfhosen und Schuhe zu entnehmen.
Hinsichtlich der hier geltend gemachten Zuzahlungen zur Anschaffung von arbeitsmedizinisch geforderten Stützstrumpfhosen vermag das Gericht zudem auch keinen besonderen Mehraufwand der Klägerin gegenüber anderen Steuerpflichtigen zu erkennen, die ihren Aufwand für Bekleidung insgesamt als Einkommensverwendung steuerlich nicht absetzen können.
Das Gericht folgt auch nicht dem Finanzgericht Hessen, in dem von der Klägerin herangezogenen Urteil vom 3. August 1998 (9 K 228/86, EFG 1989, 173) bzw. dem Urteil vom 12. Oktober 2006 (13 K 2035/06) hinsichtlich der steuerlichen Absetzbarkeit der Aufwendungen für Reisekoffer. Es vorliegend ist weder feststellbar noch überzeugend, dass die beiden Koffer ausschließlich im Rahmen der beruflichen Tätigkeit der Klägerin genutzt werden. Die Klägerin wird wohl nach der Lebenserfahrung für private Reisen keine anderen Koffer verwenden. Zum anderen ergibt sich eine private Mitbenutzung schon allein aus der Mitnahme der privaten Dinge des täglichen Bedarfs sowie der privaten Kleidung. Insoweit gilt für die Koffer einer Flugbegleiterin letztlich nichts anderes wie für die Koffer eines jeden Steuerpflichtigen, der Dienst- oder Geschäftsreisen unternimmt. Auch insoweit dient das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG der steuerlichen Gerechtigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.